Ich hab mal eine neue FF angefangen. Vielleicht gefällt sie euch ja .
Harry Potter im Zeichen des Todes
Bei den Dursleys am Frühstückstisch herrschte angespannte Stimmung. Tante Petunia spähte nicht wie üblich zu den Nachbarn, sondern warf ihrem Gatten Vernon immer wieder nervöse Blicke zu. Dessen Augen unterdessen huschten immer wieder zum Telefon und dann wieder zu seinem Frühstücksteller mit Speck und Rührei, den er nicht angerührt hatte und dem Dudley mit seinen Schweinsaugen immer wieder gierige Blicke zuwarf.
Harry kannte den Grund für diese Angespanntheit: Heute sollte sich telefonisch herausstellen, ob Onkel Vernon seinen heiß ersehnten neuen Auftrag bekam (Onkel Vernon arbeitete bei der Bohrmaschinenfirma Grunnings).
Er zögerte seine Fahrt zur Arbeit immer weiter hinaus, bis er eine Dreiviertelstunde nach seiner üblichen Abfahrtszeit einsah, dass es erst einmal keinen Sinn hatte, noch länger zu warte. Er räusperte sich einmal, dann sagte er: „Nun, ich fahre dann mal zur Arbeit. Petunia, Liebling, sag mir doch bitte Bescheid, wenn sich jemand melden soll-“
Doch das letzte Wort ging in einem Ohrenbetäubenden KNALL unter. Tante Petunia schrie und schlug die Hände über den Kopf und Dudley verkroch sich unter dem Tisch. Eine große, braune Eule war soeben gegen das Küchenfenster gekracht. Während Harry aufstand und das Fenster öffnete, brüllte Onkel Vernon: „Diese verdammten Eulen sollen aus diesem Haus verschwinden. Ein für alle Mal!“
Aber Harry beachtete ihn nicht, sondern ging zum Fenster und öffnete es. Die nun etwas zerzauste Eule flog hinein und landete auf der sauberen Küchentheke. Tante Petunia kreischte und versuchte, den Vogel mit den Händen von ihren sauberen Möbeln zu verscheuchen, aber der streckte nur folgsam ein Bein aus und flog erst davon, nachdem Harry ihm den Brief abgebunden hatte.
Hastig öffnete er ihn und erkannte Hermines Handschrift:
Lieber Harry,
ich hoffe, du hast schöne Sommerferien. Ich nutze die Zeit, um ein bisschen von dem alten Stoff zu wiederholen.
Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, mich in den Sommerferien zu besuchen. Mum und Dad würden dich sehr gerne kennen lernen. Ich habe ihnen viel von dir erzählt.
Ron habe ich auch eingeladen und auch schon eine Antwort erhalten – er würde mich sehr gerne besuchen und kommt heute an. Er sagt, sein Dad kommt auch mit – der kann es wahrscheinlich gar nicht erwarten, mal meine Eltern kennen zu lernen. Er ist ja so ein Muggelfreund.
Gib mir doch bitte Antwort, sobald du kannst.
Herzlichst,
Hermine
Ps. Ich hoffe, du kriegst keinen Ärger mit deinem Onkel. Vielleicht hätte ich den Brief doch lieber mit der Muggelpost schicken sollen.
Harry freute sich über ihren Brief. Seit die Ferien begonnen hatten, hatte ihm noch niemand einen Brief geschrieben.
Er nahm sich fest vor, ihn nach dem Essen zu beantworten und wollte ihn gerade wegstecken, da blaffte Onkel Vernon: „Was ist das für ein Brief? Von wem ist er? Und wer sollte dir denn bitteschön Briefe schreiben?“
„Er ist von einer Schulfreundin“, antwortete Harry hastig. „Hermine Granger.“ Es überraschte ihn nicht, dass Onkel Vernon höhnisch lachte. „Freunde? Du hast doch keine Freunde an dieser Beklopptenanstalt.“
„Habe ich wohl“, konterte Harry. „Von einem hast du auch den Vater und die Zwillingsbrüder schon einmal kennen gelernt. Und wenn du dich nicht mehr daran erinnern kannst, frag mal Dudley. Der kann sich sicherlich noch gut an eine braune Süßigkeitentüte mit grellbunten Bonbons erinnern.“
Dudley machte ein angsterfülltes Gesicht, packte sich an die Kehle und fing an zu würgen, als hätte er soeben wieder ein Würgzungen-Toffee verschluckt und seine Zunge hätte sich über einen Meter verlängert.
„Hör auf, davon vor Dudley zu sprechen“, schimpfte Tante Petunia. „Du weißt doch, was er schon alles durchgemacht hat, seit du auf diese – diese“, sie senkte die Stimm zu einem Flüstern, als ob sie Angst hätte, belauscht zu werden und Harry musste die letzten Worte von ihren Lippen ablesen, „Schule gehst.“
„Oh, ja, das hätte ich fast vergessen“, sagte Harry verächtlich. „Dudley hat ja sooo viel durchgemacht, seit ich nach Hog-“
„Sag diesen Namen nicht“, unterbrach ihn Onkel Vernon wütend, aber Harry beachtete ihn nicht und sprach bestimmt weiter: „-warts gehe. Er musste seine Gang anführen und Spielplätze demolieren, er musste mich ärgern, während ich mein Leben riskiert habe, um gegen Voldemort zu kämpfen. Ich habe die ganzen Dementoren verjagt, während Dudley hier gemütlich auf dem Sofa saß und Fernsehen geguckt hat. Was für ein stressiges und aufregendes Leben das doch sein muss.“
Zum ersten Mal überhaupt wussten die Dursleys nichts auf Harry Worte zu erwidern, doch es war ihm gleich. Ungerührt fuhr er fort: „Das muss wirklich schlimm für ihn gewesen sein. Er hat hier unter Qualen eine Diät gemacht, während ich gefoltert wurde und gesehen habe, wie Freunde fast gestorben währen. Andere sind sogar gestorben!“
„Gestorben?“ Zum ersten Mal klang Tante Petunias Stimme ängstlich. „Wer ist gestorben? Nimmst du uns auf den Arm?“
Harry schüttelte den Kopf. „Cedric Diggory ist tot, Ginny Weasley wäre fast gestorben, meine Eltern sind tot. Alles Dank Voldemort. Und Sirius-“ Er stockte. Er wollte nicht über seinen Paten sprechen. Er war der letzte Verwandte, den Harry noch gehabt hatte. Er drehte sich um, während er merkte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen.
„Wer ist Sirius?“, erkundigte sich Onkel Vernon mit gleichgültiger Stimme. Harry spürte, dass sie ihn alle anstarrten, konnte ihre Blicke in seinem Nacken spüren.
„Er ist – war mein Pate“, antwortete er kurz angebunden. Er wünschte sich, alleine auf seinem Zimmer zu sein, anstatt hier in der kleinen Küche mit den Dursleys, während er merkte, dass ihn immer noch alle anstarrten.
„War das nicht der Typ aus den Nachrichten? Der Verbrecher, den sie gezeigt hatten?“ Als Harry nickte (er fragte nicht, wie Onkel Vernon diese Information so lange im Gedächtnis behalten hatte), breitete sich eine zufriedene Miene auf Onkel Vernons Gesicht aus und er sagte: „Gut, dass der weg ist. Dann braucht sich die Polizei auch nicht mehr darum zu kümmern.“
Harry zog es vor, nicht weiter auf das Thema einzugehen, weil es nur schmerzlich war. Er zwang seine Gedanken, die zur Mysteriumsabteilung und zu Bellatrix Lestrange, Sirius’ Cousine und Mörderin, abgeschweift waren, zurück in die Gegenwart und fragte: „Also, darf ich zu Hermine?“
In diesem Moment klingelte das Telefon. Die Dursleys zuckten zusammen, dann eilte Onkel Vernon zum Hörer. Er hob ihn ab, sie hörten ihn wenige Worte wechseln und einmal kurz lachen, dann kam er zufrieden zurück in die Küche und verkündete: „Ich hab’ den Auftrag in der Tasche.“
Dudley verzog keine Miene, sondern starrte auf den kleinen Küchenfernseher (die Dursleys hatten ihn Dudley einst zur Anfang der Ferien geschenkt, da er sich dauernd beschwert hatte, wie weit der Weg vom Wohnzimmer zum Kühlschrank war), aber Tante Petunia lächelte ihren Gatten an. Es war, als wäre Harry Luft.
„Das ist wirklich toll, Vernon“, sagte sie. Anscheinend hatten sie Harrys Anwesenheit vergessen, denn er musste sich nach einigen Minuten noch einmal Gehör verschaffen, um zu fragen, ob er nun die restlichen Sommerferien zu Hermine durfte.
Petunia verzog den Mund und Onkel Vernon schien scharf nachzudenken. Wenn sie ihn gehen lassen würden, wären sie ihn früher los, aber das bedeutete auch, dass sie ihn glücklich machen würden und das hatten sie lange versucht zu vermeiden.
Nachdem er einige Minuten lang nachgedacht hatte, zuckte er gleichgültig mit den Schultern und sagte: „Von mir aus kannst du zu – zu dieser Familie, aber ich habe keine Zeit, dich irgendwo hinzufahren, also schreib ihnen gefälligst, dass sie dich abholen sollen.“
Da Harry ohnehin der Appetit vergangen war und er außerdem nichts Besseres hätte erwarten können, ging er nach oben, kramte seine Schultasche unter seinem Bett hervor, holte Feder und Pergament heraus und schrieb:
Liebe Hermine,
ich würde gerne in den Sommerferien zu euch kommen, aber mein Onkel hat keine Zeit, um mich hinzufahren. Weißt du einen Weg, wie ich zu euch gelangen könnte?
Viele Grüße
Harry
Er sah zu Hedwig in ihrem Käfig. Sie hatte den Kopf unter dem Flügel verborgen und schlief. Vorsichtig ging Harry zu ihr und stupste sie sachte an. Er sah, wie sie verschlafen ein bernsteinfarbenes Auge öffnete. Als sie Harry erkannte, schuhute sie leise.
Er öffnete die Käfigtür und sie flog folgsam auf seinen Arm und streckte ein Bein aus. Harry band den Brief fest und sagte: „Hör zu: Kannst du den Brief zu Hermine bringen?“
Sie kniff ihm zärtlich in den Finger, zum Zeichen, dass sie ihn verstanden hatte. Er spürte einen kurzen Druck auf seinem Arm, als Hedwig sich abstieß, um durchs offene Fenster hinauszuflattern. Er sah ihr nach, bis sie verschwunden war. Dann legte er sich aufs Bett und wartete. Sie würde wohl nicht vor morgen zurück sein.
Er dachte nach, über all die Menschen, die wegen ihm gestorben waren, oder die für ihn starben: Erst seine Eltern, Lily und Janes Potter, dann Cedric Diggory und dann Sirius, den letzten lebenden Verwandten, den er noch gehabt hatte.
Und das nur, weil ich Okklumentik nie richtig beherrscht hatte, dachte er mit einer Mischung aus Reue und sich selbst verachtend.
Er wollte es sich nicht eingestehen, aber die kurze Zeit, die er ihn gekannt hatte, war Sirius fast wie ein Ersatzvater für ihn geworden. Er hatte nicht daran gedacht, dass er vielleicht einmal nicht mehr da sein würde, genau wie seine Eltern.
Wen würde er wohl noch alles verlieren, bis ihn sein Weg endlich zu Voldemort führen würde?
Harry musste nicht lange auf Hermines Antwort warten: Bereits am nächsten Morgen, als er auf seinem Bett im Zimmer saß und in einem alten, ramponierten Exemplar von Lehrbuch der Zaubersprüche, Band 3 blätterte, empfing er einen Brief von ihr, in dem stand, dass sie ihn heute Nachmittag gegen vier Uhr abholen würden. Er legte den Brief weg und teilte es seinem Onkel mit, damit er darauf gefasst war, dass die Grangers in etwa drei Stunden ankommen würden.
„Hoffentlich sind sie pünktlich“, knurrte er. Unpünktlichkeit war eine Sache, die die Dursleys absolut nicht einsahen und die sie nicht hinnehmen würden.
„Das werden sie sein“, merkte Harry zuversichtlich an. Er konnte sich nicht vorstellen, dass Hermine zu spät zu einem vereinbarten Termin kam, wo sie doch auch überpünktlich war, wenn es darum ging, eine Prüfung zu absolvieren.
Und tatsächlich: Zum vereinbarten Zeitpunkt klingelte es an der Tür. Da keiner von Harrys Verwandten Anstalten machte, sich vom Sofa zu erheben und die Tür zu öffnen, ging er selbst los, um Mr und Mrs Granger einzulassen.
„Hallo, Harry“, begrüßte Mrs Granger ihn. „Ich hoffe, du hattest bisher schöne Ferien.“ Mrs Granger war eine schlanke, große Frau mit braunem, lockigem Haar, das sie zu einem buschigen Knoten zusammengebunden hatte.
„Danke, ja“, antwortete Harry höflich. Er hielt es für Zeitverschwendung, sie vom Gegenteil zu unterrichten und wollte sich nicht ausmalen, was passieren würde, wenn Onkel Vernon jetzt mitbekam, wie er von seinen schrecklichen Ferien hier erzählte.
„Ich nehme an, du hast deine Sachen gepackt?“, erkundigte sich Mr Granger. Als Harry nickte, sagte er: „Das ist wunderbar. Dann werden wir wohl aufbrechen“, verabschiedete er sich an Onkel Vernon gewandt, der nur knapp nickte.
„Also, dann auf Wiedersehen“, sagte Harry, als er mit seinem Gepäck und Hedwigs Käfig wieder ins Wohnzimmer kam. Er nahm seine Sachen mit nach draußen und verstaute sie im Wagen der Grangers. Danach nahm er mit Hermine auf dem Rücksitz des mittelgroßen Wagens platz.
Einige Zeit lang fuhren sie schweigend, bis Hermine sich an Harry wandte: „Ähm, weißt du schon, was du mit dem Grimmauldplatz machst?“
„Hm? Ach ja.“ Einen Moment lang hatte er sich gefragt, wovon sie redete. Er hatte vergessen, dass das Haus ja jetzt ihm gehörte.
„Ich will es nicht“, antwortete er kurz angebunden. „Keine Ahnung, was damit passieren soll, aber ich will es nicht.“ Er hatte das Gefühl, dass ihn das Bild von Sirius, wie er alleine und grimmig durch die alten, vermoderten Räume schlich und Kreacher, der überhaupt der Auslöser dafür gewesen war, dass Harry in die Mysteriumsabteilung geeilt war und dass Sirius gestorben war, ihn nie mehr loslassen würde.
„Ich will nie mehr dahin zurück.“ Er erinnerte sich unwillkürlich an den Raum mit dem Schleier in der Mysteriumsabteilung, an die flüsternden Stimmen, die er von dort gehört hatte und fragte sich, ob sein Pate jetzt wohl eine von ihnen war.
Während der Zeit, die er mit Ron bei Hermine verbrachte, dachte er kaum noch an Sirius, aber als die Fahrt nach Hogwarts anstand, breitete sich ein drückendes Gefühl der Leere in ihm aus.
Sirius war sein einziger Briefpartner gewesen. Sonst schrieb ihm keiner vom Orden. Er würde keine Briefe mehr von ihm bekommen, wenn Snape ihn kurz zuvor aufs Übelste getriezt hatte und auch auf Ratschläge, wie er gefährliche Situationen meistern konnte, würde er wohl ewig warten, denn er glaube nicht, dass Mad-Eye Moody ihm diese erteilen würde, falls sie sich irgendwann in den Ferien einmal über den Weg laufen sollten.
Im Zug suchten sie sich ein leeres Abteil und wuchteten ihre Koffer auf die Gepäckablage. Dann setzten sie sich hin.
„Meint ihr, das siebte Jahr wird hart?“, fing Ron mit einem Gespräch an. Er sah schon beim bloßen Gedanken daran unruhig aus und Harry meinte zu wissen, was in ihm vorging: Er war nicht der beste Schüler und hatte sich außerdem gegen fünf ältere Brüder zu behaupten, wenn es um die Auszeichnungen und Zensuren ging.
Harry wollte ihn gerade beruhigen und ihm sagen, dass es wohl nicht so schlimm werden würde (obwohl er selbst nicht überzeugt davon war), da fiel ihm Hermine ins Wort: „Natürlich! Das siebte Jahr ist doch das UTZ-Jahr. Wir müssen praktisch alles vom ersten bis zum siebten Jahr wiederholen, um die Prüfungen zu schaffen.“ Sie kraulte Krummbein, ihren orange-roten, säbelbeinigen Kater, hinter den Ohren, der eben leichtfüßig auf ihren Schoß gesprungen war und sich zu einer Kugel zusammengerollt hatte und zufrieden schnurrte und die Augen schloss.
Ron starrte missmutig ins Leere und sprach während der ganzen Fahrt kein Wort. Erst als sie in die großen Kutschen stiegen, die von Thestralen gezogen wurden, fing er wieder an zu sprechen: „Ich wette, McGonagall und Snape haben sich für die erste Stunde etwas Schweres ausgedacht.“
Harry antwortete nicht, sondern starrte auf die schwarzen Pferde mit den weißen Augen und den Flügeln, die aussahen wie Leder, doch eigentlich sah er sie gar nicht. Er war viel zu sehr in seine eigenen Gedanken vertieft, sodass er erst merkte, dass sie angehalten hatten, als Ron ihn anstupste und sagte: „Komm schon, Harry.“
Er stand auf und folgte den anderen beiden hinaus in die kühle Abendluft.
Sie waren gerade dabei, ihre Koffer auszupacken, als sie herausfiel. Harry sah nur etwas Glitzerndes auf dem Boden liegen und hob es auf. Im Licht betrachtet sah er, dass es die Spiegelscherbe war, die er von dem zerbrochenen Zweiwegspiegel aufgehoben hatte, den Sirius ihm vor seiner Abreise im fünften Schuljahr gegeben hatte. Er hatte sie nicht aufgehoben, weil sie noch zu gebrauchen war, im Gegenteil: Sie war nutzlos. Er hatte nur sonst bis auf das Messer, dass Sirius ihm einst zu Weihnachten geschenkt hatte, nichts, was ihn an seinen Paten erinnerte.
Vorsichtig nahm er sie in die Hand und sah sie an. Er sah sein eigenes, grünes Auge, das ihn anblickte. Er wusste, dass es keinen Zweck hatte, Sirius zu rufen, denn er würde nicht erscheinen. Nie mehr. Er war fort.
Harry war froh, dass der Unterricht wieder angefangen hatte, denn er war anspruchsvoller denn je und er konnte ihn etwas von seiner Trauer um Sirius ablenken. Außerdem bekamen die Siebtklässler Unmengen von Hausaufgaben auf, mit denen sie sich auf ihre UTZ-Prüfungen vorbereiten sollten.
Die Predigten über das Lernen hörten sie von jedem Lehrer in den ersten Stunden nach den Ferien.
„Wie Sie sicher von ihren ZAG-Prüfungen wissen sollten, werden Sie durch keine Prüfung kommen, ohne anständig dafür vorbereitet zu sein“, erklärte ihnen gerade Professor McGonagall. „Durch die Anzahl Der UTZe, die Sie bei den Prüfungen erreichen, entscheidet sich, was Sie später einmal für eine Berufslaufbahn einschlagen werden, also sollten Sie sich in diesem Jahr etwas mehr anstrengen, denn ich bin überzeugt, dass jeder hier von Ihnen einen UTZ in Verwandlung schaffen kann, wenn er sich gut vorbereitet und gezielt darauf hinausarbeitet. Als Hausaufgabe“, sie schnippte einmal mit dem Zauberstab und die Worte erschienen an der Tafel, „sollten sie mir einen Aufsatz darüber schreiben, wie man einen Animagus von einem richtigen Tier unterscheidet. Ich erwarte fünfzig Zentimeter bis zu unserer nächsten Stunde übermorgen.“
Die Klasse stand auf und ging in ihre Gemeinschaftsräume, weil sie jetzt eine Doppelstunde frei hatten, bevor es für die Gryffindors zu Kräuterkunde mit den Hufflepuffs ging.
Im Gemeinschaftsraum packte Ron finster seine Sachen aus, da Hermine angedroht hatte, dass sie ihm nicht helfen würde, wenn er nicht jetzt sofort anfangen würde zu arbeiten und es lange hinausschieben würde.
„Also, was sind die Unterschiede zwischen Animagi und Tieren?“ Er sah Hermine hoffnungsvoll an, die schon eifrig dabei war, Sätze auf ihr Pergament zu schreiben. Sie sah nicht auf, sondern schrieb einfach weiter, als sie antwortete: „Na ja, Animagi haben irgendwo ein Merkmal des Zauberers, nicht wahr? Professor McGonagall zum Beispiel hat doch immer das Brillenmuster um ihre Augen, wenn sie sich verwandelt.“
„Da hätte ich aber auch selbst drauf kommen können“, murmelte Ron und kritzelte etwas auf sein Pergament. Harry verkniff sich ein Grinsen, während er anfing, etwas auf dem dünnen Pergament zustande zu bringen.
In der Kräuterkundestunde sollten sie verschiedene Pflanzen abzeichnen und benennen, darunter eine Venemosa Tentacula und verschiedene Blüten. Es passierte nichts Aufregendes, außer dass Neville einmal seinen Snargaluff-Kokon fallen ließ und dieser wie ein Gummiball durch das Gewächshaus hüpfte.
Als sie wieder ins Schloss gingen und auf dem Weg in den Gemeinschaftsraum waren, sah Harry einen silbernen Schein aus einem Klassenzimmer leuchten. Neugierig geworden bedeutete er den anderen, dass sie ruhig schon einmal vorgehen sollten und dass er gleich nachkommen würde. Schon als er den Raum betrat wusste er, woher dieser Schein kam: Es war der Spiegel Nerhegeb, den er zufällig in seinem ersten Schuljahr schon einmal entdeckt hatte.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand außer ihm im Raum war, ging er zögernd darauf zu. Auf halbem Weg hielt er inne, denn ihm fielen die Worte wieder ein, die Dumbledore ihm bei seiner ersten Begegnung mit dem Spiegel gesagt hatte: ‚Ich brauche keinen Tarnumhang, um unsichtbar zu werden’. War er womöglich jetzt gerade hier im Raum und beobachtete Harry im Verborgenen?
Noch einmal sah er sich um, obwohl er wusste, dass es sinnlos war. Wenn Dumbledore nicht gesehen werden wollte, dann würde er das auch irgendwie schaffen. Darum ging er weiter auf den Spiegel zu. Als er ganz nah war, sah er wieder seine Eltern, die vor seiner Familie standen und ihn anlächelten.
Wenn ich doch nur irgendwie zu ihnen gelangen könnte, dachte Harry, doch er wusste, dass es unmöglich war. Er sah noch einige Minuten auf seine Familie, dann wollte er sich umdrehen, als er sah, wie sich die Oberfläche des Spiegels veränderte. Sie war jetzt nicht mehr glatt, sondern milchig-weiß und fing an zu wirbeln. Verdutzt starrte Harry darauf, sah, dass sich das Bild abwechselnd wieder klärte und trüb wurde. Das ging einige Minuten so und er wollte sich gerade wieder umdrehen und gehen, als das Bild wieder klar wurde und diesmal klar blieb.
Es zeigte eine Landschaft, die nur aus Braun- und Grüntönen bestand und ziemlich wüst wirkte. Es wuchsen keine Pflanzen, es gab nur große Berge, die in den blassrosa Himmel ragten. Hier und da huschte ein Schatten über die Landschaft, aber er verschwand so schnell wieder, dass Harry sich sicher war, dass er sich ihn nur eingebildet hatte.
Verdutzt starrte er auf die Landschaft, die mehr einer Steppe glich. Was sollte das denn jetzt bedeuten? Er erinnerte sich an Dumbledores Worte: ‚Der Spiegel zeigt und unseren verzweifeltsten Herzenswunsch.’ Aber es war doch nicht sein tiefster Wunsch, in einer Steppe zu leben.
Nachdem er noch einige Augenblicke darauf gestarrt hatte, drehte er sich um und verließ den Raum. Er sah nicht, dass ein paar Sekunden später eine Gestalt aus dem Spiegel kletterte und in dem Zimmer erschien…