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Herzgeschnürt.

Ashlyn
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Herzgeschnürt.

Beitragvon Ashlyn » Fr 24 Jun, 2011 21:58

Herzgeschnürt.

Autor: Ashlyn
Genre: Horror | Grotesk
Anmerkung: Mal wieder etwas für einen Wettbewerb. :]








„Mein Herz ist zugeschnürt,
kann nicht mehr atmen,
nicht mehr sprechen,
nicht mehr schlagen.“


Stille. Aufwühlende, drückende Stille. Kein Entkommen, kein Entrinnen.
Ich wusste weder, wo ich war, noch wie ich hier hergekommen war. Um mich herum herrschte nur vollkommene Stille, welche hier und da von einem absonderlichen Geräusch unterbrochen wurde. Kalt war es nicht, aber trotzdem erklomm mich eine eisige Kälte von innen und drohte mich aufzufressen. Meine Lippen zitterten und mein Rücken, welcher an die feuchte, glitschige Wand hinter mir gedrückt war, tat weh. Irgendetwas hielt mich hier fest – die Dunkelheit war es jedenfalls nicht. Als ich meine Finger kneten wollte, spürte ich wie taub sie waren und dass ich sie kaum bewegen konnte. Trotzdem versuchte ich mich von der Wand loszureißen. Es gelang mir erst, als ich meine Augen schloss und mich bemühte, mich zu beruhigen. Meine Beine wollten nachgeben, doch langsam kam ich voran; setzte ein Bein nach dem anderen nach von und strengte mich an, nicht umzufallen.
Plötzlich, als ich nicht damit rechnete, spürte ich, wie ich gegen etwas Warmes und scheinbar Lebendiges stieß. Es war größer als ich und nun hörte ich auch ein leises Atmen, welches aus dessen Richtung kam und meine Nase kitzelte.
„Hallo?“, flüsterte ich rau und heiser in die tiefe Dunkelheit, die mir die Sicht versperrte. Natürlich wusste ich nicht, was mich erwartete, ob derjenige mir etwas antun wollte, aber ich musste es versuchen. Ich hörte, dass die Person sich räusperte und es klang eindeutig nach einem Mann, was mir schlagartig bewusst wurde. Wahrscheinlich hatte er mich hierher verschleppt. Reflexartig ging ich ein paar Schritte zurück und wäre um ein Haar auf dem feuchten Boden ausgerutscht, doch aus dem Nichts erschienen zwei Hände, die mich an den Schultern packten und mich hielten. In diesem Moment durchströmte mich eine merkwürdige Wärme, die ich noch nie zuvor verspürt hatte. Sie schien aus den Händen des Unbekannten zu kommen und es irritierte mich so sehr, dass ich sie weg schlug.
„Wer ist da, zur Hölle?“, rief ich und meine Stimme brach ab, weil ich husten musste. Erneut spürte ich, dass die Hände nach mir tasteten, doch dieses Mal hielt ich sie fest und drückte mich dann gegen seinen Körper, sodass er mit seinem Rücken gegen die Wand schlug und aufkeuchte. Er war warm, vielleicht zu warm, doch er fühlte sich gut an. Trotzdem rammte ich ihm meine Faust in die Magenkuhle und er sackte zusammen.
„Was soll das?“, erklang eine sanfte Stimme zu meinen Füßen und sofort nahm sie mich ein. Sie erinnerte mich an diesen leichten Sommerregen, aber trotzdem hatte sie eine gewisse männliche Attraktivität. Verwirrt hockte ich mich zu ihm und nahm seine Hand, ohne zu wissen, was ich eigentlich tat.
„Wer bist du?“, fragte ich ihn leise. Eine Weile geschah nichts, doch dann spürte ich, wie er zum Reden ansetzte.
„Ist das nicht egal? Du würdest sowieso nicht glauben, wer ich bin“, erwiderte er und ich erahnte an seinen Bewegungen, dass er aufstand. Ich tat es ihm gleich, doch ich verstand immer noch nicht. Noch mehr beschäftigte mich allerdings die Tatsache, dass ich nicht wusste, wo ich war und wie ich hier hergekommen war. Seufzend lehnte ich mich neben ihn gegen die Wand und schloss abermals die Augen. Da ich trotz aller Anstrengungen sowieso nichts sah, nützte es nichts, sie zu benutzen. Doch je mehr ich mich auf mich zu konzentrieren versuchte, desto mehr glitten meine Gedanken zu ihm, dessen Namen und Gesicht ich immer noch nicht kannte. Und es waren nicht nur meine Gedanken, die verrückt spielten. Auch mein Körper sehnte sich auf eine höchst eigenartige Weise nach ihm. Ich wollte ihn berühren, seine Haut auf der meinen spüren. So etwas hatte ich noch nie zuvor empfunden und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Vorsichtig tastete ich nach seinem Arm und streifte dabei seinen Oberkörper, welcher nackt war. Gänsehaut jagte mir über meine Haut und mein Verlangen nach ihm stieg bis ins Unermessliche. Mein Puls pochte. Aus Unsicherheit nahm ich meinen Arm wieder weg, doch er spürte scheinbar selbst in der Dunkelheit, was ich vorhatte, hielt meinen Kopf zwischen seine recht großen Hände und küsste mich, wie mich noch nie jemand zuvor geküsst hatte. Erst dachte ich, meine Lippen wären taub, doch dann erwachten sie zum Leben und schmeckten seine Lippen, die etwas herb und rau waren.
Doch mein Herz – es fühlte sich an, als wäre es zugeschnürt, sodass es nicht mehr atmen, sprechen, schlagen konnte. Für einen Augenblick schien es stillzustehen; die Dunkelheit schien mich festzuhalten und genau in diesem Moment ging plötzlich das Licht an und riss uns aus der Trance, die schon fast unheimlich war.
Sofort schaute ich nach seinem Gesicht, doch anstelle eines Gesichts klaffte dort ein riesiges, entstelltes Loch, welches aussah, als wäre dort erst vor Kurzem das Fleisch herausgerissen worden. Mein Schrei steckte mir in der Kehle, und doch hatte ich das Verlangen meinem Entsetzen Luft zu machen. Ich stolperte rückwärts gegen die modrige Wand und während ich den Raum nach einer Tür absuchte, sah ich, dass der Raum völlig verschimmelt und verwahrlost war. Eine Tür gab es. Nur leider sah sie verschlossen aus, aber ich versuchte trotzdem mein Glück. Der Gesichtslose, dessen Antlitz meinen Schritte folgte, wollte ebenfalls in Richtung Tür gehen, doch ich war schneller und zu meiner größten Verwunderung ging sie auf.
Doch was ich sah, brachte mir nicht die erwünschte Erleichterung ins Herz, sondern schnürte es nur noch mehr zusammen. Hinter dieser Tür wartete die endlose Dunkelheit auf mich...
Zuletzt geändert von Ashlyn am Do 30 Jun, 2011 19:24, insgesamt 2-mal geändert.
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Veny
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Beitragvon Veny » Fr 24 Jun, 2011 22:09

Sehr schön! :knuddel:
Du hast es wieder einmal geschafft, mich vollkommen an deinen Text zu fesseln
für wenige Minuten. Was ich besonders genial finde, ist dieser ein Satz;
Ashlyn hat geschrieben:Mein Herz ist zugeschnürt, kann nicht mehr atmen, nicht mehr sprechen, nicht mehr schlagen.

Apropos schlagen; Wer schafft es mal deine Genialität zu schlagen? :D
Und das Ende...das Ende lässt mir meine eigene Möglichkeit, das ist toll! (((:
Deine Wortwahl ist wieder einmal mehr erfüllt und wiederholt sich nicht, was ich immer wieder sehr schön finde.
Mir ist nur ein ganz kleiner Fehler aufgefallen;
Ashlyn hat geschrieben:Als ich meine Finger kneten wollte, spürte ich wie taub sie waren und sie kaum bewegen konnte.

Ich würde schreiben:
Als ich meine Finger kneten wollte, spürte ich wie taub sie waren und dass ich sie kaum bewegen konnte.
Alles in allem aber sehr gelungen, Chrissi, und ich freue mich schon jetzt wieder auf das Nächste. :D
Was ist eigentlich aus dem geworden, welches du mir letzthin geschickt hast? Ist das gut angekommen? (:
Toujour Pur

Ashlyn
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Beitragvon Ashlyn » Fr 24 Jun, 2011 22:18

Hey! :knuddel:

Dankeschön, das freut mich immer total, wenn dir meine Texte gefallen!
Das Lustige ist, dass ich zuerst so einen kleinen Gedankensplitter geschrieben hatte, der diesen Titel hatte und das hab ich dann irgendwie miteinander verbunden.
Freut mich, dass dir diese Stelle gefallen hat.

Ach, ich bin doch nicht genial.. :'D

Danke für den Vorschlag, habe ich gleich mal umgesetzt!
Das Nächste komm sicherlich demnächst irgendwann! :]

Ehm, welche hatte ich dir denn geschickt?
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Veny
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Beitragvon Veny » Fr 24 Jun, 2011 22:23

Ohne Sinne sinnlos

So hiess es. (:
Toujour Pur

Ashlyn
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Beitragvon Ashlyn » Fr 24 Jun, 2011 22:26

Achja, stimmt.
Nee, habe es nirgendwo veröffentlicht, weil ich es letztendlich schlecht fand. ^^'
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megsit
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Beitragvon megsit » Mo 27 Jun, 2011 12:24

man weiß nicht, wer sie ist, man weiß nicht, wo sie ist, und man weiß nicht, was mit ihr passiert ist. aber man kann sich so toll in die hauptperson hinein versetzen. einfach klasse! was war denn die vorgabe des wettbewerbs?
Niveau sieht nur von unten aus wie Arroganz

Ashlyn
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Beitragvon Ashlyn » Mo 27 Jun, 2011 12:32

Danke für dein Lob, Julian. :mrgreen:
Eigentlich habe ich es gleich für zwei Wettbewerbe geschrieben. Einmal für "Gefühle und Emotionen" und einmal "Gefangen in der Dunkelheit/im Schatten"... ^^
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Wehwalt
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Beitragvon Wehwalt » Mo 27 Jun, 2011 14:14

Also von der Art hast Du Dutzende von Texten auf Deiner Platte liegen, wie wir im Schätzspiel erraten mußten?
Aha ... also für meinen Geschmack ist die ganze Sache doch zu unbestimmt. Du beschreibst ja ganz nett und sprachlich sauber - über so kleine Fehler, wie einer der Cimbi aufgefallen ist, kann man ja hinwegsehen. Das einzige, was mich ins Grübeln gebracht hat, war, ob Kühle fähig ist, irgendetwas zu erklimmen. Eisige Kühle gar? Ich hätte das Wort Kühle jetzt immer verwendet als eben eine Stufe weniger kalt als richtig kalt - und eisige Kühle für einen Widerspruch gehalten. Was für einen Effekt hast Du denn erzielen wollen, der mit "eisige Kälte" nicht zu erzielen gewesen wäre?
Aber egal, diese sprachlichen Fragen. Womit ich nicht wirklich etwas anfangen kann, ist der Inhalt. Natürlich ist E. A. Poe (evtl. Lovecraft) das Vorbild - und dort kommen ja auch hin und wieder so seltsame Situationen vor, bei denen man nicht weiß, wie man hineingeraten ist. Aber ich verstehe einfach nicht - warum spricht Deine Heldin nicht zuerst, bevor sie sich eine Weg ertastet? Am Anfang gab es Geräusche - kamen die von dem Fremden ohne Gesicht, der so gut küssen konnte? Womit küßte er?
Also handelt es sich alles um ein Traumgesicht mit sich wandelnden Umständen und Figuren, wobei es mich wieder wundert, daß ausgerechnet die taktilen Sinneseindrücke als einzige zuverlässig zu funktionieren scheinen. Kann sein, daß man so etwas träumt - aber was soll dann der Leser aus diesem Gespinst herausziehen? Nun ja ... es verwirrt mich ein wenig, eine Metapher für die Metapher für die Metapher vorzufinden. Zuviel in der Schwebe.
Das ist aber auch das erste Geschichtchen, das ich von Dir lese, Christina - vielleicht muß man sich ja mehr davon zu Gemüte führen, um in diese flirrend irreale Welt einzutauchen. Einstweilen weiß ich nicht, "was uns der Autor heute noch damit sagen will".
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Lady Midnight
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Beitragvon Lady Midnight » Di 28 Jun, 2011 10:08

Hihi, also ich fand es sehr spannend, obwohl es auch mir zu undurchsichtig war. :D Aber dennoch lesenswert irgendwie, also auf jeden Fall speziell ;)
"You do not fear... You do not falter. You do not yield."

Ashlyn
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Beitragvon Ashlyn » Do 30 Jun, 2011 19:37

Erstmal danke ihr Beiden, dass ihr diesen Text gelesen habt :) Freut mich sehr.

Zu Wehwalt:
Ehm, nein, ich schreibe eigentlich alles durcheinander, aber momentan schreibe ich eher etwas in dieser Richtung, weil mich das sehr fasziniert.
Okay, habe "Kühle" da durch "Kälte" ersetzt; hatte zunächst Angst, dass es zu wiederholend klingt, wenn ich zuerst "kalt" und dann nur wenige Wörter weiter "Kälte" benutze, aber es geht so, denke ich. Danke für dein Hinweis auf jeden Fall. (:

Nun, es ist natürlich wahrscheinlich anders, als die Dinge, die du sonst liest, und ich denke dieses Unbestimmte und auch Irreale gehört eben zu Grotesken und es ist ja auch gewollt, dass man da viel hinein interpretieren kann. Deswegen erscheint auch vieles unlogisch.
Ich habe mich letztens mit einer Freundin unterhalten, die auch selbst schreibt und wir lesen gegenseitig des Öfteren unsere Geschichte durch. Und da ich es immer ganz interessant finde, was andere denken, was genau die Geschichten nun aussagen, habe ich sie gefragt. Ich kann ja kurz ihren und meinen Interpretationsansatz zitieren:
Marie hat geschrieben:Hmm...das ist eine gute Frage...also so eine ganz richtige Interpretation habe ich noch nicht...ich hatte bisher nur so einen Gedanken im Kopf, dass es sich vielleicht um eine Frau handelt, die immer an die falschen gerät oder so was=D Aber wirklich durchdacht habe ich das noch nicht. Was steckt denn dahinter?

Chrissi hat geschrieben:Ehm, sie ist ja im Dunkeln "gefangen" - es wird ja auch nicht erwähnt wie sie hingekommen ist ect; die dunkelheit soll ihr inneres symbolisieren und der mann, den sie trifft, ist eben die verkörperung ihrer angst, der dunkelheit ect - zu der fühlt sie sich zunächst hingezogen, aber als sie dann sein "wahres ich" sieht, bekommt sie wieder angst, will weg, aber als sie die tür (also freiheit; licht) findet, gerät sie wieder ins dunkel....

Marie hat geschrieben:Das hört sie stimmig an! Sie ist also Gefangene ihrer Selbst, Gefangene ihrer Angst.. [...]
Ich hatte gedacht, dass die Dunkelheit die Anonymität symbolisiert, der Mann einen Liebhaber darstellt, vielleicht ein One-Night-Stand, da sie ihn ja nicht kennt. Eigentlich sehnt sie sich nach Liebe, doch das können ihr die Männer nicht geben, denn sobald sie sie besser kennenlernt (Licht geht an, Dunkelheit/Anonymität verschwindet) sind die Männer leer, können ihr nicht das geben, was sie sich wünscht (leeres Gesicht)....sowas dachte ich=D=D Aber deine Version gefällt mir besser!

(Rechtschreibfehler entschuldige ich, denn die gehören zum Chat... :'D)

Ich weiß, es klingt teilweise etwas wirr, aber es sind grobe Ansätze und an sich gar keine ausführliche Interpretation.
Es ist (leider) nicht jedermanns Geschmack, aber da ich ja ein recht breites Interessengebiet in der Literatur habe, versuche ich mich an etwas Neuem; und es gefällt mir. :]
Hoffe, ich konnte dich zumindest etwas "aufklären"...

Liebe Grüße,
Chrissi


Zu Mel:
Dankeschön!
Ja, wie gesagt, so ist es gewollt. ;)
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