So, ich mag hier mal eine meiner ersten Harry Potter FFs veröffentlichen - ich schreibe zwar schon länger, doch von Harry Potter ist es wohl mein erstes Werk
Hoffe trotzdem, dass es euch gefällt...in den Hauptrollen findet ihr Nymphadora Tonks, Bellatrix Lestrange und ein wenig Narzissa Malfoy...und es handelt sich um SPOILER ZUM SIEBTEN BAND!
Viel Spaß
lg
Bella
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*~*~*~*~*~*~*~*
All meine Erinnerungen sind mit dir gegangen,
bis zu dem Tage, an dem wir wieder vereint sind.
Auf diesen Tag warte ich, sowie du darauf wartest, dass ich wieder be dir bin.
*~*~*~*~*~*~*~*
„Du musst von hier verschwinden! Lauf schon!“ Remus Lupin kämpfte sich auf die Beine, versuchte, aufrecht stehen zu bleiben und sah sie mit einem glasigen Blick an.
Doch Nymphadora Tonks rührte sich nicht. Sie konnte sich nicht rühren. War wie versteinert.
„Nun geh schon!“, schrie Lupin ihr ein weiteres Mal entgegen. „Ich komme hier klar. Geh, verdammt noch mal!“
Worte formten sich in ihrem Munde, sie sprach sie aus, ohne es wirklich wahrzunehmen. „Und was ist mit dir? Was ist mit dir? Ich kann…ich kann dich nicht hier…“
„Du musst!“, entgegnete Remus ihr, bevor sie sah, wie ein erneuter Fluch ihn traf und er wieder zu Boden ging. Er sog die Luft schwer ein, während sie die ihre wieder ausließ und versuchte, einen Aufschrei zu unterdrücken. Der Todesser stand direkt hinter ihm, hatte seinen Zauberstab direkt auf ihn gerichtet.
Nymphadora konnte sein Gesicht nicht erkennen – es spielte auch keine Rolle. Ihr Instinkt sagte ihr, sie solle auf Remus’ Worte hören und gehen. Aber ihr Verstand – ihr Herz, sagte, dass sie ihn nicht alleine lassen konnte.
Der Todesser setzte zu einem erneuten Angriff an, nur aus den Augenwinkeln konnte Nymphadora einen roten Haarschopf erkennen, der einen Fluch in seine Richtung abfeuerte.
Er sank zu Boden – und so etwas wie Erleichterung machte sich in Nymphadora breit. Sie ging ein paar Schritte auf Lupin zu, schluckte die heißen Tränen hinunter, die sie bei dem Anblick, der sich ihr bot, ansammelten.
„Ich will dich nicht verlieren.“, weinte sie, während sie neben ihm auf den kalten Boden fiel, den einzelnen Flüchen, die auf sie zuschossen nur knapp entkommend.
„Geh schon!“, presste er nun zwischen seinen Zähnen hervor und sie konnte erkennen, wie schwer ihm das Sprechen fiel. Ein Schwall Blut sickerte mit seinen Worten aus seinem Mund und unterdrückte Übelkeit stieg in ihr auf. Dennoch – alles weigerte sich, seiner Bitte nachzugehen.
Sie legte ihm behutsam eine Hand auf die Brust, sog die Wärme von ihm auf.
„Du darfst nicht sterben, Remus. Bitte, versprich es mir, du darfst nicht sterben.“
„Es tut mir Leid, Nymphadora.“, sagte er und sie sah ihn mit geschockten Augen an. Nicht, weil er ihren Vornamen gebrauchte, Gott, dass war ihr gerade bei weitem egal. Sie war schockiert, dass er ihre Frage nicht verneinte. Dass er ihrer Bitte nicht nachkommen konnte.
„Remus!“
„Nymphadora…“, flüsterte er, ergriff mit seiner blutverschmierte Hand nach der ihren, die noch immer auf der Brust ruhte. „Du musst dich um Teddy kümmern. Du darfst ihn nicht alleine lassen. Ich bitte dich…wenn schon ich nicht für ihn da sein kann, dann sollst du wenigstens du für ihn sorgen…bitte.“
„Aber er braucht auch einen Vater, Remus.“, schluchzte Nymphadora. „Er braucht einen Vater und ich kann mir keinen besseren vorstellen, als dich. Bitte, Remus, du musst aufstehen. Wir müssen uns verstecken.“
„Dora…“ Seine Worte waren so leise, dass sie Probleme hatte, ihn zu verstehen. „Dora…ich bin keiner von der Sorte, der flieht, wenn es brenzlig wird. Mal davon abgesehen, dass es ohnehin schon zu spät ist. Zumindest für mich. Aber du…du kannst noch gehen. Gehe, kehre zurück zu deiner Mutter, zu deinem Sohn und sei ihm eine gute Mutter, so wie du einmal von mir verlangt hast, ein guter Vater zu sein.“
„Aber…du lässt ihn im Stich.“, weinte Nymphadora weiter, kniete noch immer mitten im Dreck, auf dem Schlachtfeld, welches die Große Halle von Hogwarts nun darstellte und verließ sich darauf, dass andere für sie die Gefahr abhielten.
„Geh schon, Nymphadora. Geh, ich bitte dich nicht um viel…aber bitte…sorge für Teddy. Sei ihm eine gute Mutter und lass ihn wissen, dass sein Vater ihn auch geliebt hat.“
Nymphadora spürte, wie die Atmung seinerseits immer schwächer wurde.
„Nein…verdammt, nein!“
„Bitte…geh. Wenn…wenn nicht für mich…dann tue…dann tue es für unseren…für unseren Sohn.“
Sie spürte, wie sich seine Muskeln entspannten, seine Augen sich schlossen, der Griff um ihre Hand sich lockerte.
„Nein…Remus…nein…nein…“, jammerte sie, schlug auf seine Brust ein. „Du kannst mich nicht einfach so verlassen…“
Und doch hatte er es getan. In diesem Augenblick.
Ziellos irrte sie durch die Gegend, die Erinnerungen unterdrückend. Ihre Finger schlossen sich zitternd um den Zauberstab in ihrer Hand und jeder Schritt ließ erneute Panik in ihr aufsteigen.
Nymphadora warf einen flüchtigen Blick nach hinten, doch der lange Gang zeigte nur tiefschwarze Dunkelheit. Ansonsten Totenstille.
„Wenn…wenn nicht für mich…dann tue…dann tue es für unseren…für unseren Sohn.“
Es war, als würde sie mit jedem Mal, den sie diesen Satz in ihrem Kopf hörte, mehr von der Stimme, die ihn gesagt hatte, verlieren.
„…für unseren Sohn.“
„Teddy.“, flüsterte sie in die Dunkelheit vor sich, als würde mit Remus auch die Erinnerung an ihren gemeinsamen Sohn verblassen. „Es tut mir so Leid…“
Doch mit einem Mal straffte sie ihre Haltung. Wischte sich mit ihrem Arm über das Gesicht, um die Spuren ihrer Trauer zu vernichten.
Dann holte sie tief Luft, blies sie wieder aus und kam dann zum Stehen.
„Was tue ich hier eigentlich?“, fragte sie sich, leise, noch immer zitternd, aber gleichzeitig auch mit Bestimmtheit.
Sie war nicht schwach. Das war sie nie gewesen. Und das wollte sie auch niemals werden. Dazu hatte sie in ihrem Leben schon zu viele Rückschläge gehabt, um so schnell aufzugeben.
Und Remus? Du stehst nun ganz ohne ihn da.
Die kleine Stimme in ihrem Kopf sprach unverfroren die Dinge aus, die Nymphadora versuchte, zu unterdrücken. Und jedes Mal, wenn sie das tat, dann machte Tonks wieder drei Schritte zurück, anstatt drei nach vorne.
Sie war praktisch hin- und her gerissen zwischen dem, was geschehen war und dem, was nicht geschehen durfte.
Sie wusste, dass zumindest sie die Kraft zum Weiterkämpfen aufbringen musste, wenn sie ihrem Sohn in ferner Zukunft eine bessere Zukunft bieten wollte, als sie sie gehabt hatte.
Aber kannst du das wirklich schaffen, jetzt, wo du alleine bist? Wen hast du denn noch? Alle sterben sie. Remus ist tot. Der Mann, den du geliebt und geschätzt hast. Der Vater deines Kindes. Er ist tot. Wer soll dich beschützen?
Unwirsch schüttelte sie den Kopf und ihre Haare färbten sich rot, genauso schnell, wie ihr Gesicht von Trauer zu Wut wechselte. „Hör auf!“, schrie sie, mehr zu sich selbst als zu der Stimme in ihrem Kopf. „Hör auf, andauernd zu denken, dass du es nicht schaffst. Du wirst es schaffen. Du wirst kämpfen. Und wenn es das letzte ist, was du auf dieser Welt tun wirst.“
Nachdem sie sich wieder unter Kontrolle hatte und dem Echo, welches in dem Gang widerhallte, lauschte, kam sie tatsächlich etwas nur Ruhe.
Ja, sie musste kämpfen. Natürlich musste sie das.
„Weise Worte, die du da sprichst.“
Die Stimme tauchte auf und als ob plötzliche Kälte eingebrochen wäre, blieb Nymphadora kerzengerade stehen, einen Fuß noch halb in der Luft hängend.
„Und ob du es glauben wirst, oder nicht…“, zischte die Stimme in ihrem Rücken weiter, „…es wird tatsächlich das letzte sein, was du tun wirst. Und zwar hier und jetzt.“
Nymphadora wollte sich nicht umdrehen und doch war die Verlockung groß, zu wissen, wer da hinter ihr stand. Natürlich hatte sie einen Verdacht, weswegen sie nicht sonderlich überrascht war, als sie in das grausigste aller ihr bekannten Gesichter blickte – wenn man Voldemort persönlich einmal ausschloss.
„Bellatrix.“, hauchte sie dennoch, als wäre es das Abwegigste gewesen, ihr hier in Hogwarts, dem größten aller Schlachtfelder, zu begegnen.
„Ganz recht. Bellatrix.“ Sie sprach ihren Namen betont scharf aus. „Es freut mich, dich in deinem ganzen Leben doch einmal von…solcher Nähe aus betrachten zu dürfen. Auch wenn…es wohl das letzte Mal sein wird.“
Die beiden Hexen sahen sich gegenseitig in die Augen, Bellatrix’ stierten vor Gier, während die von Nymphadora neben der noch immer vorhandenen Trauer nun auch erneute Panik aufwiesen.
Bellatrix kicherte. „Oh, ich schätze, du weißt, welches Schicksal dir blüht? Nur noch dieser eine Schritt, verstehst du? Dieser eine, winzig keine Schritt und dann wird mich Voldemort lieben und mich verehren.“
Nymphadora verstand nicht. Oder besser gesagt, sie würde verstehen, wenn ihr Kopf nicht ohnehin schon viel zu viel auf einmal verarbeiten musste.
„Weißt du…“, säuselte Bellatrix weiter, die ihren Zauberstab konsequent in Nymphadoras Richtung hielt, „Wenn deine Mutter nur ein bisschen klüger gewesen wäre, dann hätte sie sich vieles ersparen können. Auch den Tod ihres Kindes. Aber sie wollte ja nicht. Sie musste ja unbedingt anders sein und ein „Schlammblut“ heiraten. Ihre Schult.“
Als ob es hier um ein Spielzeug ginge, zuckte Bellatrix mit den Schultern und ihr Zauberstab zuckte, sodass sich Nymphadora in eine Abwehrhaltung stellte, falls im nächsten Moment ein Fluch auf sie zustürmen würde.
Doch es war, als würde Bellatrix jedes Wort genießen, bevor sie tatsächlich kurzen Prozess machen würde.
„Du tust das alles doch nur, um Voldemort zu gefallen.“, presste Nymphadora zwischen ihren Zähnen hervor.
„Falsch!“
Mit ihren Händen vollbrachte Bellatrix eine seltsame Bewegung und eigentlich, hätte Nymphadora nur etwas schneller geschalten, hätte sie ihrem Gegenüber in diesem Moment einen Todesfluch an den Hals hetzen können. Egal welche Konsequenzen es gehabt hätte – aber sie hätte ihren persönlich schlimmsten Feind aus dem Wege.
Doch Bellatrix fing sich schnell wieder von ihrer Euphorie und hatte die Spitze ihres Zauberstabes wieder bedrohlich nahe an ihre verhasste Nichte gehalten.
„Andromeda war schon immer schwer von Begriff.“, kicherte sie. „Hatte schon immer etwas anders getickt als Zissy und ich.“ Sie verrenkte ihren Hals, ließ ihn kurz knacken.
Dann kicherte sie wieder. Kicherte, während sie gleichzeitig eine arrogante und todsichere Haltung bewahrte.
„Du hast doch nichts mehr auf dieser Welt.“, sagte sie dann lachend. „Nichts. Rein gar nichts. Ich habe es gesehen.“, sagte sie lachend. „Gesehen, wie er gestorben ist. Oh Remus, bitte nicht.“ Mit ihren letzten Worten versuchte sie Nymphadoras Wortlaut zu imitieren, kurz bevor Remus in ihren Armen gestorben war. „Ein Halbblut wird immer ein Halbblut lieben.“, sagte sie dann wieder. „Wobei ich mich wirklich, wirklich frage, wie man noch tiefer sinken kann, und einen lumpigen Werwolf heiraten kann. Hätte mich auch wirklich gewundert, wenn dich die Vergangenheit deiner Mutter auch nur irgendetwas gelehrt hätte.“
Die hasserfüllten Worte ihrer Tante lösten in Nymphadora ein Gefühl aus, welches sie zwar entfernt kannte, es aber noch nie mit solch einer Stärke selbst in sich gespürt hatte. Es war, als würde sich jeder einzelne Muskel in ihrem Körper anspannen, als Bellatrix den Namen ihres geliebten Mannes in den Mund genommen hatte und ihre Hände umfassten ihren Zauberstab mit so heftiger Kraft, dass das man die Knöchel durch das Fleisch hindurchschimmern sehen konnte, als ihre Mutter erwähnt wurde.
„Du hast doch keine Ahnung!“, schrie sie Bellatrix dann entgegen und die Angst, womöglich in den nächsten Augenblicken getötet zu werden, war komplett verschwunden. Ihre Haare färbten sich noch roter, als sie es ohnehin schon gewesen waren und hätte man ihr direkt in die Augen gesehen, hätte man meinen können, dass selbst diese für einen Moment in einem feurigen Rot aufblitzten. „Du hattest doch noch nie etwas Derartiges wie Liebe gefühlt. Das einzige, was du kannst, ist das zu tun, was Voldemort von dir verlangt, und das tust du nicht aus Liebe. Nicht aus Überzeugung. Du tust es, weil du besessen nach ihm bist. Nach seiner Macht. Du glaubst, er würde, wenn du das tust, was er von dir will, dich neben dich stellen, den Ruhm mit dir teilen, aber da irrst du dich gewaltig. Sobald ihr seine Arbeit erledigt habt, wirft er euch weg, wie wertloses Material, bringt euch um. Vielleicht mit einem Avada Kedavra oder einem Cruciatus. Aber er wird es tun. Denn nur er alleine will die Macht haben. Er will Herrscher über die Zauberwelt sein. Und dabei darf ihm keiner im Weg stehen.“
„Schweig!“, schrie Bellatrix. „Schweig, oder du stirbst schneller, als du deinen Fluch aus nur aussprechen kannst.“
Nymphadora war sofort still, auch wenn sie noch etliche Worte hätte sagen können. Doch für den Hauch einer Sekunde blitzte vor ihr das Bild ihres Sohnes auf und ihr wurde ein weiteres Mal bewusst, in welch großer Gefahr sie sich befand. Wenn sie Bellatrix nicht töten würde – dann würde diese sie umbringen. Und dann hätte ihr kleines Baby, ihr geliebter Teddy, weder Mutter noch Vater.
Von diesen Gedanken verfolgt, ging sie automatisch zwei Schritte nach hinten, spürte den Widerstand einer steinernen Mauer.
„Kein Ausweg.“, sagte Bellatrix, ihre Stimme klang munter und gleichzeitig so unberechenbar, dass Nymphadora sich auch gleich selbst hätte umbringen können. „Es gibt keinen Ausweg. Du wirst dich mir stellen müssen. Und du wirst sterben müssen. So ist es vorhergesehen. Ich habe dich lange genug am Leben gelassen. Lange genug gewartet. Jetzt ist es Zeit.“
Mit einer blitzartigen Bewegung riss Bellatrix ihren Zauberstab nach oben und Nymphadora hätte schwören können, kein einziges Wort aus ihrem Mund gehört zu haben.
Dennoch schnellte das rote Licht mit einer Geschwindigkeit auf sie zu, dass sie die Lichtkugel für eine Sekunde einfach nur anstarrte.
„STIRB!“, feixte Bellatrix, sie freute sich wie ein kleines Kind. „Siehst du es, Herr? Oh Herr, siehst du es? Ich habe es getan.“, sagte sie lachend.
Nymphadora riss nun ihrerseits ihren Zauberstab in de Höhe und obwohl sie sicher war, es zu spät getan zu haben, schaffte sie es, klar und deutlich die Worte „Expecto Patronum“ zu formen und ein silberner Lichtschwall entfloh ihrem Zauberstab. Gleißend helles Licht durchfuhr die gesamte Gegend und während Nymphadora mit ihrem Patronus versuchte, den Fluch von Bellatrix abzuwehren, konnte sie auch endlich erkennen, dass sie sich in einem größeren Raum befanden, wahrscheinlich die große Eingangshalle von Hogwarts. Sie fragte sich, wo wohl alle anderen waren, ob der Kampf schon vorbei war und nur noch sie sich gegen Bellatrix behaupten musste. Sie hatte die Befürchtung, dass alle anderen schon längst tot waren und die Todesser das Schloss schon eingenommen hatten.
Es war nur das Aufstöhnen von Bellatrix zu hören, die versuchte, mehr und mehr Kraft in ihren Fluch zu stecken, um so den Patronus zu durchbrechen.
„So schnell wirst du mich nicht los!“, entgegnete sie ihrer nach Tod dürstenden Tante. „Ich werde kämpfen, bis es wirklich zu spät für mich ist. Solange werde ich kämpfen.“
„Dann kämpfe!“, schrie Bellatrix und Nymphadora konnte ihrem Gegenüber die Anstrengung deutlich ansehen, als der Fluch noch stärker gegen den ihren drückte.
Sie sog die Luft ein und je mehr sie selbst sich anstrengte, desto mehr wurde ihr die Luft zugeschnürt. Sie drohte, an dem, was sich immer mehr zu ihr vorarbeitete, zu zerbrechen.
Für einen Augenblick wurde sie schwächer und sah die rote Kugel ein bisschen mehr auf sich zukommen. Sie schloss die Augen, um sich zu sammeln, driftete aber immer weiter ab.
Nur noch mechanisch hielt sie dem Fluch ihrer Tante stand und sank in eine Art Erinnerungsfluss, der so überwältigend war, dass sich Nymphadora sicher war, die Augen nie wieder öffnen zu können.
„Es gibt Dinge, die kannst du jetzt noch nicht verstehen, Dora. Dinge, die ich selbst nicht verstehe.“ Andromeda Tonks hatte sich auf das Bett ihrer Tochter gesetzt, ihr eine Hand auf den bebenden Rücken gelegt, während Nymphadora selbst mit verschränkten Armen und ihrem Kopf darin vergraben dalag und still vor sich hinweinte.
„Du hättest auf mich hören sollen, als ich dir sagte, es ist falsch, auch nur irgendetwas zu unternehmen. Auch du kannst deine Großeltern, deine Tanten, deine gesamte Verwandtschaft nicht belehren. Ich hätte wissen müssen, das du nicht auf mich hörst, das hast du noch nie.“, sprach Andromeda weiter.
„Sie hassen mich!“, schrie Nymphadora in diesem Moment auf und Andromeda zuckte mit ihrer Hand zurück. „Sie hassen mich. Warum hassen sie mich?“ Sie hob ihren Kopf, sah ihre Mutter mit tränennassen Augen an. Ihr Haar, vollkommen zerzaust und grob abgestutzt, schimmerte rot.
„Weil wir nicht nach ihren Regeln leben, Schatz. Weil wir versuchen, es besser zu machen. Anders.“
„Was ist falsch an der Art, wie Tante Zissy und Tante Bella es machen?“, fragte Nymphadora. „Ich habe es 11 Jahre lang hinnehmen müssen. Elf Jahre. Ich will wissen, was mich erwartet, wenn ich überhaupt auch nur daran denke, auf diese dämliche Schule zu gehen.“
„Dora, bitte verstehe doch. Es ist noch zu früh, um es dir zu sagen. Viel zu früh.“
„Nein. Du hast nur Angst, dass ich versuchen könnte, etwas dagegen zu unternehmen. Verstehst du nicht, Mum? Ich muss wissen, was mich erwartet, wenn ich in Hogwarts bin. Ich will auch Freunde haben und nicht wegen Dingen, von denen ich nichts weiß, verurteilt werden.“
Andromeda Tonks seufzte, fuhr sch mit einer Hand über das Haar. „Liebling…“
„Dromeda, Dora hat Recht. Sie ist alt genug, um zu wissen, warum du aus der Familie verstoßen wurdest. Sie hat ein Recht darauf, es zu erfahren.“
Ted Tonks stand in der Tür, eine ernste Miene aufgesetzt, die keinen Widerspruch duldete. Er ging auf die beiden zu und setzte sich auf de andere Seite des Bettes, während er seine Hand auf die von Andromeda legte, die noch immer auf Nymphadoras Rücken lag.
Nymphadora schniefte, dann sah sie ihren Vater mit wässrigen Augen an und richtete sich auf.
„Deine Mutter wurde von ihrer Familie verlassen, weil sie mich geheiratet hat. Einen Muggelstämmigen. So etwas ist wie Hochverrat an der eigenen Familie, verstehst du? Die Blacks sind allesamt reinblütig und die, die es nicht sind oder diese Tradition nicht weiterführen, werden verstoßen. Es ist eine Ungerechtigkeit, aber es ist so.“
Ted sprach die Worte mit Vorsicht, sein Blick wechselte zwischen seiner Frau und seiner Tochter hin und her.
Nymphadora wischte sich mit ihrem Handrücken über die Augen und schluckte den Kloß, der ihr im Hals steckte, hinunter.
„Aber du kannst auch zaubern, Daddy.“, sagte sie dann mit unschuldiger Kinderstimme. „Du bist doch auch ein Zauberer.“
Ted nickte. „Aber meine Familie nicht.“, antwortete er. „Deine Großeltern, meine Eltern, haben bis zu meinem elften Lebensjahr nicht einmal gewusst, dass ich ein Zauberer bin. Deine Mutter wollte, dass du davon nichts erfährst, bevor du nicht selbst in der Schule von den Unterschieden der Reinblüter, Halbblüter und Muggelstämmigen unterrichtet worden bist.“
„Aber das ist doch unfair. Man kann doch seine Familie nicht wegen so etwas bestrafen.“, sagte Nymphadora nun mit Nachdruck und auch die letzte Träne war endlich versiegt.
„Ich weiß, mein Schatz. Aber unter den reinblütigen Zauberfamilien wird das so gehandhabt. Deswegen stehen auch deine Tanten dir so gegenüber. Weil du die Tochter einer Verstoßenen und eines Muggelstämmigen bist.“
„Es ist unfair.“, flüsterte jetzt wieder Andromeda in das Ohr ihrer Tochter. „Aber wenn schon nicht der Rest der Familie zu uns hält, dann müssen wir wenigstens selbst immer für einander da sein. Wir werden dir nicht vorschreiben, was du tun willst in deinem Leben. Wir werden nie in unsere alte Familie zurückkehren, mein Kind. Aber sei versichert, dass es so auch um einiges leichter sein könnte.“
„Aber ich will keine Verstoßene sein, Mum. Ich will so wie alle anderen sein.“
„Das wirst du. Das kannst du, Liebling. Irgendwann, irgendwann wird es keinen Unterschied mehr machen. Es gibt Leute, die dafür sorgen. Ich verspreche es dir.“
Andromeda hauchte ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn, dann strich sie ihr eine Strähne ihres Haares, die länger als der Rest der Raspelfrisur war, nach hinten. „Und jetzt solltest du schlafen. Morgen beginnt dein erster Tag in Hogwarts.“
Nymphadora nickte und nachdem auch ihr Vater ihr einen Kuss auf die Stirn gegeben hatte, wurde das Licht gelöscht.
Nymphadora blinzelte mehrere Male mit den Augen, als sie aus dieser Erinnerung wieder auftauchte, als wäre sie kurz vorm Ertrinken gewesen. Sie schnappte kurz nach Luft und konnte gerade noch verhindern, dass der rote Magieball ihrer Tante erneut ein gefährliches Stück näher an sie herankam. Ihr Patronus schaffte es, ihn zurück zu zwingen und heftig schnaufend versuchte sie, mehr Kraft aufzubringen, um Bellatrix vielleicht mit ihrem eigenen Fluch niederzustrecken.
„Woran denkst du, Nymphadora?“, fragte ihre Gegnerin eiskalt, während auch sie versuchte, an Stärke zu gewinnen.
Nymphadora biss die Zähne zusammen. „Das geht dich einen feuchten Dreck an!“, fauchte sie dann und es kostete sie eine Menge Kraft, um einen Schritt nach vorne zu machen, um ihren Patronus mehr in Bellatrix’ Richtung zu drängen.
„Warte…sag es nicht…ich weiß es.“, kicherte diese in diesem Augenblick. „Du versuchst, an etwas Schönes zu denken, nicht wahr? Um mehr Kraft schöpfen zu können. Ich frage mich, ob es in deinem Leben glückliche Momente gab…oder ob du jetzt die Kraft hast, an diese schönen Momente zu denken, wo du deinen dreckigen Werwolf erst vor kurzer Zeit verloren hast.“
„Hör auf, so über ihn zu reden!“, rief Nymphadora. „Du hast doch keine Ahnung. Von der Liebe. Du weißt nichts darüber. Besessenheit ist dein Spezialgebiet.“
„Ja, oh ja. Ja, ja, ja.“, höhnte Bellatrix. „Genau das ist es. Ich bin besessen davon, dich endlich umzubringen. Und erst, wenn ich das geschafft habe, dann werde ich…“
„Was wirst du? An Stärke gewinnen? Voldemort beeindrucken?“ Schweißtropfen bildeten sich auf Nymphadoras Stirn und sie hatte den Drang, sich diese wegzuwischen. Doch auch nur en Moment der Unachtsamkeit würde genügen, um Bellatrix eine Chance zu geben, sie endgültig zu besiegen.
„Tonks! Komm endlich und trödle nicht vor dich hin!“, rief Mad-Eye Moody ihr zu, nachdem er von seinem Besen abgestiegen war und darauf wartete, dass auch seine Begleiterin endlich auf dem Boden ankommen würde.
„Jaah, ist ja gut.“, grummelte Nymphadora, landete, wenn auch etwas unsanft und nicht ohne auf ihrem Hinterteil zu landen, neben dem Ex-Auroren auf der grünen Wiese des Parks, gegenüber vom Grimauldplatz Nummer 12.
„Nicht ein Tag geht vorüber, an dem du es nicht schaffst, irgendwie aufzufallen.“, stellte Moody fest, während er seinen Besen in die Hand nahm und dann zielstrebig das Tor öffnete, um auf die andere Straßenseite zu wechseln, dort wo das Haus, verborgen durch einen Fluch, der es einfach verschwinden hatte lassen, stand. Er klopfte mit seinem Gehstock ein paar Male in einem merkwürdigen Abstand auf den Boden, dann wartete er mit zuckender Augenbraue, was geschah. Sein magisches Auge beobachtete seine Begleitung noch immer.
Nymphadora kam neben ihm zum Stehen und sah sprachlos zu dem langsam auftauchenden Haus zwischen Hausnummer 11 und 13 hinauf.
„Abgefahren.“, entfuhr es ihr.
Als sich die beiden anderen Häuser so weit zur Seite geschoben hatten, dass man die Eingangstür sehen konnte, ging Moody auf die Tür zu, öffnete sie und hielt sie Nymphadora dann auf. „Nach dir.“, sagte er mit einem unwirsch klingenden Ton und schloss hinter sich die Tür wieder.
Es war das erste Mal für die junge Aurorin, dass sie bei einem Treffen des Phönix-Ordens dabei sein würde. Ihre Aufnahme in diesen Widerstand war noch nicht einmal bekannt – Moody hatte sie zu dem Treffen mitgebracht, um sie den anderen vorzustellen.
So leise wie möglich folgte sie dem einbeinigen Zauberer, kam aber nicht drum herum, doch eine etwas älter aussehende Vase umzuwerfen. Sehr zum Ärger von Moody – und auch dem Porträt von Walpurga Black, der Mutter von Sirius, die sofort anfing, lauthals durch das Haus zu schreien.
„Elende Verräter, Schlammblüter, von unreinem Blut!“, krächzte sie und Nymphadora zuckte zutiefst erschreckt zusammen, stieß sich ihren Kopf an einer ziemlich tief hängenden Lampe an und ließ einen spitzen Schrei aus. „Verdammt!“
Moody fuhr wütend zu ihr um. „Nymphadora, jetzt versuch doch wenigstens einmal, nicht irgendwas zu Bruch gehen zu lassen!“
Wie vom Blitz getroffen fuhr sie herum, sah ihn mit einem wütenden Blick an, als hätte sie jemand zutiefst beleidigt. Auf einen Schlag wurde ihr punkiger lila-farbener Haarschopf feuerrot.
„Nenn mich nie, niemals Nymphadora!“, fuhr sie ihn mit einer so tiefen und dunklen Stimme an, dass sie selbst über diesen Tonfall erstaunt war, als sie wieder zur Besinnung kam und ihren Kopf kurz schüttelte, damit dieser wieder seine ursprüngliche Haarfarbe annahm.
„Wie auch immer.“, grummelte Moody, wandte seinen Blick wieder nach vorne, bevor er die Tür öffnete, die sich vor ihm befand. Laute Stimmen drangen aus ihr hinaus und Nymphadora fragte sich, wie in einem so kleinen Raum – und sie ging davon aus, dass er klein war – so viele Menschen reinpassten.
Moody zwängte sich durch die Tür und winkte sie nun heran, ebenfalls einzutreten. Und schon stand sie mitten im Gewirr, zwischen Zauberern und Hexen.
„Mad-Eye! Ich dachte schon, du kommst heute überhaupt nicht mehr!“
Sirius Black kam auf ihn zu.
„Tut mir Leid, tut mir Leid. Aber deine Großcousine ist noch tollpatischer, als ich es vorerst angenommen hätte.“, raunte er und machte einen Schlenker mit seiner Hand.
Sirius sah von ihm zu Nymphadora, musterte sie kurz und sah dann wieder zu Moody.
„Wie auch immer. Es fehlen nur noch Kingsley und Arthur, dann wären wir komplett.“
„Großartig.“, sagte Moody, dann wandte er sich wieder Nymphadora zu.
„Ich denke, dich vorzustellen schaffst du auch ohne meine Hilfe? Dann werde ich mich mal zu den anderen gesellen und einen Whiskey trinken.“ Er verabschiedete sich von Sirius und überließ ihm seine entfernte Verwandte.
„Andromedas Tochter also?“, fragte er. „Nymphadora, soweit ich mich erinnere?“
Erneut stieg eine geballte Ladung Wut in ihr auf, fing sich aber noch rechtzeitig. „Tonks reicht vollkommen aus. Ich mag meinen Vornamen nicht sonderlich.“
Sirius’ Augen wurden zu Schlitzen, dann grinste er. „Ja, durchaus verständlich.“ Er nickte ihr mit seinem Kopf zu, deutete ihr an, ihm zu folgen. Gemeinsam gingen sie zu dem langen Tisch, so lang, dass locker 20 Personen Platz daran fanden.
Nymphadora sah, wie er einem anderen Mann seine Hand auf die Schulter legte.
„Remus, das ist Nymphadora Tonks.“ Er sah kurz zu ihr, dann korrigierte er sich. „Tonks.“
Der Mann, der gerade angesprochen wurde, hob seinen Kopf und wandte ihn zu Nymphadora um. Ihre Blicke trafen sich für einen kurzen Augenblick. „Remus Lupin. Freut mich, neue Gesichter für den Widerstand kennen zu lernen.“
Und ehe auch noch ein weiteres Wort gesprochen werden konnte, sauste Molly Weasley auf die beiden zu.
„Oh, welch Überraschung. Moody hat erzählt, dass er eine junge Dame mitbringt. Ich bin wirklich begeistert. Sie müssen sicherlich hungrig sein, nicht wahr? Setzen Sie sich hin, ich bringe Ihnen eine Schüssel Suppe.“
Molly drückte Nymphadora auf einen freien Stuhl, zu weit entfernt von Lupin, um dass sie weiter mit ihm reden konnte. Und nach und nach füllte sich der Rest des Raumes – die Besprechung konnte beginnen.
„Wie du vorhin so schön gesagt hast, es geht dich nichts an.“, sagte Bellatrix in diesem Moment lachend und kam ebenfalls einen Schritt näher. „Nicht mehr lange, mein Herr, nicht mehr lange und ich habe meine Pflicht getan.“, schrie sie gen Himmel und Nymphadora konnte förmlich spüren, wie der Fluch ihrer Tante stärker und stärker wurde. Lange konnte sie dem nicht mehr standhalten.
Keuchend versuchte sie, an einen der glücklicheren Momente in ihrem Leben zu denken.
Doch immer wieder kamen ihr vereinzelt die Bilder von Remus’ Tod vor Augen und jedes Mal drohte ihre Kraft, sich zu wehren, schwächer zu werden.
Fast ungewollt schweifte sie vollkommen ab und zwang sich in die Knie, als sie nicht mehr aufrecht stehen konnte. Zu viel Energie kostete sie der nun schon ziemlich lang anhaltende Kampf mit ihrer Tante.
„Du gibst nach.“, sagte Bellatrix feixend. „Warum tust du dir das noch an? Es könnte so einfach sein. Lass dich einfach nur fallen und schon bald kannst du wieder bei deinem elenden Pack sein.“
„Nein!“, keuchte Nymphadora. „Niemals. Ich werde nicht aufgeben!“
Und doch überkam sie die nächste Erinnerung wie ein plötzlicher Platzregen.
„Es tut mir Leid, aber ich kann das nicht. Ich kann ihr das nicht antun. Nicht unter diesen Bedingungen!“
„Du bist ein Dummkopf!“, schallte die Stimme von Andromeda Tonks, während Remus weiterhin seine Sachen in einen Koffer stopfte.
Nymphadora, ihr Ohr fest gegen die einen Spaltbreit geöffnete Tür gedrückt, schluckte.
„Selbst wenn, du verstehst die Lage nicht. Tonks hat es schon schwer genug, auch ohne dass sie mich an ihrer Seite hat. Ich will verflucht sein, wenn ich ihr noch mehr Leid zufüge, als sie ohnehin schon aushalten muss.“
„Und was ist mit de Leid, welches du ihr zufügst, wen du jetzt einfach verschwindest?“, donnerte nun Ted Tonks mit kräftiger Stimme. „Sie hat genaue Vorstellungen von ihrem Leben. Das einzige, was sie sich immer bewahrt hat. Wenn es nicht so wäre, dann hätte sie sich nicht in dich verliebt.“
„Selbst wenn, sie würde es verkraften. Sie wird irgendwann einen anderen finden, einer, der besser in ihre Familie passt. Einer, für den sie sich nicht schämen muss. Ich sehe es euch doch selbst an, ihr seid selbst nicht einverstanden, dass ich mit eurer Tochter zusammen bin.“
„Wir werden uns daran gewöhnen. Wir wollen das nur das Beste für Nymphadora. Noch nie wollten wir etwas anderes. Und wenn sie denkt, dass sie mit dir glücklich ist, dann wollen wir ihr keineswegs im Wege stehen. Ich weiß doch, worum es hier geht.“, sprach Andromeda nun wieder in gemäßigter Lautstärke, allerdings noch immer bestimmt.
„Ihr könnt mich nicht aufhalten. Ich habe meine Entscheidung getroffen.“
„Sie würde diesen Rückschlag nicht verkraften, Remus. Verstehst du es nicht. Schlimmer als alles andere ist es für einen Metamophmagus, wenn er Herzschmerz verspürt. Ich werde nicht mit ansehen, wie sie wegen deiner plötzlichen Einstellung eurer Beziehung gegenüber immer mehr zusammenbricht.“
„Es tut mir Leid. Es tut mir verdammt noch mal Leid!“ Jetzt war es Remus, der mit voller Kraft schrie.
Nymphadora konnte seine Worte noch einige Male widerhallen hören, bis sie verstummten und ohne es zu merken, klammerten sich ihre Hände ein bisschen mehr an den Rand der Tür.
„Bitte, Remus. Bitte, überlege es dir noch einmal. Noch nie in unserem ganzen Leben war sie so glücklich, wie sie es an deiner Seite war. Und natürlich, wir waren nie begeistert von dieser Sache und werden es wahrscheinlich auch nie ganz verstehen…aber dennoch…sie ist glücklich. Nymphadora ist glücklich und dass das erste Mal, seitdem sie von der Tatsache erfahren hat, dass wir wegen eines Fehlers meiner Seite aus verstoßen wurden. Ich bitte dich, mache sie nicht wieder unglücklich.“ Andromedas Stimme klang flehend, fast weinerlich.
Doch Remus blieb bei seiner Meinung.
Er schloss den letzten Koffer und stellte ihn neben den anderen.
Nach getaner Arbeit wischte er sich seine schweißigen Hände an der Hose ab und versuchte, das Zittern zu unterdrücken, was ihn für einen Moment überkam. Nymphadora konnte durch den Türspalt hindurch erkennen, dass er einen Schritt auf ihre Mutter zumachte.
„Bitte nicht.“, flüsterte sie, als würde es ein entscheidender Punkt sein, um Remus halten zu können. Stumme Tränen bahnten sich einen Weg über ihre Wangen. Sie drückte sich an die Wand und wäre an ihr heruntergerutscht, wenn in diesem Moment die Tür nicht lautstark zur Seite gesprungen und nur ein paar Millimeter neben ihr aufprallte. Ungewollt erschrak sie sich, kreischte und verlor dadurch das Gleichgewicht. Auf dem Boden liegend und mit einem verschwommenen Blick konnte sie Remus erkennen, der sie mit seinen dunklen Augen ansah.
„Du darfst nicht gehen.“, flüsterte Nymphadora. „Ich bitte dich. Du darfst nicht…ich liebe dich doch. Es ist mir egal, mir ist alles egal.“
Auch Remus schluckte schwer, es fiel ihm genauso schwer, das Haus zu verlassen, wie es ihr schwer fiel, ihn gehen zu lassen.
Er ging einen Schritt auf sie zu, während sie sich mühsam und um Beherrschung ringend versuchte, aufzurichten, ging vor ihr in die Knie und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Und du weißt genauso, dass ich dich auch liebe. Gerade deswegen will ich vermeiden, dass dir etwas geschieht, verstehst du?“
„Nein!“, schrie Nymphadora. „Nein, ich verstehe nicht. Und um ehrlich zu sein, bin ich es Leid, andauernd irgendwelche Dinge verstehen zu müssen.“ Immer mehr Tränen bahnten sich ihren Weg und sie schluchzte unkontrolliert auf. „Und ob ich nun mit dir zusammen bin, oder nicht…es könnte jeden Moment was passieren.“
„Dennoch…so muss ich mir wenigstens keine Sorgen machen, dass ich Schuld daran bin.“, entgegnete Remus und versuchte Nymphadora zu beruhigen.
Er stemmte seine Arme in die Knie, dann stand er auf. „Irgendwann wirst du es verstehen, Nymphadora.“, sagte er, ihren Vornamen gebrauchend. Dann nahm er seine beiden Koffer und marschierte nach draußen. Die vielen Tränen, das viele Leid und die tröstenden Worte ihrer Mutter, die sich neben sie auf den Boden geworfen hatte und sie nun fest in den Armen hielt, nahm sie schon gar nicht mehr wahr.
„Nein…“, flüsterte Nymphadora, während sie ihren Erinnerungen zu entfliehen versuchte. „Nein, bitte nicht…“
Bellatrix nutzte den Moment der Seelenkrise für einen weiteren Angriff und drückte einmal mehr ihren Fluch gegen den von Nymphadora. Freudig umspielte ein höhnisches Grinsen ihre Lippen, als sie merkte, wie die weiße Aura, die sich vor ihrer Gegnerin aufgebaut hatte, immer mehr zu schwinden schien.
„Gleich habe ich es geschafft, Herr. Gleich ist es vollbracht.“, schrie sie mit gellender Stimme, dann feixte sie wieder.
Nymphadora wurde durch das Gewicht des gegnerischen Fluches erneut an die Wand gedrängt und jeder Versuch, sich wieder von ihr zu trennen, schlug fehl. Langsam zwang sich ihr Körper nach unten, ihre Knie gaben nach und sie spürte, wie sie selbst immer schwächer wurde und ihr Patronus bald nicht mehr die gewünschte Kraft aufbringen würde.
„Du wirst schwächer.“, stellte Bellatrix fest. „Bald wird mein Fluch dich treffen und dich zu Boden zwingen. Du wirst dich winden vor Schmerz, bis du endlich gestorben bist.“
„Nein…“, keuchte Nymphadora auf. „Nein…das…werde ich nicht…zulassen. Niemals!“
Sie grub in ihren Erinnerungen. Versuchte eine zu finden, die stark genug war, um wieder an Macht zu gewinnen. Ständig stiegen ihr die Gedanken an Remus in den Kopf. Egal welches Ereignis auch immer es war, was sie damals als freudig empfand – Remus war tot. Und jede Erinnerung schmerzte sie so sehr, dass sie wusste, von ihnen nicht Gebrauch machen zu können, ohne noch schwächer zu werden und schließlich den Kampf zu verlieren.
„Gib auf!“ Bellatrix hatte ihren Arm so weit gestreckt, dass er vor Anspannung zitterte. „Du hast verloren, sehe es endlich ein. Das, woran du geglaubt hast, hast du verloren. All die schönen Erinnerungen, sie sind nicht mehr da.“
„Nein!“, weinte Nymphadora jetzt, versuchte sich zu konzentrieren. Sie wollte sich selbst sagen, dass sie es schaffen könnte. Mehrere Male versuchte sie, wieder aufzustehen, sank allerdings innerhalb von ein paar Sekunden wieder in sich zusammen. Selbst ihr Arm gab langsam aber sicher nach, jede Faser zog sich zusammen und verkrampfte sich.
Verschiedene Bilder blitzten vor ihrem Auge auf. Ihr Sohn Teddy, wie er in ihren Armen lag und lauthals schrie, ihre Mutter, die sie noch immer fest umschlungen hielt, während sie sich an ihrer Schulter ausweinte, ihren Vater, von dessen Tod sie erfahren hatte. Sie sah Remus, in seinem Anzug, kurz nach der Trauung, die sie im Stillen vollzogen hatten.
Zornig schrie sie auf. Ihre Haare färbten sich scharlachrot, auch ihre Augen nahmen wieder eine unnatürliche Farbe an.
Für einen kurzen Moment schien es, als würde Nymphadoras Patronus wieder an Macht gewinnen, doch ihre Wut hielt nicht lange genug an, um diese gegen Bellatrix und den höchstwahrscheinlich tödlichen Fluch ihrerseits zu benutzen. Schon ein paar Minuten später drohte die rote Energiekugel ihren immer spärlicher werdenden Patronus in sich aufzusaugen.
„Siehst du es nicht selbst langsam ein?“, fragte Bellatrix, der man zwar auch deutliche Anstrengung ansehen konnte, sie war aber bei langem noch nicht so ausgelaugt wie Nymphadora. „Ich bin hier eindeutig die Stärkere. Ich bin von reinem Blut. Wir haben die Macht.“, sagte sie lachend.
Noch ein Stückchen weiter trieb Bellatrix ihren Fluch in Richtung Nymphadora, ihre ungehaltene und selbstsicher wirkende Art schien ihr ungeahnte Kräfte zu vermitteln.
Schwer atmend und unkontrolliert schluchzend betete Nymphadora, noch ein bisschen Kraft aufzubringen. Sie war sich sicher, dass sie so oder so sterben würde. Jetzt wurde es ihr bewusst.
Es war nicht der herannahende Fluch, der sie um diese Entscheidung brachte, sondern die Tatsache, keine glückliche Erinnerung mehr zu haben, die sie in sich bewahren konnte. Was würde das Leben noch bringen, wenn sie ständig an den Tod, die Verzweiflung und das Leid erinnert werden musste.
Und obschon ihr bewusst war, dass sie ein kleines Baby und eine wahrscheinlich zutiefst erschütterte Mutter alleine zurücklassen würde, so machte es ihr Mut, zu wissen, dass wenn sie sich dem Todesurteil nun hingeben würde, sie nicht alleine wäre. Ihr Vater wäre da, ihr geliebter Remus wäre da. Sie könnte mit ihnen zusammen in Erinnerungen schwelgen, wenn es tatsächlich stimmen sollte, was ihre Mutter ihr vor wenigen Monaten erzählt hatte, kurz nachdem sie die Nachricht vom tragischen Tod ihres Vaters ereilt hatte.
„Du musst dir keine Sorgen machen, Dora. Er wird auf uns warten und wenn wir erst bei ihm sind, dann schmieden wir gemeinsam Pläne. Dann erinnern wir uns gemeinsam an die schöne Zeit, die wir zusammen verbracht haben und schauen herunter auf die Personen, die wir zurücklassen mussten. Unser Tod wird nicht umsonst gewesen sein. Kein Tod ist umsonst. Wir werden auf unsere Familie achten. Daran solltest du festhalten, Liebling. Dein Vater wird uns nie vergessen. Jedes Mal, wenn er sich alleine fühlen sollte, wird er genau an diesem Gedanken festhalten und zu uns hinunter sehen, um uns Schutz zu schenken.“
Es wogen zwei lebende gegen zwei tote Personen. Hin- und hergerissen zwischen den Gefühlen für diese Menschen, musste sie doch eine Entscheidung treffen. Wählte sie den Tod, so würde sie den einen Teil ihrer Familie im Stich lassen – die einzige Erinnerung an ihre Vergangenheit und das, was eigentlich ihre Zukunft kennzeichnen sollte.
Würde sie den Kampf wählen, das Leben, um das sie gerade erbittert kämpfte, so würde sie ihren Vater, der für ein Verbrechen bestraft wurde, was eigentlich keines war und den Mann im Stich lassen, den sie so sehr liebte wie noch keinen zuvor. Sie würde, egal wie sie sich entschied, jeweils aus beiden Reihen eine Person verlieren.
Sie schrie qualvoll auf, als sie durch einen brennenden Schmerz in die Realität zurückbefördert wurde. Die Hitze von Bellatrix’ Fluch war ihr in eines der Beine gefahren und es fühlte sich an, als würde es von innen heraus verbrennen.
Das Auflachen ihrer Tante hallte in der großen Halle wider, in der sie sich beide befanden.
Nymphadora schloss ihre Augen. Wartete auf noch mehr Hitze in ihrem Körper. Wartete auf den Tod. Sie musste sich wohl oder übel damit abfinden. Sie war nicht stark genug und auch die Erinnerungen waren nicht brauchbar. So schön sie auch sein mochten, Remus’ Tod hatte jede einzelne von ihnen zu einer ebenso qualvollen Erinnerung gemacht wie die Tatsache, eine rassistische Familie zu haben. Zu der sie, das erste Mal war sie wirklich heilfroh über diese Tatsache, nie engeren Kontakt gehabt hatte.
Sich auf das Kommende vorbereitend hörte sie das Klackern auf dem Steinboden nicht, das Geräusch von Paar Schuhen.
Erst, als das Geräusch wieder verklungen war, öffnete Nymphadora ihre Augen wieder.
„Bellatrix!“
Der Klang der Stimme kam ihr merkwürdig bekannt vor. Es war eine weibliche Stimme und im ersten Moment dachte sie, ihre Mutter hätte sich auf den Weg gemacht, um ihrer Tochter beizustehen.
Doch es war nicht ihre Mutter, Andromeda Tonks, sondern eine Person, von der sie am Wenigsten gedacht hatte, sie hier zu sehen.
Auch Bellatrix war durch die auf sie zukommenden Geräusche für einen Moment unkonzentriert gewesen, was bewirkte, dass auch ihr Fluch sich zurückzog – wenn auch nur ein kleines bisschen. „Narzissa!“, sagte sie überrascht klingend aber dennoch fröhlich. Sie warf einen kurzen Blick auf Nymphadora, konzentrierte sich, da es sich für einen Augenblick in ihren Augen nur um ihre Schwester handelte, die wahrscheinlich gekommen war, um sich ihr anzuschließen.
So schwand auch die letzte Hoffnung in Nymphadora.
„Bellatrix.“, sagte Narzissa erneut, mit fester Stimme. „Hör auf.“
Sowohl Bellatrix als auch Nymphadora rissen ihre Augen für einen kurzen Moment auf. „Hör auf?“, fragte Bellatrix und legte ihren Kopf zur Seite, Nymphadora nicht aus den Augen lassend. Für den Bruchteil einer Sekunde hätte Nymphadora schwören können, deutliche Anstrengung im Gesicht ihrer Tante zu sehen. Tatsächlich glänzte nun auch in ihrem Gesicht eine Schweißperle. Was machte Bellatrix auf einmal so nervös?
„Ich kann doch jetzt nicht einfach aufhören, Zissy!“, kicherte Bellatrix. „Siehst du nicht, wie weit ich schon gekommen bin? Nur noch ein, zwei kurze Fehler von ihrer Seite und ich habe es geschafft. Dann habe ich die Familienehre wieder hergestellt.“, sagte sie lachend.
„Die Familienehre?“, höhnte Narzissa. „Familienehre? Dass du dieses Wort überhaupt in den Mund nehmen kannst, wo du doch keinen Deut besser als deine Schwester bist.“
Bellatrix wandte sich zu Narzissa um, nicht aber, ohne einen erneuten Kraftschub gegen Nymphadora zu steuern, der sie mehr und mehr gegen die Wand drückte.
„Wie kannst du es wagen…“, knurrte Bellatrix und Nymphadora war überrascht, so etwas wie richtigen Zorn aus ihrer Stimme zu hören. Zynismus und verrückte Begierde, vielleicht auch Apathie und Geisteswahn – aber noch nie war auch nur ein zorniges Wort über die Lippen dieser Frau gekommen. „Hast du vergessen, wem du dienst, Narzissa?“
„Nein, natürlich nicht.“
Doch jedes Wort, welches Narzissa aussprach, kam Nymphadora wie eine Lüge vor, die die Jüngste der drei Black-Schwestern benutzte, um die wahren Gefühle nicht zulassen zu müssen.
Die Tatsache, dass diese Person vielleicht zu ihrer Rettung gekommen war, ließ ein wenig Hoffnung in ihr aufblitzen, die sie Bellatrix auch mit sofortiger Wirkung entgegenbrachte, in dem ihr Patronus wieder ein gutes Stück an Größe und auch Kraft zunahm.
„Was tust du, Narzissa!“, fauchte Bellatrix. „Geh!“, schrie sie. „Geh, mach dich davon. Unser Herr und Meister hat sicherlich noch andere Aufgaben, als mich dabei zu beobachten, wie ich unsere nutzlose dreckige Nichte töte.“
„Nein, Bella!“, sagte Narzissa, noch immer war ihre Stimme ungewohnt ruhig. „Es wird Zeit, dass jemand die Tatsachen ausspricht, die du versuchst, zu vertuschen. Vor dir selbst und vor allen anderen versteckst.“
„Ich weiß nicht, wovon du redest.“
Der Zorn in Bellatrix’ Stimme steigerte sich zunehmend und auch ihr Fluch wurde wieder größer und drückte sich mit einer ungewohnten Kraft gegen den Patronus.
Narzissa warf einen Seitenblick auf ihre Nichte, nur flüchtig, aber dennoch konnte Nymphadora so etwas wie Schmerz, Trauer und Angst in den Augen der Hexe erkennen.
Was auch immer geschehen sein musste – Narzissa Malfoy hatte ihre Lehre daraus gezogen und war wahrscheinlich klug genug, um sich von Voldemort loszureißen.
„Du bist nicht anders als sie.“, sagte sie dann und ihr Finger ruhte auf Nymphadora. „Du versuchst, es zu verbergen, in dem du Muggelstämmige umbringst und kein Erbarmen zeigst. Aber mir kannst du nichts vormachen. Du hast es mir selbst gestanden, erinnerst du dich noch, Bella? Kurz nach der Hochzeit mit Rodolphus.“
„Hör auf zu sprechen.“, forderte Bellatrix ihre Schwester auf, wohl wissend, worauf diese hinaus wollte. „Es tut nichts zur Sache. Rodolphus ist schon lange nicht mehr am Leben. Ich diene Voldemort. Und ich tue das, was er von mir verlangt.“
„Du dienst ihm?“
Nymphadora glaubte zu hören, wie Narzissa schnaubte und ihren Kopf dann mit einem lächerlichen Ausdruck im Gesicht nach hinten warf. „Du dienst ihm also, höre sich das einer an.“
„Nein, sprich es nicht aus!“ Bellatrix’ Worte klangen nicht mehr wie noch vor ein paar Sekunden. Keine Spur Härte zog sich mehr hindurch und Nymphadora sah das verlockende Angebot direkt vor Augen. Sie spürte, wie der gegnerische Fluch wieder abnahm.
„Du darfst es nicht aussprechen!“
„Ich darf nicht?“ Narzissa lachte. „Ich darf nicht aber du darfst?“, fragte sie und Nymphadora fühlte sich wie in der Schusslinie zweier kleiner Kinder, die sich darum stritten, wer etwas durfte und wer nicht.
„Hast du es vergessen, Narzissa? Hast du es vergessen? Das Versprechen?“
Nymphadora nutzte den Moment von Bellatrix’ Hilflosigkeit, um erneut ihren Patronus durch die aufsteigende Schadenfreude wachsen zu lassen. Für einen Moment blitzten zwei Augen aus dem weißen Licht auf, sie verschwanden aber nur kurz danach wieder. Dennoch hatte sie wieder einiges an Macht gewonnen.
„Oh, wenn du den Unbrechbaren Schwur meinst…nein, ich habe ihn nicht vergessen, Bella.“, sagte Narzissa und sie wirkte noch immer ruhig. „Nur im Gegensatz zu dir habe ich mittlerweile begriffen, wann es besser ist, auszuscheiden. Ich habe nichts mehr, woran ich festhalten kann. Rein gar nichts mehr. Der Bruch des Schwurs wird mich zwar umbringen – aber genauso wenig wird er dich daran erinnern, dass du nicht anders bist, als die Mehrheit. Und daran wirst auch du letztendlich sterben.“
„Du willst dich selbst umbringen?“, fragte Bellatrix überrascht. „Du versuchst mich zu täuschen, Zissy. Oh ja, das versuchst du. Aber das wird dir nicht gelingen.“
Mit einem rasanten Blick wandte sich die Verrückte wieder ihrer Nichte zu. „Und du!“, donnerte sie in Nymphadoras Richtung. „Du brauchst gar nicht glauben, dass ich dich vergessen habe.“
Erneuter Zorn schien sich in ihr breit zu machen und somit wurde auch der rote Energieball wieder größer. Weiß traf auf rot, gut auf böse und das Spiel, was jetzt schon gute zwanzig Minuten ging, schien sobald auch noch kein Ende zu nehmen.
Nymphadora fragte sich, woher sie selbst die Kraft nahm, noch immer durchzuhalten. Es war so einfach, sich einfach fallen zu lassen. Zu sterben. Und doch…
Sie zwang sich auf die Beine, stellte einen Fuß vor den anderen und griff mit ihrer noch freien Hand nun ebenfalls an den Zauberstab, der unter dem Gewicht des ansteigenden Patronus immer mehr zitterte.
Jetzt war ein Gefühl in ihr geweckt, was zwar nicht stärker als schöne Erinnerungen war, aber doch zumindest ihrer Stillen Bitte nach Leben weiterhalf. Neugierde.
Ihren Blick weiterhin auf Bellatrix gerichtet, lauschte sie weiter der Diskussion ihrer beiden Tanten, von der sie nicht wusste, ob die eine auf ihrer Seite stand, oder nicht.
„Ich habe alles verloren.“, sprach Narzissa. „Meinen Mann, meinen Sohn. Voldemort hat sie beide fest in seine Pläne integriert und es wird nur eine Frage der Zeit sein, bis er sie soweit getrieben hat, dass sie sich womöglich selbst umbringen. Ich kann nichts dagegen unternehmen. Aber ich will nicht in dieses erbärmliche Loch fallen, Bella. Ich respektierte das, was Lucius und auch Draco getan haben, genauso sehr missbilligte ich es auch.“
„Wie rührend!“, hauchte Bellatrix. „Du willst also deine Familie im Stich lassen?“
„Ich habe keine andere Wahl. Wenn es bedeutet, dich vor einem weitaus schlimmeren Tode zu bewahren als der, dich jetzt ereilen wird, dann werde ich dieses Risiko eingehen.“
Jetzt wandte sie ihren Blick direkt an Nymphadora, das erste Mal, dass einer ihrer verhassten Verwandtschaft überhaupt freiwillig zu ihr aufblickte.
„Ich habe gelernt, was es heißt, in Angst und Sorge um eine Familie zu sein.“ Ihre Worte klangen nicht gerade freundlich, aber auch nicht kalt oder abweisend. Neutral würde Nymphadora behaupten.
„Ich will Andromeda diesen Schmerz nicht zufügen, wo sie doch im eigentlichen Sinne die ehrlichste von uns allen war. Sie hat sich über die Regeln hinweggesetzt, egal welche Konsequenzen sie daraus ziehen musste. Sie hat sich nicht hinter der Familie versteckt, wie ich es getan habe oder hat den anderen nur etwas vorgemacht, um nicht verstoßen zu werden.“
Je mehr Narzissa Malfoy an Worten preisgab, umso stärker fühlte sich Nymphadora. Erneut sah sie die Augen aufblitzen, das Zeichen, dass ihr Patronus nun bald sein ganzes Ausmaß zeigen würde.
Narzissa wandte ihren Blick wieder in Bellatrix’ Richtung.
„Seit jeher endete die eine Familienfehde in einer anderen. Wenn ich diejenige sein kann, die daran etwas ändert, dann werde ich mich diesem Schicksal fügen. Denn dann weiß ich, dass ich wenigstens eine Sache aus voller Überzeugung und aus Liebe für meine Familie getan habe.“
Bellatrix’ Gesicht wurde aschfahl und sie wusste, was ihr gleich bevorstehen würde. Das würde sie nicht ertragen können. Vieles konnte sie ertragen, aber zuzusehen, wie ihre Schwester, ihre geliebte Schwester, sich opferte, das würde sie nicht überstehen.
In den Augen der beiden standen Tränen und Nymphadora hätte Bellatrix’ momentanen Zustand ausnutzen können, um sie zu vernichten. Sie wusste nicht wirklich, warum sie es nicht tat.
„Du hast Rodolphus niemals geliebt. Nicht aus Überzeugung geheiratet. Es war der Gefallen, den du unserer Mutter entgegenbringen wolltest, damit du nicht genauso endest, wie Andromeda. In Wahrheit hast du von Anfang an Voldemort verehrt. Voldemort, der im Grund genommen auch nichts weiter als ein Halbblüter ist, der Sohn einer Hexe und eines Muggel.“
Die Worte waren gesprochen und es brach Stille über die drei Frauen ein, von denen sich zwei noch immer die Zauberstäbe entgegenhielten, deren Blicke aber beide auf der Hexe mit den weißblonden Haaren ruhten, die, kaum nachdem sie mit dem letzten Satz geendet hatte, mit einem schmerzerfüllten Schrei zu Boden sank.
„Narzissa!“, schrie Bellatrix und im gleichen Moment rief Nymphadora noch einmal „Expecto Patronum“.
Mit einer rasanten Geschwindigkeit regenerierte sich das weiße Kraftfeld und entsprang dieses Mal in voller Gestalt Nymphadoras Zauberstab. Geschmeidig und mit einem großen Satz landete der silberne Wolf vor Bellatrix, die auf den Boden gesunken war.
Zu gerne hätte Nymphadora ihrer Tante den letzten Augenblick mit ihrer sterbenden Schwester gegeben, doch genauso wusste sie, dass sie jetzt handeln musste.
„DU!“, schrie diese in diesem Moment auf. „Du kleine, miese, dreckige Halbblüterin! Siehst du, was du getan hast? Wozu du sie getrieben hast?“
Bellatrix war außer sich und der Wahn, den sie verspürte, schien sich sofort wieder gegen Nymphadora zu richten. „SIE HAT SICH UMGEBRACHT!“
„Es ist deine eigene Schuld.“, warf Nymphadora ihr entgegen. „Deine eigenen Wahnvorstellungen haben sie dazu getrieben.“
„DAS IST NICHT WAHR!“, kreischte Bellatrix weiter und sie stellte sich wieder auf ihre Füße, ließ den leblosen Kopf ihrer Schwester auf den kalten Boden nieder. „DAS IST NICHT WAHR!“
Die geballte Kraft von dem, was Bellatrix in sich fühlte, schien sich nun in der vorher klein aufflammenden roten Energiekugel zu sammeln. All der Hass, all die versteckten Gefühle, all das, was sie versucht hatte, zu unterdrücken. Vermutlich schon mehrere Jahre.
Nymphadora verstand nun endlich, was Bellatrix – ihre gesamte Familie – so hatte werden lassen. Und sie wusste, dass damit erst dann Schluss sein würde, wenn Voldemort endlich tot war.
Mit einem gellenden Schrei setzte Bellatrix ihre blutrot gefärbte Lichtkugel los, donnerte sie mit einer Geschwindigkeit auf Nymphadora, sodass nicht mal der silberne Wolf hätte sie stoppen können. Wolf und Kugel trafen sich – verschmolzen für einen kurzen Moment und es war so, als versuche das silberne Tier die Kugel aufzuhalten.
Nymphadora beobachtete dieses Schauspiel für ein paar Sekunden, starrte wie versteinert auf die nun rosa wirkende Masse vor sich. Und dann – sie hatte es nicht ahnen können, hatte es nicht sehen kommen, barste der rote Energieball durch den Wolf hindurch und schlug ein paar Zentimeter neben ihr in die steinerne Mauer ein. Es gab einen Knall, die alten Backsteine lösten sich aus dem Putz und das Geröll kam in Bewegung – verschüttete Nymphadora unter sich. Gleichermaßen sprang der silberne Wolf auf Bellatrix, es war, als würde er sie in sich einsaugen.
Schließlich war es nicht der Patronus, der Bellatrix Lestrange den Tod brachte – sondern der Schmerz und die Trauer, die sie gefühlt hatte, kurz bevor es tatsächlich zu einer Berührung von Gut auf Böse kommen konnte.
Es verging ewige Stille. Stille, in der sich einfach nichts tat. Und dann wühlte sich eine Hand aus dem Geröll, kleinere Steinchen rollten den Boden der großen Eingangshalle entlang und hinterließen ein Echo. Nur schwach konnte sich Nymphadora aus der Masse von Steinen befreien, schwer atmend, hustend, blutend.
Ihre Augen öffneten sich für einen kurzen Moment, sie konnte erkennen, wie Bellatrix am Boden lag, sich nicht rührte, ihre Hand lag, mehr durch einen Zufall, auf der ihrer jüngeren Schwester Narzissa.
Dann versank sie wieder in tiefer Schwärze, sie war zu müde, zu ausgelaugt, um ihre vom Staub brennenden Augen noch einmal öffnen zu können. Sie brauchte Schlaf – Schlaf, der nicht mehr enden würde. Dessen war sie sich sicher. Noch vor wenigen Minuten hatte sie damit gerechnet, sie würde es schaffen. Jetzt rechnete sie nur noch mit dem Offensichtlichen – ihrem Tod.
„Du musst dir keine Sorgen machen, Dora. Er wird auf uns warten und wenn wir erst bei ihm sind, dann schmieden wir gemeinsam Pläne. Dann erinnern wir uns gemeinsam an die schöne Zeit, die wir zusammen verbracht haben und schauen herunter auf die Personen, die wir zurücklassen mussten. Unser Tod wird nicht umsonst gewesen sein. Kein Tod ist umsonst. Wir werden auf unsere Familie achten. Daran solltest du festhalten, Liebling.“
Genau so wird es sein. Das würde ihre Mutter auch Teddy mit auf den Weg geben. Und dann würde er erfahren, dass seine Eltern ihn geliebt hatten. Sehr geliebt sogar.