Na gut, wenn du mich so lieb darum bittest...
Kapitel 49: Mr. Ollivander’s Geheimnisse
Harry fühlte sich entsetzlich. Ron hatte versucht, ihm zu helfen und ist bei dem Versuch fast umgekommen, andererseits war für Harry nun ohne den Tarnumhang die Gefahr, dass er erkannt und den Kopfgeldjägern ausgeliefert würde, viel größer.
Er blickte schweigend zur magischen Uhr der Weasleys herüber. Sie zeigte bei Arthur, Molly, Ginny, Hermine und nun auch bei Fred und George „in tödlicher Gefahr“ an, Ron’s Zeiger stand auf „vermisst“.
„Remus, Mr. Ollivander hat Recht. Wir sollten nicht nach ihm suchen, bis wir nicht bei den Horcruxen einen entscheidenden Schritt vorwärts gekommen sind. Wir haben jetzt einfach keine Zeit, Ron nachzuspüren. Ich denke, er wird OK sein und zurecht kommen.“
Lupin nickte zögerlich, als Harry fortfuhr: „Mr. Ollivander, bitte erzählen sie mir mehr vom Schatz der Geheimniswahrer!“, sagte Harry, nachdem sie eine ganze Weile geschwiegen hatten. „Professor Dumbledore hat mir eine Reihe von Erinnerungen meiner Eltern hinterlassen und in einer davon haben sie mit meiner Mutter darüber geredet, ob sie ihr Geheimnis einem Freund anvertrauen sollte oder nicht.“
„Ach wirklich? Hatte Lily diese Erinnerung wahrhaftig aufbewahrt? Dann weisst du sicher auch, welchen Ratschlag ich ihr damals gab, nicht wahr? Hätte ich doch nur geahnt, welche fatalen Folgen das gehabt hätte. Ich habe mir manches Mal die größten Vorwürfe deswegen gemacht. Wer weiss, womöglich wären die Potters nie verraten worden ohne meinen Ratschlag.“
Ollivander starrte mißmutig in das lodernde Kaminfeuer.
„Darum geht es jetzt nicht, vielleicht haben wir ein anderes Mal Gelegenheit, darüber nachzudenken. Doch nun drängt wirklich die Zeit. Bitte! Ich muss alles über den Schatz der Geheimniswahrer wissen!“
„Ach ja richtig, ich erinnere mich. Was wissen sie bis jetzt vom Schatz der Geheimniswahrer?“
„Nicht wirklich viel. Ich habe – soweit ich das verstanden habe - die Position des Geheimniswahrers von meinen Eltern geerbt, ohne wirklich über das Geheimnis Bescheid zu wissen. Ich weiss nur, dass es für jedes Haus in Hogwarts einen Geheimniswahrer gibt und man nur Zugang zum Schatz erhält, wenn man alle vier Geheimnisse kennt. Sie sind der Geheimniswahrer von Ravenclaw und Severus Snape ist der von Slytherin, nicht wahr?“
Ollivander’s Blick wirkte abwesend und wich nicht von den lodernden Flammen im Kamin. Doch Harry meinte, ein leichtes Kopfnicken erkannt zu haben und fuhr deshalb fort:
„Die letzter bekannte Geheimniswahrerin von Hufflepuff war wohl eine alte Zauberin namens Hepzibah Smith, die von Tom Riddle ausgeraubt und ermordet wurde. So kontrollieren Voldemort und Snape vermutlich zwei der vier Geheimnisse.
Wenn es sich bei dem Gryffindor-Geheimnis um Gryffindors Schwert handeln sollte, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis sich Voldemort auch das holt, egal ob ich nun Geheimniswahrer bin oder nicht. Danach würde ihm nur noch ihr Geheimnis fehlen, um an den Schatz zu kommen.“
„Langsam, Harry.“, unterbrach ihn Mr. Ollivander, „Ganz so einfach wird es für Ihn, dessen Name nicht genannt werden darf - nicht sein. Ich denke durchaus, dass Du-weisst-schon-wer auch in der Vergangenheit hinter dem Schatz der Geheimniswahrer her war und sich vielleicht noch immer für ihn interessiert. Möglicherweise ist er durch Snape auf den Schatz gestoßen. Allerdings ist der Basilisk dank deines Heldenmutes besiegt worden. Daher ist meiner Ansicht nach zumindest der Slytherin betreffende Teil des Schatzes unrettbar verloren.
Der Schatz verlor damit für die Freunde der dunklen Künste deutlich an Reiz, weil die überragende magische Wirkung dieser vier Gegenstände nur immer dann eintreten konnte, wenn alle vier miteinander verbunden wurden, zum Beispiel wenn man einen Trank mit Bestandteilen aller vier Gegenstände braute. Das nämlich haben die vier begnadeten Gründer von Hogwarts damals herausgefunden. Weil die magische Kraft eines solchen Trankes aber in den falschen Händen ein unermessliches Unheil anrichten könnten, entschieden sich die vier Hogwartsgründer, die Existenz ihrer Entdeckung geheim zu halten. Nur die jeweiligen Schulleiter von Hogwarts wissen davon. Die vier Hausgeister berichten einem neuen Schulleiter davon, falls er nicht durch seinen Vorgänger informiert worden ist.“
Ollivander blickte nun vom Feuer auf und musterte mit seinem ruhigen Blick Harry.
„Sollte Severus Snape nun versuchen, beispielsweise aus den Knochenresten des Basilisken mit den anderen Gegenständen einen Trank zu brauen, dann wird das meines Ermessens wohl nicht merh funktionieren, weil der Basilisk nicht mehr lebendig ist.“
Harry und Lupin nickten zögerlich und blickten Ollivander voller Erwartungen an.
„Wozu das schließlich führte, hat man vor einigen hundert Jahren gesehen, als der damalige Zaubereiminister gemeinsam mit dem seinerzeit in Hogwarts amtierenden Schulleiter den Schatz der Geheimniswahrer einsetzte, um die Aufstände einer großen Gruppe von Schwarzmagiern nieder zu schlagen. Zur Strafe wurden die verhafteten Zauberer mit einem vom Schatz gebrauten Trank in entsetzliche Kreaturen verwandelt, die auf ewig dazu verdammt sein sollten, kein menschliches Glück und keine menschliche Wärme spüren zu dürfen. Heute nennt man sie Dementoren. Man erzählt sich, dass es vor diesem Vorfall auf der Welt keine Dementoren gegeben habe und in der Mysteriumsabteilung noch heute die Gehirne der damaligen Aufständischen zu finden seien.“
„Die Dementoren wurden durch den Schatz der Geheimniswahrer erschaffen?“, fragte Lupin interessiert. Offenbar war selbst ihm das neu.
„Nicht direkt erschaffen,“, erklärte Ollivander, „sie wurden vielmehr verflucht. Sie wären ja heute eigentlich lange tot, sind aber dazu verdammt, anderen Mengen das Glück auszusaugen. Man munkelt, dass es für jeden Dementor im Ministerium ein passendes Gehirn gäbe und ein Dementor nur durch die Zerstörung seines Gehirns sterben kann.“
„Ich war vor zwei Jahren in der Mysteriumsabteilung in einem dunklen Raum. Ron war damals sogar in einen Behälter mit den Gehirnen hineingefallen, wenn ich mich nicht täusche. Hätte ich damals gewusst, dass das die Gehirne der Dementoren sind...“
„Sei froh, dass du davon bisher nicht wusstest. Dein Freund Ron ist übrigens offenbar alles andere als vom Glück verfolgt. Wie auch immer, jedenfalls entschieden der nächste Schulleiter und der damalige Zaubereiminister, das Geheimnis aus dem Schulleiterzimmer zur Minimierung dieser Gefahr entsprechend der vier Gründer der Schule in vier Teilgeheimnisse aufzuteilen, die je eine besonders vertrauenswürdige Person aus jedem Haus schützen und von Generation zu Generation weiter übermitteln sollte. Damit waren die vier Geheimniswahrer geboren, der Schatz ist meines Wissens seit der damaligen Zeit nie wieder vereint worden.“
Harry und Remus hörten Ollivander stumm zu. „Woher wissen sie das aber dann alles, wenn sie nur der Hüter des Geheimnisses von Ravenclaw sind?“, wollte Harry schließlich wissen.
„Sehr gute Frage, mein Junge. Man soll niemals einem Menschen ganz glauben und vertrauen, v.a. wenn es um solch wichtige Dinge geht. Mein Urgroßvater hat meinem Vater und meinem Großvater nicht nur alles über Zauberstäbe beigebracht, sondern eben auch alles mitgeteilt, was er über den Schatz herausgefunden hatte.“
„Der Gegenstand aus Ravenclaw ist tatsächlich der Original-Zauberstab von Rowena Ravenclaw?“, fragte Harry neugierig.
„Woher weisst du das? Ach ja, das Gespräch mit deiner Mutter. Alo gut. es ist wahr und ich denke, dass mit der Kraft dieses Zauberstabes auch die Zerstörung eines Horcruxes erfolgreicher verlaufen wäre als vorhin bei Mr. Weasley. Ich denke übrigens nicht, dass der Gegenstand Godric Gryffindors wirklich das Schwert von Gryffindor ist. Viele gingen davon aus, doch scheint das Schwert mehr die Funktion zu haben, von dem wahren Gegenstand abzulenken. Meiner Kenntnis nach ist es ein kleiner Stein, der zu ewiger Jugend verhelfen soll. Lily bewahrte ihn zumeist in einer kleinen magischen Holzkiste auf.“
„Sie meinen den Stein der Weisen? Voldemort wollte ihn in meinem ersten Schuljahr stehlen, aber nicht meine Eltern, sondern Nicholas Flamel hatte den Stein gefunden und besessen. Wie auch immer, der Stein wurde von Dumbledore vor sechs Jahren vernichtet.“
Remus schüttelte mit dem Kopf. „Das sollte die ganze Welt glauben, diese Geschichte, dass Flamel ihn gefunden habe und vor allem die Zerstörung des Steins. Dumbledore wusste, dass Voldemort und andere hinter dem Stein her waren. Dass alle glaubten, er wurde zerstört, war nur ein geschickter Schachzug von Dumbledore, um das Interesse von dem Stein abzulenken und natürlich um dich zu schützen.“
„Eben. Nicholas Flamel war ohnehin nicht so recht davon zu überzeugen, seine Unsterblichkeit wirklich aufzugeben. Allerdings kannte selbst er Godric Gryffindor nicht persönlich, da hätte er noch rund 400 Jahre früher auf die Welt kommen müssen. Doch ging er zusammen mit dessen Ur-Ur-Ur-Enkel Henry Balthazar Gryffindor in Hogwarts zur Schule und war mit ihm eng befreundet. Da in dieser Generation die Linie der Gryffindors versiegte, weil keine direkten Nachkommen Henrys geboren wurden, kam Flamel auf diese Weise nach dem Tod des letzten Gryffindors selbst zu der Ehre, Geheimniswahrer von Gryffindor zu werden. Weil der Stein ihn ewig jung hielt, war er schon sehr lange Gryffindors Geheimniswahrer und wollte ihn nicht mehr hergeben. Das ging so lange, bis Dumbledore aufgrund der wachsenden Bekanntheit des Steines der Kragen geplatzt war und er ihn zwang, den Stein schließlich doch abzugeben. Er vertraute ihn anschließend Lily und James Potter an und nach ihrem Tod warst du der logische neue Eigentümer. Da du aber noch zu klein warst, bewahrte ihn Dumbledore bis zu deiner Einschulung in Gringotts auf und glaubte ihn dort sicher, bis jemand versuchte, ihn zu stehlen. Das war etwa die Zeit, als wir uns kennen lernten und du bei mir deinen ersten Zauberstab gekauft hast.“
Harry war beeindruckt. Alles passte zusammen. Doch eine Frage blieb offen. „Aber wo ist der Stein denn heute, wenn er nicht zerstört wurde?“, fragte er.
„Ich vermute, da, wo er immer war, seit ihn Flamel abgab. In Lily Potters magischer kleiner Holztruhe. Dieses Behältnis birgt ganz erstaunliche Fähigkeiten und Geheimnisse. Nach allem was deine Mutter mir damals anvertraute, ist der Stein dort allerdings nur dann sichtbar, wenn man die Truhe in der Apotheke öffnet, in der deine Mutter einst gearbeitet hat. Deine Eltern wollten nicht, dass der Stein bei ihnen die ihm nachgesagte Verjüngungswirkung entfaltete. Sie wollten lieber ein ganz normales Leben führen und sich nicht von der Unsterblichkeit des Steins leiten lassen. Das war im Grunde eine weise Entscheidung.“
„Das heisst, die Truhe ist verzaubert und verbirgt ihren Inhalt so lange, bis man nicht versucht, sie am passenden Ort zu öffnen. So war es ja bei den Erbstücken meiner Eltern auch. Dumbledore hat mir die Anweisung hinterlassen, dass ich sie auf dem Grabstein meiner Eltern öffnen sollte.“, ergänzte Harry.
„Und damit hat er geschickt erreicht, dass niemand anderes, der sie in die Finger bekommt, den wirklich wertvollen Inhalt ohne Weiteres vorfindet, weil jeder das Interesse an einer Truhe verlieren wird, deren Inhalt er bereits durchsucht und geplündert hat.“