Warnung: Kein
Genre: Humor / Comedy
Charaktere: Filius Flitwick, Armando Dippet, OC
Betaleser: John Xisor
Anmerkung des Autors:
Diese FF war als Wettbewerbsbeitrag für Xperts für Kategorie 5 (Schulzeiterlebnisse eines Lehrers) gedacht. Wie ich heute erfahren habe, kam nur mein Beitrag für Kategorie 3 (Böse Hexen) an. Natürlich ärgerlich, aber nicht zu ändern. Ich würde sagen, umso besser. Auf diese Weise kann ich die FF nämlich meinem Beta widmen, dem "Pyromanen" in der Familie.
Für John, der am 31.12. den Nachthimmel wieder als Leinwand nutzten wird, um seine Figuren auf ihm zu zeichnen.
„Das Feuerwerk ist die perfekteste Form der Kunst, da sich das Bild im Moment seiner höchsten Vollendung dem Betrachter wieder entzieht.“– Adorno
Viel Spaß,
Muggelchen
Mein Freund, die Sonne
Der erste September 1911.
Seit 1853 hielt der Hogwarts Express auch in King’s Cross, einem modernen Bahnhof, der auf dem Gelände eines ehemaligen Krankenhauses erbaut wurde, das sich auf Pocken spezialisiert hatte. Der kleine Junge – die Betonung liegt auf klein – wehrte sich vehement dagegen, von seiner Mutter an die Hand genommen zu werden, während sie gemeinsam auf den Schaffner warteten, der beim Gepäck helfen würde. Er wollte erwachsen wirken, was ihm trotz aller Anstrengung nicht gelang. Die anderen Kinder, seine späteren Mitschüler, waren doppel so groß als er.
„So, mein Liebling“, seine Mutter bückte sich. Davon alarmiert drehte er den Kopf weg, doch sie erhaschte einen Teil seiner Stirn, um ihm dort einen Kuss zu geben. Der Junge schaute sich auf dem Bahngleis um und ertappte einige der anderen Eltern dabei, ihn angestarrt zu haben.
„Lass das, ich bin kein kleines Kind mehr“, schimpfte er. „Ich möchte jetzt in den Zug einsteigen.“ Weg von den gaffenden Menschen. „Hoffentlich finde ich auf dem Weg zur Schule schon ein paar Freunde.“
„Das wünsche ich dir von Herzen.“ Sie half ihm bei den Stufen des Wagons, die für seine kurzen Beine einen viel zu großen Abstand aufwiesen. Gleich darauf reichte sie ihm den schweren Koffer. Als er den mit beiden Händen packte, nutzte sie die Gunst der Stunde und küsste den wehrlosen Jungen auf die Wange. Diesmal schimpfte er nicht, weil er ihre Tränen sah. Der Abschied schmerzte sie viel mehr als ihn. „Pass auf dich auf, mein Schatz. Und schreibe mir! Versprichst du mir das?“
„Natürlich, Mutter.“
„Und lass dir von niemandem einreden, du wärst …“ Anders.
„Ich passe auf mich auf“, unterbrach er sie. Ihre Fürsorge war manchmal erdrückend.
Drinnen half ihm ein Schaffner, den Koffer magisch zu verstauen. Mit großen Augen schaute der Junge dabei zu und dachte frohen Herzens, dass er solche Zauberkünste eines Tages selbst mit seinem Stab vollbringen könnte. Momentan war sein Zauberstab noch ein ungenutzter Gegenstand in der Innentasche seines Umhangs. Später aber …
Die näselnde Stimme eines Mädchens riss ihn aus seinen Gedanken.
„Darf ich mal bitte durch?“ Ihre Ausdrucksweise deutete darauf hin, dass sie aus gutem Hause stammte, ebenso wie ihre Kleidung und die aufwändig hochgesteckten Haare. Blond.
„Selbstverständlich.“ Er ging einen Schritt zur Seite und ließ seine zukünftige Mitschülerin durch.
Die Blonde ging hoch erhobenen Hauptes an ihm vorbei und öffnete eines der Fenster, um den Eltern zum Abschied zu winken. Sie drehte sich nochmal zu ihm um. „Wie heißt du?“, wollte sie wissen.
In der Hoffnung, die erste Bekanntschaft zu schließen, aus der eine innige Freundschaft entstehen könnte, erwiderte er: „Filius. Filius Flitwick.“
Im Gesicht des Mädchens regte sich nichts. „Mein Name ist Morcant Spavin.“ Erst jetzt musterte sie ihn mit gerümpfter Nase und fragte geradeheraus: „Warum bist du so klein?“
Sie war keinesfalls die Erste, die ihm so eine Frage stellte. Verunsichert und daher grantig stellte er die Gegenfrage: „Warum hast du blonde Haare?“
„Meine Eltern haben welche – beide. Sie stehen dort.“ Sein Blick folgte ihrem Zeigefinger und landete auf einem groß gewachsenen, vornehm aussehenden Ehepaar. „Wie sieht es mit deinen Eltern aus?“ Sie schaute aus dem Fenster, blickte sich auf dem Bahnsteig um. „Sind deine Eltern hier?“
„Meine Mutter steht dort.“
Er zeigte auf seine Mutter, die ihn bemerkte und zu ihm eilte. Genau das wollte er tunlichst vermeiden, aber es war zu spät. Durch das offene Fenster wollte sie ihm etwas reichen, doch er kam aufgrund seiner geringen Körpergröße nicht heran. Das Mädchen war so freundlich, die kleine Schachtel abzunehmen und ihm zu geben. Zum Glück fuhr der Zug endlich an. Ein bisschen Winken, eine Kusshand und fort war der Bahnhof. Die Reise in ein neues Leben konnte beginnen. Vielleicht sogar mit Morcant gemeinsam.
„Weißt du schon, wo du sitzt?“, wollte Filius in Erfahrung bringen.
„Ich habe ein Abteil mit einigen Freundinnen.“
Sie wandte sich zum Gehen ab, da folgte er ihr. „Darf ich bei euch sitzen?“
„Wir haben keinen Platz mehr.“ Weil er ihr noch immer folgte, brachte sie ihren Unmut darüber zum Ausdruck. „Hör auf, mir nachzugehen. Das schickt sich nicht.“
„Ich würde dich gern näher kennen lernen. Ich finde dich ganz n-“
Ihr Ton wurde giftig. „Ich war nur höflich zu dir, so wie meine Eltern es mir beigebracht haben.“ Nochmals musterte sie ihn von oben bis unten, wodurch er sich nur noch kleiner vorkam. „Deine Eltern haben dir offenbar keine Manieren beigebracht.“
Nach diesen Worten ging sie ins nächste Abteil über und ließ Filius mit einem angebrochenen Herzen stehen. Er seufzte, hörte dabei einen seltsam zischenden Laut, der aber nicht von ihm herrührte. Da war es nochmal.
„Psst!“, machte jemand.
Filius blickte sich um und bemerkte erst jetzt einen Jungen mit knallroten Haaren. Erbost darüber, dass der Mithörer sich nicht schon vorher zu erkennen gegeben hatte, schimpfte Filius wie ein Rohrspatz: „Na? Hat es dir gefallen, uns zu belauschen?“
Der Rothaarige grinste nur. „Hey, Abgebrochener. Komm mal her.“ Trotz der verletzenden Anrede machte der andere Junge keinen bösartigen Eindruck, so dass Filius der Aufforderung folgte. Dicht bei ihm sah er das kleine, viereckige Päckchen, an dem der Rothaarige gerade eine Zündschnur anbrachte. „Ich wollte meinen selbst gebastelten Kracher hier im Zug hochgehen lassen. Hast du einen Vorschlag?“
„Das ist doch viel zu gefährlich, im Zug …“
„Von wegen gefährlich.“ Der Rothaarige rollte mit den Augen. „Du hörst dich an wie meine Mutter.“ Die Zündschnur war endlich angebracht. „Was meinst du? Das Mädchenabteil wäre doch für einen Testknall geeignet!“
„Wer bist du überhaupt?“, fragte Filius. Er wunderte sich, warum er bis jetzt nicht einmal den Namen des Jungen kannte, von dem aber bereits zu einer Lausbubentat angestiftet wurde. Seine Mutter hatte ihm beigebracht, dass man sich immer mit Namen vorstellte. Er streckte dem Jungen die Hand entgegen: „Mein Name ist Filius Flitwick.“
Die hochgezogene Augenbraue war genauso rot wie das Haupthaar. „Warum so förmlich? Du bist erst elf.“
„Du doch auch!“, wetterte Filius verärgert, bis er begriff, dass dies gerade keine Anspielung auf seine Größe gewesen war, sondern nur auf sein Alter. „Ich meine …“ Weil er sich im Ton vergriffen hatte, räusperte er sich verlegen. „Wie kann man denn eine Freundschaft schließen, wenn man den Namen des anderen nicht kennt?“
„Das bin ich, nicht wahr? Ich bin der ‚andere‘.“ Das Gesicht, umrandet von feuerroten Haaren und mit breitem Grinsen verziert, erinnerte stark an ein aus Kinderhand stammendes Piktogramm, welches für eine fröhliche Sonne stand. „Wie man sonst noch Freundschaften schließen kann? Komm mit, ich zeig es dir!“
Der rothaarige Fremde knuffte ihn am Oberarm und wedelte einen Augenblick mit dem kleinen Päckchen, aus dem die frische Zündschnur ragte. Gleich darauf schnürte der Fuchs hinüber zum Übergang, hinter dem sich der nächste Wagon befand. Von dort aus winkte er Filius heran. Gemächlich schlenderte er zu dem Jungen hinüber, bei dem der Schalk im Nacken schwerer wiegte als Heimweh. Mit dieser Abwechslung verlor auch Filius jeden Gedanken an Zuhause, wo er trotz seiner Größe innig geliebt wurde. Kinder konnten grausam sein, das wusste er. Dieser Junge hier war bisher in Ordnung. Wenn alle Mitschüler so freundlich wären, dann waren Filius‘ Sorgen wegen möglicher Hänseleien reine Zeitverschwendung gewesen.
Beide Jungen wurden bei ihrem Scherz von einem Vertrauensschüler erwischt, und beide durften sich auf ein persönliches Gespräch mit dem Schuldirektor freuen – noch vor der Feier zum Schuleintritt.
Mit einem nervös wippenden Bein wartete Filius zusammen mit dem anderen Jungen im Büro auf das Oberhaupt der Schule. Bruchstückhaft erinnerte er sich im Nachhinein daran, dass der Rothaarige die Tür zum Mädchenabteil geöffnet und das Päckchen mit gezündeter Lunte hineingeworfen hatte. Da war viel Rauch gewesen, aber kurz vorher ein meisterhaftes Feuerwerk. Die Idee von einem derart kräftigen Feuerwerk in so handlicher Form faszinierte Filius, obwohl es ganz offensichtlich war, dass sich der selbst gebaute Kracher noch im Entwicklungsstadium befand. Als Füllstoff war zu viel roter Ton verwendet worden. Die Mädchen waren alle von oben bis unten mit rotem Staub bedeckt.
An das, was dann geschehen war, erinnerte er sich nur noch sehr verschwommen. Nicht einmal die Größe des Schlosses hatte ihn eingeschüchtert, denn er saß nun hier im Schulleiterbüro und wurde von allen Seiten angestarrt. Die Bilder der früheren Direktorinnen und Direktoren rümpften die Nase bei den beiden Jungen, die noch nicht einmal in ein Haus sortiert waren und jetzt schon Unruhe stifteten. Sehr wahrscheinlich war das ein neuer Rekord.
Die Tür öffnete sich und ein groß gewachsener Mann trat ein. Der Gesichtsausdruck war milde, doch eine gewisse Strenge war nicht zu übersehen. Der Direktor setzte sich den beiden gegenüber, faltete die Hände und – machte nichts. Er blickte sie nur an. Keine Standpauke, nicht die geringste Aufforderung zum Sprechen. Der Professor starrte den Rothaarigen solange an, bis der wegschaute. Auch Filius war sich der bohrenden Blicke bewusst, wenn diese ihm galten. Die unangenehme Stille war nicht auszuhalten.
„Sir …“ Filius musste kräftig schlucken, um den Hals von diesem dicken Kloß zu befreien. Der Direktor erwartete die Wahrheit und die wollte Filius ihm geben. Die Theorie, an die er glaubte, teilte er stotternd mit. „Professor Dippet, bitte. Wenn ich erklären dürfte?“ Dippet nickte einmal. „Wir… Wir wollten den Mädchen eine Freude machen und sie nicht erschrecken. Das ganze lag in einer Fehlberechnung von dem Verhältnis zwischen Pulver und Füllstoff.“ Der Mitangeklagte blickte ungläubig zu Filius hinüber, schien aber gespannt darauf zu sein, wie diese Erklärung enden würde. „Es wäre sonst perfekt gewesen, wenn Sie mir dieses Urteil erlauben, Sir. Die Leuchtkugeln explodierten im richtigen Augenblick und setzten die Sterne frei. Mädchen gefällt sowas, aber leider war zu viel roter Ton eingearbeitet und deswegen …“ Unsicherheit überkam ihn, weil Dippet selbst nach dieser doch für jeden Menschen einleuchtende Erklärung noch immer keinen Mucks von sich gab. Hörte es sich etwa geflunkert an, wo er doch die Wahrheit sagte? Oder nahm man ihn wegen seiner hohen, piepsenden Stimme nicht für voll?
„Es war nicht zu viel Ton drin“, vernahm Filius eine nachdenkliche Stimme neben sich. Der Rothaarige fuhr eine Hand durchs Haar, sein Blick fixierte dabei den Kaffeetisch, als würde sich auf ihm in heiligster Weise die Antwort auf alle Fragen ins Holz brennen. Er rechnete im Kopf nach. „Ich habe es genau abgewogen, da mache ich keinen Fehler.“
„Was?“, fragte Filius ungläubig. Der andere Junge schien nicht zu begreifen, dass hier gerade über ihr junges Leben geurteilt wurde. Noch waren sie keine Schüler Hogwarts‘ und vielleicht würden sie aufgrund dieses Vorfalls nie welche werden.
„Ich hab’s! Es gab eine chemische Reaktion zwischen den Effektkörpern. Das war immerhin meine erste Schwebezauberkombination aus Hoch- und Bodenfeuerwerk – dafür hat das aber wunderbar funktioniert!“ Der Rothaarige lächelte wie ein Honigkuchenpferd.
Professor Dippet dachte nach, bevor er mit der Situation abgeschlossen hatte und jetzt zur Urteilsverkündung überging. „Sie beide, Mr. Flitwick und Mr. Weasley.“ Filius horchte beim Nachnamen seines Mitleidenden auf, lauschte aber weiterhin den Worten des Professors. „Sie werden in den nächsten zwei Monaten in jeder freien Minute, die Sie nicht der Bildung zukommen lassen, dem Wildhüter und dem Hausmeister zur Hand gehen.“ Filius stöhnte innerlich. Weasley hingegen hielt sich nicht zurück, seine Enttäuschung über die Strafe laut seufzend zu verkünden. Professor Dippet fühlte sich daraufhin animiert, den beiden einen Grund zu nennen. „Diese Zeit sollen Sie nutzen, um sich darüber bewusst zu werden, was ich Ihnen mit einer Streichung der Aufnahme an unserer Schule erspare, denn das wäre die Entscheidung meines Vorgängers gewesen, von dem ich eine Menge gelernt habe.“ Dippet blickte an die Wand und nickte irgendeinem der vielen Gemälde zu, bevor er sich erneut an die beiden Jungen wandte. „Es liegt ganz bei Ihnen, ob Sie Ihre Freizeit mit körperlicher Arbeit verbringen möchten oder mehr Wert darauf legen, den Geist zu beanspruchen. Auf diese Weise“, der Direktor blickte Weasley an, „kann ich zumindest sicher gehen, dass Sie für zwei Monate etwas anderes tun werden als unsichere Sprengkörper zusammenzustellen und diese an Mitschülern zu testen.“ Weasley blickte beschämt zu Boden. „Sie beide werden sich darüber hinaus bei jeder der betroffenen Damen entschuldigen – persönlich!“
Filius entgleisten die Gesichtszüge. Er müsste mit Morcant sprechen. Der Boden möge sich auftun, bat Filius in Gedanken. Weasley schien ein schlechtes Gewissen zu plagen – oder er konnte Gedanken lesen.
„Professor Dippet?“
„Ja, Mr. Weasley?“
Der Rothaarige blickte zu Filius hinunter, dann zum Direktor. „Er hat nichts damit zu tun. Ich habe ihn mit reingezogen.“ Mit Bedauern fügte Weasley hinzu: „Die Schuld liegt allein bei mir.“
„Ich weiß, Mr. Weasley.“ Der Direktor nickte beiden zu. „Dann ist die Sache geklärt.“ Gemächlich führte er die beiden vor die Tür. „Bitte begeben Sie sich nun in die Große Halle, damit die anderen nicht länger warten müssen.“
„Aber Sir?“, sagte Weasley noch schnell, bevor die Tür sich hinter ihnen schließen würde.
„Noch eine Unklarheit?“ Geduldig wartete er, bis Weasley eine Antwort gab.
„Wegen der Strafe: Ich nehme Sie auf mich, aber Filius hier …“ Er klopfte dem kleinen Jungen, der nicht mal einen Meter maß, auf die Schulter. „Muss er auch die zwei Monate lang …?“
„Aber natürlich, Mr. Weasley. Vielleicht, wer weiß, wird aus diesem gemeinsamen Schicksal eine Freundschaft fürs Leben? Denn in einer Freundschaft ist nichts selbstverständlicher als das Teilen. Beginnen Sie jetzt damit und teilen Sie beide Ihre Strafe.“ Der Direktor lächelte milde. „Und jetzt beeilen Sie sich, damit Sie in Ihre Häuser kommen.“
Auf dem Weg zur Großen Halle erfuhr Filius endlich den Vornamen des Jungen, der schon auf der Hinfahrt sein bester Freund geworden war. Er hieß Erasmus. Erasmus Weasley.
Für keinen von beiden war es ein Problem, dass sie in verschiedene Häuser gekommen waren. Filius war ein Ravenclaw und Erasmus war, wie all seine Brüder, vom Sprechenden Hut nach Gryffindor geschickt worden. Die beiden Jungen waren nicht durch ihre Häuser miteinander verbunden, sondern durch ihre gemeinsame Strafe. Gleich nach dem Tag des Schuleintritts begann das Wochenende. Samstag und Sonntag bei Mr. Ogg, dem Wildhüter und Hüter der Schlüssel von Hogwarts, kam Filius in den zweifelhaften Genuss, die wohl gigantischsten, tierischen Kothaufen seines Lebens zu sehen – und wegräumen zu müssen. Erasmus hatte es nicht minder schwer erwischt. Schon an diesem ersten Wochenende in Hogwarts hatte er die Finger von Pulvern und Leuchtkugeln gelassen, aber nur, weil er seine Kracher vor lauter Muskelkater nicht einmal mehr halten konnte. Nach diesen beiden Tagen harter Schufterei bei Mr. Ogg trafen Erasmus und Filius gemeinsam eine Entscheidung. Beide wollten in ihrer Freizeit auch mal ein wenig Ruhe haben und andere Gesichter sehen als das des Wildhüters.
Am dritten Tag, dem ersten richtigen Schultag, suchten sie nach Unterrichtsschluss nicht mehr Mr. Ogg auf, sondern die Bibliothek. Es war hier ruhiger, aber vor allem stank es nicht nach Mist und schwer waren die meisten Bücher auch nicht, höchstens die Themen. Professor Dippet hatte nicht vorgeschrieben, mit was sie ihren Geist beanspruchen sollten.
„In der Bibliothek“, sagte Erasmus mit frechem Grinsen und zwei Büchern unter dem Arm, „können wir gar nicht so falsch sein.“ Der Rotschopf legte die beiden Werke vor sich auf den Tisch. Das mit dem Titel Pyrotechnik und du schob er an den Rand, bevor er die Einstiegslektüre Chinesische Feuerwerkskörper aufschlug und mit dem Lesen begann. Filius blätterte derweil in seinen eigenen Schulbüchern: Zaubertränke, Kräuterkunde, Verwandlung. Er war sich nicht sicher, aus welchem Bereich er ein Buch lesen wollte, also blieb er vorerst beim Thema Zauberkunst. Das interessierte ihn am meisten.
Vier Jahre fester Freundschaft folgten. Sie lernten gemeinsam für die Schule und tüftelten heimlich an neuen Feuerwerkskörpern, die dank der Literatur, die Erasmus sich regelmäßig gegönnt hatte, schon beinahe als perfekt bezeichnet werden durften. Bisher hatten sie alles Mögliche zusammen überwunden, selbst die Krise, als Erasmus nach den letzten Sommerferien dank des Weasley-Gens in die Höhe geschossen war, während Filius, der jetzt 1,02 Meter maß, in jeder Faser seines Körpers spürte, dass er ab heute an nicht mehr wachsen würde.
„Mach dir nicht so viele Gedanken“, sagte der nun 15jährige Erasmus. „Größe ist nicht alles.“
„Sagt der, der jetzt schon einige der Professoren überragt. Sag, wie ist die Luft da oben?“
„Hör auf zu stänkern oder ich werfe eine Stinkbombe. Dann weiß ich ganz genau, wie die Luft bei dir da unten ist.“ Der Seufzer eines gebeutelten Teenagers hallte durch das leere Klassenzimmer für Zaubertränke. „Müssen wir uns unbedingt an der Körpergröße messen? Wegen dir werde ich mir bestimmt nicht die Beine abhacken.“
Gerade wenn man in die Pubertät kam, war die Erkenntnis, dass alles an einem insgesamt viel zu klein ausgefallen war, mehr als nur erschütternd. Erasmus hatte ihn so gut es ging aufgebaut und ihm Mut gemacht. Das änderte aber nichts daran, dass Morcant den kleinen Schüler ignorierte.
Im fünften Schuljahr, in welchem nicht nur der Inhalt der Kessel im Zaubertränkeunterricht brodelte, sondern auch der Hormoncocktail der Mitschüler mittlerweile eine explosive Konsistenz angenommen hatte, trafen einige Ereignisse auf einmal ein. Zum einen verweigerten ihm die Mädchen in der Schule weiterhin ihre Aufmerksamkeit, zum anderen fühlte der kleinwüchsige Schüler sich von seinem Freund allein gelassen. Ausgerechnet in so einer schweren Zeit. Adina, eine hübsche Brünette aus dem Hause Gryffindor, zeigte wegen genau der gleichen, hormonellen Veränderung, die wie eine ansteckende Kinderkrankheit jeden Schüler früher oder später erwischte, plötzlich Interesse an Erasmus und beanspruchte seine Gesellschaft für sich allein. Filius unterschied sich ausschließlich in der Größe von den anderen. Sein Gefühlsleben war mit heranreifender Mannbarkeit genauso empfindlich geworden wie das der anderen, und zu seinem großen Bedauern erwachten ebenso große Sehnsüchte und Wünsche in ihm.
‚Es wäre besser gewesen‘, verspottete Filius sich im Stillen, ‚man hätte mich dagegen geimpft.‘
Seine Niedergeschlagenheit vergrub er unter dem Wissen, das er in Büchern fand. Sein Liebe für Zauberkunst trieb ihn in Spezialgebiete, die weit über dem Lehrstoff der siebten Klasse hinausreichten. Abseits von sozialen Kontakten hockte Filius auch an einem Sommertag am Ende des fünften Schuljahres in der Bibliothek, während andere das Wetter draußen genossen. Seine Fähigkeiten in Zauberkunst hatten sogar dem Direktor persönlich imponiert. Trotz seiner hohen, piepsenden Stimme konnte er die kompliziertesten Zaubersprüche gleich beim ersten Versuch korrekt aussprechen und dabei mit feinmotorischer Vollkommenheit den Stab führen. Die vielen Bände vermochten trotzdem nicht, diesen inneren Schmerz zu stillen. Das Ohr eines Freundes könnte für Erleichterung sorgen, doch der hatte in der Zwischenzeit von Adina abgelassen und war mit Fabienne, einer aschblonden Ravenclaw, zusammen. Erasmus‘ Ohren, wie alles andere auch, gehörten ausnahmslos dem Mädchen.
Kurz vor den Sommerferien stieß Filius durch Zufall während seiner Recherche für eine Hausaufgabe in Zauberkunst auf eine Fußnote im Schulbuch, die auf ein anderes Buch verwies. Der andere Band verwies nochmals auf ein weiteres Buch, welches sich Filius in den Sommerferien besorgte, um die Geheimnisse des Trance-Zaubers zu erlernen. Es war, weil Zauberkunst sowieso sein liebstes Fach war, ein äußerst interessantes Thema, auch wenn es sich ein wenig falsch anfühlte. Die Mädchen schmachteten die gut proportionierten, groß gewachsenen Quidditch-Spieler an. Selbst die in die Breite gewachsenen Mitschüler hatten mehr Chancen auf eine Verabredung mit einer Mitschülerin als der zu kurz geratene. Filius war todunglücklich. Er versank in der finsteren Lektüre, die weder seinem Alter angemessen war noch seinem reinen Herzen entsprach.
Das sechste Schuljahr begann.
Filius hatte alles über Trance-Zauber gelesen, was es zu lesen gab. Testobjekte gab es auf den Straßen genug. Filius konnte die Menschen dazu bringen, sich mit ihm zu unterhalten, ihm ein Butterbier zu spendieren oder ihn gar auf eine familiäre Feier einzuladen, obwohl sie dem jungen Mann erst eben begegnet waren. Zauberei dieser Art schien seine einzige Rettung aus der Isolation. Menschen, die damit belegt wurden, sahen über die auffälligen Mängel des Gegenübers hinweg. Er könnte Mädchen so sehr in Trance zaubern, dass sie sich nicht mehr an seiner geringen Körpergröße stören würden. Somit wäre die größte Hürde genommen. Während der Sommerferien war sich Filius darüber klar geworden, dass es das Problem seiner Mitmenschen war, die ihn nicht so nehmen konnten wie er war. Lauter als seine eigenen Gedanken war im Moment die Stimme von Professor Dippet.
„… und, liebe Schüler, begrüßen wir ganz herzlich den neuen Professor für Verwandlung: Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore.“
Die Schüler applaudierten gemäßigt. Würden sie jetzt schon wissen, welche positiven Änderungen sie dem neuen Professor in Zukunft zu verdanken hätten, würden sie jubeln und mit Luftschlangen werfen, doch Albus Dumbledore war ein unbeschriebenes Blatt, der zum Zeitvertreib mit Drachenblut experimentierte. Nach dem eigenen Schulabschluss im selben Jahr, in welchem Filius geboren wurde, hatte sich der große Zauberer mit den kastanienfarbenen Haaren in der Welt herumgetrieben, um nach sechs Jahren als Lehrer in Hogwarts Fuß zu fassen. Filius hingegen hatte entschlossen, in diesem sechsten Jahr das erste Mal einem Mädchen dabei zu helfen, über Nichtigkeiten seine Person betreffend hinwegzusehen. Der Valentinstag schien der ideale Zeitpunkt zu sein.
„Filius?“ Bei seinem Namen schreckte er auf. Erasmus lugte ins Zimmer hinein, in welchem sich Filius noch einmal die komplizierten Vorgänge des Trance-Zauberns verinnerlichte.
„Was ist?“ In Windeseile legte der kleine Mitschüler seine anderen Bücher auf das verbotene, doch Erasmus hatte es gesehen. Zielsicher griff er nach dem untersten Buch und hielt es sich vor die Nase. Erasmus war perplex. „Das ist nicht dein Ernst!“ Allein das Inhaltsverzeichnis des Buches zeigte das versteckte Übel der beschriebenen Sprüche, aber auch die Verzweiflung seines Freundes spiegelte sich in ihnen wieder. Manipulationszauber, Freundschaftszauber, Herzenszauber. „Lass das, hörst du!“, schimpfte Erasmus. „Du wirst von der Schule fliegen, aber nicht nur das: Man wird dir diese Dummheit für den Rest deines Lebens vorwerfen!“
„Ich habe doch gar nichts gemacht“, winkte Filius ab.
„Ja, noch nicht, weil ich dich erwischt habe.“
„Mal den Teufel nicht an die Wand. Es interessiert mich eben.“ Filius seufzte. „Warum bist du eigentlich hier? Müsste deine Zunge nicht tief im Hals von Fabienne stecken?“
Unerwartet lachte Erasmus. „Nein, Fabienne ist … Na ja, sie ist nett. Es war langweilig geworden. Sie wollte immer nur knutschen.“
„Oh, du Armer“, bedauerte Filius spottend. „Ich kann mir wahrlich etwas Schlimmeres vorstellen.“
Erasmus hob und senkte seine Schultern. „Und ich kann mir was Schöneres vorstellen.“ Er grinste breit, als er ein dickes, längliches Objekt aus der Innentasche seines abgetragenen Umhangs zog. Eine Rakete. Selbst gebaut. Und riesengroß.
„Wow!“ Das Größte an Filius waren im Moment seine Augen, so weit hatte er sie aufgerissen.
„Dachte ich mir, dass dir das gefällt.“ Die Rakete betrachtete Erasmus mit so großem Respekt, als würde er das Goldene Flies in seinen Händen halten. „Stehst du noch auf Morcant?“
„Nein.“ Mehrmals hatte Filius versucht, sich ihr zu erklären und um Verzeihung für den Streich im Zug zu bitten. Mit verletzter Stimme fügte der niedergeschlagene Junge hinzu: „Sie redet nicht mit mir.“
„Dann vergiss sie“, kam als gut gemeinter Ratschlag. „Es muss doch sonst noch ein Mädchen geben, das du magst.“
Natürlich gab es eines. Sogar eines aus seinem Haus. Oft lernte er mit ihr, weil Zauberkunst nicht ihre Stärke war. Ihre Note war von Mies auf Annehmbar geklettert. Seine Hilfsbereichschaft der Mitschülerin gegenüber wurde vom Hauslehrer sogar mit zwanzig Punkten belohnt. Das würde ihr reichen, sagte sie erst letzte Woche. Ihr Vater würde nur bei der Note Mies zum Rohrstock greifen. Diese Aussage hatte Filius schockiert, aber nicht abgeschreckt. Der Versuch, ein wenig mit ihr zu Plaudern, wurde nicht von ihr selbst vereitelt, sondern von ihren Mitschülerinnen, die es als ihre Pflicht ansahen, sie vor dem kleinwüchsigen Mitschüler zu retten. Diese Methode kannte Filius von anderen. Viele verließen sich auf das Eingreifen ihrer Freunde, um sich nicht mit länger ihm befassen zu müssen. Die Vorurteile in vielen Familien waren groß. Die Norm spiele in der Gesellschaft eine große Rolle. Filius war keine Norm. Er war einzigartig und keinesfalls ein Aussätziger, aber wie letzteres wurde er oftmals behandelt. Die Freund-Rettung funktionierte leider meist, aber nicht, wenn die Lehrer Paare für gemeinsame Arbeiten zusammenstellten. Dann musste jeder, ob er wollte oder nicht, ein oder zwei Worte mit ihm wechseln. Zwei andere Freunde hatte er auf diese Art kennen gelernt, auch dieses ruhige Mädchen, die nicht nur ihn, sondern auch jeden anderen Mitschüler ignorierte. Sie war eine von den wenigen, die kaum Antworten gab, jedenfalls selten verbal. Eines war bei ihr aber anders, denn sie war nicht ängstlich oder angewidert, sondern einfach geistesabwesend. Sie schwebte in fernen Sphären, auf die er sie gern begleiten würde, doch die Kommunikation versagte. Seltsam war, dass ausgerechnet dieser Umstand sie so interessant für ihn machte.
„Filius? Erde an …“
„Was ist?“
„Du warst eben so weit weg. Ich halte es daher für notwendig, meine Frage zu wiederholen: Gibt es ein Mädchen, das du magst?“ Erasmus grinste. Dass diese Antwort mit einem großen Ja beantwortet werden würde, war für ihn kein Geheimnis. Die Frage müsste also lauten: „Wer ist sie?“
„Britany.“ Allein dieser Name raubte ihm den Atem. Filius bekam keine einzige Silbe mehr heraus, so sehr mochte er es, sie zu grüßen, ohne eine Antwort zu erhalten, höchstens ein sanftes Lächeln – ein Gruß aus anderen Sphären.
„Britany?“, wiederholte Erasmus verdutzt. „Wer ist Britany?“ Er kannte viele Mädchen, aber keine Britany.
„Mit ihr habe ich beim letzten Gemeinschaftsprojekt in Zaubertränken zusammen gearbeitet. Das müsstest du doch mal mitbekommen haben. Es ging immerhin über vier Wochen!“
Erasmus stutzte. „War das nicht ein Junge?“ Nur schemenhaft bildete sich ein Gesicht zu dem Namen. „Zeig sie mir auf dem Schulhof.“
„Jetzt?“
„Es ist Pause, wann denn sonst?“
So wanderten die beiden über die Gänge und fanden Britany an einem Ort, von dem Filius sagte, hier würde sie oftmals die Pause mit einem Buch in der Hand verbringen. Erasmus hatte sie schon einmal gesehen. Sie war, um es in weniger poetische Worte zu fassen, eine graue Maus. Altmodisch gekleidet, bis oben hin zugeknöpf, dazu bebrillt und ein wenig mopsig – nicht viel, nur ein bisschen.
„Wieso die?“
„Sie lächelt immer so nett“, erwiderte Filius mit einer eigenen Darstellung des eben benannten Ausdrucks der Freude.
„Man, dich hat es wirklich erwischt, nicht wahr? Britany also …“ Erasmus nickte nachdenklich. „Warum sprichst du sie nicht an?“
„Das tu ich! Jeden Tag“, beteuerte Filius. „Eines Tages wird sie mich sehen. Dabei fällt mir ein: Warum wolltest du, dass ich sie dir zeige?“
Erasmus schlug auf die Stelle in seinem Umhang, in der die riesige Rakete auf ihren Einsatz wartete. „Das Ding hier ist die beste Methode, um sie auf dich aufmerksam zu machen. Sag ihr einfach, es ist für sie und starte die Rakete. Das wäre die romantische Methode, weil sie dieses noch nie da gewesene Spektakel mit dem Wissen betrachtet, dass es ihr gehört.“
Filius wusste gar nicht, wie ihm geschah, aber er fühlte, dass er plötzlich eine Rakete in den kurzen Armen hielt. „Was ist da drin?“
„Das da“, Erasmus deutete auf die Rakete, „ist ein Meisterwerk der Pyrotechnik. Keine Angst, ich hab es getestet und ich sage dir, das ist die absolute Wucht! Jeder wird begeistert sein, aber vor allem wird es Miss Bücherwurm auf dich aufmerksam machen.“ Erasmus schaute sich um. „Die weniger romantische Methode wäre, dieses Feuerwerk kurzerhand zu zünden, danach das Lob der Lehrer und Mitschüler einzuheimsen und gleich darauf, weil ihre Aufmerksamkeit noch nicht verflogen ist“, Erasmus zeigte auf ihn, „da wirst du sie ansprechen und mit ihr über das Feuerwerk reden. Alles andere kommt schon von ganz allein.“
„Das sind doch etwa keine rosa Herzchen drin, oder so etwas?“
„Bist du wahnsinnig? Das ist eine Mischung sämtlichen Formen. Das ganze Repertoire: Sterne, Funken, Blitze, Kugeln …“ Erasmus kratzte sich am Kinn. „Ja, die Leuchtkugel für Valentinstag habe ich auch drin, ganz am Ende. Ein riesiges Herz, aber das wird nicht weiter auffallen. Es ist nur eines dieses vielen, atemberaubenden Momente.“
Filius überlegte nicht lange. Er ging in die Mitte des Rasens und zündete die Rakete. Dank des Kombinationszaubers von Hoch- und Bodenfeuerwerk blieb dieses Exemplar einen Meter über dem Boden schweben. Das gezündete Feuerwerk war tagtauglich und barg keinerlei Gefahr in sich. Wie Erasmus es versprochen hatte, zog diese Augenweide Schüler wie Lehrer an. Manche sagten, das wäre so toll wie Silvester und andere wiederrum zeigten auf die schönen Bilder von Katzen und fliegenden Besen, die sich in den Himmel zeichneten. Der Applaus gehörte Filius, so jedenfalls machte Erasmus es der versammelten Mannschaft klar, denn der zeigte unverblümt auf seinen Freund. Der kleine Mitschüler wurde von allen Seiten für seine Vielfältigkeit gelobt. Keiner der Lehrer dachte auch nur im Geringesten an Strafpunkte. Die Menge löste sich langsam wieder auf und setzte sich ins Gras, um Hausaufgaben zu machen oder mit einem Freund über das bevorstehende Valentinsfest zu sprechen. Manche zeigten noch die Geste Daumen hoch. Ganz unerwartet kniete Britany neben Filius. Ihr Blick spiegelte noch immer Verzückung über die Feuerpracht wider.
„Das war von dir?“, fragte sie mit leiser Stimme und Begeisterung in den Augen. Sie spielte dabei verlegen mit ihrem Buch.
Filius nickte. „Hat es dir gefallen?“
Laut des Lächelns, das er so an ihr mochte, war die Antwort klar, aber sie sagte es trotzdem: „Sehr sogar.“ Sie rückte ihre Brille gerade und schaute schüchtern zu Boden.
„Das ist …“ Filius war unerfahren. Was sagte man in solchen Situationen? „Es war für dich.“
„Für mich?“ Sie schien tatsächlich eine Antwort zu erwarten. Seine Worte hatte sie etwas später als Kompliment erkannt. „Oh, vielen Dank!“ Wieder dieses Lächeln. „Das war nett von dir.“ Ihre Wangen röteten sich. „Warum für mich?“
„Weißt du, ich mag es, wenn wir in Zaubertränken zusammen arbeiten. Wir beide bekommen immer Bestnoten“, lobte Filius aufrichtig. War der heutige Sommertag vorhin auch schon so warm gewesen?
„Zaubertränke ist mein Lieblingsfach.“ Mit einem Finger klopfte sie auf den Deckel des Buches, das in ihrem Schoß lag. „Ich mag es übrigens auch, mit dir zusammen zu brauen.“
Erasmus stand hinter den beiden. Mit einem Kopfschütteln lauschte er den zaghaften Annäherungsversuchen der beiden schüchternen Menschen. Zumindest redeten sie endlich miteinander und, wie Erasmus es hören konnte, nicht mehr nur über Zaubertränke und –künste. Am Ende sprachen sie über den Valentinstag. Beide gaben zu, dass sie erst seit wenigen Minuten eine einzige Person kennen würden, der sie eine Karte schenken möchten.
Diese Offenbarung ließ Filius all die schlimmen Zaubersprüche vergessen, mit denen er ein Mädchen dazu hätte bringen können, ihn zu mögen. Das hier war viel besser – es war echt! Endlich war er zu Britany durchgedrungen. Hinter der vermeintlich unantastbaren Glasgugel aus Lese- und Lernlust steckte ein schüchternes Mädchen, das ihn mochte. Trotz ihrer Unerfahrenheit in puncto Jungen gab sie ihm, wenn auch ein wenig unbeholfen, eindeutige Signale, die ihm wiederum Mut machten. Filius war charmant und höflich erzogen worden und er wusste, wie man sich einer Dame gegenüber zu benehmen hatte.
Erasmus seufzte. Bis zum ersten Kuss würde es noch lange dauern, wenn Filius und Britany in diesem Tempo weitermachten. Andererseits war das vollkommen in Ordnung. Die Sache war ja auch nicht ganz unkompliziert, wenn man zum Beispiel an das gesellschaftliche Highlight auf Bällen dachte. Das Tanzen stellte ein Problem dar. Ein Problem, dass beide sicherlich lösen würden, sollte es eines Tages dazu kommen. Die beiden hatten sich gefunden, das war auf jeden Fall klar. Erasmus hörte, wie sie sich bereits zum nächsten Hogsmeade Wochenende verabredeten. Das war ein großer Schritt für den kleinen Freund. Der Funke war bei Filius und Britany längst übergesprungen. Sollte das anschließende Feuerwerk sich zu lange Zeit lassen, könnte Erasmus sicherlich mit seinem reinen Valentinskracher ein wenig nachhelfen.