Kapitel 16
Harry sackte in die Knie und starrte ihren toten Körper an. Wie aus der Ferne konnte Hermine Voldemord laut lachen hören. Er hob den Zauberstab und zielte auf Harry. Hermine wollte Harry warnen, wollte rufen, doch ihre Kehle war zugeschnürt. Sie bekam keinen Ton heraus. Neben ihr stand, ebenso reglos, Ron und starrte auf seinen Freund, der über Ginnys Leiche kniete.
Doch Voldemord kam nicht dazu, Harry zu töten, denn etwas höchst Seltsames geschah: Aus Harrys Brust erstrahlte plötzlich ein grelles, rotes Licht, dessen Radius immer größer wurde. Der ganze Garten erstrahlte auf einmal in einem kräftigen Rot und Hermine spürte wieder die Aura, die Harry umgab. Doch dieses Mal war sie viel, viel stärker als all die Male davor.
Alle um Harry, Voldemord und Ginny herum hatten aufgehört sich zu duellieren und starrten Harry an. Und dann geschah das Unglaubliche: Ginny hob langsam den Kopf. Sie lebte. Aber lebte sie wirklich? Oder war es nur wieder ein Zauber?
Langsam ebbte die Flut des roten Lichts ab und Hermine sah, wie Voldmord auf dem Boden kniete und sich kaum noch halten konnte. Das grässliche Lachen war von seinem Gesicht verschwunden, stattdessen stand ihm die pure Panik ins Gesicht geschrieben.
Harry hatte sich seinerseits wieder erhoben und sah Voldemord nun hasserfüllt an.
„Avada Kedavra!“, schrie Harry dann plötzlich in die nun eingetretene Stille hinein und der Fluch traf Vodlemord am Kopf, den er gesenkt hatte, da er sich kaum noch halten konnte. Er wurde nach hinten ins Gras geworfen und blieb regungslos liegen. Harry senkte den Zauberstab, doch seine Augen ließen nicht von seinem Feind ab. Für einen Moment glaubte Hermine, Voldemord sei tot, doch dieser stützte sich auf seine Arme auf und versuchte verzweifelt wenigstens aufrecht zu sitzen.
Harry rief noch einmal „Avada Kedravra!“ Doch es half nichts, Voldmord wurde zwar abermals ins Gras gedrückt, doch er schaffte es, sich wieder ein Stück aufzurichten.
„Du kannst mich nicht töten, Harry“, sagte er mit erstaunlich starker Stimme. Sie war hoch und kalt, wie je zuvor. Und nun trat auch wieder das fiese Lachen in sein Gesicht.
„Du hast versagt. Ich bin unsterblich. Du hast einen Horcrux vergessen.“ Und Voldemord machte eine blitzschnelle Bewegung, worauf ein weiterer grüner Lichtblitz Harry nur knapp verfehlte.
„Kämpft weiter, ihr Nichtsnutze!“, rief er auf einmal und die Todesser nahmen sofort wieder den Kampf auf.
Hermine blickte immer noch wie gebannt auf das Geschehen, dass sich zwischen Harry und Voldemord abspielte, bis sie merkte, wie sich Ron neben ihr auf einmal in Bewegung setzte und, den Zauberstab in der rechten, Griffindors Schwert in der linken Hand, in Richtung seines besten Freundes rannte.
„Nein, RON!“, rief Hermine hinter ihm her, doch Ron war schon beinahe bei Harry angekommen. Als Voldemord das Schwert erblickte, öffnete er einen kurzen Moment vor Überraschung.
„Fang, Harry!“, schrie Ron ihm im Rennen zu und warf ihm Griffindors Schwert zu. Ein grober Fehler, denn Voldemord hatte bereits seinen Zauberstab gehoben und das Schwert in seine Hand fliegen lassen.
„Du kannst nicht gewinnen, Harry!“, lachte Voldemord. Doch hinter ihm kam eine Gestalt angerannt, die Hermine bekannt vorkam. Es war Neville! Er hechtete über Voldemord, nahm ihm das Schwert ab und rammte es ihm in die Brust. Es gab einen rieseigen Knall. Von der Stelle, wo das Schwert Voldemords Brust durchstoßen hatte, war eine Druckwelle grünen Lichts ausgegangen und hatte Neville fünf Meter durch die Luft wirbeln lassen, wo er regungslos liegen blieb. Dort, wo Voldemord bis eben auf dem Boden gelegen hatte, war überall ein sternchenartiger Nebel. Erst als sich dieser legte, sah Hermine den Körper Voldemords, der alle viere von sich gestreckt, einige Sekunden knapp über dem Boden schwebte. Dann fiel er mit einem plumpen Flop wieder zu Boden, wo er liegen blieb und sich nicht mehr bewegte.
Durch den enormen Knall hatten alle Herumstehenden wieder ihren Kampf unterbrochen. Doch selbst Dumbledore hatte die Zeit der Unaufmerksamkeit dieses Mal nicht genutzt, um noch weitere Todesser außer Gefecht zu setzen. Er starrte jetzt, genau wie alle anderen, abwechselnd auf Harry, Neville und Voldemord. Es dauerte eine Weile, bis man ein paar leise Plops hörte und ein paar Todesser begannen zu disapparieren. Erst da erwachten alle wieder aus ihrer Starre und versuchten so viele wie Möglich von der Flucht zu hindern. Doch einige, wie Hermine, Ron und Harry standen immer noch regungslos da und schauten den leblosen Körper Voldemords einfach nur an.
Hermine war sich fast sicher, dass sich jeden Moment wieder die schrecklichen, schlangenartigen Augen öffnen würden und der Kampf weiterging, doch nichts dergleichen geschah. Verunsichert sah Hermine sich um, was die anderen taten. Sie konnte keine Todesser mehr entdecken. Sie blickte auf die Seite und Rons und ihre Augen trafen sich. Er sah sie ungläubig an. Hermine erwiderte seinen Blick stumm. Dann liefen sie, wie die meisten andern zu Dumbledore, der hinter Harry stand und ihm die Hand auf die Schulter gelegt hatte.
Ein Kreis bildete sich um Dumbledore und Harry, Ginny und Neville, die immer noch auf dem Boden lagen und Voldemords Körper.
„Ist er… ist er… tot?“, brach Ron endlich die Stille und sah Dumbledore fragend an.
„Ist er tot, Harry?“, richtete dieser wiederum die Frage an Harry. Alle sahen ihn an. Er nickte stumm.
„Warum… warum kannst du so… so sicher sein?“, fragte Ron abermals.
„Ich fühle es“, antwortet er bestimmt und setzte sich ins Gras. Tränen rannen seine Wangern hinunter, doch er lachte. Sein Lachen wurde immer lauter und ebenso sein Schluchzen, das bald von anderen geteilt wurde.
Ron hatte die weinende Hermine in den Arm genommen, die sich an ihn klammerte. Hermine spürte, dass Ron leicht zitterte.
„Es ist vorbei“, flüsterte er ihr ins Ohr. „Vorbei…“
Seine Worte klangen noch lange in ihren Ohren nach.