Es war später Nachmittag und die Sonne kitzelte Alice Winchester im Gesicht, als
diese das Büro von Minerva McGonnagall verließ. Sie lächelte bei dem Gedanken darüber, wie sie
reagiert hatte, während sie den direkten Weg zu den Ländereien ansteuerte. Ihre Strafe brachte
sie zwar auch 180, aber bei dem Gedanken daran, wie Trucy reagieren würde, wenn sie das
aussitzen musste, was sie sich da eingebrockt hatte. Ihre Wut war zumindest so weit verraucht,
dass sie kleinen Gryffindors, die an ihr giggelnd vorbeirannten, nur zuzwinkerte, anstatt ihnen einen
Fluch aufzuhetzen. Die Jungen und Mädchen machten trotzdem einen Bogen um die junge Winchester
und Alice kicherte leise in sich hinein. Während sie beinahe durchs Schloss schwebte, hörte sie hinter
sich schnelle Schritte, bevor Phoebe auftauchte und direkt vor ihr zum Stehen kam.
„Alice! Da bist du ja, ich habe dich gesucht!“
Ihre Laune sank sofort wieder auf den Nullpunkt. Phoebe konnte sie jetzt nicht gebrauchen,
geschweigedenn davon, dass sie ihr jede einzelne wertvolle Minute auf die Nerven ging, doch die
Halbwerwölfin schien ganz außer sich.
„Ja, Phoebe, hier bin ich. Was ist?“
Phoebe strahlte sie an, ein beinahe wildes Funkeln in ihren Augen ließ Alice innehalten.
„Okay, was ist los?“
„Ich weiß es nicht, aber ich bin total glücklich! Soo glücklich, Alice!“
Alice seufzte. Ja, Phoebe ging ihr mächtig auf die Nerven. Und jetzt konnte sie nicht einmal sagen, was
für ein Problem sie hatte. Typisch.
„Schön, Phoebe. Das freut mich für dich. Tut mir sehr leid, aber ich muss jetzt noch weg.“
Phoebe schien das gar nicht ernst zu nehmen, ein Lächeln legte sich auf ihr Gesicht. Sie meinte, das wäre
völlig in Ordnung, denn sie müsse ja auch noch weg. Eine Sekunde später war sie auch bereits verschwunden.
Alice lächelte in sich hinein, bevor sie weiterging, als sie eine weitere Stimme innehalten ließ.
„Alice! So sieht man sich wieder.“
Sie fuhr herum, da stand er. Jake Diamond lehnte an der Wand, ein wahrhaft sadistisches Grinsen im Gesicht.
Doch sein Gesicht hatte sich verändert, Narben hatten es verzerrt und er wirkte in etwa so wie Alice kurz
nach Delilah und ohne Make up. Alice starrte ihn nur an, einige Sekunden sagte sie gar nichts, dann fiel ihr
aber etwas ein.
„Diamond. Was ist dir denn widerfahren? Etwa eine Halbwerwölfin?“
Sie grinste. Phoebe hatte ihr in einer Schulstunde von dem Vorfall erzählt, den Alice nur begrüßen konnte.
Jake sah aus wie ein leibhaftiges Hacksteak.
„Halt dich daraus, Winchester! Du weißt nicht, was passiert ist!“
Alice kicherte leise, ihre Hand grub sich wie von selbst in ihre Umhang.
„Doch, Jake. Du hast ihre Eltern getötet. Böser Junge.“
Sie grinste und fragte sich gleichzeitig, ob Delilah sie bereits so wahnsinnig gemacht hatte, dass sie erst ihre
Opfer verarschen musste, bevor sie sie ins St. Mungo fluchte. Jake zischte etwas, was sie nicht verstand,
dann riss er den Zauberstab in die Höhe und ein roter Lichtblitz schoss auf sie zu. Hätte er das einen Tag vorher
getan, hätte Alice, aufgrund des Muskelkaters, den sie von Delilahs treffen hatte, nicht schnell genug reagieren
können. Jetzt allerdings schleuderte sie etwas zurück und rollte sich gleichzeitig weg, während etwas hinter
ihr explodierte.
„Was ist los, Jake? Nicht gut geschlafen oder warum zielst du so schlecht?“
Jakes Feixen wurde zu einem Zähnefletschen, er peitschte mit dem Zauberstab durch die Luft und Alice schaffte
es gerade noch, etwas in ihrer Nähe in eine riesige Krähe zu verwandeln, die dann in einem Funkenschauer
explodierte, als Jakes Fluch sie traf.
„Nicht, dass ich wüsste, Winchester! Du wirkst allerdings etwas lädiert! Hat der Tod deiner Eltern dich doch
so mitgenommen?“
Zorn kochte in ihr auf und sie warf einen Explosionszauber auf Jake, der sich in letzter Sekunde weg duckte und
sich auf sie stürzte. Mit dem nächsten Ereignis hätte wohl keiner gerechnet. Jake, der bereits den Zauberstab
auf ihre Kehle gerichtet hätte, ließ ihn plötzlich fallen, hob das Mädchen hoch, presste es gegen die Wand und
küsste sie so ungestüm, dass Alice kaum noch Luft bekam. Und Alice, die ihn jetzt mit Links hätte besiegen
können, erwiderte den Kuss und schlang ihre Beine um seine Hüfte. Ein Stöhnen kam ihr über die Lippen und -
„Oh mein Gott....“
Alice stieß ihn so abrupt von sich, dass er gegen die nächste Wand prallte. Sie hatte die Stimme längst erkannt,
musste aber doch noch einen Blick wagen. Phoebe Amanda Pettington stand mit leicht geöffneten Mund mitten
im Korridor und starrte sie mit einer Mischung aus völligen Entsetzen und grenzenlosem Ekel an. Alice starrte
zurück, unfähig sich zu bewegen und noch viel unfähiger, das eben geschehene zu verarbeiten. Selbst Jake
blickte leicht perplex zwischen den Beiden umher, dann auf sich, wobei der gleiche Ekel in seinem Gesicht
aufblitzte.
„Phoebe...“
stammelte Alice, nicht mehr fähig, klar zu denken. Was da passiert war, hätte nicht passieren dürfen und Alice
Winchester wusste das, dennoch war sie beinahe empört darüber, dass sie gestört worden waren. Phoebe
hingegen wusste scheinbar ganz genau, was sie denken sollte. Ihre Stimme war ein wütendes Knurren geworden
und Alice wich tatsächlich einige Schritte zurück. Das alles hier lief so verdammt falsch.
„Vergiss es, Alice. Ist ja nicht so, dass ich dir vertraut hätte. Nein, du nutzt das schamlos aus und knutscht
mit dem da rum! Und ich dachte, du magst mich!“
Alice zögerte. Phoebe war ihr so ziemlich egal, die Situation war ihr aber so peinlich, dass es ihr wichtig war,
sie dazu zu kriegen, ihr zu verzeihen. Abgesehen davon konnte sie ihr nützlich werden.
„Ist ja nicht so, dass ich sie mag... Ich will mich nur selber beruhigen...“
beruhigte sie sich in Gedanken, bevor sie besänftigend die Hände hob.
„Phoebe... Es... es tut mir leid... Ich habe nicht... Es ist einfach so... passiert...“
Phoebe lachte glockenhell auf, Zorn blitzte in ihren Augen auf. Jake schien sich ebenfalls alles andere als wohl
in seiner Haut zu fühlen, da er langsam in Richtung Treppenhaus glitt.
„Bleib stehen!“
Phoebes Stimme war ein beinahe wahnsinniges Kreischen, Jake zuckte vor Schreck zusammen und selbst
Alice kam nicht umhin, leichte Panik zu bekommen.
„Sag nicht, es ist einfach so passiert, Alice Winchester! An dir – gerade an dir – habe ich immer bewundert,
dass du einen klaren Kopf bewahrst, egal, was passiert! Also sag nicht, du wüsstest nicht, was du getan hast!
Versuch nicht dich zu entschuldigen, es ist sinnlos! Vergiss es einfach, Winchester!“
Phoebe stand plötzlich vor ihr und Alice duckte sich gerade rechtzeitig unter einem Schlag weg, der sie sicherlich
ins Land der Träume befördert hätte und zusätzlich ihren Kopf zu Brei geschlagen hätte, wäre sie nicht ausgewichen.
„Phoebe, bitte! Es reicht! Ja, ich habe mit Jake Diamond geknutscht! Und ich ekel mich vor mich selber! Ich
wollte das nicht und ich wider mich selber an, das ist mein voller Ernst. Von mir aus kannst du mich zu Brei schlagen,
aber frag dich lieber selbst, ob du es willst! Du bist keine Mörderin, Phoebe, du nicht. Aber werde nicht zu dem,
was du nicht sein willst, nur weil Jake... und ich... einen Fehler gemacht haben. Du würdest nicht nur dich selbst
enttäuschen, sondern auch viele Andere. Selina, Dumbledore, McGonnagall... Also denk bitte vorher nach, bevor
du mir den Schädel einschlägst, okay?“
Alices Mund war trocken, sie hatte das erste Mal etwas von sich getan, was sie nie erwartet hätte und direkt danach
das Gleiche nochmal. Noch nie hatte Alice interessiert, was Phoebe zustieß, doch komischer Weise war es ihr
genau jetzt nicht egal.
„Es ist nur, weil ich mich selbst schützte...“
versuchte sie sich ins Gedächnis zu rufen. Phoebe zitterte vor Zorn, schlug sie aber nicht, wich allerdings auch nicht
zurück.
„Du widerst mich an, Alice.“
presste sie hervor. Alice, die mit dem rücken zur Wand stand, lächelte zaghaft.
„So sehr, wie ich mich selber anwider, kann ich dich nicht anwidern, Phoebe.“
Und da wich sie zurück, Tränen ersetzten den Zorn und Alice konnte ihre eigenen Gefühle nicht mehr deuten,
eine Mischung aus Mitleid und Schmerz und – wahrhaftig – das Gefühl, dreckig zu sein, weil sie das getan hatte.
Mit völliger Verwirrung glitt das Mädchen an der Halbwerwölfin vorbei, sie hatte einen Kloß im Hals und als
Jake sie berühren wollte, schlug sie seine Hand zur Seite und rannte zum Gemeinschaftsraum...
Phoebe starrte auf den Punkt, wo Alice gestanden hatte, Tränen liefen ihr über die Wangen und als sie Schritte
neben sich vernahm, fuhr sie herum um Jake zornig anzufauchen.
„Wag es nicht, Jake!“
Der Junge zögerte. Dann rannte er ebenfalls weg, in Richtung See. Phoebe selbst schluckte und suchte sich rasch
ein leeres Klassenzimmer, bevor man sie noch so sehen würde.
Sie hätte nie gedacht, dass Alice das tun würde, wusste aber nicht, ob sie der jungen Winchester glauben sollte.
Sie hatte gesagt, dass sie es nicht gewollt hätte, aber warum hatte sie es dann getan? Phoebe rieb sich die
Tränen aus den Augen, doch es kamen immer Neue, die ihr Gesicht benetzten und zu Boden tropften, sodass sie
es sein ließ und stattdessen nur dasaß und nachdachte.