Leanne sitzt im Weltengericht in ihrem halloweengeschmückten Büro und arbeitet. Auf ihrem Schreibtisch steht ein riesiger geschnitzter Kürbis, in dem eine brennende Kerze steckt. Auf dem kleinen Tisch neben der Tür stehen noch drei weitere Kerzen, die dafür sorgen, dass der Raum ausreichend beleuchtet wird. An den Fenstern kleben kleine Fledermaussticker, es hängen überall Spinnweben an der Wand und an der Decke schwebt ein kleiner Geist mit großen, schwarzen aufgemalten Augen. Hinter ihr kocht in einem goldenen Topf eine leckere Kürbiscremesuppe. Der ganze Raum duftet nach dieser Suppe und durch das Feuer ist es trotz der Kälte, die draußen herrscht, angenehm warm. Doch an Feierabend ist nicht zu denken. Auf ihrem Schreibtisch liegen mindestens noch 100 schön aufeinander gestapelte Beschwerdebriefe, die sie noch abarbeiten muss. Eine undankbare Aufgabe, die sie dieses Jahr an Halloween bekommen hat. Sie nimmt sich einen Brief vom Stapel und liest ihn sich durch:
„Sehr geehrtes Fantaxy-Team oder sollte ich lieber sagen 'Verhasstes Fantaxy-Team'? Ich möchte Sie auf ein sehr schwerwiegendes Problem hinweisen. Ich bin ganz zufällig heute mal wieder auf Ihrer Seite gewesen und musste mit Bedauern feststellen, dass Sie irgendwas an meiner Frisur verändert haben. Glauben Sie ernsthaft, dass ich so fruchtbare Locken habe? Das ist ja wohl eine bodenlose Frechheit. So etwas lasse ich mir nicht gefallen, wenn Sie das nicht sofort – und ich meine SOFORT – ändern, dann wird das Konsequenzen mit sich tragen. Ich werde Sie alle in Stücke zerreißen und dann diesem komischen Vieh ganz rechts zum fressen geben – Schmollum oder wie auch immer der Name von diesem abartigen Vieh ist. Beeilen Sie sich also. Victoria.“
Der gesamte Brief wurde mit roter Tinte geschrieben, wahrscheinlich soll das schon mal eine Vorwarnung sein. Leanne schüttelt angewidert den Kopf:
„Womit habe ich das nur verdient? Ich will nicht wissen wessen Blut das ist.“
Sie zerknüllt den Zettel und wirft ihn in den überfüllten Mülleimer. Als sie sich den nächsten Brief nehmen will, hört sie von draußen einen fürchterlichen Lärm. Sie will gerade aufstehen und nachschauen wer von ihren Kollegen nun schon wieder versucht im Gang Quidditch mit fliegenden Totenköpfen zu spielen, als plötzlich die Tür mit einem lauten Knall aufspringt und die Kerzen auf dem Tisch ausgehen. Nun spendet nur noch die einsame Kerze im Kürbis dem Raum ein gedämpftes Licht. In der Tür sieht man eine große, dünne Silhouette mit einem riesigen Kopf. Leanne schaut die Gestalt genervt an:
„Sprechstunde ist erst morgen wieder. Beschwerdebriefe können draußen in den Briefkasten geworfen werden. Und nun entschuldigen Sie mich bitte.“
Sie greift genervt nach dem nächsten Brief:
„Guten Tag. Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass ich mich einer Nasenoperation unterzogen habe. Ja, was tut man nicht alles für seine Schönheit, nicht wahr? Nun sehe ich nicht mehr wie eine Schlange aus, nein! Sondern wie zwei Schlangen. Ist das nicht fabelhaft? Mit meinen beiden Schlangennasen kann ich die Muggel nun viel besser aufschnüffeln! Hahahaha! (Stellen Sie sich jetzt bitte vor, ich würde mit meinem Zauberstab wild um mich wedeln. Dann wirkt das authentischer.) Ich werde euch widerlichen Schlammblüter alle vernichten! Ein für alle mal!“
Ungläubig starrt Leanne den Brief an.
„Und das soll ein Beschwerdebrief sein? Soll ich dem glatzköpfigen Schlangensauger nun zwei Nasen in den Header zaubern oder wie?“
„Zaubern? Ich wusste gar nicht, dass du das kannst.“
Als Leanne die bekannte Stimme hörte, schaute sie hoch. Da stand immer noch diese Silhoutte in der Tür. Doch sie konnte die Stimme nicht ganz zuordnen. „Wer ist da bitte?“
„Oh Leanne... Ich bin enttäuscht! Wie kannst du nur deinen treuen Gehilfen vergessen?“
Die dünne Gestalt kommt auf den Schreibtisch zu, allmählich fällt immer mehr Licht auf sie und Leanne starrt in große schwarze Augen.
„Oh Jack Skellington, du bist es. Tut mir Leid, hätte ich vorher gewusst, dass du es bist, wäre ich natürlich freundlicher gewesen. Aber ich dachte du wärst einer dieser nervigen Leute, die ihren Beschwerdebrief höchstpersönlich bei mir abgeben wollen.“
„Natürlich nicht. Ich wollte nur mal fragen, wann denn euer Halloweenfest wieder beginnt.“
Jack schlendert durch den Raum und fasst alles fasziniert an was ihm in die Finger kommt. Dann sieht er den riesigen Topf voller Kürbiscremesuppe, nimmt sich den Löffel und schlürft genüßlich die Suppe.
„Das hat schon angefangen. Gestern Abend war die große Er...“
Als Jack das hört spuckt er die Suppe vor Schreck wieder aus und lässt den Löffel fallen.
„Bitte was? Wieso hat mir niemand Bescheid gegeben? Ich bin doch schon seit zwei Jahren dabei und helfe mit!“
„Jack, Unsere Zeit ist abgelaufen...“
„Neeeein! Neeeeein! NEIN, NEIN, NEIN! Das kann nicht wahr sein! Ich habe doch dieses Jahr ein ganz wundervolles Gratisgeschenk erfunden! Die aufziehbaren Enten mit den messerscharfen Zähnen, die ich vor zwei Jahren verbotenerweise verschenken wollte, habe ich nun nochmal erneuert. Die aufziehbare Ente 2.0 ist viel besser und brutaler natürlich! Wirklich! Ich muss sie einfach verschenken. Das braucht die Menschheit! Letztes Jahr habe ich mich doch auch gut benommen und alle Eintrittskarten brav verschickt, genau so wie vorletztes Jahr.“
„Jack, bitte beruhige dich.“
„Wer hat meinen Platz eingenommen? Sag es mir!“
„Das bringt doch nichts.“
„ Oh doch! Das sind alles Verräter!“ Jack geht auf Leanne zu und stellt sich neben sie an den Schreibtisch. „Los, sag es! Auf der Stelle!“
„Ist ja schon gut. Es ist der legendäre Graf Dracula.“
„Und der soll besser sein als ich? Dieses Bleichgesicht? Frechheit!“
Mit diesen Worten haut Jack mit seiner knochigen Faust feste auf den Tisch. Die Kerze im Kürbis erlischt und Dunkelheit breitet sich im Raum aus. Jack verlässt den Raum und lässt die verdutzte Leanne in der Dunkelheit alleine zurück. Aus dem Gang hört man nur noch ein leises Flüstern.
„Wenn ich den erwische. Na warte, du elendige Fledermaus!“