So, hier mal die Geschichte, an der ich gerade schreibe
Schwatzend lehnten zwei Jungen an einer Absperrung zwischen Gleis neun und zehn. Der eine hatte haselnussbraune Augen und zerstrubbeltes, schwarzes Haar, der andere strich sich gerade sein braunes, langes Haar aus den Augen.
„Die Muggel sind doch aber echt zu blöd“, meinte der braunhaarige Junge. „Hogwarts ist praktisch direkt vor ihrer Nase, aber sie merken nichts. Naja, würde für die sowieso nur aussehen wie eine baufällige Ruine.“ Er lachte. „Die UTZ-Prüfungen dieses Jahr werden bestimmt voll einfach, nicht wahr, Krone?“
Der Junge namens Krone nickte. „Und ob. Die ZAG-Prüfungen haben wir ja auch beide mit „ohnegleichen“ bestanden.“
ZAGs waren Zaubergrade, Prüfungen, die die Schüler in Hogwarts, der Schule für Hexerei und Zauberei, im fünften Schuljahr absolvieren müssen, die UTZ-Prüfungen (Unheimlich toller Zauberer) wurden im siebten und letzten Schuljahr abgefragt.
Während sie noch schwatzten, kippten sie seitlich durch die Absperrung zwischen Gleis neun und zehn; durch eine allem Anschein nach massive Steinmauer.
Auf der anderen Seite hing ein Schild mit der Aufschrift „Gleis 9 ¾“, ein scharlachroter Zug mit der Aufschrift „Hogwarts-Express“ wartete am Gleis und stieß einen Pfiff aus.
Krone und der Braunhaarige stiegen ein und machten sich auf die Suche nach einem leeren Abteil. In einem Abteil saß ein blasser Junge, der in ein Buch vertieft war und ein kleiner Junge mit mausgrauem Haar, der aus dem Fenster starrte.
„Alles klar, Moony?“, sagte der Braunhaarige zu dem mit dem Buch und setzte sich ihm und dem Jungen mit dem grauen Haar gegenüber.
Moony schaute auf. „Hallo. Tatze!“
„Hey, Wurmschwanz“, meinte Krone vergnügt und ließ sich neben Tatze sinken. „Wie war der Sommer?“
Wurmschwanz drehte den Kopf und sah Krone an. „Meine Mutter wollte mich erst nicht wieder nach Hogwarts lassen, weil ich aus Versehen ein Fenster eingeschlagen hab bei dem Versuch, besser in Quidditch zu werden.“
Krone schüttelte den Kopf. „Hast du immer noch vor, ein besserer Sucher zu werden? Du wirst den Schnatz nie gefahrlos fangen können.“
Der Schnatz war ein kleiner, goldener Ball mit Flügeln. Er wird beim Quidditch eingesetzt, einem Spiel auf Besen mit sieben Spielern. Es gibt drei Ballarten:
Drei Jäger spielen sich den Quaffel zu, einen großen, roten Ball. Sie versuchen ihn durch eine von drei Torstangen in Ringform, die in etwa zwanzig Metern Höhe angebracht waren, zu werfen.
Die Aufgabe der Klatscher ist es, einen Spieler zu behindern. Damit er mit dem Quaffel kein Tor erzielen kann, oder die Spieler von ihren Besen zu werfen. Klatscher sind verzauberte, fliegende Bälle.
Der Sucher konzentriert sich (mit Ausnahme der Klatscher) nur auf einen kleinen, goldenen Ball mit Flügeln, den goldenen Schnatz. Wenn der Schnatz vom Sucher gefangen wird, bekommt die Mannschaft hundertfünfzig Punkte extra und das Spiel ist vorbei. Allerdings ist er fast unmöglich zu sehen.
Wurmschwanz sah ihn begeistert an. „Aber klar doch! Irgendwann werde ich mal so gut wie du. Bringst du mit was bei?“, fragte er aufgeregt, doch Krone hörte ihm nicht mehr zu. Soeben hatte er Lily Evans entdeckt, eine hübsche, rothaarige Frau, die mit Krone im selben Schuljahr war. Sie stand alleine im Gang und schien auf jemanden zu warten.
Krone fuhr sich noch einmal durchs Haar, dann schlenderte er betont lässig auf Lily zu und sagte laut: „Alles klar, Evans?“
Evans wandte sich zu ihm um und musterte ihn kühl. „Was willst du, Potter?“ Aus ihrer Stimme klang deutlich Verachtung raus.
Krone grinste. „Na ja, es ist doch dieses Jahr wieder ein Weihnachtsball, nicht wahr?“
Evans nickte. „Was du nicht sagst.“
Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. „Ich habe mir gedacht, du würdest vielleicht mit mir hingehen?“ James blickte sie träumerisch an.
Lily schnaubte. „Ich würde nicht mal mit dir zum Ball gehen, wenn du der letzte Mann auf Erden wärst! Du bist arrogant und nervtötend, Potter, also zisch ab!“ Mit diesen Worten wandte sie sich um und stolzierte davon. James starrte ihr mit offenem Mund nach.
„Nicht besonders gut gelaufen, was?“, grinste Sirius als er, James und Wurmschwanz in die großen, pferdelosen Kutschen stiegen, die die Schüler nach Hogwarts brachten.
„Das weiß ich selber!“, fauchte James.
Wurmschwanz murmelte etwas Unverständliches, was ein bisschen nach „Der ist aber heute auch gut drauf“ klang.
„Was haben wir heute noch?“, fragte Sirius, um James abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen (er guckte ziemlich missmutig drein).
„Verwandlungen und Wahrsagen“, nörgelte James. „Zum Kotzen, diese Fächer!“
„Wahrsagen“, wiederholte Sirius grinsend. „Da ist wohl mal wieder unser Einfallsreichtum gefragt, nicht wahr, Wurmschwanz?“
Wurmschwanz nickte eifrig. „Hoffentlich müssen wir nicht wieder in diesen Glaskugel-Nebel starren und so tun, als könnten wir irgendetwas aus diesem Dunstschleier erkennen. Mir gehen langsam die Ideen aus.“
Die Stunde Wahrsagen verbrachten sie damit, müde in ihre Glaskugeln zu glotzen, wobei sie versuchten, etwas mehr aus der milchig-weißen, nebligen Substanz zu deuten, als das die Wettervorhersage für morgen Nebel lautete.
Der Verwandlungsunterricht gestaltete sich wesentlich interessanter und anspruchsvoller (was wohl auch nicht sonderlich schwer war): Sie sollten eine Ratte in eine Porzellantasse verwandeln, was jedoch nicht so recht gelingen wollte. Viele Ratten behielten ihre Schwänze, während der Rest von ihnen unverkennbar zur Tasse wurde und andere sprangen ängstlich und fiepend vom Tisch und versteckten sich in einem Hohlraum im Lehrerpult, als sie versuchten, sie mit de, Zauberstab zu berühren.
Der Verwandlungsunterricht endete damit, dass sie die Hausaufgabe bekamen, zwei Rollen Pergament darüber zu schreiben, was bei einer Verwandlung alles schief gehen kann.
„Zwei Rollen Pergament! Bis morgen! Die Frau spinnt wohl!“, beschwerte sich Wurmschwanz, als sie in ihre Schlafsäle trotteten.
„Ach komm schon, Wurmschwanz“, sagte James ungeduldig. „So schwer ist das dann nun auch wieder nicht.“
Moony, der bisher schweigend und in ein Buch vertieft neben Wurmschwanz hergetrottet war, blickte auf und sagte: „James hat Recht. Du schreibst einfach noch ein bisschen drum rum und schon hast du es.“
Wurmschwanz zog es vor, den restlichen Weg zum Gryffindor-Gemeinschaftsraum nicht weiter auf das Thema einzugehen.
„Butterbier“, sagte Sirius. Als sie vor einem Portrait einer besonders fetten Dame in rosa Kleid standen. Das Bild schwang zur Seite und gab einen Durchgang frei, der in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors (eines der vier Häuser in Hogwarts; es gibt Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin. Die Häuser sind allesamt nach den Gründern von Hogwarts, Godric Gryffindor, Helga Hufflepuff, Rowina Ravenclaw und Salazar Slytherin, benannt.) führte.
Die Vier traten ein und beschlagnahmten die Sessel aus rotem Samt am Kamin, in dem ein schönes, warmes Feuer prasselte.
Moony kramte in seiner Tasche, holte Feder und Pergament heraus und begann, die Hausaufgaben für den morgigen Tag anzufertigen. James beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. „Du fängst jetzt schon an?“
Moony nickte. „Ich habe keine Lust, abends noch etwas zu machen.“
„Ich mache das gar nicht. Das weiß ich sowieso alles“, meinte James und fuhr sich durchs Haar, um es noch unordentlicher zu machen, als es sowieso schon war. „Wie spät ist es, Moony?“
Moony blickte auf seine kleine, silberne Armbanduhr. „Halb sechs.“
„Kommt jemand mit aufs Gelände?“, fragte James und guckte in die Runde, guckte erst Wurmschwanz an, dann Moony und dann Sirius.
Sirius und Wurmschwanz nickten, aber Moony schüttelte den Kopf. „Geht ruhig. Ich mache erst mal meine Hausaufgaben fertig.“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Okay. Krone, Wurmschwanz, kommt ihr?“ Er stand auf und ging zum Portraitloch. James folgte ihm, aber Wurmschwanz zögerte. „Weißt du, ich glaube, ich mache auch erst mal meine Hausaufgaben.“ Mit diesen Worten wuselte er hoch in den Jungenschlafsaal, um seine Tasche zu holen, während Sirius und James den Gemeinschaftsraum durch den runden Ausgang des Portraitlochs verließen und den Weg zum See einschlugen, ohne zu wissen, was sie dort erwarten würde.
„Sieh mal, wer da ist, Tatze“, meinte James angewidert, als der See in Sicht kam und deutete auf eine unbestimmte Stelle nicht weit von ihrem Standpunkt auf der gegenüberliegenden Seite des Sees irgendwo bei einem Baum.
Sirius blickte zum See. Er sah sofort, wen James meinte: Unter einer Buche saß ein Teenager mit schwarzem, fettigem Haar, der in ein Buch mit schwarzem Umschlag und (soweit sie das von ihrem Standort aus erkennen konnten) ohne Aufdruck vertieft war.
„Nicht schon wieder der“, sagte Sirius angewidert, während sie sich dem Teenager näherten. „Kann der seine dunklen Künste nicht wo anders pauken?“
Sie gingen weiter, bis sie so nah an dem Jungen dran waren, dass sie sicher sein konnten, dass er sie zwar hören, aber noch nicht sehen konnte. Dann fragte James: „Na, Schniefellus, alles klar? Paukst du wieder für die dunklen Künste?“, setzte er mit einer Stimme hinzu, als wäre Schniefellus eine besonders ekelige Insektenart und trat aus dem Schatten des Baumes hervor, hinter dem er und Sirius Schniefellus eben noch beobachtet hatten.
Schniefellus sprang wie vom Donner gerührt auf, drehte sich zu Sirius und James um und zückte seinen Zauberstab, aber James war schneller und rief: „Expelliarmus!“
Schniefellus’ Zauberstab flog ihm in hohen Bogen aus der Hand und landete etwa einen Meter von ihm entfernt im Gras.
„Gib es auf, Schniefellus“, sagte Sirius kalt. „Du wirst dich niemals gegen uns behaupten können.“
Schniefellus sah ihn verächtlich an.
„Heb deinen Zauberstab auf, Schniefellus. Das wäre sonst ja nicht fair“, sagte James und heuchelte Mitleid für ihn.
Sirius feixte: „Oder willst du lieber gleich aufgeben und alles deiner Mami petzen? Weiß sie überhaupt, dass du so feige bist?“
Schniefellus warf beiden einen hasserfüllten Blick zu und hob seinen Zauberstab vom Boden auf.
„Imperdimenta!“, rief James und Schniefellus flog einen halben Meter durch die Luft. Ächzend blieb er im Gras liegen, während Sirius und James mit erhobenen Zauberstäben auf ihn zugingen.
„Geh und pauke weiter für die dunklen Künste, aber verschone und mit deinem Anblick, Snape.“ James schüttelte sich und tat, als wäre Snapes Anblick mindestens so schlimm wie der von zehn Dementoren. (Dementoren waren die Wächter von Askaban, dem Zauberergefängnis. Sie waren blind, hatten aber einen Mund, mit dem sie alles Glück und die Seele aus einem heraussaugen konnten.)
Snape warf Sirius und James einen letzten, hasserfüllten Blick zu, dann verschwand er in Richtung Eingangsportal des Schlosses.
„Der wird uns so schnell nicht mehr unter die Augen treten“, meinte James grinsend und steckte seinen Zauberstab weg.
Sirius sagte trocken: „Darüber bin ich echt froh. Dann kann er uns wenigstens nicht mehr mit seiner Fettmähne blenden.“
Bestens gelaunt gingen sie zurück in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors.
„Und, wie war es?“, fragte Wurmschwanz aufgeregt und sah Sirius und James gespannt und mit großen Augen an. „Was hat Snape gemacht? Was habt ihr gemacht?“
Lupin hatte nur kurz aufgeblickt, als Tatze und Krone den Gemeinschaftsraum betreten hatten, aber Wurmschwanz löcherte die beiden mit Fragen. „Hat er blöd ausgesehen?“
„Auch nicht blöder als sonst“, sagte James. Er guckte auf die Uhr. „Ich muss los. Hab jetzt Quidditch-Training. Bis dann.” Er ging nach oben, um seinen Besen zu holen und Wurmschwanz folgte ihm.
„Was ist, Wurmschwanz?“, fragte James und drehte sich zu ihm um.
Wurmschwanz errötete. „Ich dachte mir nur, ich könnte einmal zugucken, wie ihr trainiert.“
James zuckte mit den Schultern. „Von mir aus. Aber das musst du mit Clark abklären.“
Thomas Clark war der Kapitän der Gryffindor-Quidditchmannschaft, ein großer, schlaksiger Junge, der mit James, Wurmschwanz, Sirius und Moony im selben Schuljahr war.
Wurmschwanz sah aus, als wäre Weihnachten früher gekommen.
Wurmschwanz saß im Gemeinschaftsraum, als Clark hereinkam. James warf Wurmschwanz einen kurzen Seitenblick zu und Wurmschwanz fragte Clark: „Kann ich euch mal beim Quidditch-Training zugucken?“
Clark zuckte mit den Schultern. „Von mir aus“, sagte er gleichgültig.
Als Wurmschwanz die Treppe zum Jungenschlafsaal hochstieg, grinste er übers ganze Gesicht.
James und die Mannschaft der Gryffindors gingen aufs Spielfeld, während Wurmschwanz sich auf der Tribüne niederließ.
Clark brachte die Truhe herbei, in der die Bälle verstaut waren und ließ die Klatscher und den Schnatz los.
Die Spieler bestiegen ihre Besen und stießen sich gen Himmel ab, gefolgt vom Quaffel und von Clark, der auf die goldenen Torstangen zusteuerte, um sie, wie es sich für einen Hüter gehörte, zu schützen.
Wurmschwanz verfolgte das Training mit großen Augen und stieß immer wieder Jubelrufe aus, bis Clark ihm deutlich machte, dass er entweder leise sein sollte, oder das Spielfeld verlassen sollte.
Ansonsten verlief das Training makellos.
„Wenn wir so weitermachen, haben selbst die Ravenclaws keine Chance gegen uns“, lobte Clark sie, als sie in ihre Umkleideräume marschierten. „Damit würde der Quidditch-Pokal uns gehören.“
James war sich nicht sicher, meinte aber, bei den letzten Worten ein Glitzern in Clarks Augen zu sehen.
„Was meinst du?“, fragte James Sirius, als sie unter der großen Buche am See saßen. „Soll ich Evans noch mal wegen dem Weihnachtsball fragen?“
Sirius runzelte die Stirn. „Ich würde es lassen, Mann.“ Er schien eine Weile zu überlegen, ob er das was er dachte wirklich aussprechen sollte, doch dann sagte er: „Sie kann dich doch kein bisschen leiden.“
James sah für eine Sekunde so aus, als hätte man ihm eben ein lebenslanges Verbot erteilt, Quidditch zu spielen, fasste sich aber schnell wieder und sagte: „Ja, du hast wahrscheinlich Recht.“ Er wirkte ziemlich geknickt.
Sirius klopfte ihm aufmunternd auf den Rücken. Um James abzulenken fragte er: „Wie steht’s? Kommst du morgen mit nach Hogsmeade?“
James nickte. „Kann ja nicht schaden.“
„Moony und Wurmschwanz kommen auch mit“, meinte Sirius, um ihn aufzumuntern.
James’ Gesicht hellte sich auf. „Und was ist mit Schniefellus?“
Sirius lachte. „Ich glaube kaum, dass er es sich entgehen lässt, in einen Laden zu gehen, der die dunklen Künste behandelt.“
„Hängt bestimmt in der Nokturngasse bei Borgin und Burkes rum. Der würde am liebsten den ganzen Laden übernehmen, so wie ich den kenne.“ James verdrehte die Augen. „Da kann er von mir aus gerne bleiben.“
Sirius nickte. „Wir können ihn ja dort einsperren“, meinte er begeistert.
Am nächsten Tag beim Frühstück wurde nur noch über Hogsmeade geredet. Man diskutierte, welche Süßigkeiten aus dem Honigtopf am besten schmeckten, oder welches die bessere Kneipe war: Die Drei Besen oder Der Eberkopf. Vereinzelt hörte man ein enttäuschtes „Dafür habe ich gar nicht genug Geld.“.
Als sie von den großen, pferdelosen Kutschen abgeholt wurden, herrschte vor dem Schlossportal großes, dichtes Gedränge.
Sirius, Moony, Wurmschwanz und James beanspruchten eine Kutsche für sich.
Während sie nach Hogsmeade fuhren, heckten James und Sirius schon aus, wie sie Schniefellus in Hogsmeade am besten verhexen konnten.
James schlug vor, ihn kopfüber baumeln zu lassen und ihm die Unterhose auszuziehen, während Sirius sich ausmalte, wie es wohl wäre, Snape in eine Gasse zu locken und ihm dort einen ordentlichen Fluch aufzuhalsen.
„Ähm, Jungs?“, meldete sich Moony zu Wort, der bisher nur still dagesessen und gelesen hatte. „Wie wäre es, wenn ihr Schniefellus – ich meine Severus – einfach mal in Ruhe lassen würdet?“
„Wozu?“, fragte James. „Wenn wir ihn in Ruhe lassen sollen, muss er aufhören zu existieren. So einfach ist das.“
Wurmschwanz mischte sich nun auch in das Gespräch ein. „Moony hat Recht, Krone. Ich meine, du musst echt nicht jeden auf den Gängen verhexen, der dich nervt. Irgendwann bekommst du noch mal totalen Ärger mit dem Schulleiter.“
Zu James großer Überraschung nickte Sirius zustimmend.
James seufzte. „Also gut. Ich halte mich ein wenig zurück.“ Grinsend fügte er hinzu: „Aber ganz aufhören, Schniefellus zu verhexen werde ich nicht.“
In Hogsmeade angekommen gingen sie in Die Drei Besen, um ein Butterbier zu trinken und sie kauften haufenweise Süßigkeiten im Honigtopf.
So beladen, und so richtig zufrieden mit der Welt, machten sie sich auf den Weg zu den Kutschen, die sie zurück nach Hogwarts bringen sollten.
Das erste, was ihnen auffiel, als sie wieder im Schloss waren, war es Aushang:
Unterrichtsinspektion
MORGEN
16-18 Uhr
„Das sind die letzten beiden Stunden!“, beschwerte sich James. „Da haben wir Wahrsagen. Was wollen die denn da groß inspizieren?“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, Mann, aber komm dann nicht mit deiner Wettervorhersage. Denk dir was aus.“
James grinste. „Was richtig Bescheuertes?“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Wäre ja mal passend zum Fach.“
Nach dem Mittagessen in der großen Halle saß James im Gemeinschaftsraum und überlegte sich eine gute Vorhersage für den Wahrsagen-Unterricht. Leider wollte ihm absolut keine einfallen. Er dachte an dramatische Todesvorhersagen und an Vorhersagen über Streit mit Freunden.
„Das ist doch alles bescheuert“, murmelte er, als er im Gemeinschaftsraum zum wie es ihm schien fünfundzwanzigsten Mal eine Vorhersage durchstrich („Ich sehe, dass deine Katze vorhat, in den Park zu gehen und dabei von einem Motorrad überfahren wird.“). „Mir fällt einfach nichts ein!“ Wütend zerriss er das Blatt und warf es in das lodernde Feuer im Kamin des Gemeinschaftsraumes.
Das Portraitloch schwang zur Seite und Sirius kam herein, gefolgt von Wurmschwanz und Moony.
„Sieht nicht so aus, als wärst du weitergekommen?“, fragte Sirius mit einem Blick auf das verkokelte Papier im Kamin.
Auf dem Weg zu Abendessen meinte Moony leise, sodass nur er, Wurmschwanz, Sirius und James es hören konnten: „Heute nach ist wieder Vollmond.“
Wurmschwanz nickte und sah ängstlich drein.
„Wisst ihr was?“, fragte James plötzlich begeistert. „Wir kennen doch so viele Geheimgänge im Schloss?“
Moony, Wurmschwanz und Tatze nickten einstimmig und Moony fragte: „Ja, und? Worauf willst du hinaus?“
„Was wäre“, fuhr James fort, „wenn wir eine Karte anlegen würden, eine Karte, auf der alle Geheimgänge im Schloss verzeichnet wären? Ich meine, es gibt so viele Gänge in Hogwarts, die kaum einer außer uns je benutzt hat. Ich bin mir nicht mal sicher, ob jemand anders außer uns und Godric Gryffindor, Rowina Ravenclaw, Helga Hufflepuff und Salazar Slytherin überhaupt etwas davon wissen.“ James starrte sie begeistert an.
Moony runzelte die Stirn. „Und wie willst du diese Karte vor den Lehrer geheim halten? Was ist, wenn sie etwas davon mitkriegen?“
James grinste und reichte ihm ein Blatt, auf dem eine detaillierte Planung notiert war.
Moonys Miene hellte sich auf. „Ich verstehe.“
Die letzten beiden Stunden (Pflege magischer Geschöpfe) fielen aus, weil ihr Lehrer sich beim Pflegen einer Feuerkrabbe verletzt hatte.
Deswegen saßen die vier Freunde in einem Geheimgang neben der Bibliothek und zeichneten und planten die Karte. Das taten sie in ihrer Freizeit zwei Wochen lang, bis sie endlich fertig waren.
Stolz betrachteten die Vier ihr Werk, auf dem gerade die Worte „des Rumtreibers“ verblassten.
„Wahnsinn“, sagte Wurmschwanz und starrte ehrfürchtig auf den Fetzen altes Pergament. „Ich hätte nicht gedacht, dass wir das wirklich schaffen.“ Er drehte ihn in der Hand und betrachtete ihn, als wäre er mindestens so viel Wert, wie tausend Galleonen.
Moony berührten den alten Fetzen fast liebevoll mit dem Zauberstab und murmelte: „Ich schwöre feierlich, dass ich ein Tunichtgut bin.“
Gespannt starrten sie auf das Pergament. Zuerst passierte gar nichts, doch dann begannen sich von dem Punkt, an dem Moony das Pergament berührt hatte, dünne Tintenlinien wie ein Spinnennetz auszubreiten. Sie flossen in Ecken, liefen zusammen, überkreuzten sich oder endeten abrupt. Dann wurden Wörter auf dem Pergament sichtbar:
„Die Hochwohlgeborenen Herren Moony,
Wurmschwanz, Tatze und Krone,
Hilfsmittel für den magischen Tunichgut GmbH
Präsentieren stolz
Die Karte des Rumtreibers“
Auf der Karte war jede Einzelheit des Schlosses vermerkt. Was aber wirklich erstaunlich war, waren die kleinen, mit Namen versehenen Tintenpunkte, die sich auf der Karte hin- und herbewegten.
So sahen sie zum Beispiel, dass Snape gerade im Slytherin-Gemeinschaftsraum war und dass der kleine Professor Flitwick, der Zauberkunst unterrichtete, im Lehrerzimmer auf- und abging.
„Voll krass“, meinte James und starrte, wie die anderen auch, ungläubig ihr Werk an.
„Wir sind verrückt. Wir sind echt verrückt, dass wir das gemacht haben.“ Wurmschwanz schüttelte ungläubig den Kopf.
Sirius nickte. „Verrückt. Ja, verrückt, aber genial.“
„Aber was ist, wenn jemand von der Karte erfährt?“, fragte Wurmschwanz ängstlich.
„Wurmschwanz“, sagte James ungeduldig. „Wenn du niemandem davon erzählst, wird es auch niemand erfahren.“ Er blickte auf die Karte, tippte sie mit dem Zauberstab an und sagte: „Unheil angerichtet.“ Sofort verschwanden die Punkte und die Karte verwandelte sich wieder in einen alten, unbeschrieben Fetzen Pergament.
„Bestens“, sagte Moony leise. „Jetzt müssen wir nur noch gucken, wie sie auf Snape reagiert.“
Die Vier warteten im Korridor in den Kerkern hinter einer Statue verborgen auf Snape. Als sie ihn kommen sahen, warf Sirius die Karte des Rumtreibers auf den Boden. Wie erwartet hob Snape sie auf.
“Was ist das denn?“ Snape runzelte die Stirn. Er nahm eine Feder aus seiner Schultasche und beschrieb das Pergament. Aber die Tinte blieb nicht auf dem Pergament drauf, sondern zog rasch ein und hinterließ keine Spur. Das Pergament sah wieder genau so sauber aus wie vorher.
Snape zückte den Zauberstab. „Zeige dich!“, befahl er und versetzte dem Pergament einen leichten Stups. Es blieb leer.
„Ich, Severus Snape, befehle dir, dein verborgenes Wissen preiszugeben!“, sagte er und stupste die Karte erneut mit dem Zauberstab an.
Zu Snapes Überraschung erschienen Worte auf der Karte:
„Mr Moony erweist Severus Snape die Ehre und bittet ihn, seine erstaunlich lange Nase aus den Angelegenheiten anderer Leute herauszuhalten.“
Snape starrte die Karte ungläubig an, auf der sich nun neue Worte formten:
„Mr Krone kann Mr Moony nur beipflichten und möchte hinzufügen, dass Severus Snape ein hässlicher Schaumschläger ist.“
Snape las die Worte laut vor und James konnte sich nur mit Mühe und Not ein Lachen verkneifen.
Snapes Gesicht war weiß vor Zorn und Sirius musste sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen.
Aber mit den Worten war es noch nicht vorbei:
„Mr Tatze wünscht sein Befremden kundzutun, dass ein solcher Dummkopf jemals in Hogwarts aufgenommen wurde.“
„Was ist da-“, fing Snape an, doch da erschienen noch mehr Worte auf dem Pergament, die er rasch laut vorlas:
„Mr Wurmschwanz wünscht Severus Snape einen schönen Tag und rät dem Schleimbeutel, sich die Haare zu waschen.“
Die Schrift verblasste. „Was ist das?“, fragte Snape wütend.
Sirius, Wurmschwanz, James und Moony waren kurz davor, laut loszuprusten. Als Snape verschwand und das Pergament achtlos fallen ließ, hob Wurmschwanz es auf und betrachtete es stolz. „Das war die beste Erfindung, die wir je hatten.“
Laut schwatzend und lachend machten sie sich auf den Weg zurück in den Gemeinschaftsraum, glücklich darüber, dass ihre Erfindung funktionierte.
„Das hat ja super geklappt!“, freute sich Wurmschwanz.
„Ja“, lachte Sirius, zückte seinen Zauberstab, stupste die Karte des Rumtreibers an und äffte: „Ich, Sirius Black, befehle dir, dein verborgenes Wissen preiszugeben.“, woraufhin sich auf dem Pergament die gleichen Worte bildeten wie schon bei Snape.
James, Wurmschwanz, Moony und Sirius machten sich lachend auf den Weg nach draußen aufs Gelände.
Schwatzend gingen die Vier nebeneinander her, bis James plötzlich etwas einzufallen schien. Er zog Sirius am Ärmel und bedeutete Wurmschwanz und Moony, dass sie ruhig schon weiter gehen sollten.
„Ich dreh’ durch, Alter! Wenn Evans nicht mit mir auf den Ball geht, ticke ich aus!“, sagte James hitzig.
Sirius legte ihm die Hand auf die Schulter. „Reg dich erst mal ab.“
„Kann ich nicht!“, sagte James genauso hitzig wie vorher und riss sich von Sirius’ Hand los. „Wenn du jemanden lieben würdest, der dich kaum beachtet, würde es dir nicht viel besser gehen!“
Wurmschwanz und Moony waren einige Meter weiter stehen geblieben und schauten sich wartend nach ihnen um.
Als sie auf gleicher Höhe waren, fragte Moony Sirius: „Was ist mit James?“
„Evans will doch nicht mit ihm zum Ball gehen“, flüsterte Sirius und blickte zu Krone, um zu gucken, ob er ihrem Gespräch lauschte, aber James schien viel zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt zu sein, sodass er ihr Gespräch gar nicht mitbekam.
Moony war der erste, der am nächsten Morgen wach war. Er weckte Wurmschwanz, Sirius und James (der in extrem schlechter Stimmung war) und gemeinsam gingen sie runter zum Frühstück.
Als sie die große Halle betraten, sah Sirius, wie Lily und Snape in einer Ecke standen und sich unterhielten. Er probierte, James’ Aufmerksamkeit nicht auf die beiden zu lenken, als er sah, wie Lily Snape kurz auf die Wange küsste und danach zum Ravenclaw-Tisch wuselte.
Doch James hatte es gesehen. Er blieb plötzlich stehen und glotzte Lily mit offenen Mund nach.
„Das ist ekelig“, sagte Sirius angewidert, als sie sich an den Haustisch setzten. Er guckte zu Snape, der es sich am Slytherin-Tisch gemütlich gemacht hatte.
James nickte und tat sich mechanisch etwas von Kartoffelbrei und Speck auf.
„Vielleicht war es ja nicht so, wie du denkst“, sagte Wurmschwanz aufmunternd, doch er glaubte selber nicht daran.
Nach dem Frühstück hetzte James zu Lily, um sie abzufangen, bevor sie in den Gemeinschaftsraum der Ravenclaws ging, und stellte sie zur Rede. „Was sollte das?“
Sie drehte sich zu ihm um. „Was sollte was, Potter?“, fragte sie kühl.
James’ Stimme zitterte vor unterdrückter Wut und er hatte Mühe, seiner Stimme einen ruhigen Klang zu verleihen. „Das eben mit Schniefellus.“
Lilys Augen blitzten. „Ich weiß zwar nicht, was es dich angeht, aber Severus Snape hat mir nur bei meinen Hausaufgaben geholfen.“
„Ach, und deswegen küsst du ihn?“ Misstrauen lag in James’ Stimme. Er hatte das Gefühl, dass sie ihm nicht die Wahrheit sagte.
„Auch wenn du es nicht glaubst: Bei jedem anderen hätte ich das auch gemacht!“, zischte Lily und ging davon, bevor James etwas erwidern konnte.
„Bei jedem anderen Jungen hätte sie das auch gemacht?“, wiederholte Sirius und runzelte die Stirn.
James nickte langsam. „So hat sie es gesagt.“ Er machte eine kurze Pause, dann fügte er trocken hinzu: „Wobei ich das nicht glaube.“, was ihm ein zustimmendes Nicken von Sirius einbrachte.
Sirius, James, Moony und Wurmschwanz saßen in den roten Sesseln im Gryffindor-Gemeinschaftsraum. Er war ziemlich leer, weil die meisten Schüler wegen des schönen Wetters eher draußen auf den Ländereien anzutreffen waren, als ihn ihren Gemeinschaftsräumen.
„Kann ich in den Sommerferien eigentlich wieder zu euch?“, fragte Sirius hoffnungsvoll. Er war vor einem Jahr, also mit sechzehn, von zu Hause weggelaufen und hatte bisher bei den Potters einen Unterschlupf gefunden. Die restliche Zeit blieb er, wie Wurmschwanz, James und Moony auch, in Hogwarts.
James nickte. „Ich denke schon. Mum hat sowieso einen Narren an dir gefressen.“ Er versuchte, seiner Stimme einen hohen Klang zu verleihen und sagte: „Der liebe Sirius kann gerne in den Ferien zu uns kommen. Ich weiß ja, dass er sich mit seiner Mutter nicht so gut versteht.“
„Cool“, meinte Sirius. Grinsend fügte er hinzu: „Das werden die besten Sommerferien meines Lebens.“
Als er ins Bett stieg, hatte er das Gefühl, dass ihm in der nächsten Zeit nichts mehr die Laune verderben konnte. Er ahnte nicht, wie falsch er mit dieser Ansicht liegen würde.
Was es war, das Sirius die Laune verdarb, zeigte sich schon am nächsten Tag im Verwandlungsunterricht bei Professor McGonagall.
Sie waren gerade dabei, sich einen äußerst schwierigen Verwandlungszauber zu notieren, als Sirius von der Seite her Snape „Hey, Evans!“ flüstern hörte. Sirius drehte sich zu Snape um, um zu gucken, was er vorhatte. Da sah Sirius, dass Snape ein zusammengeknülltes Pergament in der Hand hielt und es in Richtung Lily werfen wollte, die einen Platz vor Sirius saß.
Zu Sirius’ Glück hatte Evans Snape nicht gehört, Snape hatte das Pergament allerdings schon geworfen und Sirius fing den Brief auf. Er hatte ihn geöffnet und wollte gerade anfangen, ihn laut vorzulesen, als Professor McGonagall sagte: „Ich muss kurz eine wichtige Sache mit dem Schulleiter klären. Ihr bleibt bitte hier und bearbeitet weiter eure Aufgaben.“ Sie ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
„Na dann gucken wir doch mal, was Schniefellus Evans so Wichtiges mitzuteilen hat.“ Laut las er vor:
„Liebe Lily,
seit deinem Kuss empfinde ich Dinge für dich, von denen ich nicht wusste, dass ich sie überhaupt empfinden kann.
Ich glaube, mittlerweile brauche ich dich, wie ein böser Zauberer die dunklen Künste.
Ein Leben ohne dich wäre für mich unvorstellbar.
Ich liebe dich, Evans!
Severus Snape“
Sirius erstarrte. Er sah zu James, dessen Schultern angefangen hatten zu beben. Er war völlig in sich zusammengesunken.
Wütend drehte sich Sirius zu Snape um. Er zückte seinen Zauberstab und ließ Severus in die Luft steigen. Und diesmal tat er es wirklich: Sirius zog ihm die Hose aus. Die ganze Verwandlungsklasse, die das Schauspiel bisher still verfolgt hatte, fing an zu lachen.
„Black!“, donnerte auf einmal eine nur zu gut bekannte Stimme von der Tür her. „Lassen sie Severus sofort runter!“ Professor McGonagall war wiedergekommen und blickte ungläubig auf das Schauspiel, dass sich vor ihren Augen bot.
Widerwillig murmelte Sirius den Gegenfluch und Snape landete unsanft auf dem Boden, wo er sich rasch seine Sachen wieder aufklaubte und anzog.
„Strafarbeit, Black. Heute Abend um sieben in meinem Büro!“, donnerte Professor McGonagall. So wütend wie in diesem Augenblick hatten James, Wurmschwanz, Moony und Sirius sie noch nie erlebt.
Snape errötete, als ihm bewusst wurde, dass er vor der ganzen Verwandlungsklasse in seinen Unterhosen mit roten Herzchen bloßgestellt wurde, auf die er liebevoll Lily und Severus Evans geschrieben hatte.
Er sah sich zu Lily um. Sie saß mit wutverzerrtem Gesicht an ihrem Platz und starrte Snape an. Plötzlich fing sie an, ihn anzuschreien: „Was fällt dir ein, Schniefellus? Das war kein richtiger Kuss! Es war nicht einmal etwas rein Freundschaftliches!“ Sie sah ihn an, als wollte sie ihn mit diesem Blick töten.
Snape blickte mit erschrockenem Gesichtsausdruck zurück. „Aber, ich dachte, du empfindest das Gleiche für mich wie ich für dich, Lily-Schatz.“ Verzweiflung lag in Snapes Stimme und er sah Lily mit einem flehenden Gesichtsausdruck an.
„Nenn mich nicht Schatz!“, kreischte Lily wütend. Dann wandte sie sich an Professor McGonagall: „Wenn sie mich bitte kurz entschuldigen würden.“ Und ohne eine Antwort abzuwarten, klaubte sie ihre Sachen zusammen und ging schnellen Schrittes aus dem Verwandlungsklassenzimmer.
Beim Mittagessen war James total geknickt. Sirius beobachtete ihn, wie er lustlos und abweisend in seinem Kartoffelbrei herumstocherte. Sirius überlegte, ob er James mit einem Aufmunterungszauber verhexen sollte, aber als er Lily direkt auf ihren Tisch zukommen sah, wartete er erst einmal ab, was sie wollte.
„James?“, fragte sie zaghaft. Von James kam keine Reaktion, ob er ihr zuhörte. Sie zögerte kurz, dann sprach sie weiter: „Es tut mir Leid wegen dem, was heute in Verwandlungen passiert ist. Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass er das so falsch auffassen würde. Es tut mir Leid.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging sie zurück zum Ravenclaw-Tisch. Sirius sah, wie sie James noch einen letzten Blick zuwarf.
„Na toll“, kam es deprimiert von James.
Bei der Unterrichtsinspektion in Wahrsagen fehlte James, obwohl er Sirius, Wurmschwanz und Moony bedeutet hatte, ruhig schon vorzugehen und er gesagt hatte, dass er nachkommen würde.
Tatze, Moony und Wurmschwanz erfanden ein paar Vorhersagen, für die sie alle drei gelobt wurden, doch die drei Freunde dachten dabei nur an James.
Auch beim Abendessen trafen sie ihn nicht an. Sirius guckte hinüber zum Ravenclaw-Tisch, wo Lily mit einem traurigen, bedauernden Gesichtsausdruck zu James’ leerem Platz neben Sirius starrte. Sirius guckte mit einem Blick zurück, der Lily zusammenfahren ließ. Rasch wandte sie sich wieder ihrem Teller zu, auf dem sie nichts, was sie sich genommen hatte, angerührt hatte, und stocherte lustlos in ihrer Kürbispastete herum.
Im Gemeinschaftsraum war auch keine Spur von James zu sehen. Besorgt eilte Sirius nach oben in den Jungenschlafsaal, um auf der Karte des Rumtreibers nachzugucken, wo er war, als er James auf seinem Bett liegen sah. Er hatte den Kopf zur Wand gedreht und Sirius hätte schwören können, dass er weinte.
Langsam und vorsichtig ging Sirius auf sein Bett zu und legte ihm die Hand auf die Schulter, als James schrie: „Geh weg! Lass mich in Ruhe!“
Sirius drehte sich geknickt wieder um und ging betroffen nach unten in den Gemeinschaftsraum. In Gedanken vertieft setzte er sich zu Wurmschwanz und Moony ans Feuer in den roten Sessel. „Wir müssen ihn irgendwie aufheitern. So deprimiert habe ich ihn noch nie erlebt.“ Sirius blickte traurig in die ratlosen Gesichter seiner Freunde.
„Wir können höchstens einen Liebestrank brauen, damit Lily mit ihm zum Ball geht“, überlegte Moony, fügte aber schnell hinzu: „aber so ein Trank lässt sich wohl kaum in zwei Wochen brauen. Außerdem würde sie ihn ja wieder genauso abstoßend finden, wenn die Wirkung nachlässt.“ Die anderen zwei nickten traurig.
Auf einmal kam James die Treppe runter, warf sich seinen Quidditch-Umhang über und sah sie kurz an. „Ich gehe jetzt zum Quidditch-Training, damit ich mich da nicht verschlechtere.“ Er schulterte seinen Besen, als sie ein lautes, eindringliches Pochen hörten, dass von Fenster her zu kommen schien. Sie drehten sich um. Draußen vor dem Fenster im Schneetreiben saß ein Waldkauz mit einem Brief im Schnabel und blinzelte James zu und guckte ihn erwartungsvoll an.
„Na toll“, meckerte James, als er zum Fenster ging und es öffnete, um den Waldkauz reinzulassen. „Aus Quidditch wird bei dem Wetter ja wohl nichts.“ Er band den Brief von seinem Bein ab und entfaltete ihn. Der Waldkauz ließ sich auf einem der Sessel am Feuer nieder, die Krone, Moony, Tatze und Wurmschwanz oft für sich beanspruchten und fing an, sich mit dem Schnabel durchs Fell zu fahren.
James las den Brief leise für sich. Er kam von Lily:
Lieber James,
das mit dem Kuss hätte nicht sein dürfen. Mir tut es wirklich furchtbar Leid, dass du das alles mitbekommen musstest.
Dieses Wochenende ist doch wieder ein Besuch in Hogsmeade geplant. Ich dachte, wir könnten zusammen hingehen. Ich würde mich wirklich freuen, wenn du kommst.
Alles Liebe
Lily
Fassungslos starrte James auf den Brief in seinen Händen. „Das glaube ich einfach nicht. Dieses Miststück!“
„Was ist denn los?“, fragte Sirius besorgt und ging auf ihn zu, um sich über seine Schulter zu beugen und ebenfalls einen Blick auf den Brief zu erhaschen, was aber gar nicht nötig war, da James ihm den Brief wortlos reichte.
Sirius las ihn und mit jedem Wort, das er aufnahm, verdüsterte sich seine Miene etwas mehr. Als er fertig war mit lesen, sah er so wütend aus wie noch nie. „Das glaube ich einfach nicht!“ Er sah James an und glaubte, genau zu wissen, was in ihm vorging: Er war einerseits sauer auf Lily, weil sie Severus geküsst hatte, andererseits würde er aber auch gerne mit ihr nach Hogsmeade gehen.
Kurz darauf sprach James das Thema an, über das Sirius sich eben noch Gedanken gemacht hatte: „Scheiße, Mann! Ich will doch mit ihr nach Hogsmeade! Aber nach der Sache mit Schniefellus?“ Das Quidditch-Training schien er völlig vergessen zu haben. Den Besen hatte er achtlos auf den Boden gelegt. „Das ist doch alles echt bescheuert!“ Er ließ sich heftig in einen Sessel am Kamin sinken, was den Waldkauz dazu veranlasste, einen erschrockenen und wütenden Schrei auszustoßen und davonzufliegen. „Ach, sei doch still“, murmelte James mit Blick auf den Vogel.
„Ich weiß, was in dir vorgeht, James“, meldete sich Moony, der bisher nur alles still verfolgt hatte, überraschend zu Wort, „aber ich würde ihr nach der Aktion mit Severus Snape aus dem Weg gehen. Ich meine, was denkt sie, was du bist? Glaubt sie, sie kann erst nett zu dir sein, dich dann versetzen und plötzlich wieder zu dir ankommen?“ Wurmschwanz bestärkte Moonys Worte durch eifriges Nicken und einem „Ich bin mit Remus völlig einer Meinung“ - Gemurmel.
James seufzte und hob seinen Besen auf. „Ich gehe jetzt zum Quidditch. Ich bin sowieso schon viel zu spät dran.“ Mit diesen Worten kletterte er durch das runde Portraitloch, das bereitwillig zur Seite sprang, und verließ den Gryffindor-Gemeinschaftsraum.
Das Quidditch-Training verlief dank des Schneetreibens diesmal nicht so reibungslos wie sonst, weswegen Clark sie eine halbe Stunde länger trainieren ließ.
Durchgeweicht und voller Schneeflocken gingen sie schließlich mit grimmiger Miene und schlecht gelaunt in die Umkleideräume. Hastig zogen sie sich um und gingen zurück ins Schloss.
Müde warf sich James ins Bett. Doch er konnte nicht einschlafen (das hatte er auch schon geahnt). Er wälzte sich vergeblich in seinem Bett von der einen auf die andere Seite.
Also schwang er die Füße aus dem Bett und griff zum Krug auf seinem Nachttisch. Er goss sich etwas Wasser ein und trank es, obwohl er eigentlich gar keinen Durst hatte.
Na ja, wenigstens ist erst einmal Wochenende, dachte James schlecht gelaunt. Vielleicht lenkt mich Hogsmeade ein wenig von meinen Gedanken ab.
Als er am nächsten Morgen in die große Halle kam und am Ravenclaw-Tisch vorbeiging, würdigte er Lily keines Blickes. Er ging zum Gryffindor-Tisch und setzte sich zwischen Moony und Sirius.
James biss gerade ein kleines Stück Toast ab (eigentlich hatte er keinen Hunger, aber Sirius zwang ihn dazu, wenigstens einen Toast zu essen), als ihm jemand auf die Schulter tippte. Er drehte sich um und sah direkt in das gerötete Gesicht von Lily Evans. Sie hatte geweint, doch das interessierte James jetzt herzlich wenig.
„Was willst du?“, fragte er kühl.
Lily schien einen Moment nach den passenden Worten zu suchen. Sie schien sich äußert unwohl zu fühlen, als sie James fragte, ob er mit ihr nach Hogsmeade gehen würde und spielte nervös mit ihren Händen.
James glaubte, sich verhört zu haben. „Wie bitte?“, fragte er ungläubig und blickte zu Sirius, der genau so geplättet drein sah.
Lily errötete. „Ich kann schon verstehen, wenn du nicht willst, aber überleg es dir, ja?“ Mit diesen Worten wuselte sie zum Ravenclaw-Tisch.
James sah Sirius ungläubig an. „Ist die bescheuert?“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Sie so aus.“
„Geh doch mit ihr hin“, sagte Wurmschwanz auf einmal. „Du kannst ja wieder gehen, wenn es dir zu blöd wird.“
„Dann muss ich ja gar nicht erst kommen“, sagte James trocken, „aber okay, ich gehe mit.“
Nach dem Frühstück ging James zum Ravenclaw-Tisch um Evans abzufangen. Als Lily ihn kommen sah, lächelte sie.
„Okay“, sagte James, „ich komme mit nach Hogsmeade.“
Lily strahlte. „Ehrlich?“ Zu James’ Überraschung sprang sie auf, umarmte ihn kurz und stürmisch und gab ihm einen kurzen Kuss auf die Wange. „Danke!“ Sie grinste.
Als Lily weggegangen war, sah Sirius James mit einer Mischung aus Grinsen und großen Augen an. „Was war dass denn?“
James grinste zurück. „Ich weiß es nicht, aber es war toll!“
Lily und James hatten eine Kutsche für sich alleine. Die Kutschen, die sich wie immer wie von Zauberhand bewegten, waren sehr groß und bequem. Sie waren mit roten, gemütlichen Kissen ausgestattet.
Viel hatten James und Lily nicht mitgenommen: Etwas Geld und Lily hatte eine hellblaue Tasche für ihre Besorgungen eingesteckt.
Es war kalt in der Kutsche. Lily zitterte die ganze Zeit und drückte sich fest in das Sitzlehnenpolster und schlag die Arme um sich.
James versuchte, krampfhaft nach draußen in das dichte Schneetreiben zu starren und nicht auf Lily zu achten, die immer noch am ganzen Leib zitternd neben ihm saß. Doch er konnte seine Augen nicht von ihr lassen, betrachtete aus den Augenwinkeln ständig ihre roten Haare und ihre grünen, mandelförmigen Augen.
James überlegte einen Moment, dann legte er vorsichtig den Arm um sie. Überrascht stelle er fest, dass sie es geschehen ließ, ohne ihn abzublocken. Sie lehnte sich sogar ein bisschen in seine Richtung.
Beim Aussteigen hielt James Lily die Tür auf und bot ihr seine Hand an, um ihr aus der Kutsche zu helfen. Zu seiner Verwunderung nahm sie seine Hand und stieg elegant aus der Kutsche. Sie hielt seine Hand auch noch fest, als sie langsam die Straße entlangschlenderten und hier und da stehen blieben, um die Ware in den Schaufenstern zu begutachten.
„Ich habe Durst, James“, sagte Lily auf einmal und blieb stehen. „Gehen wir in Die Drei Besen?“
„Aber da ist es immer so voll!“, widersprach dieser, aber Lily schüttelte den Kopf. „Die sind bestimmt alle in dem neuen Lokal. Das heißt glaube ich Zur Schwatzenden Eule oder so und ist etwa zehn Minuten entfernt vom Honigtopf.“
James nickte. „Na dann lass uns gehen.“
Überrascht stelle James fest, dass es in Den Drei Besen tatsächlich nicht so voll war wie sonst. Lily hatte also Recht gehabt.
Sie setzten sich an einen kleinen, runden Tisch in der Ecke und warteten, bis die Wirtin Madam Rosmerta, eine kleine, rundliche, aber sehr nette und sympathische Frau, kam, um ihre Bestellung aufzunehmen.
„Du hast dich wirklich verändert, James“, sagte Lily zu seiner Überraschung und nahm seine Hand. James durchfuhr ein wohlig-warmes Gefühl.
Der Tag kann nicht mehr besser werden, dachte er und grinste. Er hatte das Gefühl, sich noch nie so glücklich gefühlt zu haben.
Die Tür des Pubs ging auf. James und Lily schauten auf, um zu sehen, wer der Neuankömmling war.
Es war niemand anderes als Severus Snape. Lily ließ James’ Hand rasch los, nippte an ihrem Butterbier und warf James einen undefinierbaren Blick zu. Der wünschte sich, dass Schniefellus wieder rausginge, aber das tat er nicht. Snape bestellte sich ein Butterbier und setzte sich alleine an einen freien Tisch in der hintersten Ecke.
Lilys Hand lag offen auf dem Tisch. James wollte sie nehmen, aber als Lily sein Vorhaben bemerkte, zog sie ihre Hand schnell zurück. Stirnrunzelnd sah James sie an. „Ich dachte, du hättest dich geändert“, sagte er wütend, stand auf und stürmte aus dem Lokal und ließ die verdutzt dreinblickende Lily alleine in Den Drei Besen zurück.
Wütend und gereizt gelangte James vor das Portrait der Fetten Dame. „Schokofrosch“, blaffte er sie an (das Passwort war Tags zuvor geändert worden) und sie sprang zur Seite, allerdings nicht, ohne ihn vorher mit einem halb verdutzten, halb gekränkten Blick anzugucken. Mit finsterem Blick stieg James die Wendeltreppe hoch in den Gryffindor-Gemeinschaftsraum, wo Sirius im Sessel am Kamin saß und ihm einen verwirrten Blick zuwarf. Ohne ihn zu grüßen, ging James hoch in den Schlafsaal und schmiss sich aufs Bett und vergrub das Gesicht im Kissen.
Er hörte Schritte auf der Treppe und einen Moment später vernahm er Sirius’ Stimme, die besorgt fragte: „Was ist passiert, Krone?“
James drehte sich zur Wand und guckte Sirius nicht an, als er antwortete: „Schniefellus hat alles verdorben.“
„Was hat er gemacht?“, fragte Sirius misstrauisch und setzte sich behutsam an James’ Bettende.
James wandte Sirius sein Gesicht zu und fing an, zu erzählen, dass Lily und er eine Kutsche für sich alleine gehabt hatten und dass sie es zugelassen hatte, dass er seinen Arm um sie legt. Er berichtete davon, dass sie seine Hand nicht losgelassen hatte und dass sie zusammen in Die Drei Besen gegangen waren und sich unterhalten hatten.
„Lily hat meine Hand genommen und gesagt, dass ich mich verändert habe. Ich habe mich noch nie so glücklich gefühlt. Aber dann kam Schniefellus rein und sie hat meine Hand losgelassen. Ich wollte die ihre wieder nehmen, aber sie hat sie weggezogen.“ James endete damit, wie wütend er gewesen war und dass er gegangen war und Lily alleine im Lokal zurückgelassen hatte.
Sirius runzelte die Stirn und sah ihm in die Augen. „Vielleicht wollte sie nicht, dass Schniefellus das sieht, damit er nicht den letzten Funken Verstand verliert, den er besitzt und dich verhext.“
James nickte. Das klang einigermaßen logisch.
„Ich werde mich mal bei Evans entschuldigen.“ Mit diesen Worten stand er auf, ging aus dem Schlafsaal in den Gemeinschaftsraum und kletterte durch das Portraitloch, um Lily Evans zu suchen.
Er fand sie alleine draußen auf dem Gelände. Sie saß auf einer hölzernen Bank, von der sie den Schnee grob runtergeschoben hatte. Die Hände hatte sie in ihre Manteltaschen gestopft, um sie vor der Kälte zu schützen.
James setzte sich neben sie. Als Lily das bemerkte, wollte sie aufstehen, aber James hielt sie am Ärmel zurück. „Nein, warte Evans.“ Sie drehte sich zu ihm um und sah ihn mit in Falten gelegter Stirn und mit blitzenden Augen an. „Was ist?“
„Ich wollte mich für meine Reaktion in Den Drei Besen entschuldigen. Ich habe mich benommen wie ein Troll!“ James blickte zu Boden. „Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, aber ich war so sauer, dass du aufgehört hat, als Severus reinkam.“
„Sonst noch was?“, fragte Lily wütend.
James nickte. „Ja. Ich liebe dich.“ Und dann ging er davon. Es kümmerte ihn nicht, was Lily jetzt tat. Wenn sie ihm nicht verzieh, sollte sie ihm gestohlen bleiben.
„James, warte!“ James hörte, wie Lily ihm hinterhergelaufen kam, aber er interessierte ihn nicht. Er beachtete sie nicht und ging einfach weiter.
„James, bitte warte doch!“ Lily bekam ihn am Handgelenk zu fassen, weswegen er gezwungen war, stehen zu bleiben. Er drehte sich zu Evans um, die ihm direkt in die Augen sah. „Sag mal: Steht deine Einladung zum Weihnachtsball eigentlich noch?“
James sah sie finster an und zuckte mit den Schultern. Man merkte Lily an, dass ihr die Situation ziemlich unangenehm war.
„Wenn ja“, fuhr sie fort, „würde ich wirklich gerne mit dir hingehen, wenn du noch keine andere gefunden hast.“ Ihre Wangen nahmen einen leicht rosanen Ton an und sie sah in aus ihren grünen, mandelförmigen Augen an.
Ungläubig guckte James sie an. Er vergewisserte sich: „Und das sagst du jetzt auch nicht, weil du Mitleid mit mir hast?“
Lily verneinte und sah ihm dabei tief in die Augen, um ihm zu verdeutlichen, dass sie dieses „nein“ ehrlich meinte.
Auf James’ Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. Er überlegte, ob er das, was er gerade am liebten getan hätte, wirklich machen sollte: Er wollte ihr zu gerne um den Hals fallen und sie küssen. Stattdessen flüsterte er nur: „Wie schön“. Und dann tat er es doch: Er ging zu ihr und küsste sie flüchtig auf die Wange. Aus den Augenwinkeln sah er, wie Lily errötete. Er grinste.
Als er sich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum machte, hatte James das Gefühl, dass Lily ihm nachstarrte.
„Schokofrosch“, sagte James fröhlich zu der Fetten Dame.
„Na was ist denn in dich gefahren?“, fragte sie verdutzt, als sie sein Grinsen sah. Sie sprang zur Seite und gab den Durchgang frei und James kletterte durch das Portraitloch in den Gemeinschaftsraum, wo sich Sirius in einem der Sessel am Feuer fläzte. James setzte sich zu ihm. Als Sirius das Grinsen auf dem Gesicht seines besten Freundes sah, schüttelte er den Kopf und fragte lächelnd: „Was ist denn los, dass es dir jetzt offensichtlich wieder besser geht?“
„Nun ja“, grinste James und erzählte ihm, was vorgefallen war, wie er sie draußen auf der Bank gefunden hatte, wie er sie wegen dem Weihnachtsball gefragt hatte und wie er sie auf die Wange geküsst hatte.
„Freut mich für dich, Mann“, sagte Sirius und lächelte. Dann schien ihm etwas einzufallen. „Ach übrigens, ich habe heute mitbekommen, wie Schniefellus sie gefragt hat, ob sie mit ihm zu Ball gehen würde. Sie hat ihm aber gesagt, dass sie schon mit dir ginge. Und das war, bevor sie dich gefragt hat. Ich denke, sie hat einfach gehofft, dass du sie noch mal fragen würdest.
Ach übrigens“, fügte Sirius grinsend hinzu, „Snapes Gesichtsausdruck war echt beeindruckend, nachdem Lily ihm eine Absage erteilt hatte.“
„Ja, das kann ich mir bildlich vorstellen“, lachte James. Er fuhr sich mit einer Hand durchs Haar.
„Wie steht’s, Krone, Lust auf eine Schneeballschlacht?“, grinste Sirius.
James nickte. „Na klar, Tatze! Lass uns gehen.“
Als sie auf die Länderein gingen, versanken sie bis zu den Knien in pulvrigem, weißen Schnee.
Sirius bückte sich, um eine Hand voll Schnee aufzuheben und sie zu einer Kugel zu formen und James tat es ihm gleich. Dann warfen sie die Kugeln aufeinander, wichen ihnen aus und begannen von Neuem, bis –
„Aua!“
Sirius hatte sich vor James’ heransausenden Schneeball geduckt und Lily, die plötzlich hinter ihm gestanden hatte, hatte der Schneeball mitten ins Gesicht getroffen.
James ging auf Evans zu. „Alles klar?“, fragte er besorgt. Er musterte sie von oben bis unten und betrachtete ihr gerötetes Gesicht.
Evans nickte. Als James sie immer noch besorgt musterte, sagte sie mit einem Anflug von Ungeduld in ihrer Stimme: „Es ist wirklich alles in Ordnung.“
Sirius war zu den beiden gekommen. „Ich glaube, wir hören lieber auf“, sagte er leise zu James. Er glaubte, dass Lily ihn nicht hörte.
„Vergiss es, Black!“; lachte Evans und einen Augenblick später spürte Sirius, wie ein Schneeball gegen seine Schulter klatschte. Sie hatte ihn doch gehört.
„Na warte!“ Sirius reagierte so schnell, dass Lily keine Chance hatte auszuweichen und schon hatte sie ein Schneeball gegen die Brust getroffen. „Warum bist du eigentlich gekommen?“, fragte er beiläufig.
Lily zuckte mit den Schultern. „Ich habe euch raus gehen sehen. Weil ich sowieso raus wollte, bin ich euch einfach hinterher gegangen.“ Sie strich sich eine rote Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte James flüchtig zu.
Sirius warf James einen viel sagenden Blick zu, welchen er kurz erwiderte. Er grinste Sirius kurz zu.
Lily schlug vor, ein bisschen am See entlangzugehen und die Wassermenschen zu beobachten.
„Wisst ihr“, zögerte Sirius, „ich glaube, ich muss noch diesen Aufsatz für Verteidigung gegen die dunklen Künste fertig schreiben.“ Und schon ging er in Richtung Schloss davon und ließ Lily und James alleine zurück.
Lily und James waren die Einzigen am See. Wegen des Schnees zogen es die Meisten vor, gemütlich an den Kaminen in ihren Gemeinschaftsräumen zu sitzen, anstatt draußen in der Kälte auf den Länderein spazieren zu gehen.
Die Zwei ließen sich auf einer Bank nieder, von der sie den Schnee etwas runtergeschoben hatten.
„Was ziehst du zum Weihnachtsball an?“, fragte James neugierig. Insgeheim stellte er sich Lily schon in den prachtvollsten Kleidern vor.
Sie legte die Stirn in Falten. „Wenn ich dir das sagen würde, wäre es doch kein Geheimnis mehr.“ Sie legte den Arm um ihn und zwinkerte ihm zu.
„Okay, hast Recht.“ James tat es ihr gleich und legte seinen Arm um ihre Hüfte und sah sie von der Seite her an.
Sie grinste. „Natürlich habe ich das!“
„Ah, ja, wie konnte ich das nur vergessen?“, neckte er sie. Er zog sie an sich und sie ließ es geschehen. Sie legte ihren Kopf auf seine Schulter und flüsterte: „Weißt du, James, du hast dich wirklich verändert.“
Die Worte hallten in James’ Kopf nach. Das taten sie auch noch, als sie sich später verabschiedeten und in ihre Gemeinschaftsräume gingen.
„Wow, na da scheint dich aber jemand zu mögen“, sagte Sirius, als James ihm, Moony und Wurmschwanz erzählt hatte, was vorgefallen war.
Wurmschwanz runzelte die Stirn. „Aber dann kannst du Severus ja gar nicht mehr verhexen, oder?.“
„Quatsch!“, lachte James. „Ich nehme sie einfach nicht zu meinen Verabredungen mit. Dann kann sie doch gar nichts davon mitkriegen.“ Er sah sich im ziemlich leeren Gemeinschaftsraum um und strich sich durch die Haare.
Wurmschwanz’ Miene hellte sich auf. „Also hört du nicht auf, Schniefellus zu verhexen, Krone?“
James schüttelte den Kopf. „Das würde ich gar nicht aushalten!“ Er lachte, fläzte sich in einen Sessel, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und streckte die Beine aus.
Wurmschwanz’ Stimme klang beunruhig, als er fragte, was James machen würde, wenn Lily mitkriegte, dass er Severus immer noch verhexte.
„Wurmschwanz!“, sagte James ungeduldig. „Hast du mir nicht zugehört? Ich nehme sie nicht zu meinen Verabredungen mit.“
Wurmschwanz errötete. „Oh, ach so. Ich dachte schon, du hörst auf, Schniefellus zu verhexen. Dann wären die Mittagspausen nicht halb so lustig.“
„Das würde er sowieso nicht aushalten.“ Sirius lachte.
„Okay“, gab sich Wurmschwanz geschlagen und guckte auf seine Füße, „du hast Recht, Tatze.“
„Natürlich hat er das!“, lachte James und ging bestens gelaunt durch das Portraitloch nach draußen.
Wurmschwanz sah ihm verwirrt nach.
Wahllos nahm James ein Buch aus dem Regal der Bibliothek. Es war in schwarzes Leder gebunden und trug den Titel Fluchschäden, der in silbernen Lettern auf dem abgenutzten Umschlag prangte.
James blätterte es flüchtig und gelangweilt durch, als die Bibliothekarin, Madam Pince, ihm auf die Schulter tippte und sagte: „Geh vorsichtig mit den Büchern um, ja, Junge? Manche davon sind schon sehr alt.“ Anscheinend dachte sie, James würde mutwillig alles zerstören, was ihm in die Hände fiel. Dieser sah sie an, zog eine Augenbraue hoch und nickte.
Madam Pince wuselte offensichtlich zufrieden zurück hinter ihren Schreibtisch und James stellte das Buch zurück ins Regal.
„Womit könnte ich Schniefellus nur am besten verhexen?“, murmelte er leise vor sich hin und zog ein anderes Buch mit dem Aufdruck Die Braukunst der Zaubertränke von A-Z heraus und guckte im Inhaltsverzeichnis vergeblich nach giftigen Tränken.
Er hatte gerade ein besonders altes Buch wieder ins überfüllte Regal gequetscht, auf dem Erklärung und Anwendung Dunkler Künste stand, als er eine bekannte Stimme hinter ihm fragen hörte: „Was machst du denn hier?“
James drehte sich um und sah in Sirius’ Gesicht.
„Och, ich habe nur geguckt, wie ich Schniefellus am besten verhexen kann.“ James verschränkte die Arme vor der Brust. „Und was machst du hier?“
„Ich habe dich gesucht. Du hast Post.“
James sah ihn verwirrt an. „Von wem?“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, Mann. Sehe ich etwa so aus, als würde ich deine Post öffnen?“
James schüttelte den Kopf und folgte Sirius in den Gemeinschaftsraum, wo eine weiße Schneeeule bereits an James’ Bettende auf ihn wartete. Sie hatte einen weißen Umschlag an ihr Bein gebunden, der an ihn adressiert war.
Mit in Falten gelegter Stirn band James den Brief von der Eule los und diese flatterte durch ein offenes Fenster davon.
Er öffnete den Brief und las:
Du bist so ein Dreckssack! ICH wollte mit ihr zum Ball und das weißt du auch genau! Du kriegst sowieso immer alles! Du bist gut in Quidditch und du bist beliebt!
Wenn du es wagst, mir noch ein mal über den Weg zu laufen, bist du dran, Potter!
„Eindeutig Snapes Sauklaue“, befand James.
„Als ob der seine Drohungen jemals wahr machen würde“, lachte Sirius und las sich den Brief noch ein mal durch.
James legte die Stirn in Falten. „Da wäre ich mir gar nicht mal so sicher.“ Gedankenverloren ließ er sich aufs Bett sinken. Was hatte Snape nur mit diesem „Du bist dran!“ gemeint?
„Komm mit!“, sagte Sirius wütend. „Und nimm deinen Tarnumhang mit, James!
Diesem Mistkerl werde ich es zeigen!“ Er schob das Portraitloch der Fetten Dame beiseite und wollte hindurchklettern.
„Und einen Schulverweis riskieren?“ James, der Sirius bis eben stumm gefolgt war, blieb stehen und sah Sirius an, der sich zu ihm umgedreht hatte und der aussah, als könnte er jeden Moment wütend losstürmen und jeden verhexen, der ihm über den Weg lief und ihn auch nur falsch ansah. „Ich darf dich auch daran erinnern, dass du eben im Gemeinschaftsraum der Erste warst, der Snapes Drohungen für so viel Wert gehalten hat, wie eine Ladung Drachenmist.“
Sirius schien die Sache mit dem Schulverweis ziemlich egal zu sein. „Von mir aus sollen die mich doch rausschmeißen, wenn ich dafür endlich mal Schniefellus in die Finger kriege!“, sagte er gereizt.
Sie gingen durch das Schlossportal auf die Ländereien von Hogwarts. Dort fanden sie Snape unter einem Baum sitzend auf dem Gelände.
Sirius ging betont lässig auf ihn zu, obwohl er sich am liebsten mit ihm geprügelt hätte. „Na, Schniefellus? Ist das zufällig deine Schrift?“ Verächtlich warf er ihm das etwas vergilbte Pergament vor die Füße.
Snape klaubte es auf und warf einen kurzen Blick darauf. „Ja“, sagte er ungerührt, „aber ich weiß nicht, was es dich angeht. Es war für Potter bestimmt.“
„Wie schön“, giftete Sirius, „dass Potter auch hier ist!“
Snape schien James eben er bemerkt zu haben und sah in mit einem Blick an, in dem sich tiefste Abscheu spiegelte. „Musst deinen Freund wohl überall mit hinschleifen. Hast wahrscheinlich Angst, dass ich dich verhexen würde, wenn du alleine herkommst?“
James lachte. „Träum weiter, Snape.“ Dann fiel ihm etwas ein: „Ach übrigens: Wir laufen uns gerade über den Weg, falls du es durch deine Fettmähne noch nicht erkannt haben solltest. Das bedeutet ja wohl, dass ich jetzt „dran“ bin, wie du es so schön ausgedrückt hast.“ Spöttisch fügte er hinzu: „Oder hast du jetzt Angst?“
Snape sah ihn mit blitzenden Augen an. „Du hast alles, Potter! Du bist gut in der Schule, gut im Quidditch, hast Freunde, bist beliebt!“ Er kochte vor Wut und man hatte das Gefühl, dass der Schnee unter seinen Schuhen jeden Augenblick schmelzen könnte.
„Na und? Ich kann doch auch nichts dafür, dass du ein Loser bist, Snape.“ James runzelte die Stirn.
Snape wollte etwas erwidern und machte den Mund auf, klappte ihn aber wieder zu, ohne dass etwas herausgekommen war. Wütend und mit wehendem Umhang stürmte er in Richtung Schloss davon.
Sirius und James sahen sich halb stirnrunzelnd, halb lachend an. Dann folgten sie Snape zurück ins Schloss.
„Was kann er denn nun genau damit gemeint haben, dass ich dran bin?“ Langsam klang James ehrlich besorgt.
„Ich weiß es nicht“, seufzte Sirius, „aber ich würde mir an deiner Stelle keine Gedanken mehr darum machen.“
An James’ besorgter Miene erkannte Sirius, dass er sich sehr wohl noch Gedanken um Snapes Worte machte.
Auf den Weg in den Gemeinschaftsraum trafen sie Lily. „Was ist los?“, fragte sie, als sie James’ besorgte Miene sah.
Sirius schilderte ihr ausführlich, was eben vorgefallen war, da James anscheinend nicht darüber reden wollte.
„Also wisst ihr immer noch nicht, was Snape damit meinte, dass James „dran“ ist?“, fragte Lily Sirius, da James ziemlich abwesend war.
Sirius schüttelte den Kopf. „Er war ja zu feige, um irgendetwas zu machen. Hat nur dagestanden und geredet.“
„Ich weiß ja nicht, wie es euch geht“, Lily runzelte die Stirn und sah Sirius direkt an, „aber ich an eurer Stelle würde mit Dumbledore darüber reden.“
Dumbledore war der Schulleiter von Hogwarts, ein alter Mann mit Halbmondbrille, Hakennase, weiß-silbrigem Haar, dass ihm über die Schultern fiel und einem weißen, langen Bart.
Überraschend meldete sich James zu Wort: „Nein. Wie sähe das denn aus? Als ob ich zu viel Angst hätte, um das alleine mit Snape zu klären.“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Es ist deine Entscheidung, Mann, aber ich fand Evans’ Vorschlag nicht schlecht.“
„Denk darüber nach, ja?“, sagte Lily, guckte ihm in die Augen, lächelte ihm dann kurz zu und ging davon.
Gemeinsam machten sich James und Sirius auf den Weg in den Gemeinschaftsraum.
Am nächsten Tag im Gryffindor-Gemeinschaftsraum fragte Sirius James: „Und? Willst du jetzt mit Dumbledore darüber reden?“
James schüttelte den Kopf. „Nein. Das habe ich doch gesagt!“
„Dumbledore könnte aber etwas dagegen unternehmen, oder zum Mindest mal mit Severus wegen dem Brief reden, James.“ Moony war in den Gemeinschaftsraum gekommen, gefolgt von Wurmschwanz.
„Woher wisst ihr beide denn davon?“, fragte James irritiert und fügte hinzu: „Ich habe doch keinem von euch davon erzählt.“
„Sirius hat uns eingeweiht“, sagte Wurmschwanz.
„Na toll“, sagte James tonlos, „bald weiß wahrscheinlich ganz Hogwarts von meinem Problem.“
„Als unsere Freunde hatten Wurmschwanz und Moony aber das Recht, eingeweiht zu werden, Krone“, meinte Sirius vorsichtig.
„Jahaa, wahrscheinlich hast du Recht“, murmelte James. Nach einiger Zeit meinte er: „Ich gehe jetzt zum Quidditch-Training“, ging sich umziehen, schulterte seinen Besen und verließ den Gemeinschaftsraum in Richtung Quidditch-Feld.
Wegen des Schnees hatten sie extrem schlechte Sicht. Der Schnatz war kaum zu erkennen und auch die Klatscher wurden meistens erst gesichtet, wenn sie nur noch ein paar Zentimeter von der betroffenen Person entfernt waren und diese einen Looping oder einen Sturzflug hinlegen musste, um ihnen auszuweichen.
James hatte den Schnatz überhaupt erst nach fünfundzwanzig Minuten erspäht und ihn dann auch prompt wieder aus den Augen verloren, bei dem Versuch, einem heransausenden Klatscher auszuweichen.
Nach einer Dreiviertelstunde brach Clark das Training ab, das laut eigener Aussage vor Trainingsbeginn mindestens zwei Stunden hätte dauern sollen, und schickte sie in ihre Umkleideräume, um sich umzuziehen.
Aber James war froh darüber, dass Clark das Training früher beendet hatte.
„Mann bin ich froh, dass Clark früher abgebrochen hat!“, meinte Seamus Durst, der Jäger der Gryffindors, ein stämmiger Junge mit braunen, kurzen Haaren, der im Moment das sechste Schuljahr absolvierte, auf dem Weg zurück ins Schloss zu James.
„Hmhm“, machte dieser geistesabwesend und starrte vor seine Füße in den weißen, unberührten Schnee.
„Weißt du“, fuhr Seamus fort, „ich finde, du bist ein klasse Sucher! Wenn die Wetterbedingungen nicht so schlecht gewesen wären, hättest du den Schnatz doch sicherlich nach einer Viertelstunde erspäht, nicht wahr, Potter?“
James zuckte mit den Schulter und antwortete nicht. Er wünschte sich, so schnell wie Möglich von Seamus wegzukommen.
„Wenn du dieses Jahr abgehst, verliert Hogwarts wirklich einen erstklassigen Sucher“, plapperte Seamus weiter.
„Aha“, machte James desinteressiert. Er hatte keine Lust, sich über Quidditch zu unterhalten und tat deswegen so, als hätte er Seamus Vorschlag, nach der Schule in einem berühmten Quidditch-Team wie den Chudley Cannons oder den Wimbourner Wespen zu spielen, nicht wahrgenommen.
„Du...ähm, Seamus? Ich habe noch etwas Superwichtiges zu klären. Ich muss los!“ James beschleunigte seine Schritte und ließ Seamus hinter sich zurück. Er hatte das Gefühl, dass dieser ihm verwirrt nachguckte.
„Schokofrosch“, sagte James vor der Fetten Dame, die bereitwillig zur Seite sprang und ihn einließ.
James stieg durch das Portraitloch in den Gemeinschaftsraum und ließ sich, ohne seine Quidditch-Gaderobe auszuziehen, in einen der Sessel am Kamin sinken, in dem ein stattliches, warmes Feuer prasselte, um sich etwas aufzuwärmen. Er hielt die Hände ganz nah ans Feuer und vertrieb so die Kälte aus seinen Gliedmaßen.
„Wie war Quidditch?“, fragte Sirius, der eben die Treppe zum Jungeschlafsaal runtergegangen war, als er James im Sessel sitzen sah und gesellte sich zu ihm.
James rollte mit den Augen. „Es war bescheuert. Weges des Schneetreibens konnte man überhaupt nichts sehen. Clark, mein Trainer, wollte uns eigentlich zwei Stunden trainieren lassen. Dann hat er aber nach einer Dreiviertelstunde eingesehen, dass es keinen Sinn hat, bei dem Wetter noch weiterzumachen, weil man den Schnatz überhaupt nicht sehen konnte und die Klatscher auch erst in Sicht kamen, als sie einen schon fast vom Besen geworfen hatten, und hat aufgehört und uns zurück in die Umkleideräume geschickt. Er hat alleine schon fünfundzwanzig Minuten gedauert, bis ich den Schnatz überhaupt das erste Mal gesehen hatte und dann habe ich ihn auch fast sofort wieder aus den Augen verloren.“
Sirius zuckte mit den Schultern. „Vielleicht wird es ja das nächste Mal besser. Vielleicht ist das Wetter dann ja schöner.“
„Das glaube ich kaum“, meinte James und verdrehte die Augen.
Es waren noch zwei Tage bis zum Weihnachtsball. Die Stimmung im Schloss wurde zunehmend nervöser, aber James war gut gelaunt. Er freute sich tierisch, besonders wenn er an Snapes missbilligende Blicke dachte, die er ihm und Lily mit Sicherheit zuwerfen würde, wenn er sie zusammen tanzen sah.
Seit der Situation auf dem Schlossgelände hatte James Snape kaum länger als eine Sekunde lang gesehen, worüber er sehr froh war. Er machte sich auch keine Gedanken mehr darüber, was Snape damit gemeint hatte, als er sagte, James sei „dran“. Er dachte nur noch daran, dass er mit Lily zum Weihnachtsball gehen würde und das war ein schöner Gedanke. Ein Gedanke, der von keinem anderen Gedanken gestört werden sollte.
James saß mit Wurmschwanz im Gemeinschaftsraum und sah zu, wie er seine Hausaufgaben für Zauberkunst machte. Wurmschwanz strich immer wieder etwas durch, formulierte es neu, oder saß ratlos vor seinem Pergament und murmelte vor sich hin.