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Ae Fond Kiss

smokecharly
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Ae Fond Kiss

Beitragvon smokecharly » Sa 18 Apr, 2009 01:41

Dies ist eine Gemeinschaftsarbeit von Ophelia-Project aka JulesBlack und Smokecharly. Die Geschichte ist ebenfall bei FF.de online. (Über Reviews dort würden wir uns sehr freuen)

Viel Spass damit! :D

Disclaimer: Wir kennen weder Alan Rickman, noch die anderen realen Personen persönlich. Sie gehören sich alle selbst und nicht uns, mit Ausnahme der von uns frei erfundenen Personen ebenso wie der Geschichte an sich, die unserer Phantasie entspringt.
Wir verdienen kein Geld mit der Story. (Schön wärs ;-))

Der Titel "Ae Fond Kiss" ist einem Gedicht von Robert Burns entnommen und wurde von uns im Original übernommen. Die Englische Übersetzung wäre "Just one Kiss"

Anmerkung: Einige Ereignisse/Fakten sind der künstlerischen Freiheit zum Opfer gefallen, damit sie in die Geschichte passen ;-)


UPDATES ERFOLGEN REGELMÄSSIG



Inhalt: Was passiert wenn ein Schauspieler, der nichts von Journalisten hält und eine Journalistin die von Schauspielern keine Ahnung hat, aufeinander treffen.? Ausgerechnet in einem Interview das über ihre Karriere entscheidet, trifft Grace Henderson auf Alan Rickman, von dem sie noch nie gehört hat und der alles andere als einfach zu Hand haben ist. Um ihren Job zu retten muss Grace das Interview jedoch durchziehen und Alan ist zu Anfang keinesfalls gewillt sich mit einer Journalistin abzugeben, die nicht einmal seinen Namen buchstabieren kann.



When thou reviewest this, thou dost review the very part was cosecrate to thee.
Wenn Du sie überliest, so liest Du über den wahren Anteil, der dir zugesprochen.
(Shakespeare, Sonett Nr. 74)




Kapitel 1



Gate 12, Flughafen Heathrow, London, England



Nach einem anstrengenden Flug von Los Angeles nach London, war er froh endlich gelandet zu sein. Nicht nur der Flug war anstrengend gewesen, sondern auch die letzten Tage. Fünf Tage war er jetzt in Los Angeles gewesen und war von einem Termin zum nächsten gehetzt. Einzig in seinem Hotelzimmer hatte er Zeit für sich gehabt. Die er jedoch aber auch nur dazu genutzt hatte, zu telefonieren, zu duschen und zu schlafen.

Die Tage vor seinem Abflug hatte er mit Dreharbeiten, Interviewterminen und weiteren Besprechungen verbracht. Dementsprechend war er bereits mit einem ausgeprägten Jet-Lag in den USA gelandet, der sich bis jetzt auch nicht wesentlich verbessert hatte.

Müde und abgespannt verließ Alan das Flugzeug. Er hatte ganze zwei Tage frei. Zwei Tage in denen er einfach nichts tun und ausspannen konnte. Freundlich bedankte er sich bei der Stewardess, stieg die schmale Treppe hinunter und atmete die regnerische Luft Englands ein. Die kühle, feuchte Luft hatte ihm im viel zu warmen Los Angeles gefehlt.

Zielstrebig wandte er sich der Gepäckabfertigung zu, als er das Terminal erreichte. Sein Koffer, ein Taxi und ein Bett, waren das einzige das er heute noch sehen wollte. Der Jet-Lag vom Hinflug, die vielen Termine und der Rückflug forderten ihren Tribut und müde rieb er sich mit der Hand über die Augen, während er auf sein Gepäck wartete.

Wie so oft in letzter Zeit fragte er sich, ob er nicht langsam zu alt für so ein Leben war. Er war knapp 60, absolvierte aber dasselbe Pensum wie jüngere Kollegen. Dreharbeiten, Premieren, Promotiontermine und Flüge um die ganze Welt. Unwillkürlich dachte er darüber nach, wie lange er dieses Leben nun schon führte.

Es war nicht so, dass er es nicht genoss, im Gegenteil. Er liebte seinen Beruf. Trotzdem fragte er sich dann und wann, ob er nicht zu alt war. Während ein Koffer nach dem anderen an ihm vorbei kam, überlegte er ober nicht kürzer treten sollte. Oder sich zumindest mal eine Auszeit nehmen sollte. Wenn auch nur für ein paar Wochen.

Endlich, nach einer, wie es ihm schien, endlosen Zeit kam sein Koffer. Er griff nach ihm, zog ihn von dem Band und hängte sich seine Tasche wieder über die Schulter. Immerhin war er durch den langen Flug und den Jet-Lag so müde, dass er ohne Probleme schlafen konnte. Sofern er denn endlich mal nach Hause kam. Er wandte sich von dem Gepäckband ab und ging auf die Schiebetüren zu, die das Terminal vom Flughafen trennten.


Gate 18, zur selben Zeit



Als Grace das Flugzeug verließ hatte sie dröhnende Kopfschmerzen. Der lange Flug, die Zeitverschiebung und der Schlafmangel hatten dazu geführt, dass sie sich fühlte, als hätte man ihr seit Stunden auf den Kopf geschlagen. Der trübe Nebel und das nasskalte Wetter waren auch nicht gerade hilfreich und während sie die schmale Treppe nach unten stieg, wäre sie am liebsten in das nächstbeste Flugzeug zurück nach Australien gestiegen.

Vor mehr als 36 Stunden war sie aus ihrem Bett gekrochen, bei Temperaturen die diese hier um mehr als das 10-Fache übertrafen. Bei ihrem Abflug in Melbourne war von Regen weit und breit nichts zu sehen gewesen, hier jedoch nieselte es unangenehm kalt in einer Art, die Grace völlig Fremd war. Wenn es in Australien regnete, regnete es richtig. Das hier war nichts Halbes und nichts Ganzes.

Froh, Sam´s Ratschlag befolgt zu haben, zog sie die Jacke über, die sie mit ins Handgepäck genommen hatte. Obwohl sie früh am Morgen abgeflogen waren, hatten die Temperaturen in Melbourne angenehme 22° angezeigt. Hier in London waren es weit weniger.

Selbst die Jacke konnte jedoch nichts gegen das dumpfe Pochen in ihrem Kopf ausrichten. Obwohl sie den zugigen Wind auf der Landebahn abhielt und auch die feuchtkalten Regentropfen überwog doch die Müdigkeit.

Und die Überdosis Harry Potter. In den letzten Acht Stunden die sie geflogen waren, hatte sie 3 Bücher überflogen , Sam hatte ihr 3 Bücher erzählt und zwischendurch hatte sie sich auf das Interview vorbereitet, das sie morgen führen sollte.

Grace war immer noch absolut schleierhaft, warum ausgerechnet sie dieses Interview führen sollte. Ihr Aufgabenbereich umfasst eigentlich nur Restaurantkritiken und eine monatliche Kolumne die sich mit Wein beschäftigte. Jetzt jedoch sollte sie irgendeinen Schauspieler interviewen, den sie nicht einmal kannte. Abgesehen davon, das sie ohnehin keine Ahnung von Filmen oder dergleichen hatte.

Seufzend betrat sie das Terminal in dem sowohl die Gepäckausgabe, als auch der Ausgang untergebracht waren. Wenn schon nicht das Wetter dasselbe wie in Australien war, so sah zumindest der Flughafen gleich aus.

Müde und durchgefroren folgte sie Sam zur Gepäckausgabe. Ihm schien der Flug wesentlich weniger auszumachen als ihr selbst. Und trotz der langen Zeit, die sie nun schon miteinander befreundet waren, hätte sie ihn in diesem Moment am liebsten geschlagen.

Während Grace sich fühlte, als wäre sie unterwegs von Außerirdischen entführt und misshandelt worden, war Sam sowohl wach als auch äußerst gut gelaunt. Was wahrscheinlich auch der Grund war, warum er ohne Probleme durch den Zoll kam und Grace sowohl ihre Koffer auspacken, als auch erklären musste, warum sie für 4 Tage nach England reiste.

Sam hatte immerhin Mitleid mit ihr und hielt ihr einen großen Becher Kaffee entgegen, als sie endlich einreisen durfte. Einreisen in ein Land das sie bestimmt nicht vermissen würde, wenn sie erst mal wieder im warmen und sonnigen Australien war.

Ankunftsterminal



Der Kaffee half zwar nicht gegen ihre Kopfschmerzen, vertrieb jedoch wenigstens etwas ihre schlechte Laune. Nach der Brühe, die sie im Flugzeug bekommen hatten, hatte sie mit dem schlimmsten gerechnet. Womit sie auf keinen Fall gerechnet hatte, war ein großer Becher ihres geliebten Karamell Machiatos gewesen.

Grace klammerte sich daran fest und ging weiter neben Sam her. Er war schon öfter in Europa und auch in London gewesen und kannte sich aus. Es war wohl Grace´ Glück, denn in ihrem Zustand wäre sie wohl nicht mal in die Nähe eines Hotels gekommen. Der Flughafen kam ihr riesig vor, die Menschen viel zu laut und vor allem viel zu viele.

Als Grace einen Blick durch die Glasscheiben nach draußen warf und sah, dass der Regen noch zugenommen hatte, fragte sie sich wie jemand freiwillig hierher fliegen konnte. Während der High School hatte jeder davon geredet einmal nach Europa zu fliegen. Grace hatte es bis jetzt noch nie geschafft und als sie jetzt versuchte die ersten Eindrücke zu verarbeiten, wusste sie, dass es die richtige Entscheidung gewesen war.

England kam ihr trist, grau und trüb vor. Und wenn sie sich umsah kamen ihr selbst die Menschen trüb vor. Zumindest strahlten die meisten Menschen hier eine kühle Reserviertheit aus, dass sie sich vorkam wie ein Eindringling in diesem Land.

Genervt, müde und frustriert seufzte Grace in ihren Becher und versuchte nicht an das Interview zu denken. Wenn dieser Schauspieler so war wie das Wetter hier, brauchte sie eindeutig wärmere Kleidung und vor allem Massen an Kaffee um sich wenigstens auf etwas freuen zu können.



Den Kragen seiner Jacke soweit wie möglich nach oben geschlagen bahnte Alan sich einen Weg durch die Massen an Menschen. Die Hektik und der Lärmpegel machten ihm ebenso zu schaffen, wie die Müdigkeit. An solchen Tagen hatte er immer das Gefühl, das ganz London am Flughafen war. Offensichtlich war das auch der Fall, schoss es Alan durch den Kopf, als er gegen jemanden prallte.

Der Zusammenprall war nur halb so schmerzhaft wie die heiße Flüssigkeit die sich quer über seine Brust ergoss und sich langsam einen Weg über sein Hemd bahnte. Innerlich fluchend schloss er für einen Moment die Augen. Ein von Kaffee durchtränktes Hemd hatte ihm gerade noch gefehlt.

„Verdammte Scheiße! Können Sie nicht aufpassen!“

Was ihm allerdings noch weniger gefehlt hatte, war eine unverschämte junge Frau, die ihn erst über den Haufen rannte und ihn dann auch noch so anschnauzte. „Wie bitte?“ Brüskiert zog Alan eine Augenbraue nach oben.


„Nichts wie bitte!“ Wütend erwiderte Grace den empörten Blick des Mannes, ehe sie bestürzt auf ihren fast leeren Becher sah. Der Kaffee war bislang das einzige gewesen, das ihre Laune annähernd gehoben hatte, seit sie in diesem verfluchten Land angekommen war. Anstatt sich dafür zu entschuldigen, sah er sie an, als wäre es ihre Schuld gewesen. „Können Sie nicht aufpassen?“

„Ich?“

„Wer denn sonst? Der König vielleicht?“

„Bitte?“ Alan hörte für einen Moment auf damit, zu versuchen, das Gröbste mit einem Taschentuch zu beseitigen und sah sie irritiert an. Sein Blick fiel auf ihren Koffer und das Band das um den Griff gebunden war. Ihr Dialekt und der Buchstabencode auf der Banderole wiesen sie als Australierin aus. Eine Touristin. Was auch sonst.

„Können Sie auch noch was anderes sagen? Es tut mir leid oder sowas in der Art?“ fauchte Grace. Wenn alle Engländer so waren, musste sie ihre Meinung revidieren. Sie waren keineswegs unterkühlt. Engländer waren scheinbar überheblich, arrogant und unhöflich.

„Ich soll mich entschuldigen?“

„Ach quatsch, warum denn? Sie haben ja nichts getan.“

„Es war nur mein Hemd das Ihnen in die Quere kam.“ Alan griff nach dem Bund seines Hemdes und zog es von seinem Oberkörper weg. Der feuchte Stoff klebte mittlerweile unangenehm auf seiner Haut. Bis er zuhause war, würde der Stoff mehr als klamm sein. „Hier lässt man sowas reinigen.“

„Ach tut man das!“

„Das wäre angebracht.“


„Angebracht?“ Obwohl ihre Kopfschmerzen sich erneut heftig bemerkbar machten, gab Grace nicht klein bei. Sie sah auch überhaupt keine Veranlassung dazu. Er war schließlich in sie hinein gelaufen. Und wenn er so darauf bestand Engländer zu sein, kannte er den Flughafen gut genug um darauf zu achten wohin er ging. „Wie wäre es denn damit das es angebracht wäre mir meinen Kaffee zu ersetzen?“

„Ich soll Ihnen Ihren Kaffee ersetzen?“ Alan zog eine Augenbraue nach oben und sah sie verblüfft an. Ihre Unverschämtheit war beinahe schon beeindruckend, wenn sie nicht so unverfroren gewesen wäre.

„Was denn sonst? Überall hört man davon, dass englische Männer solche Gentlemen sind, zuvorkommend und höflich. Ich bin im falschen England!“



„Grace!“ Sam griff nach ihrem Arm und zog sie behutsam ein Stück weg, ehe er sich dem armen Mann zuwandte, der das Ziel von ihrem Wutausbruch war. „Entschuldigen Sie. Ich übernehme das mit dem Hemd.“

„Du willst ihm Geld geben?“ Grace riss sich von ihm los und sah ihn wütend an, als er ein Bündel Pfundnoten aus der Tasche zog und dem Mann einen Schein entgegenstreckte. „Es war seine Schuld!“

„Wir gehen jetzt Grace, bevor Sie Dich gleich wieder aus dem Land werfen.“ Er kannte Grace gut genug, um zu wissen, das sie mit dem Schlafmangel den sie akut hatte, tatsächlich Gefahr lief sofort wieder ausgewiesen zu werden. „Entschuldigen Sie nochmal. Der Jetlag.“ Fügte er leiser hinzu und deutete entschuldigend auf Grace.

„Behalten Sie das Geld lieber für Kaffee. Den scheint sie nötig zu haben.“ Kopfschüttelnd warf er noch einen Blick auf die junge Frau, ehe Alan sich abwandte. Ihm war selten eine so unverschämte, junge Frau begegnet.


„Was sollte das denn?“ Vorwurfsvoll sah Grace ihren Kollegen und Freund an. Eigentlich hätte sie von ihm erwartet, das er ihr half, nicht das er ihr in den Rücken fiel. „Es war nicht meine Schuld!“

„Lass uns einfach ins Hotel fahren. Ich spendier Dir einen neuen Kaffee und dann schläfst Du Dich erst mal aus.“

„Ich hasse England!“ fluchte Grace, bevor sie klein bei gab und sich von Sam aus dem Flughafen bugsieren ließ. Ein Bett half vielleicht wirklich etwas.

Zumindest gegen ihren Jet Lag. Gegen ihre schlechte Laune würde es wohl kaum helfen. Die war endgültig im Keller. Und würde es wahrscheinlich auch bleiben, bis sie wieder in Australien war.

Serena
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Beitragvon Serena » So 19 Apr, 2009 17:17

Huhu!

Habe die Story nun auf ff.de reviewt. Ich finde die Idee und auch die grundlegende Umsetzung wirklsich schön. Die Charaktere sind sehr gut ausgearbeitet.
Ein klitzekleines bisschen Feinschliff, z.B eine schnellere Reaktion Seitens des Fotografen wäre schön gewesen und dabei z.B eine fluchende Grace. Ich hätte sehr gelacht. ;)

Freue mich auf mehr!
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smokecharly
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Beitragvon smokecharly » Do 23 Apr, 2009 00:51

Therefore be patient, take no note of him: It is my will, the which if thou respect,
Show a fair presence and put off these frowns, and ill-beseeming semblance for a feast.
Drum seid geduldig, merket nicht auf ihn! Das ist mein Wille und wenn Du diesen ehrst, so zeig Dich freundlich, streif die Runzeln weg, die übel sich bei einem Feste ziemen.
(Lord Capulet, Romeo & Julia, William Shakespeare)



Kapitel 2



Am nächsten Tag regnete es immer noch in Strömen. Obwohl Grace die ganze Nacht geschlafen hatte und ihre Kopfschmerzen weg waren, war ihre Laune immer noch im Keller. Was einerseits am Wetter und andererseits an dem Anruf lag, den sie heute Morgen erhalten hatte.

Ihr Chefredakteur hatte es sich nicht nehmen lassen, ihr noch einmal klar zu machen, wie wichtig dieses Interview für ihre weitere Arbeit war. Seit sie vor ein paar Jahren ihre Stelle als Kolumnistin bei der Melbourne Times angetreten hatte, war sie Stephen Barnes ein Dorn im Auge.

Er hatte schon lange nach einem Grund gesucht um sie mehr oder weniger einfach loszuwerden. Als sich Emma Kennedy, die Korrespondentin der Zeitung in London, krank gemeldet hatte, hatte er die Chance ergriffen und Grace in dieses verfluchte, verregnete Land geschickt.

Ausgerechnet sie! Seufzend fuhr Grace sich mit der Hand durch die Haare und sah von den unzähligen Notizen auf, die vor ihr auf dem Tisch lagen. Abgesehen von einigen lokalen Artikeln während ihres Studiums hatte sie noch nie einen Artikel oder ein Interview verfasst, in dem es nicht um ein Restaurant, Wein oder Essen ging.

Da sie ein abgeschlossenes Weinbaustudium hatte, hatte man ihr bei der Zeitung auch nie irgendwelche anderen Bereiche anvertraut. Bis zu diesem vermaledeiten Anruf aus London. Grace erinnerte sich gut daran, wie entsetzt sie gewesen war, als Stephen sie vor 4 Tagen in sein Büro gebeten hatte und ihr eröffnet hatte, das sie nach London fliegen und das Interview mit diesem Schauspieler führen würde.

Nicht nur Grace war entsetzt gewesen. Die gesamte Kultur & Lifestyle Abteilung der Zeitung war entsetzt gewesen. Es war in der Redaktion allgemein bekannt, das sie nicht gerade das Genie war wenn es um Lifestyle und den Klatsch über Prominente ging. Das sie auf einem Weingut im Hinterland in New South Wales aufgewachsen war, war auch nicht unbedingt die ideale Voraussetzung für solch einen Job.

Trotzdem befand sie sich jetzt in London in der Lobby eines Hotels und wartete auf einen Schauspieler von dem sie noch nie etwas gehört hatte, um ein ausführliches Interview mit ihm zu führen.


„Wehe Du lässt mich da oben im Stich.“ Grace sah von den Notizen und Unterlagen auf, die sie mit Hilfe von Sam zusammengestellt hatte. Sam war der einzige Lichtblick an dieser Reise. Er war nicht nur ein Kollege, sondern auch ihr bester Freund. Sobald er erfahren hatte, dass er die Fotos zu dem Interview machen sollte, hatte er angefangen Grace mit allen wichtigen Informationen zu füttern, die sie brauchte.

„Keine Sorge. Ich rühr mich nicht von der Stelle. Denkst Du, Du kommst klar?“

„Nein.“

„Okay, dann lass uns gehen.“ Sam nahm seine Tasche, stand auf und drückte ihr aufmunternd die Schulter. „Er wird Dir schon nicht den Kopf abreißen.“


Dankbar nahm Alan die Tasse Tee entgegen. Vier von Fünf Interviews hatte er bereits hinter sich gebracht. Es war nicht gerade seine Lieblingsbeschäftigung, aber die beiden Italienerinnen, die Chinesin und die Amerikanerin hatten souveräne und angenehme Gespräche geführt, was es einigermaßen erträglich gemacht hatte. Nun stand noch ein Interview aus und dann hatte er es geschafft.

„Wer kommt jetzt?“ Wandte er sich schließlich an Nancy, eine junge Mitarbeiterin seines Managements, die sich bislang im Hintergrund gehalten und die Interviews überwacht hatte.

„Grace Henderson für die Melbourne Times.“ Erwiderte sie nach einem kurzen Blick in ihre Unterlagen. „Es ist eine halbe Stunde anberaumt und einige Fotos.“

Alan sah auf seine Uhr, ehe er nickte. Es war kurz nach Eins. Wenn das Interview fertig war, würde er endlich dazu kommen etwas zu essen und anschließend den Nachmittag zu Hause zu verbringen. Er hätte Zeit ein gutes Buch zu lesen und zu entspannen.

„Wenn Sie soweit sind, würde ich sie dann holen.“

„In Ordnung.“ Erwiderte Alan und stellte die Tasse auf den Tisch. Je schneller sie anfingen, umso schneller hatte er es hinter sich. Im Laufe der Interviews hatten die Fragen begonnen sich zu wiederholen, trotzdem hatte er jede beantwortet. Er hatte nur selten eingegriffen oder Fragen nicht beantwortet.

Wie üblich hatte er auf Fragen nach seinem Privatleben nicht geantwortet oder war sie umgangen. Die Fragen nach seinen Filmen, vor allem nach dem neuen Harry Potter Film hatte er jedoch bereitwillig beantwortet. Es war auch das Hauptthema bislang gewesen. Seine Rolle in den Filmen, seine Karriere und seine momentane Arbeit. Seufzend atmete er durch und bereitete sich auf eine weitere Fragerunde derselben Art vor.


„Miss Henderson?“

„Ja.“ Grace atmete nervös tief durch, als die junge Frau durch die Lobby auf sie zukam und stand auf. „Hi. Das ist Sam Cavanaugh, der Fotograf, der die Bilder machen wird.“ Stellte sie Sam vor, der die junge Frau freundlich begrüßte, ehe sie ihre Notizen und Unterlagen zusammenschob. Den Stapel Papiere an die Brust gedrückt versuchte sie ihre Aufregung in Griff zu kriegen. Es war soweit. Jetzt musste sie sich beweisen oder sie konnte sich einen neuen Job suchen.

„Hi, freut mich Sie kennenzulernen. Ich bin Nancy und werde das Interview betreuen.“ Sie begrüßte die beiden und ging ihnen dann voran zum Aufzug. „Sie haben insgesamt 30 Minuten. Mister Rickman wird nicht auf Fragen zu seinem Privatleben oder auf Fragen, die auf Spekulationen oder Gerüchten basieren, antworten. Ansonsten können Sie jedoch fragen was sie wollen.“ Fuhr Nancy fort, ehe sie sich an Sam wandte. „Sie können während des Interviews Ihre Bilder machen und danach noch kurz.“

Grace warf Sam einen fragenden Blick zu und schüttelte leicht den Kopf. Sie wusste schon, warum sie über Wein schrieb. Eine Weinflasche war nicht so schwierig zu handhaben. Sie erzählte einem was man wissen wollte und das ohne zu zögern.

„Ich bin sowas von geliefert!“ raunte Grace ihm zu, als sie nach Nancy den Aufzug verließen und den Flur zu einem der Zimmer entlang gingen.

„Jetzt mal den Teufel nicht an die Wand. So schlimm wird es nicht werden.“


Grace sollte Recht behalten, es wurde noch schlimmer. Im Türrahmen blieb sie stehen und starrte ihn einen Moment lang einfach nur an. Von allen Schauspielern, die England zu bieten hatte, musste sie ausgerechnet ihn interviewen. Abgesehen davon, das es weiß Gott wie viele Engländer gab, die einen vernünftigen Beruf hatten, musste ausgerechnet er Filme drehen.

„Alan, das sind Grace Henderson und Sam Cavanaugh von der Melbourne Times.“ Nancy schloss die Türe hinter sich und führte die beiden in das Zimmer.

„Wir kennen uns bereits.“ Erwiderte Alan und stellte langsam seine Tasse auf den Tisch, ehe er aufstand. Es hatte einen Moment gedauert, bis er sie erkannt hatte, was mit Sicherheit daran lag, das sie die Jeans und das leichte T-Shirt gegen ein elegantes blaues Kostüm eingetauscht hatte.

„Oh richtig. Sie sind der Kaffeeattentäter vom Flughafen!“ Übertrieben höflich streckte Grace ihm ihre Hand entgegen und sah Sam überrascht an, als er ihr unauffällig seinen Ellbogen in die Seite rammte und sie vielsagend ansah. Grace räusperte sich und beschloss seinen Angriff vom Flughafen für einen Moment zu vergessen. Wegen eines unhöflichen Engländers würde sie nicht ihren Job riskieren. „Es freut mich Sie kennenzulernen, Mister Rickman.“

„Das Vergnügen ist ganz meinerseits.“ Erwiderte Alan sarkastisch. Es war ihm alles andere als ein Vergnügen. Andererseits konnte ein Interview mit einer zickigen, unhöflichen Journalistin durchaus auch interessant werden. Er setzte sich wieder und sah sie abwartend an.

„Also gut.“ Grace setzte sich ihm gegenüber und vergrub ihre Nase in ihren Unterlagen um ihn nicht ansehen zu müssen. Sein Blick machte unmissverständlich klar, dass er über das erneute Zusammentreffen ebenso wenig begeistert war, wie sie selbst. „In Stirb Langsam spielen Sie einen Bösewicht in Stolz und Vorurteil den Helden. Was ist Ihnen lieber?“

„Sinn und Sinnlichkeit.“

„Was?“ Irritiert, über seine Antwort, sah Grace auf.

„Es heißt wie bitte und es war Sinn und Sinnlichkeit.“

„Bei uns heißt das was und das war keine Antwort auf meine Frage.“

Alan schüttelte leicht den Kopf und atmete tief durch. Wenn es etwas gab, das er außer allzu privaten Fragen noch mehr hasste, waren es inkompetente Journalisten. Trotzdem bemühte er sich um eine höfliche Antwort. „Im Prinzip ist es mir egal ob Held oder nicht, ich wähle die Rollen danach aus, wie interessant sie sind.“

„Trotzdem spielen sie meistens den Bösewicht.“

„Das scheint mir wohl zu liegen.“

Grace blätterte in ihren Notizen und suchte nach einem Thema über das sie eine vernünftige Frage stellen konnte. Unabhängig von seiner blasierten Einsilbigkeit verlief das Interview alles andere als gut.

„War das alles?“ fragte Alan nach einem Moment nach, den er damit verbracht hatte, ihr abwartend zuzusehen, wie sie in einem Haufen Papier wühlte und angestrengt die Stirn runzelte.

„Was genau hat Sie an der Rolle in Harry Potter gereizt?“ fragte sie schließlich, seine Angewohnheit lästige Gegenfragen zu stellen ignorierend.

„Es ist ein so tiefgründiger Charakter aus dem ich einfach viel herausholen kann. Man meint ihn zu kennen und entdeckt trotzdem immer wieder eine neue Seite an ihm.“

Hilfesuchend sah Grace zu Sam, da sie keine Ahnung hatte von was er sprach. Sam hatte ihr im schnellverfahren auf dem mehrstündigen Flug von Melbourne nach London versucht, soviel wie möglich über Harry Potter zu erzählen, trotzdem wusste sie nicht mehr, welchen Charakter er eigentlich spielte. Grace räusperte sich und beschloss weitere Fragen nach Harry Potter einfach zu übergehen um den Schaden so gering wie möglich zu halten. „Was ist Ihnen lieber, Shakespeare am Theater zu spielen oder Filme wie Braveheart zu drehen?“

„Haben Sie eigentlich überhaupt einen Film gesehen in dem ich mitspiele?“ Unter anderen Umständen, hätte es ihn durchaus amüsiert, dass sie offensichtlich keine Ahnung hatte. So jedoch, hielt er sie nicht nur für unfähig sondern auch noch für relativ nervtötend mit ihren unqualifizierten Fragen.

„Finden Sie es nicht unhöflich wenn man Fragen mit Gegenfragen beantwortet?“ Antwortete Grace ausweichend und ignorierte Sam, der sich hinter ihr vernehmlich räusperte.

„Ich finde es nicht unhöflich, wenn die Fragen so gestellt werden.“

„Was soll das denn jetzt heißen?“ Grace verdrehte die Augen und konnte einen giftigen Unterton nicht ganz verhindern. Obwohl sie wusste, dass er Recht hatte, brauchte sie es ausgerechnet von ihm nicht zu hören.

„Das es einfach inkompetente und alberne Fragen sind, die weder recherchiert noch durchdacht sind.“

„Was bitte war an der Frage denn albern? Und außerdem habe ich recherchiert!“

Alan überging ihre Frage und stand auf. Es kam selten vor, dass er ein Interview einfach abbrach. Er würde sich aber weder ihre lächerlichen Fragen, noch ihre unverschämte Art länger bieten lassen. „Das Interview ist beendet.“

„Was? Das können Sie nicht machen! Ich habe eine halbe Stunde mit Ihnen!“ Entsetzt sah sie von ihm zu Sam. Wenn er das Interview tatsächlich abbrach, brauchte sie im Prinzip gar nicht erst zurück nach Melbourne fliegen.

„Mister Rickman…“ begann Sam, wurde von ihm jedoch unterbrochen, als dieser sich an die Mitarbeiterin des Managements wandte, die bislang weder eingegriffen, noch etwas gesagt hatte.

„Nancy, tun Sie mir bitte den Gefallen und informieren Sie den zuständigen Redakteur der Melbourne Times. Ich bin gerne bereit, ein Interview zu machen unter der Voraussetzung, dass sie einen vernünftigen Journalisten schicken.“

„Ich bin eine vernünftige Journalistin!“ Widersprach Grace heftig und stand ebenfalls auf. Seine überhebliche Art brachte das Fass zum überlaufen. Wütend packte sie ihre Notizen zusammen und stopfte sie in ihre Tasche. Ihren Job war sie, nach diesem Anruf bei Stephen, ohnehin los. Also musste sie auch nicht mehr übertrieben freundlich sein. „Und ich bin auch nicht inkompetent und unhöflich!“

Verblüfft über ihren Ausbruch sah Alan ihr nach, als sie aus dem Raum stürmte und die Türe lautstark hinter sich zuschlug. Kopfschüttelnd trank er seinen Tee aus und fragte sich, wie man mit ihrer Unfähigkeit überhaupt einen Job bei einer Zeitung bekommen konnte.

„Mister Rickman, ich muss mich für Grace entschuldigen, aber sie ist etwas angespannt und war nervös ihretwegen. Sie ist eine ausgezeichnete Journalistin, schreibt allerdings eigentlich eine Kolumne über Wein und Restaurants.“ Begann Sam in dem Versuch, das Interview und somit Grace Job zu retten. „Sie kommt von einem Weingut und hat das auch studiert. Sie ist wirklich ein Genie, wenn es um Wein geht, hat aber bislang wenig anderes gemacht.“

„Mister Cavanaugh, es ehrt Sie, das Sie sich so für ihre Kollegin einsetzen. Ich bin jedoch kein Wein, sondern Schauspieler.“ Alan nickte ihm höflich zu, ehe er sich an Nancy wandte, sich von dieser verabschiedete und sie bat, ihn über das Gespräch mit dem Redakteur in Kenntnis zu setzen.

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Beitragvon smokecharly » Mi 29 Apr, 2009 00:41

O change thy thought, that I may change my Mind.
O ändere deinen Sinn, ich ändere mein Sinnen.
(Shakespeare, Sonett Nr. 10)



Kapitel 3



Grace war so wütend, das sie gar nicht erst auf ihr Zimmer ging, sondern zielstrebig die Hotelbar anstrebte, eine Flasche Wein bestellte und sich an einen der hinteren Tische zurückzog. Sie wartete nicht einmal bis der Barkeeper ihr das Glas hinstellte, sondern griff sofort nach der Flasche und trank einen Schluck. Der Wein war genauso grausam wie das Land und die englischen Männer.

„Dieser verdammte Mistkerl hat mich total auflaufen lassen!“

„Was meinen Sie, Miss?“

„Ach gar nichts. Und hören Sie auf mich Miss zu nennen.“ Erwiderte Grace heftig auf die freundliche Nachfrage des jungen Mannes und schüttelte frustriert den Kopf. Selbst der Barkeeper hatte diese blasierte Freundlichkeit, die sie vorhin so auf die Palme gebracht hatte. „Liegt das eigentlich an der Luft hier? Ist die Luft in England irgendwie mit Anstand verseucht? Oder stimmt was mit dem Getreide nicht?“

„Wie bitte?“

„Das ist genau das was ich meine! Können Sie sich nicht normal ausdrücken? Ohne diesen Jane Austen Schnick Schnack?“

„Sind Sie sicher, das Sie nur Wein wollen und keinen Whiskey?“

„Endlich ein vernünftiger Satz! Bringen Sie die Flasche, bitte.“ Wahrscheinlich war es ihr erstes ernsthaftes Lächeln seit sie das Hotel verlassen hatte. Whiskey war allerdings auch das perfekte Stichwort gewesen um es ihr zu entlocken. Vor allem nachdem sie eben nicht nur das Interview total versaut, sondern auch noch ihren Job verloren hatte.

Wegen einem arroganten, blasierten, überheblichen Schauspieler, der sich für etwas Besseres hielt. Grace leerte ihr Glas und schenkte sich nach. Sie war eine verdammt gute Journalistin und er hatte absolut kein Recht sie so niederzumachen, nur weil ihm ihre Fragen nicht passten.

Das er das Interview abgebrochen hatte, war übertrieben und kleinlich gewesen. Ihre Fragen waren gut gewesen und hätte er vernünftige Antworten gegeben, wäre es auch anderes gelaufen. Gut, sie hatte den ein oder anderen Film, den er gemacht hatte, verwechselt. Trotzdem war das noch kein Grund nicht zu antworten sondern stattdessen mit einer Gegenfrage zu antworten.


„Wusste ich doch, dass ich Dich hier finde.“ Sam zog seine Jacke aus und setzte sich neben sie. Nachdem sie aus dem Zimmer gestürmt war, hatte Grace sich ein Taxi genommen ohne auf ihn zu warten. „Offensichtlich muss ich Dich nicht fragen, wie es Dir geht.“

„Oh mir geht’s prima. Ich hasse England und wenn ich zurückfliege, werde ich keinen Job mehr haben und kann wieder zurück zu meinen Eltern ziehen. Das war´s mit meinem Leben. Aus, Ende, Vorbei! Dahin ist es, das schöne selbstständige Leben ohne Familienbetrieb, Wein und dem Landleben. Eigentlich dachte ich mit 40 wäre es noch früh genug sich damit auseinanderzusetzen und einfach alles aufzugeben um auf diesem verfluchten Weingut zu sitzen und Wein herzustellen. Und wegen diesem verdammten Kerl sitze ich in einer Woche schon dort!“

„Grace…“

„Fang jetzt bloß nicht mit diesen Phrasen an! Ich will kein es tut mir leid und das wird schon! Alles was ich will ist ein Vollrausch und einen Rückflug nach Australien!“

„Alles klar, keine Phrasen. Nur Whiskey.“ Sam hob die Hand und gab dem Barkeeper ein Zeichen, damit er ihm auch ein Glas brachte.

„Es hat sich noch nie jemand über meine Fragen aufgeregt! Noch nie!“ Brauste Grace erneut auf, leerte ihr Glas und hielt es ihrem besten Freund auffordernd entgegen. „Erinnerst Du Dich an dieses Interview mit diesem Stadtrat? Selbst er hat das Interview nicht abgebrochen, als ich ihn gefragt habe wie es seiner Freundin geht und es seine Ehefrau war. Und das war wohl fataler als diese beschissene Frage nach Braveheart!“

„Oh ja, wie könnte ich das vergessen.“ Sam erinnerte sich nur allzu gut an ihr erstes Interview, dass sie alleine geführt hatte. Schon damals hatte er sie als Fotograf begleitet und auch damals hatte er sie mit Whiskey aufmuntern müssen.

„Siehst Du? Ich habe ihn ja nicht gefragt ob er schwul ist. Ich habe nur diesen beschissenen Film verwechselt! Verfluchte Scheiße, dass ist bestimmt Stephen!“ Grace unterbrach ihren Ausbruch, als ihr Handy klingelte. Sie musste nicht erst auf das Display schauen um zu wissen, dass ihr Chefredakteur am anderen Ende der Leitung war. Seufzend stellte sie ihr Glas auf den Tisch und atmete tief durch. Wenn sie das Gespräch nicht annahm, würde sie nichts verbessern. „Henderson.“


„Was zur Hölle ist in Sie gefahren?“ Begrüßte Stephen Barnes sie ohne Umschweife und in einem Tonfall, der mehr als deutlich machte, dass er bereits Bescheid wusste. „Ich habe eben einen Anruf erhalten! Von Mr. Rickmans Management, das sich über die inkompetente, dilettantische Journalistin beschwert hat!“

„Stephen ich…“

„Seien Sie still, Grace! Ich will kein Wort hören! Ich konnte die Sache wieder in Ordnung bringen, aber Sie werden auf der Stelle Ihren Hintern zurück nach Melbourne bewegen und ihre Sachen packen! Für solch ein inakzeptables Verhalten ist in meiner Zeitung keinen Platz! Haben Sie das verstanden?“

„Aber ich…“

„Haben Sie das verstanden, Miss Henderson? Sie sind gefeuert! Und zwar fristlos!“


Obwohl Grace fast damit gerechnet hatte, hatte sie gehofft, dass Stephen nicht soweit gehen würde. Seine Worte hatten sie ernüchtert und ihre Wut schlagartig eingedämpft. Grace seufzte und legte auf, nachdem nur noch ein Tuten zu hören war. „Tja, das war´s.“

„Das war´s?“ fragte Sam behutsam nach, obwohl ihr Blick Bände sprach. Vorsorglich schenkte er ihr noch einmal einen doppelten Whiskey ein und legte ihr eine Hand auf ihr Knie.

„Jap, das war´s. Ich soll den nächsten Flieger nehmen und meine Sachen abholen. Ich bin gefeuert, Fristlos.“

„Oh Grace. Willst Du in Melbourne nicht noch einmal mit ihm reden?“

„Für mich und mein inakzeptables Verhalten ist in seiner Zeitung kein Platz.“ Wiederholte Grace die Worte des Chefredakteurs und zuckte mit den Schultern. „Naja, ich werde wenigstens nicht arbeitslos sein. Ich komme rechtzeitig zur Weinmesse zurück nach Swan Hill.“ Grace schluckte die Tränen runter, die ihr in die Augen traten, leerte ihr Glas und sah ihn an. „Meine Familie wird sich freuen.“



Der Anruf seines Managements ließ nicht lange auf sich warten. Alan war gerade mal eine Stunde zu Hause und hatte es sich mit einer Tasse Tee und einem Buch gemütlich gemacht, als das Telefon klingelte.

Er hatte bereits auf den Anruf gewartet, auch weil ihm weder das Interview noch die impertinente Journalistin aus dem Kopf gegangen waren. Obwohl er stets ein sehr distanziertes Verhältnis zu Pressevertretern wahrte, hatte ihn selten jemand so aus der Fassung gebracht.

„Hi, ich bin es Nancy.“ Begrüßte Nancy ihn, nachdem er abgenommen hatte. „Sie hatten darum gebeten, dass ich Ihnen Bescheid gebe.“

„Ja.“

„Ich habe den zuständigen Redakteur noch erreicht und mit ihm gesprochen. Mister Barnes ist die Angelegenheit sehr unangenehm.“

„Mmh.“ Erwiderte Alan wenig überrascht und zog abwartend eine Augenbraue nach oben, als Nancy nicht weiter sprach. „Und?“

„Mister Barnes bat mich Ihnen auszurichten, das er sich gerne selbst bei Ihnen entschuldigen und die Angelegenheit klären würde. Er bittet um einen Rückruf.“

„Konnten Sie das nicht klären?“

„Nein. Er bat mich ausdrücklich darum, dass Sie ihn zurückrufen. Er meinte das es als Chefredakteur in seiner Zuständigkeit liegt, dass zu klären und die Angelegenheit zu regeln.“

„Die Angelegenheit zu regeln?“ Für ihn gab es in dieser Sache nichts zu regeln. Der Fotograf hatte sich bei ihm entschuldigt und er würde kein Interview mehr mit ihr führen. Damit war die Angelegenheit für ihn erledigt.

„Ja. Er besteht darauf. Er sprach von irgendwelchen Konsequenzen.“

Alan schwieg einen Moment und sah aus dem Fenster. Ein dumpfes Schuldgefühl breitete sich in ihm aus, als er darüber nachdachte. Die einzig logischen Konsequenzen die das verkorkste Interview haben könnten, würde diese Miss Henderson tragen müssen. Auch wenn sie unverschämt und inkompetent war, hatte sie doch versucht das Beste aus ihrer Situation zu machen. Und vielleicht hatte er selbst auch etwas überreagiert. „In Ordnung, ich rufe ihn an.“

„Wirklich? Danke. Sie sollten sich nur beeilen, wegen der Zeitverschiebung.“

„Ich rufe ihn sofort an.“ Seufzend griff er nach einem Stift, notierte sich die Nummer und verabschiedete sich von Nancy.


Bis er sich jedoch dazu entschloss den Anruf tatsächlich zu tätigen, vergingen noch einige Momente. Nachdem er aufgelegt hatte, war Alan zurück in die Küche gegangen, hatte neuen Tee aufgebrüht und darüber nachgedacht, ob er tatsächlich anrufen sollte.

Im Nachhinein musste er einige Sachen, die er gesagt hatte, revidieren. Durch ihre impertinente und unfreundliche Art hatte er ihr vielleicht in einigen Dingen unrecht getan und war unnötig unbeherrscht gewesen.

Sie mochte tatsächlich eine gute Journalistin sein, das konnte er ihr nicht absprechen. Die Fragen waren durchaus in Ordnung gewesen, zumindest die, in denen sie nicht nach Filmen gefragt hatte, die er nie gedreht hatte. Und wenn sie tatsächlich eigentlich für die Gastronomie Seite zuständig war, waren es gute Fragen gewesen.

Alan schüttelte resignierend den Kopf und ging zurück ins Wohnzimmer. Auch wenn er sich maßlos über sie geärgert hatte und sie einfach nur unverschämt gewesen war, hatte er selbst doch seinen Teil dazu beigetragen, dass das Interview so verlaufen war. Er griff nach dem Telefon und wählte die Nummer in Australien, die Nancy ihm gegeben hatte.


„Mister Barnes. Sie hatten um meinen Anruf gebeten.“ Antwortete Alan als sich der Chefredakteur der Melbourne Times am anderen Ende der Leitung meldete.

„Ja, das habe ich. Es freut mich wirklich sehr, dass Sie mich anrufen. Unter den gegebenen Umständen, hielt ich es doch für angebracht, die Angelegenheit persönlich mit Ihnen zu besprechen.“

„Unter welchen Umständen?“

„Nun unter den gegebenen. Ich muss mich für Miss Henderson entschuldigen. Ihr Verhalten ist absolut inakzeptabel und ich versichere Ihnen das so etwas nicht wieder vorkommen wird.“

„Eine Entschuldigung habe ich bereits erhalten. Ich verstehe die Umstände nur immer noch nicht.“

„Das Interview ist nicht wie geplant verlaufen, soweit mir Ihr Management das mitgeteilt hat. Das sind Umstände, die für unsere Zeitung nicht tragbar sind und ich mich gezwungen sehe, daraus meine Konsequenzen zu ziehen.“

„Mister Barnes, ich fürchte ich kann Ihnen nicht ganz folgen.“

„Miss Henderson wurde fristlos gekündigt. Das Interview wird selbstverständlich jemand anders führen, soweit Sie dazu bereit sind es zu wiederholen.“


„Nein.“ Erwiderte Alan kurzentschlossen. Es mochte an seinen Schuldgefühlen liegen, aber der Tonfall von Stephen Barnes war der ausschlaggebende Grund, weshalb er eine Entscheidung traf. Der Mann hatte etwas an sich, das ihm nicht gefiel, vor allem die Art und Weise wie er über Grace Henderson sprach und sich ihm anbiederte. „Wenn ich ein erneutes Interview mache, dann nur mit ihr.“

„Bitte?“

„Ich bin bereit ein weiteres Interview für ihre Zeitung zu machen, unter der Voraussetzung, dass sie es führt.“

„Mister Rickman, das kann ich nicht akzeptieren. Ihr Verhalten war nicht angemessen für unsere Zeitung und…“

„Ich bin bereit, dieses Interview zu wiederholen, aber unter meinen Voraussetzungen.“ Die Spontanität, mit der er den Gedanken ausgesprochen hatte, änderte sich in eine feste Idee, als er genauer darüber nachdachte. Er hatte seinen Teil dazu beigetragen, dass sich das Interview so entwickelt hatte und er konnte diesen Teil wieder gut machen. Und er konnte gleichzeitig einen Nutzen daraus schlagen. Beiden Seiten war mit seiner Idee geholfen. „Ich werde das Interview nur wiederholen, wenn Miss Henderson es führt und zwar auf dem Weingut ihrer Familie.“

„Sie wollen was?“

„Zwei Wochen auf dem Weingut von Miss Hendersons Familie. Ich muss mich ohnehin auf einen Film vorbereiten und wäre dafür in nächster Zeit nach Kalifornien gereist. Sie hätten etwas davon und ich hätte einen Vorteil daraus.“

„Ich fürchte ich verstehe nicht…“

„Sie verstehen mich durchaus. Zwei Wochen auf dem Weingut von Miss Henderson, die ich zur Vorbereitung nutzen kann und dafür bekommen Sie ihr Interview.“

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