Kalter Regen
Kalter Regen prasselte mir auf die Schultern und die Haare. Mein T-Shirt war inzwischen völlig durchnässt und klebte unangenehm auf meiner Haut. Ich rührte mich nicht. Schweigend stand ich mitten auf der Strasse und wartete. Und wartete. Doch nichts geschah. Es kam kein Auto, das mich zufällig hätte überfahren können. Es kam kein Motorrad, kein Bus…nichts. Es schien als wäre die Zeit stehen geblieben. Nur der Regen behauptete das Gegenteil, indem er sich unermüdliche über die armselige Welt ergoss. Und der Wind. Der kalte Wind, der alles beherrschen wollte und die schweren Bäume leicht erzittern liess. Und ich wartete immer noch. Ein paar Raben liessen sich auf dem verdorrten Kornfeld neben der Strasse nieder. Ich blickte nach oben und sah Gewitterwolken aufziehen, gemeinsam mit der Schwärze der Nacht. Bald würde alles in der Dunkelheit versinken und sie würde nur einzelne Lichter, die stark genug waren, am Leben lassen. Und noch immer war nichts geschehen. Langsam bewegte ich mich aus meiner stundenlang anhaltenden Starre und trat einen Schritt nach vorne. Und noch einen. Ich hob meine Hand und wollte mir das Haar aus der Stirn streichen, als ich das Blut bemerkte. Und wie merkwürdig durchsichtig ich war. In der Abenddämmerung schien es, als ob mein Körper ganz hell war. Ich konnte keine Anzeichen von Wunden an mir finden und mir war schleierhaft, woher das viele Blut kam. Eine Weile stand ich einfach nur wieder da und betrachtete fasziniert meine Hände. Schwarze Wolken bedeckten den Himmel, die Nacht war angebrochen und doch konnte ich meine Hände und Arme immer noch ohne Probleme sehen. Langsam drehte ich mich um, um auf die Strasse zu blicken, die hinter mir lag. Die Dunkelheit hatte alles verschlungen, nur ein schemenhafter Schatten war zu erkennen. Zögernd lief ich los. Ein Blitz durchbrach mit seiner gewaltigen Energie die Nacht und liess die Szenerie für einen Moment lang hell erleuchtet. Ich konnte einen Körper ausmachen, der mitten auf der Strasse lag. Komisch, denn hatte ich vorhin gar nicht bemerkt. Mit ein paar schnellen Schritten hatte ich mich aufgemacht und kniete nun neben dem Körper. Ein lautes Donnern, der Nachschlag des Blitzes, durchjagte die Zeit. Ein erneuter Blitz und mir stockte der Atem. Was ich für eine fremde Person gehalten hatte, war ich. Mein Körper. Erloschen und gebrochen. Doch, wieso? Ich war doch hier. Vorsichtig stütze ich mich auf dem Boden ab und liess mich dann neben meinen Körper sinken. Wie war das möglich? Ich lag mitten auf der Strasse neben meinem Körper. Unwissend, wie viel Zeit vergangen war, durchklang die Nacht noch etwas anderes, ausser den ständigen Blitzen und den grollenden Donnern. Motorengeräusch, das stetig näher kam. Bald schon tanzten die Scheinwerfer durch die Nacht und näherten sich mir. Ich stand langsam auf und stellte mich dem Auto in den Weg, damit es anhielt. Der Wagen hielt wenige Meter vor mir und die Tür wurde aufgestossen. Im Licht der Scheinwerfer erkannte ich einen älteren Mann, der bestürzt wirkte. Er rannte auf meinen Körper zu. Dabei murmelte er: „Grosser Gott, grosser Gott!“
„Hey, hier bin ich.“, sagte ich und trat auf ihn zu. Doch er schien mich nicht zu bemerken. Er fühlte wohl gerade den Puls an meinem Körper.
„Hey! HEY!“, sagte ich lauter, wedelte mit meinen blutbefleckten Händen vor seinem Gesicht. Doch er ignorierte mich weiterhin. Er kramte nun hektisch in seinen Taschen und holte ein älteres Handy hervor. Nervös tippte er eine Nummer. Sekunden vergingen, dann nahm offenbar jemand am anderen Ende der Leitung ab und der Mann begann hektisch zu sprechen.
„Ich bin hier auf der Landstrasse zwischen Brooklyn und Hampworth. Bitte kommen sie sofort, ich glaube, das Mädchen ist tot. Ich fühle ihren Puls nicht, bitte beeilen sie sich.“
Was? Ich wollte nach dem Mann greifen, ihn an der Schulter packen und ihn rütteln, ihn anschreien, dass ich doch hier bin. Aber ich konnte nicht. Meine Hand durch glitt den Mann einfach. Ich stiess einen leisen Schrei aus und stolperte ein paar Schritte zurück. Stumm blieb ich stehen und versuchte zu realisieren, was gerade passiert war. Unaufhörlich polterte das Gewitter weiter, doch ich nahm es kaum war. Auch der Regen schien noch einmal seine Himmelsschleusen weiter geöffnet zu haben, doch ich spürte ihn nicht. Ich spürte weder die Kälte noch den Regen noch sonst etwas. Das einzige was ich fühlte war ein langsam stärker werdendes Gefühl der Unkenntnis und der Angst. Ich sank auf die Knie und blieb in dieser Haltung, während ich den Mann beobachtete, wie er ruhelos im Kreis um meinen Körper lief, sich zwischendurch wieder hinunter beugte und den Puls fühlte. Er hatte sich inzwischen seine Jacke ausgezogen und über mich gelegt. Aber ich fror doch gar nicht! Sirenengeheul der Ambulanz bereitete der friedlichen Stimme ein Ende. Ich hörte, wie sie näher kamen. Als ich bemerkte, dass sie sich auf meiner Strassenseite näherten, wollte ich aufstehen und zur Seite stehen. Doch es war zu spät. Der Ambulanzwagen fuhr in vollem Tempo auf mich zu…und durch mich hindurch. Weder einen Kratzer noch eine sonstige Verletzung erlitt ich. Geschockt sah ich zu, wie die Ambulanz bei meinem Körper hielt. Zwei Männer und eine Frau stiegen aus dem Wagen. Während die zwei Männer eine Trage aus dem hinteren Teil holten, beschäftigte sich die Frau mit meinem Körper. Ich stand rasch auf und konnte gerade noch hören wie sie zu den Männern sagte: „…keine Chance mehr, offenbar eine Lungenentzündung durch die Kälte. Sie hatte wohl Blut gehustet.“ Ah, dachte ich, das erklärt das Blut an meinen Händen. Aber ich konnte mich gar nicht erinnern, gehustet zu haben…und das ich tot war. War ich das wirklich. Nein, nein, nein, nein. Oder sollte ich mich etwa freuen. Eigentlich stand ich ja heute auf der Strasse um überfahren zu werden. Aber so zu sterben…an einer Lungenentzündung? Ich schüttelte den Kopf und lief los. Ich lief durch die Krankenhausangestellten, durch den Mann, der meinen Körper gefunden hatte, und lief einfach weiter. Ich weiss nicht, wie lange ich schon lief. Aber ich laufe immer noch hier. Ich sah Kriege ausbrechen. Ich sah Naturkatastrophen. Aber ich bin immer noch hier. Und ich laufe…und laufe…
„Hey, hier bin ich.“, sagte ich und trat auf ihn zu. Doch er schien mich nicht zu bemerken. Er fühlte wohl gerade den Puls an meinem Körper.
„Hey! HEY!“, sagte ich lauter, wedelte mit meinen blutbefleckten Händen vor seinem Gesicht. Doch er ignorierte mich weiterhin. Er kramte nun hektisch in seinen Taschen und holte ein älteres Handy hervor. Nervös tippte er eine Nummer. Sekunden vergingen, dann nahm offenbar jemand am anderen Ende der Leitung ab und der Mann begann hektisch zu sprechen.
„Ich bin hier auf der Landstrasse zwischen Brooklyn und Hampworth. Bitte kommen sie sofort, ich glaube, das Mädchen ist tot. Ich fühle ihren Puls nicht, bitte beeilen sie sich.“
Was? Ich wollte nach dem Mann greifen, ihn an der Schulter packen und ihn rütteln, ihn anschreien, dass ich doch hier bin. Aber ich konnte nicht. Meine Hand durch glitt den Mann einfach. Ich stiess einen leisen Schrei aus und stolperte ein paar Schritte zurück. Stumm blieb ich stehen und versuchte zu realisieren, was gerade passiert war. Unaufhörlich polterte das Gewitter weiter, doch ich nahm es kaum war. Auch der Regen schien noch einmal seine Himmelsschleusen weiter geöffnet zu haben, doch ich spürte ihn nicht. Ich spürte weder die Kälte noch den Regen noch sonst etwas. Das einzige was ich fühlte war ein langsam stärker werdendes Gefühl der Unkenntnis und der Angst. Ich sank auf die Knie und blieb in dieser Haltung, während ich den Mann beobachtete, wie er ruhelos im Kreis um meinen Körper lief, sich zwischendurch wieder hinunter beugte und den Puls fühlte. Er hatte sich inzwischen seine Jacke ausgezogen und über mich gelegt. Aber ich fror doch gar nicht! Sirenengeheul der Ambulanz bereitete der friedlichen Stimme ein Ende. Ich hörte, wie sie näher kamen. Als ich bemerkte, dass sie sich auf meiner Strassenseite näherten, wollte ich aufstehen und zur Seite stehen. Doch es war zu spät. Der Ambulanzwagen fuhr in vollem Tempo auf mich zu…und durch mich hindurch. Weder einen Kratzer noch eine sonstige Verletzung erlitt ich. Geschockt sah ich zu, wie die Ambulanz bei meinem Körper hielt. Zwei Männer und eine Frau stiegen aus dem Wagen. Während die zwei Männer eine Trage aus dem hinteren Teil holten, beschäftigte sich die Frau mit meinem Körper. Ich stand rasch auf und konnte gerade noch hören wie sie zu den Männern sagte: „…keine Chance mehr, offenbar eine Lungenentzündung durch die Kälte. Sie hatte wohl Blut gehustet.“ Ah, dachte ich, das erklärt das Blut an meinen Händen. Aber ich konnte mich gar nicht erinnern, gehustet zu haben…und das ich tot war. War ich das wirklich. Nein, nein, nein, nein. Oder sollte ich mich etwa freuen. Eigentlich stand ich ja heute auf der Strasse um überfahren zu werden. Aber so zu sterben…an einer Lungenentzündung? Ich schüttelte den Kopf und lief los. Ich lief durch die Krankenhausangestellten, durch den Mann, der meinen Körper gefunden hatte, und lief einfach weiter. Ich weiss nicht, wie lange ich schon lief. Aber ich laufe immer noch hier. Ich sah Kriege ausbrechen. Ich sah Naturkatastrophen. Aber ich bin immer noch hier. Und ich laufe…und laufe…