Moderator: Weltenrichter

[HP] Königskinder (Ootp mal aus einer anderen Perspektive)

SweetNemesis
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Beitragvon SweetNemesis » Do 24 Jul, 2008 12:38

So, etwas kürzer und ich bin auch grad in Eile, habe also nicht Zeit, auf Reviews näher einzugehen - nächstes Mal, okay? :wink:






Kapitel 6 – Malfoy Manor

Dear Isobel, I hope you're well and what you've done is right
I wish you well and hope you're safe tonight


Isobel
Die großen, schmiedeeisernen Tore öffnen sich langsam und nahezu geräuschlos, streifen bedächtig über das nachtfeuchte Gras. Etwas an der bloßen Szenerie sollte mich wohl so sehr beeindrucken wie die Größe des hell erleuchteten Hauses.
Blumenbeete scheinen hier einen pietistischen Status zu haben: religionsgleich, aber in mächtigen, unbeweglichen Schranken. Hier werfen keine Kinder versehentlich einen Ball in die Lilien, hier scheinen überhaupt nie Kinder gewesen zu sein.
„Hier entlang“, weist Lucius höflich darauf hin, dass ich seit geschlagenen fünf Minuten vor den Rosensträuchern stehe.

Macht. Ich wusste nie, was sie auszulösen vermag, eine einzige Schreibfeder.
Oder dass ich so anfällig dafür bin. Bittende, beinahe unterwürfig höfliche Blicke von Männern, die in ihrem Leben noch keinem Weasley die Hand geschüttelt haben und sich nach Desinfektionszaubern erkundigen, sollte es je ein Bettler wagen, sie um einen Sickel zu bitten.
Leises Kratzen einen goldenen Federspitze auf dickem, rauem Pergament, ein Gefühl wie warmer Honig, der einem über die Zunge rinnt. Und die Ahnung, wie viel mehr davon ich haben könnte…

„Meine Familie erwartet uns im Salon.“
Verdammt! Das hatte ich nicht bedacht. Draco Malfoy in Lebensgröße, und das an meinem zweiten Ferientag!
Der polierte, schwarze Marmorboden gibt ein leises, kaltes Klicken für jeden Schritt wieder und ich wünsche mir auf einmal mehr als alles andere in der Welt Pfennigabsätze. Nur für dieses Geräusch.

„Meine Frau, Narcissa. Du erinnerst dich vermutlich…?“
Falls ich im zarten Alter von drei Jahren je einer sehr dünnen, sehr blonden Frau mit Eisblick und hoch getragenem Kinn begegnet sein sollte – es ist mir entfallen, entschuldigen Sie vielmals, Madam.
„Mein Sohn, Draco. Ihr kennt euch bereits aus Hogwarts.“
Definiere: Kennen. Falls es etwas mit nicht beachten und hin und wieder einem verächtlichen Seitenblick zu tun hat, liegt er da nämlich gar nicht so falsch.
Dracos Lippen kräuseln sich. Gepaart mit einem giftigen eisgrauen Blick ist das die unzensierte Version von „Meine fünftes Schlafzimmer bekommst du nicht – und wehe, du setzt dich zum Essen neben mich!“
Getrieben von was auch immer ihm Lucius gerade hinter meinem Rücken androht, reicht er mir die Hand. Desinfektionszauber im Hinterkopf, versteht sich von selbst.

„Du kannst es selbstverständlich nach deinen Vorstellungen etwas umgestalten“, lügen Narcissas lachsfarbene, schmale Lippen. Wag es ja nicht, schwingt in ihren Worten mit.
Teure Tapeten in einem sanften beige schimmern goldfarben im Licht des Kronleuchters. Meine Augen brauchen einige Sekunden, um zu erkennen, dass es sich dabei um den Druck eines Wappens handelt, das millionenfach auf den Wänden vertreten ist.
Etwas ist anders, als im großen Salon, in den Essräumen, den Gängen, die ich bereits gesehen habe. Etwas in den filigranen Verzierungen des Spiegels, den schneeweißen viktorianischen Möbeln mit ihren detailverliebten Schnitzereien, wie dem Frisiertischchen direkt unter dem Spiegel – dieser Raum wurde von einer Frau gestaltet, mit aller Mühe, die ein weibliches Wesen mit sehr viel Geschmack (und zuviel Freizeit) aufbringen kann.
„Das wäre Dracos Zimmer geworden, wenn er ein Mädchen geworden wäre.“ Ihr wehmütiger Blick wandert über die zarten Muster der Vorhänge, die hochmütig lächelnden, eisblonden Mädchen in pastellfarbenen Seidenkleidern.
„Und es welchem Grund steht das Zimmer seit fünfzehn Jahren leer? War ihnen ein Kind genug?“ Nun, das war nicht die höflichste Antwort, aber zumindest konnte ich „So groß ist der Unterschied nun auch wieder nicht!“ zurückhalten.
„Lucius war sehr glücklich darüber, einen Sohn zu haben. Männer seiner Art können nicht viel mit einem kleinen Mädchen anfangen, ein Sohn ist in ihren Augen ansehnlicher, sie können ihn zu ihrem Erben erziehen, ihm so viele Dinge geben, die sie selbst gern in ihrer Kindheit gehabt hätten…“ Sie verstummt, ihre lachsrosa Lippen lächeln wehmütig, die eisblauen Augen sehen unbewegt auf den Frisiertisch.
„Wir hatten natürlich damals schon vor, dir dieses Zimmer zu geben, aber Lucius hatte einige Schwierigkeiten bürokratischer Art. Und als meine Schwester dann verurteilt wurde, mussten wir uns distanzieren, wir hatten schließlich einen einjährigen kleinen Sohn, den es zu beschützen galt.“ Sie nickt, mehr zu sich selbst, als zu mir. Ihre kühle, glatte Stimme bekommt einen weichen Klang, wenn sie von Draco spricht.

„Nun, du bist sicher erschöpft. Deine Kleidung“, sie dehnt das Wort, als würde sie Textilien dieser Art nicht einmal berühren können, „ist in den Schränken neben dem Frisiertisch. Der Rest deines Eigentums wurde in diesem Schrank untergebracht. Wir sehen uns dann morgen früh.“
Und weg ist sie. Schon wirkt der Raum wärmer. Was vermutlich an dem aufflammenden Kaminfeuer liegt. Es ist ein interessantes Gefühl, nicht tröstend oder gar einladend, aber allein der Gedanke, dass dieser Raum mit der Größe des Gemeinschaftsraumes von Ravenclaw und einem Mobiliar, von dessen Ertrag sich sämtliche Weasleys ein schönes Leben für die nächsten drei Generationen machen könnten, all das ist seit fünfzehn Jahren mein…



„Miss? Tibby hat den Kaffee der jungen Miss.“

Tassengroße, mattgrüne Augen tauchen in meinem Traum über Ebenholzfasane und gefährliche, spitze Federn, aus denen Blut tropft, auf.
Der intensive Duft nach einem ungesunden Überfluss an Koffein lässt mich die Surrealität dieser faltigen kleinen Gestalt in meinem Zimmer vergessen. Ich beuge mich nach rechts, um den Wecker auszuschalten, nur – da ist kein Wecker.
„Möchte Miss sich ankleiden? Tibby soll Miss in die Essräume führen, Miss.“

Langsam kommt alles zurück. Die Adoptionspapiere. Nott. Malfoy.
Das Geschöpf namens Tibby klettert über einen Stuhl auf den Boden zurück, über dessen Lehne sie meine Bluse für sehr ernste oder sehr feierliche Anlässe (oder beides auf einmal) und meinen Schulrock gehängt hat.
Großartig. Eine Hauselfe hat die Macht, mich wissen zu lassen, wie underdressed ich für dieses Haus bin. Einfach großartig.

„Narcissa, das Mädchen braucht neue Kleidung.“ Lucius Malfoy spricht das Wort so gedehnt aus, als handle es sich dabei um eine Besorgung, die schon vor Wochen hätte gemacht werden sollen und vor der sich seine Gattin seither aus müßigen Gründen gedrückt hat.
„Ich weiß.“ Sie nippt an einer winzigen Tasse mit einer hell schimmernden Flüssigkeit.
„Ich hatte schon einen Besuch bei Madam Malkins mit Draco geplant, das wird sich nun natürlich etwas – verlängern.“ Sie wirft einen flüchtigen Blick auf meine durchgetretenen Lieblingsschuhe.
Nun, alle Familien haben ihre eigene Art von Smalltalk am Frühstückstisch.
Ich sollte definitiv dazu beitragen.

„Und, kannst du auch Thestrale sehen?“

Draco lässt die Silbergabel Omelett sinken und starrt mich an wie einen gekrönten Hauselfen auf Dumbledores Stuhl. Lucius Morgenprophet sinkt um eine Etage.
„Natürlich nicht“, antwortet er, entsetzt auf die Krone starrend. „Wie…?“
„Nun, da ich sie mit elf Jahren sehen konnte, nachdem ich acht Jahre an einem Ort verbracht habe, an dem diesen Juni die ersten Leichen aufgetaucht sind, nahm ich an, es wäre… nicht ungewöhnlich.“
Dieser Blick ist göttlich! Das ist noch besser als zum Frettchentag!

„Wundervolles Wetter, nicht? Wie geschaffen fürs Shopping.“


And who he would become, all the things he'd have done
And would he be stronger than his father
Don't punish yourself, leave it well alone

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Beitragvon Fleur Clearwater » Do 24 Jul, 2008 13:57

Leises Kratzen einen goldenen Federspitze auf dickem, rauem Pergament, ein Gefühl wie warmer Honig, der einem über die Zunge rinnt.

Ich mag die Vergleiche dieser Art sehr. Außerdem finde ich es sehr schön, wie du mit Adjektiven jonglierst. Meiner Meinung nach, können deine Texte kaum noch anschaulicher werden ;)
Ich freue mich aufs nächste Kapitel :D
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Serena
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Beitragvon Serena » Do 24 Jul, 2008 14:07

püüh.. ich schnall das alles nicht.. und ichwill mehr lesen.. mir fehlen die Worte...
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SweetNemesis
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Beitragvon SweetNemesis » So 27 Jul, 2008 13:35

Vielen Dank für eure Kommis... :D




Kapitel 7 – Die verlorene Generation

Every generation blames the one before
And all of their frustrations come beating on your door
I know that I’m a prisoner to all my father held so dear
I just wish I could have told him in the living years


Adam
Wenn ich in einem Gespräch mit einem Schulkameraden, Lehrer oder Bekannten über meine Mutter spreche, fragt niemand nach meinem Vater. Sie denken, er sei eben nicht Thema des Gesprächs.
Wer meine Mutter kennt, fragt aus frisch erwachtem Taktgefühl – sprich Feigheit – nicht. Punkt. Ein zurückgezogen lebender Mann, habe ich sie sagen hören, reich, exzentrisch.
Sie glauben alle, etwas über den Mann zu wissen, den ich nicht kenne.

Die am meisten verbreitete Meinung, der auch ich lange Jahre erlag, war die, dass meine Mutter verwitwet sei. Der exzentrische Schrägstrich schwer kranke Eigenbrötler hatte es noch geschafft, mich zu zeugen, und war dann tragisch verendet.
Die einfache, wenn auch schwer zu verdauende Wahrheit ist, dass meine Mutter ihn verlassen hat, eines Sonntag morgens, in ihrem perlmuttfarben schimmernden Pelzmantel, mit einem klaren Ziel im Kopf und auf dem Kopfsteinpflaster klackernden Absätzen. Ich stelle mir jedenfalls vor, dass sie ihn sonntags hat sitzen lassen, da sie ihr ganzes Leben lang gut frisiert (ich habe genügend Beweisfotos!) und sehr beschäftigt war.
„War er nicht gut genug für dich?“, fragte ich sie, zwölfjährig, in meinem Essen herumstochernd und mit der sinnlosen Bockigkeit eines frühreifen Teenagers auf einem samtbezogenen Elfenbeinstuhl.
„Er war nicht gut genug für uns“, antwortete sie und spießte eine geviertelte Rosmarinkartoffel auf ihre Gabel. „Du hast seine Augen“, fügte sie hinzu, wie um mich zu besänftigen und trank einen Schluck Weißwein.


Ich versuchte, Dinge über ihn herauszufinden. Vergeblich. Menschen, die in der Mysteriumsabteilung arbeiten, sind im Allgemeinen recht gut darin, Geheimnisse vor Kindern zu haben.
Er ist weder halbblütig, noch Muggelgeboren. Das wäre zu einfach. Eine gestellte Identität, er kriegt das Mädchen, ein Drama deutet sich an, sie findet es heraus – und weg ist sie.
Mach dich nicht lächerlich. Sie findet solche Dinge heraus, bevor sie jemandem die Hand reicht!
Sie war auch sicher nie die Geliebte eines verheirateten Mannes, ihm tragisch verfallen, und hat ihn verlassen, weil das uneheliche Kind nicht gut genug für ihn war, nein, ganz kalt. Du denkst zu verworren, hörte ich bei meinen abenteuerlichen Gedankengängen stets ihre Stimme.
Nicht, dass sie Einblicke in meine Gedankenwelt gehabt hätte. Als ich ein Kind war, fürchtete ich ihre Allwissenheit. Die Frau, die wusste, wer die Kekse geklaut hat, die wusste, wieso Pfotenabdrücke auf ihrer Couch zu sehen waren und wer den Quaffel durchs Küchenfenster geschossen hat.
Und dann kam der Tag, an dem ich beschloss, dass dies meine Gedanken waren, für niemanden sonst bestimmt. Wenn sie mir nicht erzählte, wer mein Vater war, sollte sie auch nichts von meinen Geheimnissen erfahren (Ich war noch nicht einmal in der dritten Klasse, ich hatte keine wirklichen Geheimnisse, aber egal. Es ging ums Prinzip.) Und wie durch ein Wunder funktionierte es. Ich konnte mit einem Knutschflecken am Schlüsselbein, einem Loch in der Hose und einer Krawatte, die Angelina mir in einem Muggelgeschäft gekauft hatte, vor ihr sitzen, ohne dass sie den blassesten Verdacht schöpfte. Es war herrlich. Der reinste Rausch. Ich wurde regelrecht süchtig nach Geheimnissen.

Er ist alt, soviel weiß ich. Wie ich das herausbekommen habe, kann ich dir nur verraten, wenn ich dich hinterher töte (Keine Ahnung, wie das geht, deshalb lassen wir das besser).
Ein alter, reinblütiger Zauberer, der mir vor Ewigkeiten einmal geähnelt hat, mit sehr blauen Augen, die vor langer Zeit einmal einem Mädchen gefallen haben müssen.
Ich habe keine Ahnung, wer mein Vater ist.


Isobel
Ich habe nicht den leisesten Schimmer, wer er sein könnte. Ich kann Narcissa löchern, triezen, provozieren, sie lächelt nur. Das heißt, ihre Lippen lächeln, während mich die Augen voller stummer Kritik mustern und sie mir mehr Kleidung, mehr Schuhe, mehr Pflegeartikel und Kosmetika reicht. Sie tut das wöchentlich.
Eigentlich hatte ich die unhöfliche Tour nur für Lucius vorgesehen, Narcissa war schließlich diejenige, die mich so sehr gewollt hatte, die Tochter, die sie nie hatte, der sie ein Zimmer mit Frisiertisch, Parfums, Friseurbesuche, Goldtapeten geben konnte.
Nur hatte sie sich diese Tochter wohl irgendwie anders vorgestellt, ihre Begeisterung hielt sich nämlich in Grenzen.
Lucius war einfacher. Er reagierte, wie ich an meinem ersten Freitag bei den Malfoys feststellte, am besten auf eine gekonnte Kombination aus Schmeicheleien, unschuldigen Blicken aus großen, gekonnt geschminkten Augen mit klimpernden Wimpern und subtilen Beleidigungen.
Draco kann ich mir sparen. Der hat keine Ahnung und kein Interesse daran.

Ich habe Details, bruchhafte Fakten, die sich teils widersprechen. Ich spiele mit Lucius und er spielt wohl gegen mich. Er ist gut.
Ein Geburtsdatum, was soll ich mit einem Geburtsdatum. Alter und Sternzeichen sagen nichts über das Wesen eines Menschen aus. Ebenso wenig ein erster Name, ein Allerweltsname wie dieser schon gar nicht.
Er ist am Leben, das ist schon interessanter.

Sonntagnacht. Es ist kühl, trotz des heißen Junitages, den ich in dem kürzesten, leichtesten Sommerkleid, das Narcissa gebilligt hat und einem Buch, das ich von Lucius aus seiner Bibliothek geliehen hatte (ich habe wohl vergessen, vorher zu fragen) auf den getrimmten grünen Rasenflächen verbracht damit habe, mich beobachtet zu fühlen. Und es waren ganz sicher nicht die Pfauen. Ehrlich, ich habe nichts gegen Pfauen, ich muss auch nicht mehr lachen, wenn ich sie sehe, sie sind nur – störend. Beim Lesen.
„Du trägst deine Schuluniform?“, fragt Lucius ungläubig, als er meine Bekleidung begutachten will. Seine Hände zittern ein wenig, als er Narcissas besten schwarzen Mantel wieder über meine Schultern legt.
„Etwas, in dem ich mich wohl fühle“, zitiere ich ihn, versuche, das Zittern meiner Hände zu verbergen. Ich will ihm nicht begegnen, dem Mann, der lebt, und zwar ein Leben, das Lucius so beeindruckt, und es nicht für nötig hält, mich selbst zu versorgen. Oder mir wenigstens mal eine Karte zu Weihnachten zu schicken.

„Ich arbeite gewissermaßen für ihn“, hat Lucius auf dem Weg hierher auf meine aufgeregten Sticheleien, die sich mit bleiernem Schweigen abgewechselt haben, schließlich geantwortet.
Großartig. Das sagt mir so unglaublich viel, ich kann schon nicht mehr, diese Informationsflut!
Und dann wurde mir auf einmal schlecht. Eine üble, eine grausame Vorahnung erfasste mich. Nein. Nein! Das durfte nicht wahr sein, das war schlimmer als ... alles. „Fudge??“
Lucius blinzelte verwirrt. Ein spöttisches Lächeln stahl sich in seine Mundwinkel, sogar in seine Augen. „Natürlich nicht“, antwortete er, immer noch angespannt.

Die große, schmiedeeiserne Tür öffnet sich, vor mir steht ein sehr blasser, dunkelhaariger Junge in Dracos Alter, der aus irgendeinem Grund zu Tode eingeschüchtert zu sein scheint. Ich kenne ihn nicht, könnte aber schwören, dass er das Kinn sonst um einiges höher trägt.
„Mr. Malfoy! Ähm…“, sein Blick verweilt auf mir.
„Guten Abend, Theodor. Sind wir früh?“ Lucius hat sein übliches du-antwortest-was-ich-von-dir-hören-will Gesicht aufgesetzt.
Der Junge starrt auf den Boden. „Im hinteren Salon“, murmelt er meinen neuen, von Tibby auf Hochglanz polierten Schuhen, zu.
Als er von Lucius hastig beiseite gedrängt wird, bleibt sein unverhohlen neugieriger Blick an meinem im Fackellicht schimmernden, langen Haar hängen.

Hohe Schuhe und Marmor. Ich wusste es einfach – herrlich!

Die Gemälde auf den Korridoren huschen aus ihren reich verzierten Rahmen, um miteinander zu tuscheln. Weiter hinten im Haus sind keine Fackeln mehr angezündet. Das hier bekommt mehr und mehr den Anschein eines heimlichen Treffens.
Ich spüre, wie Wut in mir aufsteigt. Meine Existenz soll also unter den Teppich gekehrt werden! Na warte, der kann was erleben!

Der hintere Salon ist, entgegen meiner Erwartungen, von einem flackernden Kaminfeuer gewärmt und angefüllt mit Männern verschiedensten Alters. Sie tragen Masken, und trotzdem erkenne ich Herbert Nott, den Mann, der letztes Jahr für die Hinrichtung eines Hippogreifes in Hogwarts war und, mein Magen stülpt sich um, Professor Snape!
Bitte nicht er, bitte, ich nehme auch Cornelius Fudge, oder…

„Ihr seid früh!“ Die Stimme erklingt aus dem Schatten, kalt, sehr kalt, schießt es mir durch den Kopf. Das ist nicht Fudge.
Der Mann tritt mit einer flüssigen, beinahe gleitenden Bewegung aus dem Schatten und ich muss mich bemühen, nicht zusammen zu zucken.
Er hat es gesehen, in meinen Augen. Sein glühender Blick weicht einer dunkleren Schattierung, ein Zucken in seinem Mundwinkel. Einige werfen ihm ängstliche Blicke zu.
Sollte ich auch Angst haben?

„Mit allem, was die Schönheit deiner Mutter mir versprechen konnte…“ Er legt eine langfingrige Hand auf meine Schulter, ein sanfter, betörender Griff und ich kann nicht aufhören, ihn anzustarren, unentschlossen, ob ich ihn abstoßend oder faszinierend finde.
„Du bist groß, das hast du natürlich von mir. Sie war – winzig. Nun denn, verzeih, dass wir uns nicht früher treffen konnten, ich war, sagen wir, unpässlich.“ Er lächelt, ich höre Eiszapfen klirren hinter diesen roten Augen. „Willkommen!“

Tom Marvolo Riddle ist ein sehr eigenartiger Zauberer.


So we open up a quarrel between the present and the past
We only sacrifice the future, it's the bitterness that lasts











Kapitel 8 – Hohe Erwartungen


Far away
This ship has taken me far away
Far away from the memories
Of the people who care if I live or die


Isobel
Erziehungsratgeber erzählen Eltern, dass es gut ist, Erwartungen an ihre Kinder zu haben. Es ist eine weit verbreitete Meinung unter den Vertretern des reinen Blutes, man erreiche mehr, wenn man die Latte stets etwas zu hoch anlege.

Teenager sollten keine Erziehungsratgeber lesen, wirklich nicht. Es mag verlockend erscheinen, man glaubt, seine Eltern etwas zu verstehen, während sie wiederum meinen, durch diese Bücher uns zu verstehen. Lass es! Du wirst dir manipuliert vorkommen.

Mein Name ist Isobel Weathers, geborene Riddle. Ich wurde zur Wintersonnenwende 1978 geboren und zu Beltane 1979 zur Patentochter von Lucius Malfoy erklärt. Die ersten Jahre meines Lebens verbrachte ich bei meinen Eltern, Tom Marvolo Riddle und einer kleinen, hübschen Person indianischer Abstammung, deren Name mir keiner verraten will.
Ende Oktober 1981 beging mein Vater einen folgeschweren Fehler, der ihn für einige Jahre in die Gedächtnisse der Menschen verbannte, die ihn noch heute fürchten, auch wenn sie eisern an der Behauptung, er sei verstorben, festhalten.
Einige Zeit später wurde ich von einem Ehepaar namens Weathers aus Mitleid adoptiert. Irgendwo dazwischen verlieren sich die letzten Lebenszeichen meiner Mutter.
Am 2. Juli 1995 wurde die Vormundschaft für mich offiziell Lucius Malfoy übertragen und neun Tage später erfuhr ich beim ersten Treffen mit meinem Vater und seinem Mafiaverschnitt von Todessern, dass ich nicht die Person bin, für die ich mich immer gehalten habe.

Ich habe mich inzwischen an die Kühle des Hauses, die Weite der endlos scheinenden Rasenflächen zwischen den Rosenhecken gewöhnt, ebenso an die Hauselfen, von denen mich jeden Morgen eine andere zu wecken scheint und deren Namen zu erlernen sich gemessen an ihrer Anzahl als recht schwierig gestaltet.

12. Juli.
Der Duft von Kaffee fehlt mir, Morgenhitze flimmert über den Rosen, und doch, als ich das Fenster öffne, eine frische Brise. Ein Pfau, ich muss unwillkürlich lächeln.
Es ist lächerlich, und doch, mein Leben hat sich geändert, über Nacht, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich nehme jeden Atemzug, jeden Sonnenstrahl auf meiner Haut, jeden Windhauch neu wahr.
Willkommen unter den Lebenden, Isobel Riddle.
Willkommen, Prinzessin.

Das Klopfen verhallt beinahe ungehört, die Tür öffnet sich, langsam, langsam schiebt sich die schmale blonde Gestalt durch die Öffnung, die dampfende Kaffeetasse mit beiden Händen umklammert, um nichts zu verschütten.
„Du bist wirklich die bemerkenswerteste Hauselfe, die mich je mit Koffein versorgt hat!“
Draco schreckt hoch, verschüttet die mit Milchschaum abgeschmeckte, heiße Flüssigkeit auf seine Hände, ein verlegenes Lächeln auf den schmalen Lippen.
„Dir auch einen guten Morgen - Riddle!“ Er senkt schnell wieder den Blick, stellt die Tasse neben mich aufs Fensterbrett, bemüht, nicht zu sehr auf den spärlichen, dünnen Hauch von Satin zu starren, in dem es mir Narcissa im Sommer gestattet, zu schlafen. Champagnerfarben. Sündig. Ich bin ein böses, böses Mädchen! Aber, was soll ich sagen, es wurde mir in die Wiege gelegt.
„Die Wände haben offenbar gute Ohren in diesem Haus!“
Er läuft rosa an, knetet verlegen die Hände. „Theodor hat mir geschrieben, ich… er dachte, wohl, ich sollte Bescheid wissen, also, ich hab ihn nicht darum gebeten, wenn du das denkst!“ Etwas an seiner hektischen, leisen Stimme, an den tiefen Schatten unter seinen eisgrauen Augen, dem gesenkten Kopf, lässt mich aufhorchen.
„Hat er auch geschrieben, dass ich hier bin, um ein Auge auf dich zu haben?“, frage ich beiläufig, einen Schluck Milchkaffe nehmend. Köstlich.
Dracos Kopf zuckt hoch, mit dem Ausdruck eines Menschen, dessen schlimmste Befürchtungen wahr werden.

Pause.

„U-und?“
Ich inspiziere den Kaffee mit kritischem Blick. „Du machst dich ganz gut.“
Er atmet so erleichtert aus, dass ich mir das Lachen nicht mehr verkneifen kann.
„Sehr witzig!“ Die Röte in seinen Wangen vertieft sich.
„Was denn? Glaubst du wirklich, die interessieren sich für dich? Bitte!“
Er presst die Lippen zusammen, ein beleidigtes Funkeln in den Augen.
„Und was wollen sie von dir?“
„Oh, die Erwartungen sind natürlich sonst wo. Sie haben mein Geburtsdatum mit meiner Anzahl an absolvierten Schuljahren abgeglichen und dabei dein Gesicht gezogen. Lucius soll jetzt Dumbledore überzeugen, mich zu versetzen, damit ich Ende des Jahres als Vollzeitbeschäftigung tätowiert auf dem Boden rumrutschen und Leichen von aufmüpfigen kleinen Jungs verschwinden lassen kann. Gut, nicht?“
Erneutes Schweigen.
„Du kannst das“, verkündet Draco schließlich im Brustton der Überzeugung.
„Was?“
„Du bist in Ravenclaw“, und schon klingt er wieder eine Stufe unsicherer. „Also…“
Zum zweiten Mal an meinem ersten Tag als Isobel Riddle spüre ich den unwiderstehlichen Drang zu lachen, und das wegen Draco Malfoy. Es ist seltsam, mein neues Leben.
„Draco, du hast die letzten vier Jahre eine einzige Begegnung mit mir gehabt, in der du mich in der großen Halle angerempelt hast, woher willst du irgendwas über mich wissen?“
„Oh“, er starrt aus dem Fenster, seine Finger spielen mit dem Umhangsaum. „Ähm… also, der wird kalt. Und ich muss jetzt runter.“
„Draco?“ Fast rechne ich damit, dass er mich ignoriert. Tut er nicht. Er bleibt stehen, die Hand am Türgriff.
„Du hast Recht, mit Ravenclaw meine ich. Ich kann das!“
Er nickt. Die Tür fällt hinter ihm ins Schloss.
Ich kann das! Daddy hat mir die bestmögliche Hilfe versprochen. Ich muss schon wieder lachen. Isobel Riddle ist ein alberner Mensch. Ob ich es schaffe, sie wenigstens in der Öffentlichkeit abzustreifen?

„Isobel, Liebes?“ Narcissas Stimme ist um eine Nuance weicher geworden, seit ich gestern Nacht zurückgekommen bin. „Trink deinen Tee aus, Severus ist jetzt hier.“
Ich verschlucke mich, huste. „Wozu?“
„Für den Unterricht natürlich. Beeil dich, der Professor hat nicht den ganzen Tag Zeit!“



„Miss Riddle.“
„Professor.“
Und schon haben wir unsere tägliche Dosis an Konversation hinter uns gebracht.
Ich führe Versuchsanweisungen durch, studiere Bücher zu den Fächern, die ich wählen möchte, verfasse Aufsätze zu seinen Fragestellungen und bekomme sie mit Kommentaren in seiner spitzen, winzigen Schrift zurück, in der er mir zwischen den Zeilen immer wieder versichert, dass er mich sowieso nicht in Zaubertränke aufnehmen wird und ich mich darauf konzentrieren sollte, Professor Flitwicks Anforderungen zu genügen.
Alles in allem ist es recht angenehm, eine Beschäftigung zu haben.

Ich übe ungesagte Zauber, für und vor Professor Snape. Blocken. Entwaffnen. Federn schweben lassen. Wiederholungen eben.
Es wird August. Die Zeit rennt mir davon.
Will ich das alles?
Ich kann mich nicht erinnern, gefragt worden zu sein.

I'll never let you go If you promise not to fade away
Our hopes and expectations Black holes and revelations
Never fade away

Fleur Clearwater
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Beitragvon Fleur Clearwater » So 27 Jul, 2008 13:57

Wow, wiedermal schöne Beschreibungen ;) Dass sie Voldemorts Tochter ist, ist wirklich interessant. Ich bin gespannt wie es weitergeht!
Allgemein finde ich es total spannend, dass man eigentlich alles "in den Köpfen" der Protagonisten erfährt. Sie erleben es natürlich wirklich, aber so ist es keine normale Erzählung mit wörtlicher Rede und macht die ganze FF sehr einzigartig ;)
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Avaríe
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Beitragvon Avaríe » So 27 Jul, 2008 14:13

So, ich war jetzt lange stumme Leserin, aber jetzt wollte ich dir mal sagen, dass ich begeistert bin :D Mich hatte schon so eine Vorahnung bei Isobel irgendwo in den Kapiteln beschlichen und ich finde die Vorstellung bizarr, dass sie eine Riddle ist - gleichzeitig find ichs aber auch total toll, das baut richtig Spannung auf :D
Und dann hab ich noch einen Verdacht über Adam, aber den verrat ich nicht, ich warte mal ab, was noch kommt ;)
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Goodbye to what was once dear to my Heart

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Beitragvon Nyrociel Visalyar » So 27 Jul, 2008 17:00

Hier ist die Stumme Leserin nummer 2 xD
ich geb zu ich hatte anch dem Prolog aufgehört und erst heute durch diese community seite weitergelesen ...

deine story is echt toll ^^ ich werd auf jedenfall dranbleiben^^

SweetNemesis
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Beitragvon SweetNemesis » Mo 28 Jul, 2008 23:48

Danke für eure Kommis... hehe, mit Adam lag noch keiner richtig, zumindest was seinen Dad angeht - aber falls jemand meint, es zu wissen, schreibt mir ne pm, okay :wink:
Ich spoilere bei richtigen Antworten auch gern ein wenig als Antwort...

Aber Adam ähnelt seinem Dad nicht besonders, eher... :twisted: ich bin schon still :roll:







Kapitel 9 – Ein Mittsommernachtstraum

Strawberries cherries and an angel's kiss in spring
My summer wine is really made from all these things
Take off your silver spurs and help me pass the time
And I will give to you summer wine


Isobel
Die Wochen ziehen sich schleppend dahin, in der trägen Julihitze, wie Blubbels Bester Blaskaugummi. Bücher häufen sich über noch mehr Büchern und die schattige Kühle des Hauses ändert nichts an der stickigen Gefahr, die über uns und unseren Plänen lauert.
Unter meiner Version von „Zaubertränke für Fortgeschrittene“ lugt ein Zipfel des Schreibens von McGonagall vor, das mir bestätigt, dass es die von Lucius ausfindig gemachte Lücke im Schulgesetz tatsächlich gibt, für den Fall, dass die Magie des Auswahlsverfahrens versagen und einen Brief zu spät versenden sollte.
Allerdings wurde dieser Ausnahmefall, in dem der entsprechende Schüler eine Aufnahmeprüfung in die einzelnen Kurse bestehen muss, zuletzt 1723 angewandt.
Und der Kandidat versagte jämmerlich.

Lucius ist zuversichtlich, Narcissa desinteressiert und Professor Snape – ich habe aus Langeweile angefangen, ihn Mr. Darcy zu nennen – genervter als nach einer Woche in einer Besenkammer mit Potter.
Was mir Sorgen macht, sind nicht Verwandlung, Verteidigung gegen die Dunklen Künste (Mal ehrlich: Verteidigung? Guter Witz!), sondern…

„Kannst du mir mal erklären, wie ich Flitwick bestechen soll?“
Draco antwortet nicht, stiert vermutlich mit einem Anflug hochmütiger Langeweile diversen Mädchen hinterher, die sich vor den turmhohen, gerahmten Spiegeln drehen, Stoffbahnen mit Preisschildern um ihren Körper geschlungen…
„Draco?“
„Willst du nicht lieber Fragen wie Seh ich in dem Teil fett aus? stellen“, stöhnt seine genervte Stimme.
„Nein, ich will deine Antwort darauf nicht hören!“
Der schwere rote Samtvorhang schwingt hinter mir zu. Leise Musik berieselt im Hintergrund die kaufwütigen Frauen, unter denen sich Draco äußerst unwohl zu fühlen scheint. Vielleicht, weil keine von denen es wert ist, ihr auf den Hintern zu starren.
„Vergiss es, ich finde hier nichts. Außerdem muss ich lernen!“
Die kühlen grauen Augen wandern genervt zur Decke. „Mann, gönn dir mal ne Pause, du mutierst noch zu Granger! Es ist bloß ne Party! Und ich hab versprochen, dich mitzubringen, Blaise besteht sogar darauf!“
„Der Abkömmling der Schwarzen Witwe, was für eine Ehre!“
„Und du hast versprochen, mit mir hinzugehen!“
Jetzt schmollt er. Auch gut. Dieser unschuldige Dackelblick funktioniert vielleicht bei Narcissa, also bitte! Ich bin dagegen immun, ehrlich, ich…
„Na schön, meinetwegen!“

Ich mag es, wie einfach ich seine Augen zum leuchten bekomme, wie hilfsbereit er nahezu übereifrig um mich herum schwirrt, stets bereit, mir jeden Wunsch von den Augen abzulesen, den Lucius übrig gelassen hat.
Es hebt das Selbstwertgefühl ungemein.

Da ist diese unsichtbare Grenze, und ich habe vermutlich nicht einmal den Ansatz einer Ahnung, wie verlockend sie ihm erscheinen muss. Ich teste ihn, seine Zurückhaltung, seine Selbstbeherrschung, ein Spiel, indem er immer auf Armeslänge gehalten, und doch näher gelockt wird. Meine Regeln, und ich gewinne. Immer.
Es ist zu heiß, diesen Sommer. Die schwüle Luft, die Trägheit, die sie ausstrahlt, lässt uns unvorsichtig werden. Zu viel von allem, das Leben in Malfoy Manor wird einem zu leicht, zu angenehm gemacht. Fern von lästigen Alltagspflichten beginnen unausgegorene Ideen zu wuchern – es bedeutet ja nichts, es ist nur für diesen Sommer…
Nur für einen Sommer.

Er darf mir den Kaffee bringen, wenn ich nichts als das dünne Nachthemd trage, jeden morgen, darf Zeuge meiner Kleiderwahl sein, manchmal darf er aussuchen, was ich trage. Wir lernen zusammen, lesen Bücher, Schulter an Schulter auf der samtbezogenen Chaiselongue in Lucius Bibliothek. Erzählen einander von den Gemeinschaftsräumen der Häuser, versprechen, den anderen einmal hinein zu schmuggeln im kommenden Jahr, ohne es so zu meinen.
Er darf eine Hand voll duftendem Öl auf meinen Schultern verteilen, jeden Abend, nachdem ich ein Bad nehme, vor dem Nachtmahl, das die Malfoys pünktlich um neunzehn Uhr zu sich nehmen. Duftendes Lotusöl, die Spiegel sind noch beschlagen, ebenso die schwarz glänzenden Wandfließen. Ich spüre seinen Atem im Nacken, der etwas unregelmäßiger wird, traut er sich, auch etwas tiefer gelegene Haut zu berühren, nur mit den Fingerspitzen, die nie zittern, fast nie.
Sein Blick ist danach auf die silbernen Teller gerichtet, als sei es unschicklich, beim Essen irgendwo anders hin zu starren. Er kaut langsam, mit mäßigem Appetit, trinkt mehr Wein als sonst.
Nur ein Spiel, es ist nichts als ein Zeitvertreib.

Am liebsten mag ich die Sonntagabende, im hinteren Salon, wenn ich bei asiatischem Blütentee oder einer Flasche Wein in dem zweitgrößten Sessel sitze und sich der mächtigste Zauberer der Welt meine Träume und Gedanken anhört, der von meiner glänzenden, aufregenden Zukunft spricht, in der er persönlich dafür sorgen wird, dass ich jede Berufung ergreifen kann, die ich mir wünsche.
Zauberstabkunde ist nahezu unerreichbar, sagen die meisten. Ich habe es immer für mich behalten, man stelle sich nur mal Lucius’ Gesicht vor bei dem Gedanken, dass es jemandes größter Traum ist, in einem Laden zu arbeiten.
„Wenn Ollivander es wagen sollte, dich abzulehnen, werden wir schon einen Weg finden, ihn zu überzeugen“, ist die einzige Antwort, die ich auf meine Bedenken bekomme.
Innerhalb dieser wenigen Stunden jede Woche schafft es dieser Mann, mich von meinem eigenen, scheinbar grenzenlosen Talent zu überzeugen (offenbar ist Darcy – aus Furcht oder einfacher Ehrlichkeit – ihm gegenüber anders gesinnt, was meine Fähigkeiten betrifft) und gleichzeitig in den Bann seiner großen, revolutionären Pläne zu ziehen.
Er beschreibt sie, ausführlich, mit kleinsten Details, nennt Namen, Orte, genießt mein Staunen, fragt mich um Rat. Mich!
Manchmal frage ich mich, wieso.
Manchmal will ich die Antwort gar nicht wissen.

Es gibt diese Stunden, am frühen Abend, wenn ich es hier nicht mehr aushalte, alles fallen lasse, renne, bis ich erschöpft bin, ohne Ziel, ohne Grund, als ginge es um mein Leben. Vielleicht ist das auch so, wer weiß.
Irgendwann bleibe ich stolpernd stehen, mit weichen Knien, schmerzenden Füßen, schaue mich desorientiert in der flimmernden, unbekannten Umgebung um, das Blut in meinem Kopf hämmert gegen jeden klaren Gedanken an, mein Atem rasselt und ich fühle mich für einige Minuten frei, vollkommen frei.

Ich vergesse die Zeit, an dem Abend von Blaise Zabinis Sommerparty, in der er jedes Jahr am dreizehnten August seinen Geburstag vorfeiern darf, über einem Auszug von „Tränke der Reneissance und ihre Risiken“, Veritaserum und seine Wirkung auf die Psyche des Menschen. Der sechzehnte, dieses mal. Narcissa hat das Geschenk besorgt, Draco die Feuerwhiskyflasche dazu geschmuggelt.
Während ich hastig einen weißen Rock über meinen Bikini streife und nach der Lederjacke greife, die Draco mir ursprünglich nicht vererben wollte und von der er auch heute noch behauptet, sie hinge nur in meinem Schrank, weil sie ihm seit einem Jahr zu klein ist, höre ich schon angetrunkenes Gejohle vor dem Haus.
Dracos minderbemittelte Kumpanen Crabbe und Goyle, zu dumm, um zu merken, dass sie nur existieren, um ihn in noch hellerem Licht erstrahlen zu lassen und die Prügel abzukriegen, die er sich mit säuberlicher Regelmäßigkeit einhandelt.
Idioten.

Blaise Zabini ist der mit Abstand eitelste Junge, den ich kenne. Sein Lächeln ist bei der Begrüßung zu breit und bleibt es den ganzen Abend. Die Gören, die ihm kichernd hinterher huschen, bedenkt er mit regelmäßigen Tanzeinlagen und einer in seinem schokoladenfarbenen Gesicht strahlend hellen Gebissleiste.
Ich mag ihn und seine leichtfertige Arroganz irgendwie. Er könnte mir natürlich weniger auf die Beine starren, aber so lange ich die Lederjacke nicht ausziehe (Natürlich, ich werde hier im Bikini ums Feuer hüpfen!) ist kein Ausschnitt zum beglotzen da. Man muss diese hormongesteuerten kleinen Jungs schon verstehen.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass Parkinson mich hasst. Oder Dracos Hand auf meiner Hüfte. Oder sein stolzes Lächeln, als er mich vorstellt, mit Betonung auf dem unechten Nachnamen. Das ist jetzt eines dieser Geheimnisse, die jeder weiß, über die man aber nicht redet. Ein wissendes Lächeln reicht vollkommen aus. Willkommen im Club.
Ich hätte in Slytherin landen sollen, wirklich, ich wäre die ungekrönte Prinzessin auf der Erbse, ähm, Schlange.

Es wird spät, sehr spät. Und laut, Leuchtraketen, gute Musik, ein Lagerfeuer und unzählige betrunkene Teenager treiben den Geräuschpegel bis zur Schmerzgrenze.
Das erste Sonnenlicht kämpft sich schon in blassem, gedämpftem Gold durch die Dunkelheit, als wir schließlich durch die eisernen Tore zurück wanken, hauptsächlich, weil Goyle auf unseren Schultern hängt wie ein nasser Sack. Ich wünsche mir fast, Draco wäre betrunken, er ist weder zwei Köpfe größer als ich, noch dreimal so schwer.
Mit bloßen Füßen schleichen wir durch die verlassenen Flure, legen Goyle in einem der Gästeschlafzimmer ab und trennen uns mit dem Austausch eines übermüdeten Lächelns vor meiner Tür.
In vier Stunden steht Darcy auf der Matte, ich bin so was von geliefert!

When I woke up the sun was shining in my eyes
My silver spurs were gone my head felt twice its size
She took my silver spurs a dollar and a dime
And left me cravin' for more summer wine

Zuletzt geändert von SweetNemesis am Di 29 Jul, 2008 10:30, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitragvon Nyrociel Visalyar » Di 29 Jul, 2008 10:13

xD ist das richtig das du zwei 8. Kapitel hast?

Wie auch immer ... find den neuen Teil echt toll xD

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Beitragvon Serena » Sa 02 Aug, 2008 15:02

Sooo.. ich war ja im Urlaub und habe jetzt alles nachgeholt.

Undgaublich, dein Schreibstil! Ich habe so etwas noch nie gelesen, bin mir aber sicher, das ich es nachher in "Biss" zu lesen bekomme.
So langsam lichtet sich der Wald der Verwirrungen und es wird klarer. Über Adam's Vater habe ich eine Vermutung, so langsam wird es wirklich einleuchtend, aber ich sage nichts. ;)
Bei Isobel war ich sehr geschockt. Es ist so unwirklich und passt nicht in den Rahmen, ebenso, wie bei meiner Vermutung über Adam's Vater.
Aber egal.
Du verpackst das alles in einen sehr schönen, angenehmen Rahmen und viele, viele Wortwahlen und Ausdrücke gefallen mir unglaublich gut. Ich finde es sehr schön, und es wird immer leichter, dir zu folgen.
Ausserdem muss ich dir zu deiner Plot Idee wirklich gratulieren.

Grandios!

Christiane
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Beitragvon Dawniee » Mo 15 Sep, 2008 00:03

Hallo SweetNemesis, ich habe mir mal deine Geschichte durchgelesen. Unglaublich. Ich finde sie richtig richtig gut. Über Isobels Vater war ich auch geschockt. Ihre Beziehung zu Draco finde ich interessant. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung. Über Adams Vater habe ich bereits auch eine Vermutung. Ich habe sogar eine Wirre Vermutung über Isobels Mutter.
Naja, ...also deinen Schreibstil finde ich sehr gut. Du hast deinen eigenen, unverwechselbaren Stil.
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Beitragvon SweetNemesis » Fr 19 Sep, 2008 20:31

Vielen Dank für eure Kommis - ich war ne Weile PC los, aber jetzt bin ich wieder voll da ;)





Kapitel 10 – Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage


In any other world
You could tell the difference
And let it all unfurl
Into broken remnants


Isobel
Meine Hände zittern, als ich die Pergamente zusammenraffe, der brandneue Zauberstab in der mit Samt ausgekleideten Schachtel neben mir, beinahe hätte ich ihn vergessen, das Allerwichtigste…
Der neue Koffer mit den bronzenen, schlangengleichen Griffen öffnet sich mühelos und sanft, als ich den Stab aus glänzend schwarzem Ebenholz darauf richte, zeigt seine samtene mitternachtsblaue Innenseite und all die Kleidung, die Tibby die Elfe wie durch ein Wunder darin untergebracht hat, unter Vermeidung jeglicher Falten in den teuren Stoffen. Links unten, direkt neben meinen Schulbüchern, liegt das Buch, das Mr. Ollivander mir gegeben hat, mit einem ermunternden Lächeln im Gesicht.

Das Sonnenlicht fiel durch die staubigen Scheiben, warf goldene Lichttupfer in den hohen Raum, der eine so starke, magische Ausstrahlung hatte, dass ich kaum zu atmen vermochte.
„Da sind Sie ja wieder, Miss Riddle. Der letzte Zauberstab war nichts, nicht wahr? Nun, der Richtige braucht stets seine Zeit, Sie zu finden!“
Mir stieg das Blut ins Gesicht, als ich mich erinnerte. Meine Adoptivmutter, ihre hektischen, schnippischen Kommentare, die Münzen, die sie auf den Tisch abzählte beim ersten Zauberstab, der reagierte…
Eine kleine Stimme flüsterte mir zu, dass ich auf der Hut sein sollte vor Menschen, die zuviel wissen. Und von denen ich nicht erfahren kann, woher sie dieses brisante Geheimnis erfahren haben. Ich traute mich nicht, ihn zu fragen, woher er Bescheid wusste und Lucius’ scharfes Räuspern verursachte den wundersamen alten Mann, sich den Regalen zuzuwenden.
„Immer noch Drachenherzfaser und Eiche, nicht? Zwölf Zoll, fantastischer Zauberstab! Nun, junge Dame, was haben wir hier… aaah ja, dieser Zauberstab ähnelt dem Ihrer Mutter, Esche und Einhornhaar, sieben Zoll, sehr biegsam… nein!“ Er riss den Stab aus meiner Hand, kaum, dass ich das warme Holz mit meinen Fingerspitzen berührte. Der Mann wusste definitiv zu viel!
„Wie wäre es hiermit? Phönixfeder und Rosenholz, ihr Vater hat vor vielen Jahren ein Exemplar mit einem Phönixfederkern bei mir gekauft, unglaublich mächtiger Zauberstab. Natürlich hatte ich nicht vorgesehen, wofür er ihn benutzt, dennoch beachtlich, ja ja… nein, der ist es nicht!“
„Wie entscheiden Sie, welcher Kern zu welchem Zauberer passt?“, wagte ich es, zu fragen, den nächsten Zauberstab, Stechpalme und irgendwas, Testergebnis negativ, in der Hand.
Er drehte sich um, die Arme voller Schachteln wie ein kleiner Junge zu Weihnachten. „Aaah, Sie interessieren sich für die tiefe und wunderbare Kunde der Zauberstablehre. Nun, das ist außerordentlich für eine Hexe Ihres Alters. Eberesche und Einhornhorn, zehneinhalb Zoll. Es hat etwas mit Abstammung zu tun, oh ja, bei Muggelgeborenen ist es etwas schwerer, aber es wird dennoch durch die Generationen weiter gegeben, in den Seelen der Menschen. Man entwickelt mit der Zeit einen gewissen Instinkt dafür, und doch… werde auch ich immer wieder überrascht. Der Zauberstab sucht sich die Hexe oder den Zauberer aus, zu dem er gehören möchte, und der hier ist es nicht. Weide und Drachenherzfaser, neun dreiviertel Zoll, probieren Sie! Ich muss zugeben, ich mag die Fälle, in denen es schwieriger ist, sehr viel lieber. Ihr letzter Zauberstab war sicher eine herbe Enttäuschung im Gebrauch? Darf ich fragen, was damit passiert ist?“
„Unfall“, log ich und fühlte mich dabei unwohl wie nie, an die langen, weißen Finger denkend, die „dieses unwürdige, unbrauchbare Stück Brennholz“ entzwei gebrochen hatten.
„Dieser hier“, beschloss Ollivander nach Stunden der Suche und sein faltiges Gesicht strahlte vor Gewissheit, oder vielleicht, weil er so gerne über sein Fachgebiet redete. „Sehr eigenwillig, Ebenholz und Chimärenherzfaser, ich benutze sie nur äußerst selten, aber mein Gefühl sagt mir…“
Meine Hand schließt sich um das leicht vibrierende Stück Holz, das in seiner wunderschönen Prägung einer antiken Schreibfeder mit spitzem Ende ähnelt, Finger für Finger sickerte diese unglaubliche Wärme in mich und als ich den Stab leicht wie eine Feder durch die von Magie geprägte Luft des Ladens schwang, hinterließ er Schleier wie flüssige Seide, einen sanften Hibiskusduft, der verweilte.
„Wundervoll!“, rief Ollivander aus, seine großen, farblosen Augen wirkten sogar etwas feucht, wie sie mich so anstrahlten.
Lucius trat mit verkniffenem Gesicht zur Theke und legte ein kleines Säckchen, in dem die Münzen klirren, darauf ab. „Stimmt so“, beschloss er kurz angebunden und legte mir die Hand auf die Schulter. „Wir haben morgen noch einen wichtigen Termin. Guten Tag, Mr. Ollivander!“
„Einen Augenblick noch, kleine Lady!“ Er verschwand zwischen den Regalen, überreichte mir ein ledergebundenes, altes Buch, dessen Pergamentseiten vergilbt und steif vor Alter sind. „Hier, nehmen Sie das mit. Kommen Sie mich ruhig in meinem Laden besuchen, wenn Sie Schulferien haben, wer weiß, vielleicht werden wir beide eines Tages das Vergnügen haben, zusammenzuarbeiten.“

Ich presste die Lippen zusammen, um nicht zu schreien, so glücklich, aufgeregt, durcheinander, wie ich war. Hätte gleichzeitig rennen, hüpfen und um mich schlagen können, aber da war immer noch die klamme Furcht vor den Tests…



„Füllen Sie die Tests nacheinander aus. Sie haben eine halbe Stunde für jedes Fach. Beginnen Sie mit dem Nächsten Test, sobald Sie mir das Vorherige ausgehändigt haben.“ Professor McGonagall lässt sich hinter ihrem Schreibtisch nieder und greift nach einer schottengemusterten Keksdose.
Der Test für Verteidigung gegen die Dunklen Künste ist wie erwartet beinahe intelligenzbeleidigend, der für Verwandlung um einiges schwerer. Für Zaubertränke nehme ich mir die volle halbe Stunde, um kein Risiko einzugehen, ebenso für Alte Runen. Zauberkunst erweist sich als machbar, wie immer, aber mir graut vor der Praxis.

„Füllen Sie diesen Wein mit einem ungesagten Zauber aus dem Kelch in alle drei Gläser.“
Ich gebe dem Ebenholzstab einen leichten Schwenker. Noch einen. Langsam schwappt die rötliche Flüssigkeit im Kelch hin und her, vertieft Farbe und vergrößert das Volumen.
McGonagall nimmt einen kleinen Schluck, verzieht das Gesicht. „Nun… das muss ich absprechen… schreiten wir zur nächsten Prüfung fort.“

Stunden des Wartens, während die Sonne tiefer und tiefer sinkt und mir wiederholt Zitronenbonbons angeboten werden. Ich bekomme nichts herunter, trommele mit den Fingern gegen die Tischplatte, versuche, ruhig zu atmen. Versage.
Ich hasse warten!

Draco rennt mir nahezu entgegen, ein erwartungsvolles Leuchten in den Augen. „Und? Erzähl!“
„Na, na, Draco, nicht so überstürzt. Es war ein langer Tag.“ Lucius wirft seinen Reisemantel zur Erde, wo ihn gerade noch rechtzeitig ein Hauself fängt.
„Zauberkunst ist schief gelaufen, der Rest…“
Draco stößt ganz ungentlemanhaft die Faust in die Luft. „Sieg!“
Lucius verdreht nur die Augen und eilt den Korridor entlang, um die frohe Nachricht zu verbreiten. Und obwohl sie mir alle drei versichern, wie sehr sie an mich geglaubt haben, spüre ich doch eine gewisse Erleichterung in ihren Bewegungen, Stimmen.


Der letzte Abend im hinteren Salon neigt sich dem Sonnenuntergang zu und ich kann endlich jemandem von Ollivanders Buch erzählen, den Rätseln, den wunderbaren kleinen Entdeckungen, die ich auf jeder Seite mache.
Er, und ich fühle mich immer noch seltsam dabei, ihn Vater zu nennen, auch wenn er darauf besteht, blättert mit seinen langen dünnen Fingern, die auf eine groteske, verzerrte Art meinen so ähneln, zwischen den Seiten.
„Ollivander ist ein rätselhafter Mann, aber sehr verständnisvoll für die Magie, einerlei, wohin sie den Zauberer führt. Oh ja, ich erinnere mich gut an den Tag, an dem ich seinen Laden betrat, an dieses Gefühl von Macht und Glück, das die erste Berührung mit dem vorbestimmten Zauberstab auslöst… natürlich hat nicht jeder Zauberer einen gleich mächtigen Stab. Wenn ich an Amycus Carrow denke… oder Wurmschwanz…“ Ein kaltes Lächeln huscht über sein wächsernes, faszinierendes Gesicht, lässt die Augen unberührt. „Viele Zauberer, zu denen Ollivander nicht zählt, verstehen einfach nicht… die Herausforderungen, die Abenteuer, all das, was uns das Geschenk der Magie in den Schoß legt… Sie ignorieren ihre Fähigkeiten, ihre Versuchungen, und eines Tages sterben sie, einer nach dem Anderen beenden sie ihr jämmerliches Leben, schließen ein letztes Mal ihre Augen… und geraten in Vergessenheit.“ Seine rot glimmernden Augen verweilen auf dem Kaminfeuer, das die letzte Hitze des langen Augusttages in sich aufsagt und vervielfacht, flackernd, glühend, zischend.
„Als ich jung war, beschloss ich, mein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, um diesem unsäglichen Dahinsiechen, der kalten klammen Hand des Todes zu entrinnen, eine Brücke zwischen mir und der Ewigkeit einzuschlagen. Ich habe es nie bereut, es hat mich davor bewahrt, vor vielen Jahren das Leben zu lassen, hat mich an diese Welt gebunden.“
Ich schlucke, seinem Blick folgend, an Dementoren und ihren kalten, feuchten Atem, ihre vermoderten, schleimigen Finger denkend, dankbar, dass sie mein Zugabteil vor zwei Jahren nicht betreten haben.
„Wer will schon dem jüngsten Gericht gegenüber treten?“, ein sehnsüchtiger Blick huscht über dieses schlangengleiche, elfenbeinfarbene Gesicht, wie ein Traum, dessen Erfüllung auf Armlänge entfernt ist. „Verbleichen, vermodern, vergessen. Meine Todesser haben nicht einen Schimmer, welche Anstrengungen ich habe walten lassen, um zu erreichen, was seit Anbeginn der Menschheit ein Traum war… Unsterblichkeit!“
Ein schweres, kaltes Gewicht presst mein heftig klopfendes Herz an die Rippen, raubt mir den Atem. Ich kenne dieses Gefühl nicht, und ich spüre eine leise, nagende Furcht vor meiner Begehrlichkeit, mehr zu hören.
„Ist es nicht das, wonach wir alle streben, Prinzessin? Die Ewigkeit, Unsterblichkeit, die ultimative Macht, in der wir unseren mächtigsten Gegner, die Natur des Menschen, besiegen?“ Seine roten Augen leuchten zu mir herüber, die Frage steht im Raum wie eine tickende Bombe.
„Ich weiß nicht“, murmele ich mit einer krächzenden, unkontrollierten Stimme, die nicht meine eigene ist. „Ich bin nicht sicher, ob ich für immer mit mir selbst leben möchte.“

Als ich den Raum verlasse, hat er sich noch immer nicht bewegt, denselben versteinerten Ausdruck im Gesicht.

Ich werfe einen letzten Blick in den Koffer, klappe ihn schließlich zu. Den Zauberstab werde ich dicht an meinem Herzen tragen, wo ein echter Schatz hingehört.
Morgen wird also mein allerletztes Jahr in Hogwarts beginnen. Das Jahr, in dem alles anders wird, das spüre ich. Mein Herz klopft wie wild, und es dauert noch eine lange Zeit, bis ich einschlafe, wirre Gedanken von Ewigkeit und Einhornhaar schwimmen durch meinen Kopf.
Es ist Vollmond.



Cos it's all in the hands of a bitter, bitter man
Take a bow, play the part of a lonely lonely heart
Say goodbye to the world you thought you lived in

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Beitragvon Dawniee » Mi 24 Sep, 2008 16:10

Wenn du schreibst, habe ich immer das Gefühl dabei zu sein. Wow-mehr fällt mir dazu nicht ein.
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Beitragvon SweetNemesis » Do 30 Okt, 2008 20:51

Kapitel 11 – Ein letztes Mal


Welcome to the planet – welcome to existence
Everyone's here, everybody's watching you now
Everybody waits for you now
What happens next?



Adam
Ein lautes, pfeifendes Geräusch kündigt die Abfahrt des monströsen, scharlachroten Schulzugs an. Der Geräuschpegel schwillt augenblicklich an. Eulen, Eltern, die ihre übergroßen Taschentücher durch die Luft schwingen, um sich ihren Sprösslingen auf größere Distanz hinweg bemerkbar zu machen, letzte Verabschiedungen, Umarmungen, Koffer, die durch die schwarz abgesetzten Klapptüren mit den quietschenden Scharnieren gewuchtet werden.

„Wir sehen uns zu Weihnachten!“ Athene Sauveurs schlanke Hände klopfen nicht existierende Fussel von meinem Umhang, nachdem sie wohl auch gemerkt hat, dass sie meine Krawatte nicht noch ein fünfzehntes Mal richten kann. „Denk daran, mir zu schreiben, wenn du angekommen bist, man weiß nie…“ Ihre kritischen, grünen Augen wandern über den in Dampf eingehüllten Zug.
„Ja, Mum, ich werde der Unschuldsengel in Person sein, weder Hogwarts in die Luft jagen, noch Schulregeln brechen, viel lernen und – meine Krawatte saß schon vor einer halben Stunde richtig, Mum!“
Sie seufzt andächtig auf. „Ich weiß! Steig schon ein, steig schon ein!“
Ich lege meine Wange an ihre weiche, gepuderte, bis ein zweites, schrilles Pfeifen über die Gleise gellt. Mit einem einzigen, hastigen Schritt springe ich durch die noch geöffnete, schmale Zugtür, in letzter Sekunde, wie immer. Der mächtige Zug rollt ruckend an und ein Meer an winkenden Armen, mitsamt den Taschentüchern, erhebt sich.
Ich sehe meine Mutter und ihr hochgestecktes, dunkelblondes Haar kleiner und kleiner werden, die grünen Augen noch immer auf mein neues, glänzendes Schulsprecherabzeichen gerichtet. Ihr Reinblüterstolz, ihr kleiner Junge, ihr Sternenblick (wenn das je einer erfährt, bin ich so was von erledigt!) auf dem Weg in sein finales Schuljahr, das silberne Abzeichen, das in ihre Familie gehört wie die ererbten Juwelen und das stattliche Haus in Cornwall an seine Schuluniform geheftet.
Und doch schleicht sich wie jedes Jahr eine Träne in ihre Augen, die sie mit dem Fingerknöchel dezent abtupft, einen sicheren Abstand von der rothaarigen Frau in ihrem selbst gestrickten Pullover neben ihr haltend.

„Das war so klar!“
Einer der Weasley-Zwillinge, ich habe inzwischen aufgegeben, herauszufinden, wer von beiden Fred und wer George ist. Im Zweifelsfall waren es sowieso beide.
„Du Vorbild! Unser Held! Hast du es auch brav poliert?“
Ihre schalkhaft leuchtenden Augen blitzen vor Erholung, die identischen Gesichter mit Sommersprossen gesprenkelt und bis über beide Ohren grinsend.
„Produktiven Sommer gehabt?“, frage ich, aufseufzend an all die kreativen Wunderwerke denkend, die ich dieses Jahr wohl wieder konfiszieren muss.
„Und wie! Aber wir erzählen dir nichts davon, du Autoritätsperson!“
„Hey, hast du Lee gesehen, wandelndes Vorschriftenregister? Wir suchen einen Bewohner unseres Schlafsaals, mit dem wir noch finstere Pläne gegen die aufrechte Gesellschaft schmieden können. Fängzähnige Frisbees, respektloses, unreifes Verhalten, du weißt schon. Bis dann, Regelfuchser!“
Sie winken mir grinsend zu, die Arme voller Pakete, deren Inhalt ich lieber nicht wissen möchte, und stolzieren an den Abteilen entlang, hier und da einen Blick durch die Türfenster werfend.
Und da wären wir, in einem neuen Jahr, in dem ich wieder ein Auge zuviel zudrücken werde, wenn es um Weasleys Zauberhafte Zauberscherze geht. Oder Quidditch. Oder Lees Tarantel, die längst hinter Schloss und Riegel gehört.
Wer solche Freunde hat, braucht keine anderen Gründe mehr für graue Haare.

„Aaah, Mr. Sauveur, da sind Sie ja!“ Professor Sinistras knochige Hand legt sich auf meine Schulter und zieht mich in das große, behaglich gewärmte Abteil, das bereits mit den Vertrauensschülern der fünften und sechsten Klassen angefüllt ist.
Ich sehe mich um, halb erwartend, in die hochmütig funkelnden Augen von Darla Greengrass zu blicken und atme erleichtert auf, als ich das zweite silberne Schulsprecherabzeichen neben der bronzefarben und blau gestreiften Krawatte von Audrey Perkins erspähe, ein schüchternes Lächeln auf ihrem mit zarten Sommersprossen übersäten Gesicht, als könne sie ihre plötzliche Verantwortung gar nicht begreifen, die stark verspiegelte Lesebrille über ihre ungewöhnlich großen, dunkelblauen Augen geschoben.

Professor Sinistra händigt mir ebenfalls ein Merkblatt aus, in dem Regelneuerungen und eine Tagesordnung stehen, deren einzelne Punkte mit kleinen Löwen und Adlern nach Audrey und mir aufgeteilt sind.
„Nun, meine Lieben, darf ich um Aufmerksamkeit für das neue Schülersprecherpaar bitten?“ Sie nimmt die überzähligen Kopien an sich und nickt uns aufmunternd zu, bevor sie uns mit einem aufmunternden Zwinkern für Audrey in Richtung Lehrerabteil verlässt.

Audrey rutscht unsicher auf ihrem Sitz hin und her, von Draco Malfoys abschätzigen Blicken begleitet. Ich lasse meinen Blick über Susan, Ernie, Hermine gleiten, wundere mich für einen Moment über Ron Weasleys Anwesenheit.
Ein weiterer, unsicherer Blick von Audrey und es kann losgehen. Glaubt sie vielleicht, ich wäre auf das hier vorbereitet?

Die Patrouillen fallen wesentlich spärlicher aus, wenn man sie bereits die letzten beiden Jahre ableisten muss, und doch wandere ich mit Ausreden für Audreys stille Akzeptanz zu allem und jedem durch die Gänge, natürlich nicht, um nach langem, schokoladenfarben schimmerndem Haar Ausschau zu halten. Nein. Schwachsinn.
Es ist nur…



Isobel

Die vor dem Zugfenster dahin gleitenden Flächen werden grüner, und langsam, ganz langsam, kriecht die erste Abendröte über den Horizont. Ich wünschte, ich hätte mehr als Ollivanders Buch bei mir, irgendwas, ein Haustier, jemanden zum Reden.
Draco ist mit überdimensional stolz geschwellter Brust zu seinem Vertrauensschülertreffen stolziert, bereit, erste Strafarbeiten zu verteilen und Erstklässler in seiner neu gewonnen Autoritätsposition mit noch mehr Spaß durch die Gänge zu schubsen. Ich muss schmunzeln bei dem Gedanken. Draco Malfoy, der Verfechter von Recht und Ordnung. Habe ich mich eigentlich schon vorgestellt? Angenehm, Mutter Theresa.

Der teure, leuchtend mitternachtsblaue Mantel liegt über meinem leeren Nebensitz, auf dem sonst Cho oder Marietta sitzen würde. Aber ernsthaft, hätte ich die beiden suchen sollen? Gibt man sich als Siebtklässlerin noch mit den jüngeren ab?
Ein erster, süßlich triefender Vorgeschmack der Siebtklässlerarroganz bahnt sich in meiner Kehle nach oben, formt ein Lächeln in meine Wundwinkel. Geschafft! Ich hab’s tatsächlich geschafft!

Die Abteiltür öffnet sich, jemand murmelt eine hastige Entschuldigung, schließt sie wieder. Ein rostiges Quietschen und ich bin meinen Gedanken überlassen.
Draco. Werden wir jetzt noch miteinander zu tun haben? Ein Fünftklässler, das wird wohl nicht besonders beeindruckend wirken, wenn ich Anschluss bei meinen neuen Banknachbarn finden möchte. Ein sanfter, giftgrüner Stich der Eifersucht bohrt sich unter meine Rippen, wenn ich an ihn denke, das glatte Blondhaar lässig zur Seite gekämmt, Crabbe und Goyle wie Mäntel an der Tür zum ruhmreichen Vertrauensschülerabteil abgelegt. Draco, dem von Geburt an mehr als alles in den Schoß gelegt wurde, Draco, der es gewohnt ist, in überheblich unterkühltem Überfluss zu leben. Draco, der bei den wenigen Auserwählten sitzt und sich in aller Ruhe mit Adam Sauveur über Quidditch unterhält. Nicht, dass mir der Sinn nach Quidditch oder Adams makellosem, krankhaft reinblütigem Antlitz steht.
Noch ein reicher großer Junge, der bei seiner Geburt beinahe am gravierten Silberlöffel erstickt ist. Aber eben nur beinahe.
Einer, der verdammt gut küssen kann!
Ein leises Flattern in der Magengegend dehnt das leere, nahezu schwerelose Gefühl in meinem Bauch aus. Es ist ja nicht so, dass ich besonders oft an ihn gedacht hätte, während der schlaflosen Nächte in den unerträglichsten Augustwochen, in denen die Haut selbst unter dünnsten Seidenlaken stets mit einem hauchdünnen Schweißfilm überzogen war, der natürlich durch Gedanken wie diese auch nicht gerade verschwand.
Eine drängende Hitze steigt in mein Gesicht und nur für einen Moment bin ich froh, alleine im Abteil zu sein.

„Hier rein, schnell! Mach schon, Angelina!“
Sie hebt abwehrend die Arme, als ihre große Sportlerfigur an meinem Koffer vorbei schlendert. „Hi, ignorier die Typen einfach!“
„Uns ignorieren? Das ist praktisch unmöglich!“ Weasley drängelt sich an Jordan vorbei, die Arme voller kleiner Päckchen, die er auf meinen Mantel plumpsen lässt. „Wir sehen viel zu gut aus!“
„Ja, aber ich bin schöner als du!“
„Gar nicht wahr!“
„Also, ich sehe keinen Unterschied“, mischt sich Johnson, ohne mit der Wimper zu zucken ein. „Und übrigens glaube ich nicht, dass du mit ein paar verkauften Süßigkeiten den Mantel da ersetzen kannst. Ist der neu?“, wendet sie sich mit bewundernder Stimme an mich.
„Hey, du bist meine Freundin!“ beschwert sich eines der beiden sommersprossigen Gesichter trotzig.
„Es ist doch nur ein Mantel“, fauche ich dazwischen und ziehe ihn aus Johnsons dunkelhäutigen Händen.
Einen Augenblick herrscht Stille. Dann prusten sie alle vier los.
„Er fühlt sich auf alle Fälle toll an“, meint Johnson bewundern, was die Jungs dazu bringt, vor Lachen beinahe von den Sitzen zu fallen. „Lachkrampfpastillen, oder was?“
Die Abteiltür schiebt sich auf, ein zartes, schüchternes Gesicht mit übergroßen, blaugrauen Augen versteckt sich förmlich hinter dem silbern blitzenden Abzeichen an der dazugehörigen Brust.
„Ähm, könntet ihr vielleicht etwas leiser sein? Also, ich meine…“
Sie verstummt, blickt hilflos über ihre Schulter, hinter der ein allseits bekanntes, gemeißelt perfektes Gesicht auftaucht.
„Jesus ist hier, lasst du Drogen verschwinden!“, höre ich mich selbst murmeln, bevor ich mir auf die Zunge beißen kann. Autsch! Meine Wangen glühen, mein Hals fühlt sich wie vertrocknet an, ich spüre mein linkes Knie sogar noch etwas stärker zittern als das Rechte, wenn das überhaupt möglich ist.
Jordan bricht in neue Kicherkrämpfe aus.
„Meine Güte, könnt ihr das Zeug nicht wenigstens verschwinden lassen, wenn wir schon Kontrolleure spielen dürfen?“, dringt Adams halb belustigte, halb verzweifelte Stimme hinter das Buch vor, das ich vor einer halben Ewigkeit mal versucht habe, zu lesen. „Wirklich, wie soll hier einer … oh. Hi.“
„Hi“, nuschle ich in mein Buch, wage es kaum aufzusehen.
Unangenehme Pause. Die sich in die Länge zieht.
„Ist das Draco Malfoy?“, haucht die Unscheinbare mit den übergroßen Rehaugen auf einmal ungläubig. „Was zum Teufel treibt der da?“
„Oh, super!“ Adam wirft sich etwas mehr als nötig in Pose und marschiert aus dem Blickfeld. „Jetzt muss man sogar schon die Vertrauensschüler kontrollieren, was hat Dumbledore sich dabei gedacht?“, hören wir ihn Audrey fragen. Sie weiß offenbar auch keine Antwort, aber ich bin mir aus irgendeinem Grund sicher, dass sie ihn mit großen, großen Augen ansieht.
„Mach ihn alle, du Vorbild!“, johlt Weasley eins, der sich halb aus dem Abteil lehnt.
„Sollen wir ihn für dich erledigen, Sauveur?“, brüllt Weasley zwei hinterher.
Ich versinke tiefer und tiefer in meinem Sitz, hoffend, betend, dass er nicht zurückkommt, um mein glühend rotes Gesicht zu sehen.
„Hey, ist das der zweite NEWT Band für Verwandlung?“, unterbricht Johnson meine Pläne, irgendwie im Zugboden zu versinken, ohne dabei zwischen Schienen und Gleise zu geraten.
„Du bist doch im sechsten Jahrgang, oder?“
Ich zögere, schüttle dann probehalber den Kopf. „Lasse ich ausfallen.“
Diesmal fällt Jordan tatsächlich vom Sitz.

Schreie, glückliches Widersehenskreischen, Eulen, Katzen, und über allem der noch immer ratternde, in der Dunkelheit watteweiße Dampfwolken von sich gebende Hogwarts-Express. Durch das Gedrängel von unzähligen Beinen, Armen, in Schuluniformen verschiedener Größe ist es schwer, selbst die Vertrauensschüler, die geflissentlich überhörte Anweisungen über die Köpfe der Menge brüllen, auszumachen.
Mein Herz klopft eine Spur zu heftig, als ich die vertrauten, aufrechten Schultern vor mir wahrnehme, eine Hand darauf gleiten lasse. Adam fährt herum, ein Lächeln flackert über sein Gesicht, wir werden zur Seite, hinter den winzigen Kartenverkaufschalter, gedrängt. Da ist sein Atem an meinem Ohr, das überraschte Lächeln noch immer wie im Mundwinkel festgefroren, als ich, entgegen sämtlicher Vorsätze, mit beiden Händen sein Gesicht greife und zu mir ziehe, ohne jede Kontrolle über meine Finger, Zunge, Körper. Eine Staubspur rieselt vom Vordach über unsere Köpfe, ich presse mich noch dichter an ihm, unfähig zur Selbstbeherrschung. Alles dreht sich, immer schneller und schneller, meine Knie geben nach, klammere mich an ihn, gierig, viel zu gierig…
Flammend rote, urteilende Augen tauchen in meinem Kopf auf, blinzeln, ich stolpere zurück, pralle mit dem Rücken gegen die Backsteinmauer.
„Auch schöne Ferien gehabt?“, fragt Adam schließlich probeweise.
Ich atme tief durch, einmal, zweimal. „Das kommt nicht wieder vor“, erkläre ich schließlich mit fester Stimme und drücke mich von der Mauer weg, Adam neben seinem auf den Boden gefallenen Eulenkäfig und dem verschütteten Vogelstreu stehen lassend und tauche mit noch immer weichen Knien in der Menge unter.
Reiß dich am Riemen, Riddle!

I dare you to move
Like today never happened
Today never happened before





Kapitel 12 – Träum weiter!

Four Years you think for sure That's all you've got to endure
So superficial, so immature

Then When you graduate,
Ya take a look around and you say "Hey Wait!"
This is the same as where I just came from,
I thought it was over, Aw that's just great.



Isobel
Der Regen hämmert wie verrückt gegen die Turmfenster, harte, kalte Tropfen auf Kristallglas. Dieser Raum ist höher gelegen als mein alter Schlafsaal und wirkt etwas kleiner. Vielleicht, weil die Decke etwas niedriger angesetzt ist. Schwere Holzspeichen drücken sich über den mitternachtsblauen Himmelbetten, deren samtener Stoff von bronzefarbenen Bordüren gehalten wird. Die schmalen, hohen Fenster bieten einen Blick bis zum Verbotenen Wald, sowie dem Quidditchfeld. Vom Badezimmer aus kann man sogar die ersten Häuser von Hogsmeade erkennen.
Wenn es nicht gerade in Strömen regnet.

Ich lasse meinen Blick über die verlassenen Betten gleiten. Die schweren Schrankkoffer stehen unangerührt davor. Einer aus schwerem schwarzem Leder. Ein anderer metallen, mit einem schweren Schloss davor. Einer mit schäbigen Flicken. Einer mit kleinen bunten Aufklebern, direkt neben mir.

„Das ist der Wahnsinn! Hast du die Strickjacke gesehen? Ich meine, hast du sie gesehen? Wer verkauft so was?“
„Wenn der Unterricht genau so langweilig wird, dann ohne mich!“
„Das behauptest du seit sieben Jahren von Binns.“

Hoffend, betend, dass das Geplapper, die näher kommenden Schritte, nichts mit mir oder diesem Schlafsaal zu tun haben, wuchte ich Narcissas silbernen Reisespiegel auf meinen Nachttisch, versuche, ihn halbwegs zu befestigen. Nichts zu machen.
Die Stimmen verstummen in dem Moment, in dem sich die schmale Eichentür öffnet. Ein Streifen Licht fällt auf die Dielenbretter.
Und auf Adams rehäugige Freundin und ihr glitzerndes Schülersprecherabzeichen.

Sie stoßen sich gegenseitig an, wechseln teils verschwörerische, teils verwirrte Blicke und lassen sich schließlich alle wie auf ein geheimes Zeichen hin auf ihren Betten nieder.
„Es stimmt also“, lässt sich Tu Lis schneidende, stets etwas bissig klingende Stimme hinter mir vernehmen. „Und ich dachte schon, es wäre nur mal wieder – George.“
Adams schüchternes Anhängsel wirkt im Schlepptau ihrer Freundinnen wesentlich selbstbewusster. Sie wirft Tu sogar einen strafenden Blick zu, bevor sie sich auf das Bett neben mich fallen lässt. „Sieht so aus, als wären wir jetzt endlich komplett. Ich bin Audrey“, ihre langgliedrige, etwas knochige Hand fühlt sich in meiner noch schmaler und zerbrechlicher an, als sie aussieht, die Haut kühl und weich. Audrey.
„Tu, aber mich kennst du natürlich!“, wirft die zierliche Chinesin mit Haarsträhnen, deren Farben Professor McGonagall sicher regelmäßig in Zustände versetzen, ein.
„Sarah Fawcett“ und „Roxanne, aber sag um Himmels Willen Rox“, stellen sich die anderen beiden vor.
Ich glaube, ich werde es hier mögen.

Der Vollmond nimmt schon wieder ab, trotzdem scheint es viel zu hell. Und zu stickig, um die Vorhänge dauerhaft zu schließen. Neben meinem Bett steht einer der Schränke, die ein eingebautes Schreibpult und Bücherregal haben. Ich höre das leise Ticken der Uhr, die ich bei meiner Abfährt von einem rundlichen, kleinen Mann mit sehr wässrigen Augen überreicht bekommen habe. Kleine Sonnen und Monde statt Ziffern, dadurch werde ich zwar auch nicht pünktlicher, aber es sieht sehr hübsch aus.
Familienerbstück. Wenn man den Gerüchten trauen darf, ist mein Vater über einige Leichen gegangen, um ganze Berge davon anzusammeln, aber es ist sicher nicht in allen der viel sagende Name Peverell eingraviert.
Das kalte Mondlicht wirft harte Schatten in den Raum, über Audreys zartes Gesicht, ihren etwas zu dünnen Körper, der sich unter der Bettdecke abzeichnet. Unzählige Fotos der kleinen Schwester auf dem Nachttisch.
Susan. Andy. Ein kühles, drückendes Gefühl in meinem Bauch. Kinder, die sich nie an mich erinnern werden, die jetzt bei ihrer Großmutter leben, die mich und meine Hautfarbe stets nur mit gerümpfter, spitzer Nase gebilligt hat. Ich war nicht bei der Beerdigung. Ich wusste nicht, wann, wo. Oder warum. Zwei Menschen, die mich vierzehn Jahre mit einer Lüge haben leben lassen, mich in den Ferien wieder in die Klavier-, Ballettkurse und Bibliotheksklassen geschickt haben, wie früher jeden Nachmittag. Zu Muggeln und ihrem Gerede über Take That und Melrose Place, in eine Welt, die nicht meine war.
Ein leises, melodiöses Summen ertönt, wie eine einzige Note auf einem Klavier.
Schwebt durch den Raum.
Mitternacht.



Adam

Das erste, gräuliche, unscheinbare Licht des Sonnenaufgangs fällt durch die regennassen Fensterscheiben. Der gestrige Tag kommt mir noch immer wie ein wirrer Traum vor, Audrey, Isobel, ich, der Schulsprecher.
Leise, damit ich die anderen nicht wecke, schlüpfe ich unter der warmen Bettdecke hervor, schleiche mich einen Raum weiter, zu den Duschen. Keine Zeit vergeuden, meine ich die Stimme meiner Mutter zu hören, und Träumereien sind eindeutig Zeitverschwendung, ob nun Isobel Weathers darin vorkommt oder nicht.
Ich kann mich kaum daran erinnern, ob ich an sie gedacht habe. Der ganze Sommer verschwimmt zu einem überhitzten, flirrenden Bild, fern von jeder Realität. Sie war weg, ganz einfach. Aus den Augen, aus dem Sinn, wie man so herzlos, aber passend zu sagen pflegt. Und wie es scheint ist sie jetzt wieder voll da.

Noch immer sehe ich ihr schimmerndes Haar in der Menge verschwinden, wie es über den neuen blauen Mantel wippt, sehe den Anflug von Angst und einem bis daher unsichtbaren Stolz in ihren Augen, als sie mich zurückwies.
Hey, sie hat angefangen, oder? Habe ich jetzt irgendwas Wichtiges verpasst? Ich meine, die meisten Mädchen wenden sich nicht nach jedem Kuss erst mal wieder zwei Monate von mir ab, schon gar nicht nach so einem Guten!

„Morgen, wasbisn duschonso früauf?“, dringt mir eine verschlafene Tonfrequenz, die in wenigen Stunden zur allseits bekannten, volltönenden Stimme Lee Jordans werden wird, unter einer verstrubbelten Menge Rastalocken entgegen. Die dazugehörige Hand beweist ihre rechtmäßige Mitgliedschaft in diesem Haus, indem sie nach einem beliebigen Duschhahn tastet und ihn in Richtung „sibirische frische“ voll aufdreht. Oder, wie der eine Zehntelsekunde später folgende Schrei vermuten lässt, hat Lee erst jetzt die Augen offen.
Der Anblick seines Gesichts ist auf jeden Fall göttlich.

„Stell Lee ab!“, nuschelt George (Erkennungszeichen: Bett unterm linken Turmfenster) unter seinem verknüllten Kissen hervor.
„Stell ihn selber ab!“, mault eine identische Stimme aus dem Bett unterm rechten Turmfenster zurück, aus dem sich ein gebräunter, mit Sommersprossen übersäter Arm hangelt und den wiehernden Wecker vom Nachttisch fegt, wo er in kleine, feuerrote Einzelteile zerschellt, wie jeden Morgen.

Die große Halle ist wie immer lärmend und zum Brechen gefüllt um acht Uhr, montags. Lehrer, die schon etwas gestresst aussehen, und deren all zu wachsame Augen über die schier unzählbare Menge an plappernden, kreischenden, gähnenden Lernunwilligen gleiten, nahezu in Resignation. Diesen Kindern sollen sie jetzt also Lehrstoff in die Unwilligen Köpfe stopfen, mal wieder?
Same procedure as every year.

Dolores Umbridges süßliches Lächeln und ihre himbeerfarbene Robe lassen mich den Beschluss fassen, dass ich noch eine Menge Kaffee (ohne Zucker) brauche, um den Unterricht heute zu überstehen.
Wenn es das nächste Mal nötig sein sollte, entkoffeiniert in diese Richtung zu blicken, sehe ich lieber zu Professor Snape, vielen Dank auch!

Isobels langes, dunkles Haar schimmert rötlich in der Morgensonne, als sie sich neben Audrey auf den frei gehaltenen Platz sinken lässt, den Kopf so hoch erhoben wie möglich. Ich sehe Pruedence Parkinson und Derek Montague enttäuschte Gesichter machen, die Augen funkeln mit ihren giftgrünen Slytherinabzeichen um die Wette.
Audrey ist halbblütig.
Professor Umbridges honigsüßes Lächeln scheint etwas an Substanz verloren zu haben, und doch hält sich ihre kleine, etwas unförmige Figur mit einem zum Trotz festgehaltenen Frohmut, der jeden einzelnen Zahn bis in die letzte Reihe sichtbar macht, aufrecht.
Das Buch, das mich mit einer theoretischen Abhandlung der NEWTs eines gewissen vertrockneten, alten Herrn namens Slinkhard einzuschläfern versucht, scheint meine Blicke förmlich von sich zu stoßen, hoch zu den kleinen goldenen Lichtern in dem seidigen Haar, das über Isobels Schultern fließt.
Ihre Bluse wirkt noch zzugeknöpfter als sonst, der Rock etwas länger als es bei diesen Beinen nötig wäre. Ein Lichtfleck fällt durch das zweithinterste Fenster auf die Schlanke Fessel, den teuren, halboffenen flachen Schuh darunter. Drachenleder. Es schmiegt sich sanft a ihre Haut, reibt etwas, bei jedem Fußwippen.
Sie hat sich die Federspitze zwischen die Lippen geklemmt, kühles Metall auf einem Hauch von Lippenstift, ich ahne es mehr, als das ich es von meinem Platz aus sehe. Ein spöttisches Lächeln, Grübchen in den Wangen, weiche kleine Mulden, in die ich meine Fingerkuppe legen könnte.
Sie hasst das Buch genau so wie ich.

„Mr. Sauveur, nicht wahr?“ Die Kröte lächelt, um sie ein Meer aus rosa. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Nein, wieso?“
„Sie lesen nicht“, der süßliche Klang in ihrer Stimme erhält einen bohrenden Unterton, den ich noch weniger mag als dieses – Lächeln. Wenn man es so nennen möchte.
„Ich habe die ersten Kapitel schon gelesen“, antworte ich in meinem höflichsten, vorbildlichsten Ton und lächle bescheiden.
„Nun, denn, machen Sie sich Notizen! Es wird ihnen bei ihrer Hausaufgabe helfen, vertrauen Sie mir!“
Ein weiteres Lächeln und ich beschließe, stattdessen Mr. Filch zu vertrauen!

Als die rosafarbene Strickjacke wieder nach vorne schlendert, fange ich Isobels Blick auf, nur für eine Zehntelsekunde scheint sie mich und meine Gestik zu beobachten, vielleicht auch zu bewerten, dann dreht sie mir wieder ihr in der Sonne leuchtendes Haar und die kalte Schulter zu.

„Das kommt nicht wieder vor.“
Das werden wir noch sehen!

The Whole Damn World is just as obsessed
With who‘s the best dressed and who‘s having sex
And I still don't have the right look
And I'm pretty much the same as I was back then

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