Soo, ich muss auch mal etwas posten… Ich hab den Two-Shots, d.h. eine Kurzgeschichte in zwei Teilen (der zweite Teil kommt, wenn es euch gefällt), schon woanders stehen, es war mein erstes “Geschreibsel” überhaupt... Es zieht sich am Anfang etwas hin, Lilys Gedanken wiederholen sich glaub ich, aber ich hoffe, dass ist nicht so schlimm – ich wünsche euch trotzdem viel Spaß, read and review, please!
(Not) Too Late
Titel: (Not) Too Late
Autor: L.E./Cerídwen/Kathi, wie auch immer *gg*
Art der FF: Two-Shots
Altersbeschränkung: Ab 12
Kapitelanzahl: 2, wie oben schon gesagt
Genre: Romantik, Drama (?)
Inhaltsangabe: Es ist das siebte und letzte Schuljahr in Hogwarts und James hat Lily inzwischen scheinbar aufgegeben. Doch plötzlich vermisst Lily ihn und weiß nicht wie sie damit umgehen soll: Ist sie am Ende tatsächlich in ihn verliebt? Und wenn ja, wird sie es schaffen James näher zu kommen, obwohl es schon zu fast spät ist?
Zu spät...
Es ist zu spät. Dieser Gedanke kommt mir schon seit Wochen, immer wenn ich ihn sehe. Es ist ein merkwürdiges Gefühl – hätte ich vorher gewusst, was passieren würde, wäre es wahrscheinlich ganz anders gekommen.
Eigentlich ist es überhaupt merkwürdig: Wer wäre vor ein paar Monaten noch auf die Idee gekommen, dass ich, Lily Evans, Schulsprecherin, Gryffindor und hartnäckige Ablehnerin von James Potter, ausgerechnet diesen Jungen vermissen würde? Ich jedenfalls nicht, selbst Potter wäre vermutlich überrascht gewesen, auch wenn er mich damals noch ungefähr hundertmal am Tag gefragt hat, ob ich mit ihm ausgehe.
Ich drehe mich mit dem Kopf zur Decke – es ist ein regnerischer Aprilabend und ich liege gerade auf meinem Himmelbett im Schlafsaal meines Internats – und sehe sein Gesicht vor mir, klar und deutlich, aber kurz darauf verblasst es wieder. Und da ist es wieder, dieses Gefühl, als ob ich etwas, was mir mehr als alles andere am Herzen liegt, verloren habe.
Das mit dem Date hat er war wahrscheinlich eh nie ernst gemeint, – allmählich glaube ich, dass er mich nur zum Spaß gefragt hat, und weitergemacht hat, weil ich nie „ja“ gesagt habe und er nicht abgelehnt werden wollte. James Potter ist ein verdammt stolzer Mensch, für alle die es nicht wissen.
Vor ein paar Wochen hat dann alles plötzlich aufgehört: Er hat mich einfach ignoriert, weder frech nach einem Date gefragt noch überhaupt mit mir gesprochen.
Als ich meine beste Freundin, Rachel Conway, deswegen gefragt habe, meinte sie nur: „Er hat wahrscheinlich aufgegeben. Aber eigentlich müsstest du doch froh darüber sein, oder? Du mochtest ihn sowieso nicht, hast du jedenfalls immer gesagt.“
Das hab ich natürlich sofort bejaht, aber inzwischen muss ich doch darüber nachdenken, ob ich ihr vielleicht sagen sollte, dass es schon wieder anders ist. Ich vermisse ihn irgendwie, oder besser gesagt glaube ich das. Man kann schließlich nichts vermissen, was man nicht gekannt hat, aber wenn ich sehe, wie er mich keines Blickes würdigt, fühle ich mich, als ob etwas Wichtiges, wirklich Wichtiges, fehlen würde.
Es war und ist, wie gesagt, wirklich ein komisches Gefühl, immerhin war hat es immer den Anschein gehabt, als ob er tatsächlich in mich verliebt wäre und erst recht nicht ich in ihn, aber ihn jetzt mit anderen reden und lachen zu hören, ist eine reine Folter. Er hat mir das Gefühl gegeben, geliebt zu werden, und ich denke keiner, auch kein anderer Junge, könnte dieses Gefühl ersetzen. Na ja, er ist wohl doch nicht besser als Black.
Wer Black ist? Tja, wenn man als Mädchen hier hinkommt, sollte man das sofort wissen – Sirius Black ist der wohl größte Draufgänger und Mädchenschwarm von Hogwarts, der Zaubererschule, auf der wir alle sind. Wir leben hier die meiste Zeit des Jahres, nur in den Ferien fahren wir nach Hause, und es ist wirklich schön hier. Der See, der Gemeinschaftsraum, das Dorf – es ist ein Jammer, dass ich dieses Jahr meinen Abschluss mache. Sicher, man kann sich nicht normal nennen, wenn man täglich Tische in Schweine verwandelt oder mit großen – und ziemlich gewitzten – fleischfressenden Pflanzen kämpft, aber ich fühle mich sehr wohl und mit der Zeit kommt einem alles normal vor, besonders wenn man bedenkt, was für Probleme manche Leute – wie ich – haben.
Hogwarts ist mein Zuhause, hier hab mich immer wohlgefühlt, genau wie viele andere hier, meine Freundinnen, unsere anderen Mitschüler und eben auch die Rumtreiber, das ist die Bande von Potter und Black.
Und damit wären wir wieder beim Thema: Potter.
Beim Gedanken an ihn zieht sich mein Magen zusammen, erst Recht weil ich ihn nachher wieder sehen muss. Aber vielleicht komme ich drumrum, ich bin in letzter Zeit ohnehin sehr still, es liegt vermutlich an ihm und der verdammten Sehnsucht. Meine Freunde werden dafür Verständnis haben, bis ich mich damit abgefunden habe, es bei ihm verspielt zu haben.
Vielleicht sollte ich mir einen anderen suchen, Edward Corwen hat mich erst gestern gefragt, ob ich mit ihm nach Hogsmeade gehen will... Ich hab zwar abgeleht, aber ich kann es mir ja noch anders überlegen. Ehrlich gesagt glaube ich, er würde besser zu mir passen: Ich bin immer ehrgeizig, lerne viel und kann es überhaupt nicht ab, wenn jemand andere ärgert. Edward ist ein blonder Vertrauensschüler, nett, gut in der Schule und sieht nicht schlecht aus.
Er ist so ziemlich das Gegenteil von Potter, denn obwohl er mit mir Schulsprecher ist, ist er wohl Rekordhalter im Regelbrechen, zusammen mit Black. Um nochmal auf letzeren zurückzukommen: Sirius Black liebt es einfach cool und beliebt zu sein, und das ist er auf jeden Fall, wenn man mal in den Mädchenklos hört, wie die Mädchen entweder von ihm schwärmen oder sich die Augen ausheulen, wenn er mal einer von ihnen eine Chance gegeben und sie dann aber trotzdem nach ein paar Mal knutschen wieder fallen gelassen hat.
Mit Potter hat er wohl den perfekten Kumpel gefunden. Die beiden sind die besten Freunde und zusammen mit den restlichen Rumtreibern, zu denen noch die etwas unscheinbareren Jungen Remus Lupin und Peter Pettigrew gehören, die wohl größten Unruhestifter, die je in Hogwarts waren. Slytherins verhexen, Lehrer mit einem Vergessenszauber belegen oder einfach für ein bisschen Chaos sorgen – die vier sind nicht belehrbar, aber trotz allem ziemlich beliebt.
Manche Mädchen hätten mich früher beneidet, weil unser Quidditchstar, das heißt Potter, mich immer nach Dates gefragt hat, sie würden liebend gern mit ihm ausgehen, aber ich habe die Rumtreiber wegen ihren Streichen mehr gehasst als von ihnen geschwärmt. Nur mit Remus hab ich mich ganz gut verstanden, er ist der wohl einzig vernünftige der Rumtreiber, und ich unterhalte mich immer noch gerne mit ihm, zumindest wenn seine Gesellschaft nicht auch Potters bedeutet.
Trotz diesen merkwürdigen Gefühlen, immer wenn Potter in der Nähe ist, ist ein kleiner Teil meines Verstandes wohl immer noch der Ansicht, dass er und Black (Pettigrew zählt nicht richtig, der ist eher ein Mitläufer) sich manchmal ziemlich kindisch benehmen und das macht die Tatsache, dass ich Potter vermisse sogar noch verrückter.
Es stimmt, sie sehen beide sehr gut aus, für alle die das bei den Geschichten über ihre Fan-Clubs noch nicht gemerkt haben: Black mit seinen langen, dunklen Haaren und den grauen Augen und Potter mit seinen haselnussbraunen Augen, den verstrubbelten, rabenschwarzen Haaren und dem typischen „James-Potter-Lächeln“, mit dem er bis jetzt jedes Mädchen verzaubert hat. Bis auf mich. Aber selbst ich kann das nicht mehr von mir behaupten, wenn man weiß, was ich denke, wenn ich ihn sehe.
Eigentlich müsste mein Fazit von den Rumtreibern nämlich lauten: "Es sind vier Idioten." Das stimmt auch, aber seit den letzten Wochen heißt es so: "Es sind vier Idioten, von denen einer dummerweise super gut aussieht und den ich vermisse."
Punkt. Eigentlich müsste da Schluss sein, man könnte meinen, dass es ganz leicht wäre, ihn irgendwann doch nicht zu vermissen, aber als ich an diesen "einen" denke, habe ich wieder dieses Gefühl im Bauch: zum hundertsten Mal fühlt es sich so an, als würde die Welt jedes Mal aufs neue zusammenbrechen, weil es zu spät ist, weil ich es nicht früher merken konnte.
Ein merkwürdiges Gefühl, wie ich schon ungefähr genauso oft festgestellt habe: Da war ich sozusagen kurz vorm Ziel und dann bin ich wieder ganz am Anfang. Ich seufze, wenn ich daran denke, wie schön es doch hätte werden können. Aber das ist es nicht und wird es auch nie sein.
Ich kann mir nur vorstellen, wie es ist in seine Arme geschlossen zu werden, ihn umarmen oder küssen zu können – Aber Moment, was denke ich da eigentlich? Er wird mich nie wieder beachten, vielleicht ist es einfach Schicksal. Alle guten Dinge hören schließlich irgendwann auf, auch solche wie die Tatsache, dass James Potter einen liebt. Wieso konnte es mir nur nicht früher auffallen, was ich eigentlich mit ihm hätte? Vielleicht wäre anders ganz anders gekommen, aber nein, ich Troll konnte es erst bemerken, als er es schon aufgegeben hatte.
Ich seufze, stehe aus meinem Himmelbett auf und gehe ans Fenster des Schlafsaals. Als ich hinausblicke, sehe ich eine wunderbare, verregnete Landschaft vor mir, den See, die untergehende Sonne, den Wald und das Dorf irgendwo weiter weg. Und schon schweifen meine Gedanken wieder zu Potter ab: Ich kann immer noch nicht glauben, dass es zu spät sein soll, dass es vielleicht nie da war. Verdammt, was zum Hippogreif hab ich getan, dass ich so bestraft werde? Traurig setze ich mich auf die Fensterbank und denke nochmal über alles nach, ohne zu einer guten Entscheidung zu kommen.
Wahrscheinlich muss ich diese verwirrenden Gedanken und Gefühle, die ganz klar dafür sprechen, dass ich in ihn, in James Potter, verliebt bin, noch eine Weile ertragen, wenn ich nicht an etwas anderes denken kann. Das liegt vermutlich auch daran, dass ich ihn überall sehe, beim Essen, im Unterricht, im Gemeinschaftsraum oder selbst in der Bibliothek. Aber es fällt sowieso schwer, nicht an ihn zu denken, ich wundere mich immer wieder, wie ich es früher geschafft habe, James Potter abzulehnen. Er ist der wohl bestaussehendste, schlauste, witzigste – Ach, was denke ich wieder? Erde an Lily, er hat dich aufgegeben, hör auf zu träumen!
Das schlimmste ist, dass er jetzt eine andere hat. Komisch, das ich das erst jetzt erwähne, denn seine Freundin (kann man sie so nennen?) ist schwer zu übersehen.
Früher wäre es mir egal gewesen, ich hätte ihm vielleicht sogar gratuliert, dass Mr. und Mrs. Supertoll zusammen gefunden hatten, aber mittlerweile versetzt es mir einen Stich, wenn ich Caitlin Shalford bei ihm sehe. Und es scheint tatsächlich so, dass er es ernst meint, ernster als mit mir, wie mir jetzt auffällt.
Die beiden sind immerhin seit einem Monat zusammen und man sieht Shalford kaum einen Moment lang, in dem sie nicht an Potters Lippen klebt. Ich verstehe das Ganze einfach nicht, was findet er nur an ihr? Klar, sie sieht hübsch aus, mit ihren langen, blonden Haaren und der Model-Figur, aber sie ist kaum schlauer als ein Sack Drachenmist und mit der Zeit wird sie wirklich nervig. Selbst Potter müsste aufgefallen sein, dass sie viel besser zu einem Troll passen würde. Shalford und ein Troll – wirklich gut, das muss ich mir merken. Aber halt, langsam werde ich tatsächlich eifersüchtig.
Ich sollte mich vielleicht auf andere Dinge, wie z.B. die Prüfungen in zwei Monaten, konzentrieren, auch wenn es schwer fällt... Hey, Lily, es ist zu spät, du kannst eh nichts daran ändern!
Ich starre weiter aus dem Fenster und versuche meine Gedanken auf Edward zu konzentrieren und ob ich mit ihm ausgehen soll, aber ich kann es nicht verhindern, an einen gewissen anderen Jungen zu denken. Verflucht, wieso muss er ausgerechnet jetzt mit einer anderen gehen und mich ignorieren?
Ich grübele noch eine Weile vor mich hin, gleichzeitig traurig und wütend, als mich eine bekannte Stimme aufschreckt:
„Lily?“ Es ist Rachel, die sich mit ihren hellblauen Augen suchend umblickt und mich dann anblickt. Ich sehe Besorgnis in ihrem Gesicht, das von kurzen, braunen Haaren umrahmt ist, und auch Patricia Almond, eine meiner anderen Freundinnen, steckt jetzt ihren Kopf durch die Schlafsaaltür.
Rachel kommt nun zu mir und sieht mich genau an. „Was ist los mit dir? Willst du nicht mehr mit uns essen gehen?“
Ich schaue sie ebenfalls an und überlege, ob ich ihr den Grund für mein Fehlen sagen soll. Aber ich entscheide mich schließlich doch dagegen, es ist sowieso vergebens, wenn Rachel oder irgendwer sonst versucht mich aufzuheitern. „Doch, doch, mir war nur nicht danach.“, antworte ich, ohne richtig nachzudenken. Schlechte Ausrede, Lily. Jetzt wird sie dich überreden wollen doch zu kommen. Und tatsächlich:
„Na komm, Lily, ist doch nicht so als ob in der Großen Halle Voldemort persönlich wartet.“, versucht es Rachel. Okay, sie war immer gut im Überreden und hat einen unglaublichen Dackelblick, den sie glücklicherweise jetzt nicht einsetzt. Aber bei der Aussage mit Voldemort, im Moment einer der gefährlichsten Schwarzmagier in Großbritannien, kann ich nicht ganz zustimmen: Das, was mich dort erwartet, ist bestimmt doppelt so schlimm wie Voldemort, es würde an reine Folter grenzen, Potter jetzt wieder zu sehen.
Aber immerhin könnte mich das Essen und meine Freundinnen ablenken.
„Also gut.“, stimme ich grummelnd zu und gehe vom Fenster weg. Ich lasse mir im Bad noch einmal kaltes Wasser ins Gesicht spritzen und blicke in den Spiegel. Ein blasses, etwas trauriges Gesicht mit strahlend grünen Augen schaut mir entgegen, das von dunkelroten Locken umrahmt ist. Rachel behauptet immer, ich sei viel zu hübsch für diese Welt, aber ich finde eigentlich nur eine Sache an mir wirklich schön: meine Augen. Die Augen sind der Spiegel der Seele, ein altes Sprichwort der Muggel, das sind nichtmagische Menschen. Und meine Augen können erstaunlich viele Sachen ausdrücken, das fällt mir immer wieder auf, ich habe ein Talent dafür, mit den Augen zu rollen, sie zu verdrehen oder böse zu funkeln.
Eine eiskalte Hand umklammert mein Herz, als mir klar wird, das ich das früher immer bevorzugt in Potters Gegenwart gemacht hab. Ich schüttle den Kopf, um den Gedanken loszuwerden, blicke noch einmal prüfend in den Spiegel und gehe dann mit Rachel und Patricia die Treppe in den Gemeinschaftsraum hinunter.
Wir sind fast die letzten, einige Schüler kommen sogar gerade zurück, aber der Rest des Raumes ist beinahe leer.
„So, Lily, und jetzt sagst du, was wirklich los ist.“, sagt Rachel, als wir aus dem Portraitloch einer fetten Dame im rosa Abendkleid, die den Eingang zum Gemeinschaftsraum bewacht, klettern. Ich bin erst erstaunt. Ahnt sie doch etwas? Na ja, meine Ausreden sind eh nie gut und Rachel kennt mich verdammt gut. Zu gut, vielleicht.
Ich habe ja schon vorher beschlossen, ihr nichts von Potter zu sagen, deshalb suche ich nach einer anderen Entschuldigung. Schließlich würde es eh nichts helfen und das Ganze ist ohnehin verrückt, weil es wohl keinen Menschen außer mir gibt, der den Jungen, den man immer abgelehnt hat, plötzlich vermisst und vielleicht sogar eifersüchtig auf seine Freundin ist. Ganz abgesehen davon, dass dieser Mensch ihn trotzdem noch beim Nachnamen anredet. Vielleicht sollte ich tatsächlich auf James statt Potter umsteigen, es wird eh niemanden kümmern.
Aber halt, ich brauche auch noch einen Grund, warum ich mich so zurückgezogen hab.
„Also, ähm...“, beginne ich. „Ich weiß nicht, irgendwie fühle ich mich... komisch. Wir haben halt unser letzes Jahr hier und ich frag mich immer wieder, was... danach wird.“ Endlich keine schlechte Ausrede, ich muss mich wirklich selbst loben.
Rachel und Patricia sehen mich nachdenklich an, während wir eine Treppe in den ersten Stock hinuntergehen. Dann nicken sie, anscheinend verstehen sie, oder besser gesagt glauben sie es. Der einzige, den ich kenne, der verstehen könnte wie ich mich fühle, ist wohl der, der daran Schuld ist. Ich halte inne. Mir wird schlagartig klar, wie es für ihn gewesen sein muss, wenn ich ihn hab abblitzen lassen.
„Was ist los, Lily?“
Meine Freundinnen blicken mich an, als ich stehen bleibe. Ich schüttele nur den Kopf und murmele „Nichts.“, bevor wir schweigend weitergehen.
Sobald wir in die Große Halle kommen, in der die vier Haustische, jeweils einer für Gryffindor, Hufflepuff, Ravenclaw und Slytherin, stehen, empfängt uns ein Lachen und aufgeregtes Geschnatter der Schüler. Ihre Ausgelassenheit ist beinahe befremdlich, ich hab nämlich so ziemlich das Gefühl, als ob ich nie wieder fröhlich sein könnte. Langsam frage ich mich, ob mir in letzer Zeit ein Dementor hinterherläuft...
Immer noch grübelnd setze mich an den Gryffindortisch, möglichst weit weg von Pot- nein, James. Gar nicht so einfach, die meisten Plätze sind besetzt und so muss ich fast drei Plätze neben ihm sitzen. Irgendwie muss ich es schaffen, ihn zu ignorieren, auch wenn mir eins schon von weitem auffällt: Er sitzt bei seinen Freunden und Shalford sitzt nicht bei ihm, sondern am Hufflepufftisch, was schon recht sonderbar ist, wenn man bedenkt, dass sie die letzen Wochen ständig in seiner Nähe war. Aber es ist besser so – wenn sie hier sitzen würde und James betütteln würde, müsste ich mich wahrscheinlich direkt auf den Tisch übergeben.
Fest entschlossen ihn nicht anzusehen, was schwerer fällt als ich dachte, da seine verstrubbelten Haare mich magisch anzuziehen scheinen, tue ich mir ein paar Kartoffeln auf und versuche, wenigstens etwas zu lächeln.
Rachel unterstützt das glücklicherweise, sie redet mit mir, auch wenn ich nur mit halbem Ohr zuhöre. Aber immerhin macht sie hin und wieder einen Witz und ich muss nicht in meinen trübseligen Gedanken versinken.
„Hi, Lily.“, sagt plötzlich eine Stimme, die aus Potters - verdammt, James’ Richtung kommt. Ich drehe mich um und sehe Remus Lupin, einen von James’ Freunden mit seinen braunen Augen zu mir schauen.
Ein bisschen erleichtert bin ich schon. Remus ist ein netter Kerl, er versteht viel von menschlichen Gefühlen, als wäre er selbst keiner und würde sie studieren. Und sein Blick sagt eindeutig, dass er weiß, dass mich etwas bedrückt.
„Geht’s dir gut?“, fragt er. „Du siehst traurig aus.“ Er scheint wirklich ein fast tierisches Gespür für so etwas zu haben. Auch Rachel und Patricia blicken mich noch einmal an, selbst James ist still geworden. Das verwirrt mich; er hat mich jetzt doch drei Wochen ignoriert, warum interessiert er sich bitte für meine Probleme?
„Ach, keine Ahnnung, es sind bald Prüfungen, ich bin einfach was durch den Wind.“ Ich zucke mit den Schultern, sehe aber keinen an. Die anderen scheinen zufrieden mit meiner Antwort, obwohl Remus immer noch skeptisch blickt. Aber dann passiert es plötzlich: James blickt mich hinter seiner dünnen Brille an, schaut mir direkt in die Augen, und ich bin gleichzeitig überrascht und erschrocken, beides auf eine unvergleichliche Art und Weise: Er hat die wundervollsten Augen, die ich je gesehen habe, sie sind haselnussbraun und strahlen eine unnatürliche Stärke und Entschlossenheit aus, trotzdem blicken sie besorgt und fast liebevoll; wie im Traum starre ich ihn an und glaube, zu versinken...
Ein kalter Schauder läuft mir den Rücken hinunter, doch dann dreht er sich plötzlich weg und das Gefühl verebbt so schnell wie es gekommen ist.
„Lily?“, lässt mich eine Stimme nah bei mir aufschrecken. Ich blicke mich um und sehe Rachel besorgt meinen Blick suchen. Auch Patricia und Remus schauen mich wieder an. Nur James hat sich jetzt weggedreht. „Ist alles in Ordnung?“
„Weißt du, du kannst gern wieder hochgehen.“; schlägt Patricia vor.
„Aber wenn es dich aufmuntert, Lily.“, sagt Remus. „Vielleicht solltest du einfach an etwas Schönes denken. Dann sind die Prüfungen schon gar nicht mehr so schlimm.“ Prüfungen? Ich brauche einen Moment, bis mir wieder einfällt, dass ich vorher gesagt habe, die Prüfungen seien Schuld. Aber vielleicht sollte ich wirklich an etwas Schöneres denken. Wenn ich James weiter einfach wie eine Verrückte anstarre oder mich in meinem Himmelbett verkrieche, hilft das ja auch nichts mehr.
Es ist zu spät. Da ist er wieder, dieser schreckliche Gedanke, der jetzt eine Ewigkeit in meinem Kopf hallt: Zu spät, zu spät,...
Und plötzlich kann ich es nicht mehr aushalten. Wie von einer Wespe gestochen, springe ich auf und bin schon drei Meter weit geeilt, als die anderen kapieren, was vor sich geht.
„Wo willst du hin?“, ruft Rachel und die anderen, selbst ein paar Drittklässler, die vorhin in meiner Nähe gesessen haben, schauen mich an.
„Äh... Ich muss noch diesen Zauberkunstaufsatz machen.“, lüge ich schnell und versuche zu lächeln, damit sie unbesorgt sind. Was ziemlich misslingt, als ich sehe wie James, der eben sogar aufgeschaut hat, sich wieder umdreht.
Das gibt mir den Rest. Ein schmerzhafter Stich fährt durch mein Herz und ich rufe schnell ein „Tschüs!“, bevor ich weitereile. Als ich aus der Halle komme, fange ich wirklich zu laufen. Ich möchte am liebsten nur noch laufen. Sein Blick und seine Ignoranz der letzen Wochen sind einfach zu viel. Ich möchte das alles vergessen, nicht mehr mein Glück von diesem Jungen abhängig machen, der zu allem Überfluss so verdammt gut aussieht und mich aufmuntern könnte, wenn er mich nur ein mal anlächeln würde.
Ich spüre wie sich heiße Tränen ihren Weg bahnen, während ich weiter renne, irgendwo hin. Wieso kann ich ihn nicht vergessen? Wieso muss er mich vergessen? In meinem Kopf dreht sich alles, dummerweise auch noch um diesen Jungen.
Als ich schließlich, nach Ewigkeiten wie es mir vorkommt, stehen bleibe, merke ich, dass ich im fünften Stock bin, nahe unserem Arithmantikraum. Ich lehne mich gegen eine Wand und lasse mich fallen. So auf dem Boden sitzend, hoffe ich bald wieder normal werden zu und diesen Hohlraum, der schon so lange Zeit in meinem Körper ist, wieder füllen zu können.
Es klappt nicht, ich werde wahrscheinlich das ganze nächste Jahr hier sitzen müssen.
Lass einfach los, Lily, sagt eine Stimme in meinem Kopf. Ein toller Rat. Wie kann ich ihn einfach vergessen? Wenn er nur mit mir reden würde, vielleicht würde mir dann klarer werden, dass er jetzt weg ist... Aber nein, er wechselt kein Wort mit mir, guckt mich nur komisch an und das ist wahrscheinlich die schlimmste Folter: Nicht zu wissen, was er denkt.
Ich sehe noch einmal sein Gesicht vor mir, wie James redet und lacht, wie er mich damals geärgert hat und vielleicht tatsächlich in mich verliebt war. Bei dem Gedanken laufen mir wieder Tränen am Gesicht hinunter und ich lege den Kopf verzweifelt in meine Arme.
James...
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Kritik erwünscht!