1.Kapitel: Vita, der Zauber des Lebens
Es war getan, er war endlich gestorben, Voldemort war tot!
Doch welchen Preis musste Harry bezahlen, er, der den dunklen Lord ein weiteres Mal bezwungen hatte?
Er spürte, wie eine grausame, eisige Kälte durch seinen Körper glitt, sich in ihm breit machte.
Er versuchte zu Atmen doch die Luft wollte einfach nicht in seine Lunge gezogen werden, sein Blick trübte sich, seine Muskeln wurden schwach und er spürte noch, wie er auf dem harten, schwarzen Boden aufschlug, bevor auch der letzte Lebensfunke in ihm erloschen war.
Sein toter Körper glitt zu Boden, fiel mit einem dumpfen Geräusch auf die Leiche Voldemorts, den er in diesem harten Duell, der letzten Probe seines Mutes, bezwungen hatte.
Doch war er wirklich tot? Er spürte immer noch diese eisige Kälte, das Gefühl das etwas aus ihm gezogen wurde, die Wärme seines Blutes, oder gar seine Seele, er wusste es nicht. Er wollte es nicht wissen, es sollte einfach aufhören, wieso drang diese Kälte in seine Brust, wieso starb er nicht einfach und wurde von diesem Leid erlöst?
Plötzlich sah er ein ihm vertautes Gesicht in der Dunkelheit, die sich über seine Augen gelegt hatte.
Es war ein junger Mann, mit feuerrotem Haar, dessen von Sommersprossen übersätes Gesicht mit einem freundlichen Lächeln geschmückt war.
So schnell wie es aufgetaucht war, verblasste das Gesicht auch wieder und wurde durch ein neues abgelöst.
Eine Jugendliche, in seinem Alter lächelte ihn an, ihr braunes, langes Haar hing buschig bis über ihre Schultern herab.
Auch dieses Bild verschwand und wurde ersetzt, durch ein etwas jüngeres Mädchen als die anderen beiden, deren lange Haare die selbe charakteristische, rote Farbe wie die des Jungen hat. Sie küsste auf ihre Handfläche, öffnete sie und hauchte den Kuss in Harrys Richtung.
Er spürte wie die Kälte plötzlich verdrängt wurde, wie eine angenehme Wärme wie eine kleine Flamme in seinem Herz erwachte, es wieder aufleben ließ.
Es pochte laut, schlug schmerzhaft gegen seine Rippen, doch es scherte ihn nicht, er lebte, er-
Bevor er noch einen weiteren Gedanken fassen konnte, spürte er, wie ein elektrischer Schlag durch seinen Körper zuckte und sofort schwand jegliches Gefühl, an dass Harry sich so sehr zu klammern versuchte, so schnell wie es gekommen war.
Was für ein Spiel wurde da mit ihm gespielt?
Er konnte nicht mehr, er glaubte, dass sein Herz bald in tausend und abertausend Splitter zerspringen würde, wenn er noch lange zwischen Leben und Tod hin und her gerissen wurde.
Und da hörte er von weit entfernt, so schien es ihm, eine Stimme zu ihm herüberhallen, eine Stimme, die er nicht kannte.
„Vivo!“
Und wieder schoss ein Hitzestrahl durch seinen Körper, dieses Mal stärker, dennoch erlosch die Wärme rasch und ließ erneut die Kälte Besitz von seinem schwachen Körper ergreifen, er konnte sein Herz jetzt deutlich spüren.
Es schlug langsam, kraftlos, doch bevor es gänzlich aussetzen konnte, hörte Harry erneut diese Stimme.
„Na komm schon, kehre zurück zu den Lebenden! Vivo!“
„Es ist zu spät, sein Körper liegt wie es aussieht schon länger hier, seltsam das er noch so gut erhalten ist...“, hauchte eine andere, ausdruckslose Stimme nachdenklich.
„Na siehst du, dass muss ein Zeichen sein! Harry Potter darf nicht sterben! Hilf mir endlich!!“, flehte die andere Stimme ihren Gesprächspartner an.
„Es wird nicht funktionieren! Der Vita-Fluch wirkt nur bei Menschen die durch einen Zauber frühzeitig aus dem Leben gerissen wurden und auch nur dann, wenn sie vor ihrem Tod einen starken Lebenswillen haben.
Doch Harry Potter hat gewusst das er sterben könnte, unter Voldemort sind viele mächtige Zauber getötet worden, er hatte keinen Lebenswillen mehr, er wollte den Machenschaften es dunklen Lords ein Ende setzten, egal für welchen Preis!
Außerdem kann dieser Zauber Menschen nur kurz nach dem Tod wiederbeleben, wie bei einer Reanimation, wie sie die Muggel machen, mittlerweile ist es viel zu spät...“, erklärte die andere Stimme und wieder schwang ein schon fast gelangweilter Unterton mit.
„Dann tu du es doch! Du hast genug Macht um es zu tun!“
„Stimmt, mein Talent und meine Kraft übersteigen die jedes anderen Zauberers, aber ich bin kein Heiliger, ich kann keine Blinden heilen und längst Todgeglaubte wieder auferstehen lassen!“
„Das nicht, aber dennoch bist du nicht wie die anderen Zauberer!“
Während die beiden Stimmen weiter erhitzt stritten, wurden Harrys Ohren schlechter, er verstand sie nicht mehr, hörte nur noch unverständliches Gemurmel, sein Herz verkrampfte sich schmerzhaft und setzte aus.
„Außerdem würde ich mich eher um Potter kümmern, wenn du ihn wirklich retten willst, wäre nun die Zeit für seine endgültige Wiederbelebung, sein Herz hat gerade wieder ausgesetzt und bald wird es sich nicht mehr beeinflussen lassen...“
„Dann tu es endlich, ich flehe dich an!“
„Ist ja gut, ich tue es! Auch wenn es mir überhaupt nicht gefällt sich in den Kreis von Geburt und Tod einzumischen..., VIVO!!“
Harry riss die Augen auf und rang nach Luft.
Alles drehte sich in seinem Kopf, er atmete schnell und unregelmäßig, während er versuchte seine Hände zu seinen Schläfen zu führen, um sie zu massieren, aber seine Arme gehorchten ihm nicht.
Also versuchte er aufzustehen, aber auch das schaffte er nicht, kein einziger, müder Muskel seines Körpers wollte sich rühren.
Da fiel sein Blick auf den regungslosen Körper unter ihm.
Seine Augen weiteten sich vor Entsetzen, warum lag er auf einer Leiche? Was war passiert und wer war diese Person?
Er schloss die Augen, um alle falschen Gedanken loszuwerden und sich zu erinnern, doch je länger er nachdachte um so stärker wurden die Kopfschmerzen, die sich allmählich in seinem Schädel breit machten.
Wo war er , wie war er hierher gekommen und vor allem, wer war er?
So viele Fragen in seinem Kopf, doch nirgends fand er Antworten, wieso nicht?
Wie konnte er vergessen, wer er war, was er hier getan hatte?
„Alles okay bei dir?“
Harry sah auf und erblickte einen, wahrscheinlich sechszehn bis siebzehn jährigen Jungen, mit langen, dunkelbraunen Haar, die er nach hinten gekämmt und zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte, so dass ihm nur eine einzige, dünne Haarsträhne bis zu seinem Mund ins Gesicht fiel.
Seine dunkelgrünen Augen sahen besorgt auf Harry, als er ihm die Hand reichte, um ihm aufzuhelfen.
„Was..., ist passiert...?“, fragte Harry langsam und sah noch einmal auf die Leiche unter ihm.
„Was passiert ist? Also hör mal, du hast Volde-“
„Sei still Robert, verstehst du nicht, was los ist?“
Harry konnte nun einen etwas größeren Jungen, der wohl auf die Zwanzig zuging, neben diesem Robert sehen. Er hatte silbernes Haar, das in unzähligen Strähnen bis zu seinen Augen hinabhing und ausdruckslose, hellblaue Augen, die auf Harry gerichtet waren.
„Wie? Was soll denn sein?“, fragte Robert verdutzt, während er angestrengt Harry aufzurichten.
„Das habe ich vorhin schon gefragt!“, meinte Harry fast säuerlich, er hatte allen Grund zu fragen, denn er wusste im Moment nicht einmal wer er eigentlich war und was diese zwei Typen und eine Leiche hier taten, wobei er dieses „hier“ nicht definieren konnte.
Der silberhaarige Junge trat etwas näher an den anderen heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr, sodass ihn Harry nicht verstehen konnte.
„WAS?!“, stieß Robert sichtlich entsetzt hervor, bevor er sich an Harry wandte. „Du hast keine Erinnerungen?“
„Erinnerung an was?“, vergewisserte sich Harry misstrauisch.
„Na an dein Leben, deinen Namen, deine Geschichte...?“ Robert hatte plötzlich etwas Nervöses in seinem Blick.
„Nein, ich hatte gehofft ihr könntet mir das erzählen und auch warum das so ist..., aber da habe ich mich wohl getäu-“
„Dein Name ist Harry Potter...“, unterbrach ihn der Junge mit den silbernen Haaren und wieder sprach er mit dem für ihn wohl typischen, gelassenen Unterton.
„Und du erinnerst dich an nichts, weil du tot warst.“, schloss er ab.
„Harry Potter..., ich war,... tot?“, wiederholte Harry ungläubig.
„Ja, deshalb kannst du dich auch nicht bewegen und erinnerst dich an nichts, dein Körper einschließlich dein Gehirn war längere Zeit lang abgestorben, er muss sich erst wieder daran gewöhnen, dass dein Herz schlägt.“, antwortete Robert.
„Ihr erzählt mir doch Märchen, wie soll man von den Toten zurückkehren?“, erkundigte er sich und sein Mund kräuselte sich zu einem ungläubigen Lächeln.
Auf diese Frage hin seufzte Robert und schüttelte leicht den Kopf, doch sein silberhaariger Freund bückte sich, hob einen länglichen Holzstab vom Boden auf, der etwa einen halben Meter vor Harry auf dem Boden gelegen hatte und dieser ihn trotzdem erst jetzt bemerkte.
„Weißt du..., was das ist?“, fragte ihn der Junge, während er den länglichen, hellen Stock vorsichtig mit der linken Hand etwas herumkreisen ließ.
„Das ist meiner..., mein Zauberstab! Gib ihn mir zurück!“, rief Harry und nach dem er realisierte, was er soeben gesagt hatte, klappte ihm der Mund auf.
Was redete er da? Sein Zauberstab?
„Genau, das ist dein Zauberstab, du scheinst dich zu erinnern, weiter, gib nicht auf, dein Gedächtnis kehrt zurück!“, ermutigte ihn Robert und packte nun seine Unterarme, um ihn hochzuziehen.
„Ähm, Flynn, hilfst du mir bitte kurz?“, meinte er schließlich, da Harrys Beine immer wieder einknickten und es ihm so unmöglich machten, sich aufzurichten.
Wortlos trat der Silberhaarige neben Robert, steckte Harry seinen Zauberstab in dessen Umhangstasche und zog dann seinen eigenen, während Robert, der nun versuchte Harry auf seinen Rücken zu heben, allmählich die Kraft ausging.
„Den wirst du noch brauchen Harry...“, meinte Flynn und zog dann seinen eigenen Zauberstab, den er auf Harry richtete. Dann sagte er zu Robert gerichtet: „Hilf mit! Ich glaube ein einzelner Leviosa reicht nicht aus, um einen Menschen zu transportieren...“
„Bei dir schon!“, antwortete Robert, doch als ihm Flynn einen kühlen Blick zu warf, zog auch er seinen Zauberstab.
„Vingardium Leviosa!“, murmelten beide gleichzeitig und Harry spürte wie er mit einem Ruck in die Luft gehoben wurde und tatsächlich, er schwebte nun etwa einen halben Meter über dem Boden.
„Diesen Zauber...“, flüsterte er. „Ich beherrsche ihn..., habe ihn in meinem ersten Jahr gelernt...“ Eine kurze Pause, in der er nachdachte trat ein, dann sprach er leise weiter. „In Hogwarts, bei Professor Flitwick..., es war in der ersten Klasse...“
Unbewusst dessen, was er tat, bewegte er seine rechte Hand langsam zu seiner Umhangtasche, ertastete mit den Fingerspitzen seinen Zauberstab und umklammerte ihn, um ihn herauszuziehen.
In dem Moment in dem seine Finger den Stab umfassten, reagierte seine Erinnerungen, erst wurde alles in ein weißes Licht getaucht, so als würde ein heller Blitz direkt vor ihm einschlagen und im nächsten Moment sah er unzählige Bilder, all die Flüche die er je eingesetzt und erlitten hatte, er erinnerte sich an jede Formel, jede Handbewegung, doch nie erkannte er die Leute, die neben, oder ihm gegenüber standen.
„Alles okay Harry?”
Harry schreckte auf und ließ vor Schreck seinen Zauberstab fallen.
„Ja..., ja, alles okay...“, murmelte er.
„Der Leviosa hält nicht mehr lange an, wir müssen dich noch mal runterlassen...“, meinte Robert und ließ die Spitze seines Zauberstabes nach unten wandern.
„Kein Problem..., ich glaube, ich kann aus eigener Kraft stehen...“
So ließen Robert und Flynn die Zauberstäbe sinken und Harry stand nun mit beiden Füßen am Boden.
Zuerst schwankte er etwas, doch dann schaffte er es, Gleichgewicht zu halten, ging langsam und mit kleinen Schritten auf seinen Zauberstab zu und bückte sich um ihn aufzuheben.
„Hey, das geht ja richtig schnell!“, meinte Robert erleichtert und steckte seinen Zauberstab weg.
„Scheint so..., an was erinnerst du dich Harry?“, fragte Flynn, während sich Harry mit dem Zauberstab in der Hand wieder aufwand.
„An Flüche, es schwirren jede Menge Zauber in meinem Kopf herum, also werdet ihr wohl Recht haben, ich bin wirklich ein Zauberer, aber an mehr erinnere ich mich nicht..., nicht an mein Leben...“, hauchte er enttäuscht und senkte den Blick, er wollte einfach nicht wahr haben, dass er vergessen hatte wer er war, wer diese Leiche war und wie er in diese Lage gekommen war, was zur Hölle war bloß mit ihm passiert?
„Ist doch nicht schlimm!“, meinte Robert und versuchte ihn so aufzumuntern. „Du kannst dich wieder bewegen und eine Erinnerung ist schon zurück, es wird also schon besser!“
„Ja schon, aber ich fühle mich einfach so..., ach, ich weiß einfach nicht was ich tun soll, ich fühle mich so nutzlos, so leer...“, tuschelte Harry matt und senkte den Blick.
„Ach komm schon Harry, das wird-“, meinte Robert, doch Flynn unterbrach ihn.
„Denke nicht zuviel darüber nach Harry, so versinkst du nur in Trauer, in der du schließlich ertrinkst..., ich habe mir früher oft die Frage gestellt, wer ich bin und glaube mir, ich hatte allen Grund dazu, aber jetzt bin ich darüber hinweg...“
„Auch wenn du immer so still bist!“, warf Robert grinsend ein und zu seiner Erleichterung, zeigte sich auch auf Harrys Gesicht ein leichtes Lächeln.