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[HP] Zur Spitzen Feder

John Xisor
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[HP] Zur Spitzen Feder

Beitragvon John Xisor » Di 17 Mai, 2011 00:16

A/N: Es wäre von Vorteil, den Oneshot „Three Characters in Search of an Exit“ vorher gelesen zu haben.
„Zur Spitzen Feder“ ist eine Fortsetzung, diesmal ein Mehrteiler.

Autor: Muggelchen
Charaktere: Severus, Hermine, Harry, Draco, Sirius, Remus, Albus und viele andere
Genre: Humor/Parody, Romanze, Slash
Beta: John Xisor
Altersfreigabe: ab 16, aber ich denke, auch darunter wird niemand einen Schaden davontragen
Disclaimer: Charaktere und Orte gehören J.K. Rowling. Die Handlung gehört mir.
Hinweis: Für diejenigen, die eine Abneigung gegen Slash haben, ist die Geschichte genauso gut geeignet wie für die Leser, die Slash lieben. Vorsichtshalber habe ich die FF als Slash gekennzeichnet, weil - wenn auch nur parodistisch ... *mundhalt*


Inhaltsangabe:

Können die Charaktere einer Fanfiction ein Eigenleben entwickeln? Diese Frage muss Hermine mit einem großen Ja beantworten. Ihr sind die beiden Hauptcharaktere entwischt, als sie eine kurze Zwangspause einlegen musste. Dabei wollte sie Severus per FF nur den Wunsch erfüllen, Sirius mit bloßen Händen zu töten. Andere haben ähnliche Probleme. Als Harry feststellt, dass Draco ihn für eine Slash-FF mit Absicht dümmlich und devot darstellt, schreibt er sich mit Remus’ Hilfe einfach aus der Geschichte heraus. Die hintergangenen Autoren und die gebeutelten Charaktere planen jeweils einen schriftlichen Gegenschlag. Als wäre das nicht schon genug, erscheint auch noch Ginny auf der Bildfläche, die mit ihrer Organisation „Rettet den Harry Potter Canon“ sämtliche Fanfiction im Keim ersticken möchte, weil sie sich gegen die Buchvorlage richten – ganz zum Leid von Fred, der alles andere als tot sein möchte.

Alle Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und realen Handlungen sind rein zufällig.




The January Man


Das fröhliche Geträller von fünf verschiedenen Vogelarten riss ihn aus seinem wohlverdienten Schlaf. Besonders ein Exemplar schlug derart hohe Töne an, dass sie dem Morgenmuffel fast den Verstand raubten. Die improvisierten Kompositionen der gefiederten Gesellen begleiteten diesen Morgen; allerdings schon ab vier Uhr in der Früh. Mit den ersten Sonnenstrahlen waren Amsel, Meise, Fink und Star – die fünfte Gattung war ihm unbekannt – erwacht, um dem Tag freundlich, vor allem aber aus voller Kehle entgegenzusingen:

„Guten Morgen, ihr Leute.
Wie geht es euch heute, was bringt uns der Tag?
Guten Morgen, ihr Leute.
Viel Spaß und viel Freude, was jeder so mag.“

Vogelgezwitscher erfreute seit jeher die Menschheit, nicht aber Severus Snape.

Griesgrämig wie eh und je schwang er sich aus seinem Bett und öffnete das Fenster, um den Baum anzubrüllen, in dessen dichter Krone sich die kleinen Startenöre aus gutem Grund versteckt hielten.

„Ihr verdammten Viecher! Könnt ihr nicht zwei Bäume weiter Krach machen?“
Aus dem Hintergrund hörte er eine weibliche Stimme. „Was ist denn nur los, Severus? Warum machst du so einen Lärm?“
„Ich mache Lärm?“, fragte er erbost zurück. „Diese verfluchten Vögel …“
„Reg dich doch nicht so auf, mein Schatz.“

Die Frau in seinem Bett war Hermine Granger, ehemals Weasley, aber von einem Fanfiction-Autor wieder zur unverheirateten Frau umgeschrieben, die mit Severus Snape in wilder Ehe lebte.

„Heute ist doch dein Geburtstag.“ Keck zwinkerte sie ihm zu.
Mit einer Riesenwut im Bauch giftete er zurück: „Mein Geburtstag? Warum wird es denn schon ab vier Uhr morgens hell? Und warum tragen die Bäume ihr Laubkleid?“
„Weil ich den Tag für dich schön gestalten wollte.“ Ihr Lächeln war plötzlich nicht mehr so sicher wie zuvor. „Ich hab es so geschrieben.“
„Ich habe im Januar Geburtstag! Da ist es kalt. Die Vögel verpis…“, er überdachte seine Wortwahl, „fliegen nach Süden und es sollte Schnee liegen. Das da draußen“, er deutete mit ausgestrecktem Finger auf das Fenster, „ist ein Sommertag. Ich hasse den Sommer.“

Mit diesen Worten verließ Severus nur im Nachthemd bekleidet vollkommen aufgebracht das Schlafzimmer und verkrümelte sich in die Küche. In einem Schränkchen fand er neben den vielen Teesorten, mit denen Hermine das Mobiliar als Eigentum zu kennzeichnen wagte, auch seine weit nach hinten geschobene Dose mit dem Kaffeepulver. Das hatte er jetzt dringend nötig. Drei Tassen Kaffee und der Tag konnte beginnen.

Während er darauf wartete, dass das Wasser durchgelaufen war, fragte er sich, wie er nur in dieses Szenario hineinschlittern konnte. Sicher, Hermine war jung und auch nicht sonderlich hässlich, nebenbei bemerkt auch nicht besonders hübsch, weil man sich in dieser Fanfiction bezüglich des Aussehens gern an den Canon hielt, aber sie war klug und vor allem willig. Sie schloss gern Kompromisse, damit jeder seine Vorlieben in das gemeinsame Leben schriftlich einfließen lassen konnte. Beide ergänzten sie sich bestens, aber heute hatte sie den Bogen überspannt. Wer war schon so dreist, dachte er missgestimmt, die Winterzeit gegen die Sommerzeit auszutauschen? Plus dreiundzwanzig Grad Celsius im Schatten waren für einen Januarmorgen in Schottland mehr als nur unrealistisch.

Gedankenverloren blickte er aus dem Fenster ihres gemeinsamen Sommerhauses, welches mit der kitschigen Vogeltränke im Garten und den verträumten Rosenbüschen ihrer weiblichen Fantasie und Feder entsprungen war, nach draußen und bemerkte, dass die Bäume ihre Blätter auf magische Weise verloren. Nach wenigen Sekunden waren sie kahl, die Rosenbüsche erfroren. Der Himmel verdunkelte sich, Wolken quollen auf. Fasziniert von diesem Naturschauspiel ging er hinüber zum Fenster, um einen besseren Überblick zu bekommen. Es wurde stockdunkel und es begann zu schneien. Hermine musste gerade eben die heutige Szene umgeschrieben haben, um ihn milde zu stimmen.

„Severus?“, hörte er hinter sich. In ihrer Stimme schwang hörbar Unsicherheit mit. Vielleicht war es an der Zeit, diesen Mehrteiler mit ihr zu einem Ende zu bringen – nur wusste er nicht, ob es ein Happy-End werden sollte. „Severus“, schnurrte sie diesmal – und er fragte sich ernsthaft, ob es nicht ein anderes Verb als schnurren getan hätte, um Hermines devote Annäherung zu beschreiben, aber er verlor kein Wort darüber. „Ich wollte dir doch nur ein Geschenk machen.“
Noch immer missgelaunt von dem unangenehmen Erwachen durch die lästigen Vögel zeterte er: „Wenn du mir unbedingt ein Geschenk machen willst, dann schraub die Altersfreigabe von dieser Geschichte hoch auf 18 Jahre. Ich habe die Nase voll, nur weil hier 16-jährige mitlesen, dass unser Sex immer dann endet, wenn es gerade spannend wird. Weißt du, wie unbefriedigend das für mich als Mann ist?“
Empört riss Hermine ihre Augen weit auf. „Aber dann würde ja jeder lesen können, was wir miteinander treiben!“
„Nicht nur was, sondern auch wie. Das ist doch gerade der Sinn des Ganzen! Ich will das volle Programm auskosten und nicht mehr nur mit Blümchensex abgespeist werden, wo es heißt …“ Er verstellte die Stimme, sprach jetzt tiefer und hoch erotisch: „Severus keuchte erregt, als sie seine Brust mit Küssen bedeckte und immer tiefer glitt, über den flachen Bauch und die knochigen Hüften. Sie hatte das Ziel genau vor Augen.“ Erzürnt schnaufte er über die eigenen Worte. „Dann kommt abrupt ein Szenenwechsel – was nebenbei erwähnt einem Coitus interruptus gleichkommt – und wir machen plötzlich bei Harry und Draco weiter. Das will ich nicht mehr! Ich will das Ziel nicht mehr nur vor Augen haben, sondern die Andeutungen auch erleben und ich bin mir sicher“, mit erhobenem Finger punktierte er jedes Wort in der Luft, „dass mir mindestens neunzig Prozent aller Leser zustimmen würden!“
„Aber …“
„Sex sells! Damit bekommen wir auch viel mehr Leser“, versuchte er, ihr seinen Vorschlag schmackhaft zu machen, „und sicherlich den einen oder anderen Kommentar zusätzlich.“
Echauffiert widersprach sie. „Ich will mein Leben mit dir aber nicht vor jedermann offenlegen.“
„Wen interessiert denn, was du willst?“ Er hob die Arme in einer fragenden Geste. „Du bist doch sowieso nur ein fiktiver Charakter. Mir dir kann jeder machen was er möchte.“
„Na hör mal“, wies sie ihn grimmig zurecht, „das Gleiche kann ich dann wohl auch von dir sagen. Ich finde, dass jeder Charakter seine Rechte hat, aber auch seine Pflichten. Diese Pflichten wären zum Beispiel, dass wir ein Vorbild für die Kinder und Jugendlichen sind, die zu uns aufblicken. Das wäre nicht mehr der Fall, würden wir beide hemmungslos die Hüllen fallen lassen und wie wilde Tiere in der Brunft übereinander herfallen.“ Severus bekam plötzlich so ein interessiertes Glitzern in den Augen, aber das ignorierte sie gekonnt. „Und zu den Rechten: Ich habe das Recht darauf, nicht immer nur als fiktiver Charakter bezeichnet zu werden. Dazu habe ich viel zu viel Eigenleben. Ich fühle mich nicht als erdachte Person und will deswegen auch nicht als solche behandelt werden. Ich fühle, ich denke, ich existiere!“ Sie holte kurz Luft. „Ich lebe und möchte auch endlich, dass andere Menschen mir Respekt entgegenbringen. Ich bin doch kein totes Ding, das jeder mal benutzen darf, wie es ihm gerade passt!“

Nach ihrem Monolog blinzelte er einige Male verdutzt.

„Stimmt, tote Personen können nicht so viel quasseln wie du“, kommentierte er trocken, bevor er zu seinem Kaffee hinüberging und sich endlich die erste Tasse einschenkte. „Sieh es doch mal von der positiven Seite, Hermine.“ Mit seinem bedachten Tonfall hoffte er, sie zu beruhigen. „Wenn wir die Geschichte hochsetzen auf 18 Jahre und nicht nur unsere sexuellen Handlungen, sondern auch unsere Körper sehr genau beschrieben werden, dann wäre das für dich doch ein toller Ansporn, mal ein paar Pfunde abzunehmen.“
„WIE BITTE?“
„Ich sagte …“

Er hörte nur noch, wie die Küchentür hinter Hermine zuknallte. Es folgten Schritte, die nach oben zum gemeinsamen Schlafzimmer führten, wo abermals eine Tür knallte. Severus schloss die Augen und seufzte. Für heute Abend hatte er eine fantastische Sexszene ausgetüftelt, nur für sie und ihn. Das konnte er jetzt offenbar vergessen. Gedanklich notierte er, besonders bei Frauen keine Scherze mehr über das Gewicht machen zu dürfen.

Ein schlechtes Gewissen hatte er nicht, als er nach oben ging und an die Tür klopfte. Er war Severus Snape. Seine Stärke war sein Sarkasmus, doch auf den musste er jetzt verzichten, wenn er Hermine beschwichtigen wollte. Seine Schwäche war nun gefragt und die war … Er dachte angestrengt nach. Man musste nicht den letzten Band gelesen haben, um zu wissen, dass er bei dem Thema „Lily“ Rotz und Wasser heulen würde. Solche Informationen bekam man in Online-Lexika und in HP-Foren. Also dachte Severus an Lily und ihr wunderschönes dunkelrotes Haar, an ihr Lächeln und die Freundschaft, die sie ihm geschenkt hatte und – das sollte ihm den Rest geben – an ihren Tod.

Ein winziges Tröpfchen quetschte sich in elender Qual aus dem unteren Tränenpünktchen des rechten Auges. ‚Komm schon, Severus, das kannst du aber besser.‘ Mehr Gedanken an Lily fluteten seinen Geist. Er sah vor seinem inneren Auge, wie sie lachte, wie sie das erste Mal erfuhr, eine Hexe zu sein und wie sie zum Abschlussball Hand in Hand mit Potter …

Zorn breitete sich in ihm aus. Wäre Lily nicht in unzähligen Fanfictions wiedererweckt worden, dann könnte er ihren Tod noch immer betrauern. Stattdessen hüpfte sein rothaariger Engel von einer Rumtreiber-Geschichte in die nächste. Oder sogar von Potters Bett in Blacks – genau wie in der 18er-FF, die er erst letzte Woche zähneknirschend gelesen hatte. Resignierend ging er zurück in die Küche und griff zu altmodischen Mitteln: einer halben Zwiebel, die er sich dicht vor die Augen hielt.

Nicht nur mit tränenden, sondern auch mit brennenden Augen ging er nochmals hinauf. Er klopfte und schniefte dabei absichtlich laut, damit sie auf ihn aufmerksam wurde. Tatsächlich öffnete sie die Tür. Frauen waren so berechenbar, dachte er hämisch. Der Anblick von weinenden Männern erweichte ihr Herz. Immer.

„Hast du dir etwa wieder eine Zwiebel unter die Augen gehalten?“
Verdammt, ertappt. „Ich …“ Eine Lüge wäre falsch. Sie würde das sofort erkennen. „Ja.“
„Na, zumindest bist du ehrlich. Manchmal vielleicht etwas zu ehrlich.“ Sie spielte auf seinen Fauxpas mit dem Gewicht an.
„Das war nur ein Scherz, Hermine.“
„Ein Scherz über mein Aussehen. Und das gerade von dir!“
„Was soll das wieder heißen?“ Provozierend zog sie eine Augenbraue in die Höhe und betrachtete dabei sein Haar. „Die kann ich waschen“, rechtfertigte er sich.
„Warum tust du es denn nicht endlich mal?“
„Und warum kämmst du deine nicht? Musst du immer wie ein geplatztes Sofakissen aussehen?“

Oh Merlin, nein, dachte er, er tat es schon wieder. Seine Vorliebe für beißenden Spott musste er unbedingt im Zaum halten.

„Gehen die Beleidigungen jetzt weiter, ja?“, zischte sie eingeschnappt. Er bemerkte, dass ihr Blick auf seine Nase fiel. Nun war er verloren. „Was ist mit dem riesigen Gesichtserker?“, giftete sie ihn an. „Hast du dafür überhaupt eine Baugenehmigung erhalten?“
„Ich finde, jetzt gehst du wirklich zu weit, Hermine.“
„Warum? Das habe ich von dir! Schmeckt dir wohl nicht, mal etwas von der eigenen Medizin zu nehmen?“
„Ich bin eigentlich hergekommen, um mich bei dir zu entschuldigen, aber wie es aussieht, ist einer von uns beiden nicht dazu in der Lage, eine Differenz auf vernünftiger Ebene zu bereinigen.“ Kühl wandte er sich von ihr ab. „Ich werde besser später wiederkommen.“
„Severus!“ Er hörte ihre Schritte, spürte eine Hand auf seiner Schulter. „Severus, bitte bleib.“ Mit einem Mal war sie wieder sanft. „Können wir nicht wegen dieser 18er-Geschichte einen Kompromiss schließen?“ Jetzt hatte er sie. „Wir könnten Oneshots erarbeiten und die mit einem Passwort versehen. Dann ist mein Gewissen wenigstens beruhigt, dass Kinder das nicht lesen.“
„Oh Hermine, du bist so klug“, war sein irrelevanter Übergang zu einem intensiven Kuss, für den er sie fest an sich drückte.

Severus, noch immer im Nachthemd, spürte Hermines Hände an seinen Schenkeln. Langsam zog sie das Nachthemd hinauf, bis sie seine nackte Haut berühren konnte. Zaghaft und so schamhaft wie eine Jungfrau tastete sie nach seiner Männlichkeit, das Ziel immer fest vor Augen.

~ * ~

Nach einer anstrengenden Nacht lagen sich Harry und Draco in den Armen. Den heutigen Tag wollten sie in Ruhe …

„Halt! Moment mal“, zeterte Severus. „Das ist genau das, was ich vorhin meinte. Wieso wird jetzt schon bei uns abgeblendet? Hermine hat ihn ja noch nicht mal angefasst. Ich will mehr Szenen haben!“
„Severus!“ Allein mit der harschen Nennung seines Namens wies Hermine ihn zurecht. „Du kannst nicht einfach mir nichts, dir nichts in eine andere Szene hüpfen und dir Luft machen.“
„Warum denn nicht? Es heißt doch immer, in Fanfictions sei alles möglich. Ich verlange sexuelle Befriedigung und von mir aus darf dabei auch jeder zusehen!“
„Ich will das aber nicht. Das Thema hatten wir vorhin schon. Ich dachte, dir gefällt der Vorschlag mit den Oneshots?“
„Ich möchte etwas Zusammenhängendes und nicht immer nur einzelne Geschichten.“
„Trotzdem kannst du nicht einfach schalten und walten, wie es dir gerade passt. Komm jetzt zurück und warte auf unsere neue Szene.“
„Ich will doch nur etwas mehr Sex“, wimmerte er. Severus war am Boden zerstört.
Sie rollte mit den Augen. „Herrje, kannst du wirklich immer nur an Sex denken?“
„Ich bin ein Mann!“, war die alles erklärende Antwort. „Hermine, du scheinst nicht zu verstehen. Immer, wenn wir kurz davor sind, es zu tun, wird einfach abgeblendet. Ich habe mittlerweile das Gefühl, mir platzen jeden Moment die Hoden.“
„Wir gehen jetzt zurück und schreiben einen Oneshot. Damit verschaffen wir die wenigstens etwas Erleichterung. Nun komm schon.“

Langsam zog Hermine ihn wieder zurück in ihre Szene, um den Übergang nicht weiter zu stören.

~ * ~

Nach einer anstrengenden Nacht lagen sich Harry und Draco in den Armen. Den heutigen Tag wollten sie in Ruhe …

„Darf ich nochmal stören?“, fragte Severus kleinlaut. Hermine versuchte gar nicht erst ihn aufzuhalten. „Ich wollte nur wissen, warum es unbedingt mathematischen Zeichen sein müssen, mit denen die Szenenübergänge gekennzeichnet werden. Tilde, Sternchen, Tilde“, er schnaufte, „was soll der Blödsinn?“
„Die Tilde“, verbesserte Hermine mit lehrerhafter Stimme, „stellt durchaus ein Satzzeichen dar.“
„Aber lediglich eines, das ein phonetisches Nasal kennzeichnet.“ Bei dem Wort Nasal blickte sie automatisch auf seine Hakennase, was er sich mit zusammengekniffenen Augen verbat.
„Wie soll der Autor denn sonst den Übergang kennzeichnen, Severus?“
„Er könnte ihn mit Worten beschreiben. Das geht in anderen Fanfictions doch auch“, hielt ihr Severus vor Augen. „Aber wenn es hier nicht möglich sein sollte, dann wäre es rein optisch viel schöner, wenn sie wenigstens zentriert wären.“ Er wandte sich an den Autor. „Mittig, Sie verstehen?“

~ * ~


Nach einer anstrengenden Nacht lagen sich Harry und Draco in den Armen. Den heutigen Tag wollten sie in Ruhe …

„Ah, schon besser.“
„Severus! Wie soll der Szenenübergang funktionieren, wenn du dich ständig in den Mittelpunkt rückst?“
„Ich bin ein überaus interessanter Charakter in den Büchern. Ich habe das Recht dazu, ein wenig Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen.“
„Ja, schon gut, aber können wir jetzt bitte mit Harry und Draco weitermachen? Wir kommen später nochmal und ich verspreche dir, dass es sich lohnen wird – auch für dich!“
„Haben wir nachher detaillierten Geschlechtsverkehr?“

Kommentarlos zog Hermine ihn zurück und …

„Wenn ich es mir recht überlege“, er befreite sich aus ihrem Griff, „gefällt mir Tilde, Sternchen, Tilde überhaupt nicht. Wie wäre es mit HG/SS, mehrmals hintereinander? Damit kann man den Orts- und Szenenwechsel auf jeden Fall erkennen.“

HG/SS – HG/SS – HG/SS

„So ist’s gut, jetzt noch zentriert.“

HG/SS – HG/SS – HG/SS


Manipulierbare FF-Autoren könnte er später noch für seine Zwecke missbrauchen, dachte er tückisch, als er die neue Buchstabenkombination betrachtete.

„Fabelhaft!“, schwärmte Severus, bevor Hermine kurzerhand ihr Oberteil anhob, damit er sein Interesse an Szenenübergängen verlieren würde und der Autor nach seinem Ermessen weitermachen durfte.

HG/SS – HG/SS – HG/SS


Nach einer anstrengenden Nacht lagen sich Harry und Draco in den Armen. Den heutigen Tag wollten sie in Ruhe beginnen, was leider nicht möglich war, weil sie durch Severus’ Gejammer über seinen Wunsch nach befriedigendem Sex und der Diskussion über Szenenwechsel geweckt worden waren.

„Snape hat echt ’nen Knall“, murmelte Harry in das Ohr seines Liebhabers, bevor er daran knabberte. „Und mir gefällt der Szenenübergang nicht. Ich bin für HP/DM und das ganz oft hintereinander.“
Draco stöhnte. „Fang du auch noch mit solchen Belanglosigkeiten an und ich schreibe mir meinen eigenen Tod.“
„War doch nur Spaß. Lass uns wieder etwas IC werden und dann kann es weitergehen.“
Mit einem Ellenbogen stützte sich Draco ab. Er blickte zu Harry hinunter und sagte bierernst: „Wir werden als homosexuell dargestellt, Harry. Wir können gar nicht in character sein, so sehr wir uns auch anstrengen.“
Harry überlegte einen Augenblick, bevor er zaghaft den Kopf schüttelte. „Nein, ich teile deine Ansicht nicht. Wir können wenigstens versuchen, unser charakterliches Wesen zu behalten. Dann wären wir IC, so wie uns jeder kennt.“
„Es tut es mir aufrichtig leid, dass ich das jetzt sagen muss, aber sollten wir beide unser charakterliches Wesen beibehalten, dann, mein lieber Harry, würde ich dich hassen. Du erinnerst dich? Im Canon kann ich dich nicht ausstehen!“ Harry schmollte, während Draco anfügte. „Und du mich auch nicht.“
Mit einer Hand deutete Harry lax auf das Bett mit seinen zerrütteten Decken. „Und wie sind wir dann hier gelandet?“
„Auf dem gleichen Weg wie neulich, als ich mit Filch …“ Draco hielt inne und schluckte, bevor er den Satz überdachte und neu begann. „Jemand hat uns geschrieben, deshalb.“ Bevor Harry nachfragen konnte, was mit Filch gewesen war, lenkte Draco vom Thema ab. „Überleg dir lieber, was wir meinem Patenonkel zum Geburtstag schenken.“ Liebevoll strich er seinem ehemaligen Rivalen eine Strähne von der Stirn und bemerkte dabei, wie diese in Falten lag.
Verwundert fragte Harry nach. „Dein Patenonkel? Wer soll das sein?“
„Severus natürlich.“
„Echt? Das ist aber auch nicht gerade Canon.“
„Du hast einen Patenonkel“, Draco schmollte kindisch und fuhr mit dem Zeigerfinger über Harrys Brust, „und da wollte ich auch einen haben.“
„Du hast doch deine Tante Bellatrix. Wäre viel logischer, wenn sie …“
Empört unterbrach Draco ihn. „Sag mal, hast du die Bücher nicht gelesen?“
„Ich war die Hauptperson!“
„Dann weißt du, was sie für ein Mensch ist. Die Frau ist selbst mir unheimlich und ich bin mit ihr verwandt! Also hör mir auf mit Bellatrix. Severus ist mir als Patenonkel wesentlich sympathischer.“
Mit breitem Grinsen gab Harry ihm einen Kuss. „Du bist mir vielleicht einer. Dich einfach gegen den Canon auflehnen.“ Er machte ein schnalzendes Geräusch mit seiner Zunge.
„Es herrscht sowieso viel zu viel Tohuwabohu um Canon oder nicht Canon. Ich finde das albern.“ Dracos Hände wanderten enthusiastisch über Harrys Oberkörper. „Ich habe nachgelesen. Canon ist nur all das, was der Originalautor schreibt. Die gesamte Fanfictionwelt ist automatisch non-canon. Man kann sich zwar so gut wie möglich an die Bücher halten, aber wird man nie Canon produzieren.“
„Aber warum nicht, wenn man sich so genau an den Canon hält?“, fragte Harry naiv, betrachtete dabei Dracos Finger, wie der sich an seinem Brusthaar zu schaffen machte.
„Weil alles, was nicht in den Büchern steht, non-canon ist. Alles, ohne Ausnahme. Wenn sich trotzdem eine Meinung etabliert, dann nennt man das Fanon.“
Mit müden Augen blickte Harry auf seinen Wecker. „Ich glaube, es ist mir für so ein Gespräch noch zu früh. Ich komme nicht ganz mit.“
„Das ist doch aber alles ganz einfach. Jeder Leser interpretiert Informationen aus den Büchern anders. Wenn mehrere Fans aus bestimmten Szenen oder Dialogen das Gleiche herauslesen und in ihren Geschichten verarbeiten, dann ist das Fanon: ein Fakt, den Fans durch eigene Spekulationen erdacht haben, weil sie ihn für wahrscheinlich halten.“ Die flache Hand presste Draco auf die Stelle, an der Harrys Herz schlug. „Es gibt Fanon-Aspekte, die sich später in den Büchern sogar bewahrheitet haben.“
„Wirklich? Zum Beispiel?“
„Dass Severus in deine Mutter verschossen war.“ Draco grinste, als Harry die Nase rümpfte. „Spätestens ab der Denkariumszene hat man das geglaubt und schwups, im letzen Buch kam die Erleuchtung. Es war wahr! Fanon wurde zu Canon. Der Traum eines jeden FF-Autors, weil seine alte Geschichte sich ohne jede Änderung weiter an die Vorlage hält. Sowas kam selten vor, aber es kam vor.“
„Und die Sachen, die nicht wahr wurden, die sind weiterhin Fanon?“
„Exakt!“
„Warum regen sich die Leute überhaupt so darüber auf?“
Sofern es in seiner Position überhaupt möglich war, zuckte Draco mit den Schultern. „Sie haben nichts anderes zu tun. Ich meine, das Netz ist so überfüllt mit Fanfiction, da muss man sich nicht an der einen aufziehen, in der die Farbe vom Flohpulver blau und nicht grün beschrieben wird, wie es im Buch steht.“
„Über sowas regen sich die Leute auf?“
„Unter anderem, ja. Und natürlich über Pairings. Über uns zum Beispiel. Entweder man liebt uns oder man hasst uns.“
„Warum?“
Draco seufzte theatralisch. „Zunächst einmal gehören wir zur Kategorie Slash.“ Weil Harrys Stirn sich wieder kräuselte, erklärte er: „Ursprünglich war Slash nur die Bezeichnung des Schrägstrichs, den man auf der Tastatur über der Nummer 7 sieht.“
„Und was bedeutet Slash bei Fanfiction?“
Mit einem Schmunzeln auf den Lippen wollte er Harry weismachen: „Erstens werden damit die Paare mit ihren Initialen getrennt, damit man weiß, wer das Paar darstellt.“
„Ach, verstehe!“ Harry nickte. „Deshalb wollte Severus, dass sie Szenenübergänge mit HG/SS gekennzeichnet werden.“
„Genau, aber es hat noch eine andere Bedeutung.“ Draco musste sich im Zaum halten, nicht laut loszulachen. „Das Slash-Zeichen ist ein unauffälliges Piktogramm, das für einen erigierten Penis steht.“
Harry riss seine Augen ganz weit auf. „Ehrlich?“
„Wenn ich’s doch sage!“ Es machte Draco immer viel Freude, Harry auf den Arm zu nehmen. „Allein schon die Form.“ Mit seinem Zeigefinger imitierte er ein männliches Geschlechtsteil, das immer weiter anschwoll und sich aufrichtete, bis es genauso schräg stand wie das Slash-Zeichen. „Siehst du?“
„Das habe ich nicht gewusst.“
Gemütlich kuschelte sich Draco an seinen Lebensgefährten. „Bei Draco“, sagte er beinahe singend, „da kann man noch was lernen.“ Draco zog die Decke hoch und deckte Harry und sich zu. „Und nun lass und noch etwas schlafen, bevor wir uns Gedanken über Severus’ Geschenk machen.“
„Dein Fanon-Patenonkel“, scherzte Harry.
„So ist es.“

HG/SS – HG/SS – HG/SS


„Ich habe ein Geschenk für dich, Severus.“ Hermine strahlte über das ganze Gesicht. „Etwas, das du dir schon immer gewünscht hast.“
„Sex?“
„Jetzt hör aber mal damit auf!“, schimpfte Hermine, woraufhin er mit den Augen rollte. „Für dein Geschenk musst du zur Heulenden Hütte gehen und …“
„Wenn das was mit Lupin zu tun hat“, brummte er skeptisch, „dann vergiss es!“
„Hat es nicht, versprochen.“
Severus haderte mit sich. „Ich mag Überraschungen nicht.“
„Die wirst du mögen. Die Geschichte, die ich für dich schreiben werde, kommt von Herzen.“
Er würde sich ja doch nicht drücken können, dachte er. „Wann muss ich da sein?“
„Beim nächsten Szenenwechsel. Bist du bereit?“

Severus nickte und war angetan davon, dass der Szenenwechsel diesmal weder durch mathematische Zeichen noch durch Pairing-Kürzel stattfand, sondern schlichtweg beschrieben wurde, wenn auch sehr plump. Hermine hatte sich an ihren Laptop gesetzt und mit dem Tippen begonnen. Im nächsten Moment befand er sich schon in der Heulenden Hütte.

Als Severus hier auch noch auf Sirius traf wusste er, dass Hermine seinen größten Traum verwirklichte. Sie schrieb ihm eine Geschichte, in der er seinen alten Gegner aus Schultagen endlich mit bloßen Händen töten durfte. Erwähnte Hände hob Severus voller Enthusiasmus, als er sich dem verwirrten Mann näherte.

„Severus? Wie kommst du hier her und warum bin ich hier?“
„Endlich darf es wahr werden. Ich werde dich töten! Sprich deine letzten Worte und bereite dich auf die Reise ins Jenseits vor“, sprach Severus mit vor Aufregung bebender Stimme.
„Meine letzten Worte? Wie wär’s mit: Schniefelus hat jetzt endgültig seinen Verstand verloren?“ Sirius grinste breit, denn er konnte nicht wissen, wie sein Schicksal verlaufen würde. Hermine wusste es und sie schrieb und schrieb – und Severus führte all die von ihr geschriebenen Handlungen aus.
„Nimm die Sache ein wenig ernster, Black!“
„Warum sollte ich?“ Sirius stieß sich von der Wand ab, an der er aus dem Nichts materialisiert war und schaute sich in der Heulenden Hütte um. Mit einem Finger berührte er ein Buch, ließ aber wegen des zentimeterdicken Staubs schnell davon ab. „Puh, hier müsste mal saubergemacht werden.“ Er ging hinüber zum Fenster.
„Bleib endlich stehen, du Hund!“, forderte Severus gereizt.

Er hatte sich Blacks Tod schneller vorstellt. Andererseits wusste er von Hermines Detailfreudigkeit. Letztendlich würde auch er mehr davon haben, wenn er sich an einem realistisch beschriebenen Ende Blacks ergötzen könnte. Es war immerhin ihr Geburtstagsgeschenk an ihn.

„Sag mal, Severus“, Sirius warf ihm einen skeptischen Blick hinüber, „bin ich nicht tot? Irgendwie habe ich da ein so merkwürdiges Gefühl …“
„Keine Sorge, das regeln wir gleich und jetzt bleib stehen.“

Mit wenigen Schritten hatte Severus sein Opfer erreicht, das er nun gegen die Wand presste. Seine zitternden Hände fanden den schlanken Hals. Noch presste Severus nicht stark genug zu, so dass Black noch immer reden konnte.

„Was ist denn nun los?“, stutzte Sirius.
„Die Zeit ist gekommen! Die Schindereien von dir und deinen Freunden werden nun gerächt. Bereite dich auf deinen Tod vor, denn ich werde dein Licht auslöschen. Bete zu deinem Hundegott oder wimmere von mir aus um dein Leben. Nichts wird mich davon abhalten, dich zu töten, denn ich bin ein fruchtbarer Mann!“
Skeptisch kniff Sirius die Augen zusammen. „Sag mal, was für eine Art Geschichte soll ’n das werden?“
„Was?“
„Ich frage nur, weil du eben meintest, du wärst ein fruchtbarer Mann.“
„Lenk nicht ab!“, zeterte Severus. „Ich sagte, ich wäre ein furchtbarer Mann und nichts anderes.“
„Von wegen …“ Sirius schnaufte. „Meine Ohren sind noch sehr gut. Warum hast du eigentlich noch nicht zugedrückt?“ Er blickte an sich herab und betrachtete Severus’ vom vielen Tränkebrauen gelblich verfärbten Finger. „Würg mich doch endlich mal, wenn du es ernst meinst oder wird es doch anders enden?“ Im Raum fiel Sirius’ Blick auf einen besonderen Gegenstand, der seine ganze Aufmerksamkeit erhielt. „Schon aufgefallen, Severus, das das einzig saubere Möbelstück in diesem Zimmer das Bett ist?“ Erschrocken ließ Severus von Black ab und wandte sich, um sich von dieser Aussage selbst zu überzeugen.
„Das …“ Ihm fehlten die Worte. „Wann geht endlich die Geschichte weiter?“, fragte er sich selbst. Hermine musste in diesem Moment dabei sein, sich ein schönes Mordszenario auszudenken und deshalb hing er mit Black hier fest – ohne Plan, wie es weitergehen sollte.
„Ich wusste es!“, rief Sirius triumphierend und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. „Du bist doch von der anderen Bahnsteigkante.“
„Das ist überhaupt nicht wahr!“, verteidigte Severus seine sexuellen Neigungen.
„Warum sagst du mir dann ins Gesicht, du wärst ein fruchtbarer Mann? Ha, das war ja nun wirklich mehr als eindeutig.“
Nervös fuhr sich Severus mit einer Hand durch die fettigen Haare. Er war nicht homosexuell! Er pimperte doch mit Hermine. „Es kann sich dabei nur um einen Tippfehler handeln. Ich bin furchtbar, nicht fruchtbar.“
„Ah, Probleme mit der Potenz? Ich wette, dagegen gibt es Zaubertränke“, stichelte Sirius.
„Halt die Klappe, du blöde Töle!“

Hilflos sah sich Severus im Zimmer um. Sirius behielt Recht. Das Bett war im Gegensatz zur restlichen Inneneinrichtung sauber und schön hergerichtet. Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als sich Severus vor Augen hielt, was Hermine gern las: Slash!

„Bitte nicht, bitte nicht, bitte nicht“, murmelte er wie ein Mantra vor sich her, womit er Sirius’ Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Was ist los?“
„Ach, nichts“, winkte Severus vorgetäuscht gelassen ab, obwohl er jeden Moment damit rechnete, dass der Mann ihm um den Hals fiel und aufs Bett zerrte. Das würde Hermine nicht tun, hoffte er. „Hermine wird nur an einer kleinen Schreibblockade zu knabbern haben“, winkte er ab. „Nichts Schlimmes. Sie wird sich schnell wieder fangen.“
„Dann schreibt Hermine über uns?“ Sirius begann zu lachen. „Wie ich dieses Frieden liebende Mädchen kenne, wird sie uns Hand in Hand über eine Blumenwiese schlendern lassen.“
„Du kennst sie offenbar überhaupt nicht. Sie …“ Er verkniff sich, auf ihre Vorliebe zu reden zu kommen. „Ich nehme an, sie ist momentan abgelenkt, also“, Severus setze sich aufs Bett, „warten wir, bis es weitergeht.“
„Im Ernst? Einfach warten?“

Severus nickte. Und er betete.


Fortsetzung folgt.
Zuletzt geändert von John Xisor am Sa 21 Mai, 2011 02:40, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitragvon Wehwalt » Di 17 Mai, 2011 00:25

Oh schön. Hab gerade keine Zeit, aber allen, die auf Empfehlungen überhaupt reagieren, sei gesagt: "Three Characters" ist eine der intelligentest-abgefahrenen FFs, die je ins Forum kamen.
Freue mich schon auf dieses Sequel.
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irm63
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Beitragvon irm63 » Di 17 Mai, 2011 00:52

*Lach*

Das war köstlich. Vor allem die FSK-Diskussion und der mehrfache Szenenwechsel zu HP/DM waren rundum gelungen.

Jetzt warte ich mal ganz entspannt auf die Fortsetzung, wobei ich allerdings hoffe, dass Snapes Gebete erhört werden. :wink:
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John Xisor
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Beitragvon John Xisor » Fr 20 Mai, 2011 15:47

Hallo Wehwalt,

die Idee zur Fortsetzung hatte ich schon nach dem Oneshot. Jetzt, wo ich wieder einigermaßen Zeit habe, kann ich endlich weitermachen. Ich finde schön, dass „Three Characters“ so einen guten Eindruck bei dir hinterlassen hat :)

Hallo Irm,

eine ähnliche Diskussion gab es bei „Three Characters“, aber nicht unbedingt über FSK, sondern allgemein über FF-spezifische Begriffe wie „Slash“, „Lime“ und „Lemon“. Es soll FF-Autoren geben (mir ist noch keiner untergekommen), die Sexszenen nur einfügen, um mehr Leser zu bekommen. Das wäre wohl ganz in Snapes Sinn.
Deine Hoffnungen werden bestimmt auf die ein oder andere Weise erfüllt werden ;)

Liebe Grüße
Muggelchen




The Net


Während Severus und Sirius in der Heulenden Hütte auf die Fortsetzung der Fanfiction warteten, stöberte Hermine im Internet, um nachzusehen, ob es „Furcht erregend“ geschrieben wurde oder „furchterregend“. Wenn sie schon eine Fanfiction für jedermann lesbar online stellte, wollte sie so wenig Rechtschreibfehler wie nur möglich machen. Das Schlimme war jedoch, dass sie sich von Diskussionen zum Thema Sprache gern ablenken ließ. Noch immer stöberte sie auf einer Korrektur-Seite – nur gefühlte fünf Minuten, doch in Wirklichkeit war längst eine Stunde vergangen. Erst das knisternde Geräusch des Kamins hielt ihr vor Augen, wie viel Zeit vergangen war. Per Flohnetzwerk hatte sich Harry gemeldet. Sein Kopf erschien im Feuer. Der Oberkörper war unbekleidet und Hermine dankte Merlin dafür, dass sie nicht mehr sehen musste.

„Harry, wie geht’s?“
„Danke, gut. Und selbst?“
Sie lächelte. „Alles bestens.“
„Sag mal, ist Severus da?“
Ihr ging ein Licht auf. „Ah, ihr wollt ihm zum Geburtstag gratulieren?“
„Ähm …“ Er druckste herum. „Eigentlich wollte ich sicherstellen, dass er nicht da ist. Wir möchten nämlich wissen, ob er sich etwas Bestimmtes zum Geburtstag wünscht.“
„Ein bisschen spät dafür, sich jetzt erst Gedanken zu machen oder?“
„Wenn man achtzig Prozent der gesamten Fanfiction im Bett verbringt, ist es nicht so leicht, mal unter Leute zu kommen. Ich kann nichts dafür, Hermine. Man hat mich so geschrieben.“
„Von wegen … Ich glaube eher, man hat dich mit achtzig Prozent weniger Hirnschmalz geschrieben. Ihr geht beide keinem Beruf nach. Da müsste ein bisschen Zeit drin sein, um sich Gedanken über ein Geburtstagsgeschenk zu machen, vor allem wenn man bedenkt, dass dein blonder Stecher Severus’ Patensohn ist.“
Harry winselte wie ein Hund, den man ausgeschimpfte, weil er auf den Teppich uriniert hatte. „Es tut mir leid, ich möchte es ja wieder gut machen. Hast du einen Tipp für mich?“
Einmal atmete Hermine tief durch, um sich zu beruhigen. „Einen Gutschein von Borgin & Burke's kann er immer gebrauchen.“
„Oh danke, Hermine!“ Harry klang tatsächlich erleichtert. „Wo ist Severus eigentlich?“
„Ich …“ Sie überlegte, ob sie von ihrem ganz persönlichen Geschenk an Severus überhaupt jemandem erzählen sollte. Harry war ihr Freund. Bei ihm wäre die Information bestimmt sicher aufgehoben. „Ich erfülle ihm einen Wunsch und schreibe gerade eine Fanfiction mit ihm, die er live erlebt.“
„Wow, Hermine! Hätte nicht gedacht, dass du ihm tatsächlich einen flotten Dreier mit Madam Rosmerta und Narzissa …“
„Bitte?“, unterbrach Hermine sichtlich schockiert.

Harry konnte sich noch gut an die letzte Party bei den Malfoys erinnern, bei der Severus ein wenig über den Durst getrunken hatte. Der Tränkemeister war nicht aufzuhalten und plauderte seine gut gehüteten Geheimnisse aus und das ganz ohne Veritaserum. Draco und er hatten danach mit dem Gedanken gespielt, für Severus diesen Traum wahr werden zu lassen, doch sie nahmen Abstand von der Idee, weil sie Hermine nicht kränken wollten.

„Äh, ich meine, ich weiß nicht“, korrigierte Harry seine Vermutung. „Was für ein Wunsch könnte das wohl sein? Gibst du mir einen Hinweis?“
„Nein!“, sagte sie sauer. „Und jetzt lass mich in Frieden, ich habe noch zu tun!“

Als Harry die Verbindung übers Flohnetzwerk trennte, hörte er noch die Namen der beiden eben erwähnten Damen, und das, was Hermine wütend murmelte, beinhaltete die Tätigkeit Hals umdrehen.

„Ich glaube, Hermine ist sauer auf mich“, sagte Harry, drehte sich dabei zu Draco und kratzte sich an der nackten Hüfte.
„Ich würde es ebenfalls nicht gern sehen, solltest du mit jemand anderem …“ Draco warf Harry einen finsteren Blick zu, der bedeutete, er sollte nicht einmal an andere Partner denken. „Sie schreibt also eine Fanfiction für Severus?“
„Ja, sieht so aus.“
Draco spitzte die Lippen, ließ sich derweil einiges durch den Kopf gehen. „Weißt du, wie ihr Username im Internet ist?“
„Sie hat mal was erwähnt. Warte mal …“ Diesmal grübelte Harry nach. „Sie sagte, ihr Name wäre in sämtlichen Variationen nicht mehr zu haben, also hat sie sich Herminebärchen genannt.“
Draco schnaufte belustigt. „Höre ich da richtig? Herminebärchen? Ich glaube, mir wird schlecht.“
„Alles andere war schon vergeben, ehrlich! Sie hat’s mir gezeigt.“
„Ich kann einfach nicht glauben, dass so viele Leute Hermine Granger heißen sollen.“
„Tun sie auch nicht“, beteuerte Harry. „Du vergisst aber, dass meine Bücher sehr bekannt sind.“
„Es sind nicht deine Bücher“, hielt Draco dagegen, doch Harry überhörte ihn geflissentlich.
„Und die ganzen Leuten aus den Büchern, also wir alle, sind so beliebt, dass die Fans sich im Internet so nennen wie wir heißen. Ist das nicht toll?“
„Das ist nicht dein ernst?“, fragte Draco perplex nach. „Wenn ich mir jetzt auf einer beliebigen Fanfiction-Plattform einen Account erstellen möchte, dann muss ich damit rechnen, dass Draco Malfoy gar nicht mehr frei ist?“ Harry schüttelte den Kopf. „Aber mein Name ist einzigartig!“
„Nicht nur der wird bereits vergeben sein. Auch sämtliche Abwandlungen.“ Harry zählte auf. „Draco Malfoy mit Bindestrich, mit Unterstrich, mit sonst welchen Sonderzeichen oder Zahlen vor, mitten oder nach dem Namen. Sogar Malfoy junior wird’s nicht mehr geben.“
„Das wird Daddy aber gar nicht gefallen“, sagte Draco mit ernster Miene. „Er hat sich meinen Namen damals urheberrechtliche schützen lassen. Ich werde ihn gleich mal anflohen. Dann kann er einigen Muggeln mit seinem Anwalt auf ganz legale Weise den Hintern aufreißen!“
„Ähm, ich glaube, das ist weder mit dem Abkommen zur Geheimhaltung der Zauberei noch mit dem Muggelschutz-Gesetz vereinbar, Draco.“
„Ach ja? Woher willst du das wissen?“
„Weil ich nicht vollkommen verblödet bin.“

In Sekundenschnelle dachte Draco darüber nach, dem Nebenplot mit Harry und ihm durch einen Streit noch ein bisschen Drama zu verpassen, bis er zu der Ansicht kam, dass er ihren eigenen Handlungsstrang nicht überstrapazieren durfte. Von einem Streitgespräch sah er daher ab. Je weniger die Leser von Harry und ihm erfuhren, desto besser.

„Hast du mal Fanfiction gelesen?“, wollte Draco plötzlich wissen.
Harry stemmte die Hände in die Hüfte und legte den Kopf schräg. „Als Hermine erzählte, sie würde regelmäßig Fangeschichten lesen, hab ich auch mal welche versucht. Sind ein paar gute dabei. Gibt aber auch eine Menge Schund da draußen.“
„Hast du auch mal welche geschrieben?“
„Nein, du?“
Ein fieses Grinsen legte sich über Dracos Gesicht. „Sicher!“
Die Information erstaunte Harry. „Warum hast du mir das nie erzählt?“
„Ich habe nie welche veröffentlicht. Ich schreibe sie nur für mich.“ Draco schlenderte zu einem Schrank hinüber, öffnete ihn und nahm ein Laptop heraus. „Hier.“
„Du bist im Netz?“
Mit vorwurfsvollem Blick fragte Draco: „Sag mal, Harry: Wie lange leben wir jetzt zusammen?“
„Hey, ich weiß nicht einmal, wie unser normaler Alltag aussieht. Immer, wenn man zu uns überblendet, liegen wir im Bett und kuscheln.“
„Ist dir schon mal aufgefallen, dass wir in diesem Moment eine sinnvolle Unterhaltung miteinander führen? Sie beinhaltet sogar andere Dialoge als Ja, Draco, tiefer. Härter, härter. Besorg’s mir!
Harry wurde knallrot im Gesicht und suchte nach einer Erklärung. „Vielleicht ist das hier nur eine verworfene Szene?“
„Nein, dazu ist sie viel zu detailliert geschrieben. Das gehört zur Fanfiction. Ich frage mich nur, warum? Was für eine Rolle spielen wir? Warum schenkt man uns plötzlich so viel Aufmerksamkeit, wenn doch alles darauf hindeutet, dass wir beide momentan nicht in Stimmung sind?“
Harry musterte sein unbekleidetes Gegenüber von oben bis unten und grinste frech. „Ich bin immer in Stimmung.“

Seinen Liebhaber konnte er damit nicht aufheitern. Zwei Falten auf der bleichen Stirn zeigten, dass Draco angestrengt nachdachte. Plötzlich glättete sich seine Stirn.

Draco hob einen Finger und rief: „Ich hab’s! Man traut uns offenbar auch andere Dinge zu, als nur Körperflüssigkeiten auszutauschen.“
„Mmmh“, summte Harry. „Dann zieh ich mir mal was über.“ Er stand vom Bett auf und sah sich um, bevor er irritiert zu Draco schaute. „Haben wir eigentlich irgendwelche Kleidung?“
„Wen interessiert das?“, blaffte Draco ihn an. „Wir haben Schränke! Du kannst nur hoffen, dass man auch etwas in die Schränke hineingeschrieben hat.“ Draco selbst ging ein paar Mal im Zimmer auf und ab, während er laut kombinierte: „Wir müssen etwas Bedeutendes mit dem Plot mit Hermine und Severus zu tun haben. Vielleicht sogar mit der Geschichte, die sie schreibt.“ Er wandte sich an Harry, der gerade eine schwarze Lederhose beäugte, als wäre sie ein außerirdisches Artefakt. „Harry, um was ging es nochmal in der Geschichte, die Hermine für Severus schreibt?“
„Hat sie nicht verraten.“ Harry drehte sich zu Draco und hielt die Hose in die Höhe, bemerkte erst jetzt, dass der Stoff rund ums Gesäß fehlte. „Ist das deine?“
Draco rümpfte die Nase. „Nein. Und dir steht sowas auch nicht. Besser du bleibst nackig.“

Die Lederhose warf Harry zurück in den Schrank. Über die String-Tangas, essbaren Unterhöschen und das umfangreiche Repertoire an Sexspielzeug verlor er lieber kein Wort. Was für ein perverser Autor, dachte er abschätzig.

„Ich könnte mir ein Handtuch umwerfen.“ Draco schien nicht hinzuhören, so dass Harry mit sich selbst sprach. „Ich könnte auch Dobby rufen und um Hilfe bitten.“
Mit einem lauten Knall erschien der Hauself. „Harry Potter hat Dobby gerufen?“
„Dobby?“ Die Wiedersehensfreude war groß. Harry ging in die Knie. Vor dem Elf war ihm seine Blöße nicht unangenehm. „Wie geht es dir? Siehst etwas ausgezehrt aus.“ Schmutzig war der Elf auch. War das eine Platzwunde über dem Auge?
„Dobby hilft gerade, die Schule gegen Todesser zu verteidigen.“
Harry fiel aus allen Wolken. „Was?“
„Voldemort ist zurück“, sagte der Elf, „und Dobby kämpft gegen …“
Trotz seiner Nacktheit sprang Harry auf und war in Alarmbereitschaft. „Draco, hast du das gehört? Ich muss sofort los und die Welt vor …“
„Ah, ah, ah“, machte Draco schnell hintereinander, womit er Harry aufhielt. „Andere FF, andere Probleme. Das hat nichts mit dir zu tun.“
„Wenn das nichts mit mir zu tun hat, warum ist Dobby aus der anderen Geschichte zu mir gekommen?“
Der Elf erklärte dieses Phänomen selbst. „Dobby wird nicht oft geschrieben, Sir. Dobby muss sich vierteilen, um überall kurz auftreten zu können.“
„Wieso wirst du nicht oft geschrieben?“, fragte Harry nach.
Diesmal nahm Draco es dem Elf ab zu antworten. „Er ist zu uninteressant, Harry. Die Leute stehen auf Pairings. Wenn man ihn auftauchen lässt, dann nur kurz, um einen Kaffee zu bringen oder dergleichen.“
Dobby nickte und ergänzte: „Oder man holt Dobby für komische Geschichten mit dem jungen Mr. Malfoy.“
„Dobby!“, zischte Draco ermahnend.
Harry wurde stutzig. „Was denn für Geschichten bitteschön?“
„Dobby“, begann Draco und ignorierte Harrys Frage völlig, „würdest du für Harry und mich ein bisschen Kleidung besorgen?“
„Soll Dobby etwas Bestimmtes herzaubern?“
„Nein, nur eine normale Garderobe, wie wir sie auch in den Büchern in der Freizeit getragen haben. Mach den Kleiderschrank voll, damit wir ein bisschen Auswahl haben“, ordnete Draco an.

Mit einem Fingerschnippen waren die essbaren Unterhöschen, die Lederhosen und das Sexspielzeug durch normale Zauberer-Alltagskleidung ersetzt worden. Dobby entfernte sich wieder, um bei einer der vielen alternativen Schlachten um Hogwarts zu helfen. Harry schaute noch lange auf die Stelle, an der der Elf vor wenigen Minuten gestanden hatte. Dobby erlebte Action, während Harry Potter, der Inbegriff purer Action, in einer Fluff-Geschichte ohne ersichtliche Handlung versauerte. Erst jetzt bemerkte Harry, wie langweilig sein Leben mit Draco war. Noch während er sich ankleidete, überlegte Harry, wie er seine Situation ändern könnte.

„Hier!“
Erschrocken fuhr Harry zusammen und blickte zu Draco hinüber. „Was ist?“
Sein Liebhaber saß vor dem Laptop und deutete auf eine Stelle. „Ich hab Herminebärchen auf einer Fanfiction-Seite gefunden. Das erste Kapitel ist gar nicht so lang.“ Er überflog die Informationen zur Geschichte. „Ist seit heute online. Etwas über 4.000 Wörter, über 200 Mal angeklickt. Die Geschichte hat noch keine Reviews. Ich hab es überflogen und glaube zu wissen, was Hermine mit ihrem geschriebenen Geschenk an Severus beabsichtigt.“
„Und was soll das sein?“, fragte Harry gelangweilt nach, womit er Dracos Aufmerksamkeit erregte, denn der Blonde …
„Ich habe einen Namen! Ich heiße Draco und bin nicht nur der Blonde“, meckerte Draco plötzlich drauf los.
„Was ist dir den über die Leber gelaufen?“

Als Harry angekleidet war, setzte er sich neben Draco und blickte auf die Internetseite. Er entdeckte Hermines Usernamen und las ein paar Zeilen der Geschichte. Am Ende bekam Harry eine böse Vorahnung.

„Sehe ich das richtig? Sie sperrt Severus und Sirius in die Heulende Hütte? Das geht doch bestimmt nicht gut.“
„Du hast es erfasst, Harry. Jetzt rate mal, was sich Severus wohl gewünscht haben könnte?“ Draco half ihm auf die Sprünge. „Du hast es mir selbst erzählt. In dieser einen Fanfiction, in der du mit Hermine und Severus die Fanfiction in der Fanfiction anhören musstest, die Trelawney vorgelesen hat, hat Severus diesen Wunsch an sämtliche Autoren gerichtet.“
„Nein! Hermine will schreiben, dass er Sirius umbringt?“ Harrys Herz begann wie wild zu pochen. „Mit bloßen Händen?“
„Ich denke, genau darauf soll es hinauslaufen.“
„Wie weit ist die Geschichte? Es gibt bisher nur dieses eine Kapitel? Ist es schon zu spät?“
Draco zog fragend die Augenbrauen zusammen. „Zu spät für was?“
„Na, um einzugreifen! Ich kann doch nicht zulassen, dass mein Patenonkel umkommt. Das hat schon genug wehgetan, als ich ihn in Band 5 verloren habe.“ Die Erinnerung an den Canon schmerzte ihn sehr. „Jetzt ist er wieder da und dann soll ich das ganze Gefühlschaos noch einmal durchleben?“ Harry redete sich in Rage. „Nein, das lasse ich nicht zu! Wie kann Hermine nur solche brutalen Ideen haben?“
Draco blieb völlig gelassen. „Also, ich gönne es meinem Patenonkel, dass er deinem Patenonkel das Licht ausbläst.“
Von dieser Aussage war Harry vollkommen geplättet. „Dann hilfst du mir nicht?“
„Wie denn? Hey, Harry, hör mal“, jetzt benutzte Draco seine nette Stimme, „im Fanfiction-Bereich kann jeder wiederbelebt werden. Das musst du beachten. Black ist ziemlich beliebt. Das dauert bestimmt nicht lange, bis der wiederaufersteht.“
„Trotzdem! Ich kann hier nicht untätig herumsitzen, jetzt wo ich weiß, was passieren soll. Das kommt unterlassener Hilfeleistung gleich!“

Weil Draco den Browser minimierte, erhaschte Harry einen Blick auf den Desktop. Dort war ein Ordner vorhanden, der schlichtweg Harry&Draco genannt worden war.

„Was ist denn das?“, wollte Harry wissen.
„Das, ähm, sind die Geschichten, die ich geschrieben habe. Es ist mir peinlich. Ich bitte dich, Harry“, Draco sah ihm tief in die Augen, „lies sie nicht. Das ist eine Art Tagebuch, privat.“
„Okay“, sagte Harry lang gezogen, denn skeptisch war er durchaus geworden. „Was kann ich jetzt machen, um Sirius zu helfen?“
„Du könntest Hermine eine schlechte Review geben. Vielleicht ändert sie dann ihren Plot. Oder sie hört gleich ganz auf zu schreiben.“
Harry schnaufte. „Ich glaube nicht, dass sie ihre Geschichte so schreibt, wie ein Leser sie haben will. Sie hat ihren eigenen Kopf und lässt sich auch nicht entmutigen.“
„Dann bleibt nur die Möglichkeit, dass du selbst eine Geschichte schreibst. Wenn diese Geschichte mehr Leser findet, dann wird sie eher real als eine FF, die kaum Leser hat.“
„Häh?“
Draco schüttelte den Kopf, weil Harry nicht verstand. „Eine Fanfiction wird nur für diejenigen wahr, die sie lesen und diese Leser machen die FF auch für uns wahr – und je mehr das sind …“
„Muss ich das verstehen?“
„Meine Güte, du hast gefragt, was du tun kannst und ich hab dir Möglichkeiten genannt: Hermine mobben oder selbst eine FF schreiben, die bei den Lesern richtig gut ankommt.“

Angespannt überlegte Harry, was die beste Alternative wäre. Er hatte sich noch nie eine Geschichte ausgedacht, bis auf die falschen Träume, die er sich zusammen mit Ron für das Fach Wahrsagen aus den Fingern gesogen hatte. Das war sogar im Canon vorgekommen, also schlummerte in ihm durchaus die Gabe, eine Handlung zu erfinden und zu Papier zu bringen. Professor Trelawney war jedenfalls von seinen Unheil bringenden Traumdeutungen ganz begeistert gewesen. Er könnte es versuchen. Er könnte eine Fanfiction schreiben. Andere konnten es doch auch.

„Was wird denn gern gelesen?“, wollte Harry wissen.
„Slash!“, war die prompte Antwort.
Was sich hinter diesem Begriff verbarg, wusste Harry noch aus dem Oneshot, in dem Hermine ihm alles erklärt hatte. „Ähm, soll ich etwa Sirius und Severus …?“ Er hielt inne und stellte sich das Paar bildlich vor. „Nein, das kann ich den beiden nicht antun.“
„Wenn du mit Sex das Leben deines Patenonkels retten kannst, warum nicht?“
Harry stellte sich Sirius und Severus diesmal viel genauer im Bett vor, bevor er mit einer Gänsehaut entschied: „Probieren wir erst die andere Möglichkeit aus.“

In der Zwischenzeit hatte sich Hermine von der Rechtschreib-Seite im Internet gelöst und überflog den Rest ihres ersten Kapitels, um den Faden der Geschichte zu finden. Lange wollte sie die Fortsetzung nicht hinauszögern. Severus sollte sehr bald zum Zug kommen und Sirius den Hals umdrehen. Kaum legte sie die Finger auf die Tastatur, da klingelte es.

Als sie zur Tür ging, murmelte sie grantig: „Wir hätten allen sagen sollen, dass Severus zu seinem Geburtstag nicht Zuhause ist.“ Die Tür war geöffnet und Hermine stutzte. „Ginny?“ Ihre Freundin hielt einige Broschüren in der Hand. Eine davon reichte sie Hermine.
„Hier, für dich. Wenn du noch ein paar haben möchtest, um sie zu verteilen …?“
Hermine hatte die Broschüren überflogen. „Rettet den Harry Potter-Canon?“, las sie laut vor. „Was soll das?“
„Wir sind eine Gruppe von Charakteren aus dem Harry-Potter-Universum, die sich dafür einsetzen, dass die Fans sich mehr an den Canon halten“, erwiderte Ginny. Man hörte heraus, dass sie diesen erklärenden Satz nicht zum ersten Mal von sich gab.
„Aber …“ Hermine schüttelte den Kopf. „Warum? Es ist doch nichts Schlimmes dabei, wenn die Fans unabhängig vom Canon ihre eigenen Geschichten schreiben.“
Ginnys Augen wurden ganz groß. Sie schien entsetzt. „Dann macht es dir nichts aus, mit deinem ehemaligen Lehrer für Zaubertränke, der nebenbei erwähnt doppelt so alt ist wie du und nicht gerade bei einem Schönheitswettbewerb gewinnen könnte, zusammenzuleben und“, Ginny verzog das Gesicht, „mit ihm Sex zu haben?“
„Wir haben keinen Sex!“, rechtfertigte sich Hermine. „Das wird immer nur angedeutet.“
„Pah!“, machte Ginny abwertend. „Hast du mal gelesen, was es über euch für Geschichten gibt? Natürlich habt ihr Sex miteinander! Manchmal sogar ohne deine Einwilligung.“
„Wirklich?“ Hermine konnte sich das gar nicht vorstellen. Hier im Fluff-Universum war alles in Ordnung. Vergewaltigung war ein Fremdwort.
„Ich habe die Nase voll, dass jeder außer mir mit Harry schlafen kann“, brachte Ginny als Beschwerde hervor. „Dabei sind er und ich laut Canon ein Paar. Wir haben sogar Kinder! Selbst die werden vernachlässigt. Ich habe wirklich schon überlegt, ob ich das Jugendamt auf ihn hetzen soll.“

Nochmals schaute Hermine auf die Broschüre und stellte sich vor, wie ihr Leben verlaufen würde, sollte man sich ausschließlich an den Canon halten. Sie wäre mit Ron verheiratet, hätte Kinder und … Würde sie überhaupt einem Beruf nachgehen? Das Leben wäre eintönig! Mit Severus erlebte sie wenigstens hin und wieder ein paar Abenteuer, konnte mit ihm zusammen auch ein paar neue Tränke brauen, was mit Ron unmöglich wäre.

„Du kannst für uns spenden“, sagte Ginny monoton, „oder unserer Gruppe beitreten. Susan und Justin machen auch mit. Du findest auf der Broschüre die Internetseite von uns. Da erklären wir unsere Ziele und dergleichen, wir haben auch ein Gästebuch und bieten Hilfe für Canon-Charaktere an, die sich nicht mehr benutzen lassen möchten.“
„Ich sehe mal rein, Ginny, aber ich kann nichts versprechen.“
Ginny lächelte gezwungen. „Das musst du gar nicht. Es ist schon gut zu wissen, dass du dich damit auseinandersetzt. Dann will ich mal wieder … Bis dann!“
„Wiedersehen, Ginny.“

Zurück am PC öffnete Hermine zunächst die Seite http://www.rettet-den-harry-potter-canon.de und warf einen Blick ins Gästebuch. Schon einige hatten sich hier verewigt. Beinahe alle kannte Hermine, wenn auch manchmal nur vom Hörensagen. Ein Eintrag brach ihr fast das Herz. Dort stand:

„Ginny! Wie kannst du dich nur für so eine Sache starkmachen? Laut Canon bin ich tot. Ich bin mehr als nur froh, dank Fanfiction mein junges Leben genießen zu dürfen. Überlege dir gut, ob du für immer auf Fanon verzichten möchtest – und damit auf mich. Und denke bitte an Mum, vor allem aber an George.
Dein Bruder Fred“

Einerseits verstand Hermine, dass Ginny sich für den Canon einsetzte. Andererseits konnte niemand außer Rowling Canon schreiben. In diesem Sinne reagierte Ginny völlig über. Es war zu verstehen, dass sie viel öfter mit Harry zusammen sein wollte. Geschichten mit den beiden als Paar gab es natürlich, aber sie waren im Vergleich zu anderen Geschichten in der Minderheit. Viel häufiger gab es Harry/Draco und selbst – das machte Hermine besonders eifersüchtig – Harry/Severus. Dennoch war der Anteil an Hermine/Severus-Geschichten mindestens gleich groß. Mit Severus müsste sie mal ein ernstes Wörtchen reden. Auch die ganzen OCs, die selbst erfundenen Charaktere von FF-Autoren, sollten ihrer Meinung nach ein bisschen weniger werden. Es gefiel Hermine überhaupt nicht, dass Severus sich sexuell mit Frauen vergnügte, die ihm völlig fremd waren. Dazu auch noch ohne Verhütung! Jedenfalls hatte sie noch nie in einer Fanfiction von Kondomen gelesen. Dann lieber Severus/Narzissa. Da hätte nämlich Lucius noch ein Wörtchen mitzureden.

Über dem von Fred stand ein anderer Gästebucheintrag, der da lautete:

„Der Canon ist Dreck! Ich hätte gewinnen müssen! Und weil ich es im Canon nicht geschafft habe, werde ich eben in Fanfiction meinen Sieg auskosten.
Voldemort“

Es gab auch Einträge, die sich positiv für die Canon-Liebhaber aussprachen. Neugierig las Hermine einen Eintrag von Justin Finch-Fletchley, einem ehemaligen Mitschüler aus Hufflepuff, Mitglied der DA und darüber hinaus mit einer unwichtigen Nebenrolle besetzt, der schrieb:

„Ich bin auch für den Canon. Das Ende der Buchreihe war doch bestens. Ich finde nicht schön, selber für Fanfiction herzuhalten, nur weil man gerade wieder einen Toten braucht, der irgendwann mal in den Büchern auftauchte. Dafür bin ich wohl gut genug. Aber nicht mit mir!
LG Justin“

Daraufhin antwortete Lee Jordan:

„@Justin: Du bist erstens nur ein langweiliger Nebencharakter und zweitens bist du im Original nicht gestorben, du Mistkerl. Ich will auf meinen Freund Fred nicht verzichten!
Hoch lebe der Fanon!
Lee“

Wieder ließ sich Hermine von der Seite ablenken. Sie las die restlichen Beiträge aus dem Gästebuch, danach die Forderungen der Gruppe, die den Canon retten wollte. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie alle Seiten durch hatte. Plötzlich blinkte rechts unten an ihrem Monitor etwas auf. Das Symbol für eine neue Mail. Der Betreff lautete „Sie haben eine Review erhalten“. Voller Vorfreude klickte Hermine den Link an und las das Feedback.

„Hallo Herminebärchen,

das erste Kapitel habe ich schon gelesen und es gefällt mir ganz und gar nicht. Mal davon abgesehen, dass kaum Handlung vorhanden ist, ist der Plot sowas von vorhersehbar, dass es überhaupt keinen Spaß macht, die Geschichte überhaupt noch weiter zu verfolgen. Das sehe ich ohne Trelawneys blöden Wahrsagekugeln, dass Snape Sirius umbringen wird. Und? *schulterzuck* Was ist das für eine bescheuerte „Handlung“? Schreib lieber was Spannendes, von mir aus was Erotisches, aber lass Sirius gefälligst am Leben, du blöde Kuh.

LG
Goldjungchen“

Wütend las Hermine die Review noch einmal, dann ein drittes Mal. Anfangs war der Text einigermaßen nett und kritisch, aber „blöde Kuh“ ging ihr dann doch zu weit. Sie drückte den Abuse-Button und meldete die Beleidigung bei den Seitenbetreibern. Wenn die Review nicht zu editieren wäre, dann sollte man sie eben löschen. Lieber keine Review als eine, in der sie als blöde Kuh bezeichnet wurde.

Kurz nachdem sie die Review gemeldet hatte, bekam sie eine weitere, diesmal von einem anderen Leser.

„Liebes Herminebärchen,

lass dich von der Review von Goldjungchen nicht verärgern. Die Wortwahl war recht harsch, teilweise muss ich ihm aber zustimmen. Die Handlung lässt zu wünschen übrig, Liebes. Ich mag ebenfalls nicht lesen, dass Sirius sterben soll. Aus welchem Grund? Warum sind die beiden überhaupt in der Heulenden Hütte? Warum lebt Sirius? Wieso besitzt er ein Handy? Das alles kommt viel zu plötzlich und liest sich eher wie eine unfertige Szene, anstatt wie eine ganze Geschichte. Du solltest dich wirklich auf eine gute Handlung konzentrieren, vielleicht auch auf ein paar erklärende Details. Es ist, wie Goldjungchen schon schrieb, wirklich vorhersehbar, was du bezwecken möchtest: einzig und allein Sirius’ Tod. Dennoch ein Lob von mir bezüglich der Rechtschreibung. Fehler habe ich keine gefunden, die Sätze lesen sich sehr flüssig und ich mag die Art, wie du die Dialoge zwischen den beiden verfasst. Genau wie ich sie kenne, einfach herrlich! Nur an der Handlung hapert es. Nichts für ungut. Es könnte noch was draus werden. Freue mich auf mehr.

Liebe Grüße
Wölfilein1960“

Das war eine Review, mit der Hermine leben konnte. Nett und kritisch, aber trotzdem würde es zu lange dauern, wenn sie sich für Severus’ Geburtstagsgeschenk auch noch eine spannende Handlung ausdenken müsste. Sie wollte ihm nur den Wunsch erfüllen, Sirius umzubringen. An der Kritik von Wölfilein1960 hatte sie dennoch lange zu knabbern. Seine Worte führten ihr vor Augen, dass andere Menschen mitlasen – und für die war es tatsächlich langweilig. Vielleicht wäre ein bisschen spannende Handlung nicht verkehrt, auch wenn das für Severus das Ziel etwas weiter weg rücken würde.

Als sie die Usernamen las, hatte sie das Gefühl, die beiden Leser gut zu kennen. Goldjungchen und Wölfilein1960 … Wenn Harry sie als „blöde Kuh“ bezeichnet haben sollte, dann würde sie ihm das nächste Mal, wenn sie ihn sehen sollte, den Kopf waschen. Und Wölfilein1960? Remus, na klar! Oder die User hatten sich so genannt, damit Hermine denken sollte, es würde sich nur um diese zwei handeln. Wer hinter den Usernamen steckte, konnte sie nicht mit Sicherheit wissen. Wer würde sie auf eine falsche Fährte locken wollen? Voldemort? Lucius Malfoy? Nein, die beiden hätten bestimmt nichts dagegen, dass Sirius stirbt.

Nicht nur Hermine saß vor ihrem PC und las ihre eigene Geschichte. Auch Draco und Harry befanden sich wieder auf der gleichen Fanfiction-Seite.

Harry las die Review, die Draco vor einigen Minuten unter Harrys frisch angelegten Account verfasst hatte.

„Du kannst Hermine nicht einfach als blöde Kuh bezeichnen, Draco“, mahnte er seinen Freund.
„Habe ich aber eben.“
„Das wird auf mich zurückfallen. Der Account wurde mit meinen Daten angelegt. Ich will es mir mit ihr nicht verscherzen.“
„Weißt du, Harry, ich habe keine Lust mehr darauf. Ich gehe jetzt in die Nokturngasse und besorge für Severus den Gutschein zum Geburtstag.“
Harry nickte. „Kannst du was zu essen mitbringen? Bisher haben wir beide nichts zu uns genommen. Ich will nicht verhungern, nur weil der Autor nicht daran denkt, uns zu füttern.“
„Füttern …? Wir sind doch keine Tiere.“
Harry lächelte verschmitzt. „Wenn wir übereinander herfallen, dann schon.“

Seinen Laptop fuhr Draco wieder hinunter. Er konnte nicht ahnen, dass der Ordner auf dem Desktop Harrys Neugierde geweckt hatte. Kaum war Draco zur Tür raus, da fuhr Harry den Laptop wieder hoch. Er klickte doppelt auf den Ordner und fand unzählige nummerierte Textdokumente, die er nach und nach anklickte und überflog. Erst jetzt wurde ihm klar, dass es Draco war, der ihn in dieser fluffigen Slash-FF gefangen hielt. Kein Fan schrieb die Geschichte über Draco und ihn, sondern Draco selbst. Die größte Enttäuschung war jedoch, dass Draco ihn absichtlich dumm darstellte. Der Harry aus den Büchern war schlau, konnte Rätsel lösen und die Welt retten. Der Fluff-Harry war dumm wie Brot und einzig im Bett eine Granate. Wahrscheinlich charakterisierte Draco ihn so, weil Harry auf diese Weise mit ihm zusammenblieb. Ein Malfoy bekam immer, was er wollte, hallte es in Harrys Gedächtnis wider.

„Dieser verdammte Dreckskerl!“, beschimpfte Harry seinen Freund in Abwesenheit. „Von wegen, die Geschichte sei nur ein Tagebuch. Von wegen privat. Das Frettchen hat sie hochgeladen!“ Schnell fand Harry im Internet entsprechende Fanfiction, die bis ins kleinste Detail sogar, beziehungsweise besonders ihr Sexleben beschrieb und bisher eine Menge Reviews aufwies. „Alle Welt weiß, was wir treiben“, murmelte Harry verlegen. „Und vor allem wie!“ Peinlich berührt legte er eine Hand über den Mund und schaute sich das Feedback an. Die Reviews zu der frivolen Fanfiction sahen entsprechend aus. Da schrieb einer:

„geilomat! ehrlich!!!! ich finde klasse, dass harry so richtig durchgenudelt wird. mehr davon!!!!111
lg vincent“

„Na prima!“ Harry schnaufte. „Crabbe liest Sexgeschichten mit Draco und mir. Mir wird schlecht!“ Er schaute sich andere Reviews im Schnelldurchgang an, denn die Fanfiction hatte trotz weniger kurzer Kapitel – in denen jedesmal mindestens eine Sexszene vorkam – schon weit über 3.000 Rückmeldungen von Lesern erhalten. Eine schrieb:

„Harry hat es nicht anders verdient, als ans Bett gefesselt zu werden. Nächstes Mal am besten noch einen Knebel! Ich finde seine Dialoge nämlich echt ätzend. Und mehr Bondage, bitte! Hätte auch nichts gegen figging einzuwenden … ;)
Lieben Gruß
Deine Pansy“

Harry war nicht mehr zu halten. Seine Wut über Draco, der ihn dümmlich darstellte, nur damit das Fluff-Leben angenehm blieb und er sich nicht über ausgefallene Sexpraktiken beschwerte, wuchs von Kapitel zu Kapitel, bis er an die Stelle kam, an der er sich jetzt gerade befand: Draco war in der Nokturngasse und Harry las heimlich dessen Dateien. Magische Instant-Fanfiction.

„Ginny würde mich nie so hintergehen“, murmelte Harry zu sich selbst. „Das werde ich Draco heimzahlen!“

Der Kamin knisterte unerwartet. Erschrocken klappte Harry den Laptop zu und nahm den Ruf entgegen.

„Remus, hallo“, grüßte er den alten Freund, den es nicht geben würde, hätte man sich an den Canon gehalten.
„Harry, mein Guter. Ist Draco da?“
„Nein.“
„Gut, darf ich vorbeikommen?“

Harry gestattete dem Freund, durch den Kamin zu treten. Remus sah aus wie immer, wenn auch etwas gesünder, jünger und vor allem etwas kräftiger. Der Autor meinte es gut mit ihm. Remus klopfte Harry zur Begrüßung auf die Schulter, ließ die Hand dort verweilen und drückte einige Male freundschaftlich zu, als wollte er etwas sagen, sich aber nicht trauen.

„Remus, raus mit der Sprache. Was ist los?“
Zögerlich schenkte Remus ihm ein Lächeln. „Ich weiß nicht, ob du das mitbekommen hast, was Hermine vor hat.“ Remus bemerkte den Laptop und Harry folgte dem Blick seines Gastes.
„Wenn du meinst, dass Hermine Sirius umbringen will, nur damit Severus ihr nicht mehr mit Sex in den Ohren liegt? Ja, das habe ich mitbekommen und ich überlege, wie ich das stoppen kann.“
Remus strahlte über beide Ohren. „Dann sollten wir uns beide zusammen etwas überlegen. Ich finde Hermines Idee nämlich auch nicht besonders prickelnd.“
„Ich …“

Weil es an der Tür klingelte, hielt Harry mitten im Satz inne. Er hoffte, dass Draco nicht jetzt schon zurückgekehrt war. Noch immer war Harry so wütend, dass die Fetzen fliegen würden. Als Harry den Gast anblickte, stand nicht nur die Tür, sondern vor lauter Staunen auch sein Mund weit auf.

„Ginny!“ Er freute sich über ihren Besuch, doch sie schien sehr distanziert. Er war nicht ihr Harry.
„Hallo Harry.“ Mit einer Hand hielt sie ihm eine Broschüre entgegen. „Hier, für dich. Kannst es ja mal durchblättern.“

Vom Flur aus hatte Remus ihre Stimme erkannt. Er gesellte sich zu den beiden und grüßte die junge Frau.

„Remus, du hier?“, fragte sie überrascht und auch etwas zurückhaltend. Ihre anfänglicher Scheu legte sie schnell ab, als sie den beiden vorwarf: „Habt ihr euch für einen schmutzigen Oneshot getroffen?“
Er schenkte ihr ein mildes Lächeln. „Nein, ich wollte mit Harry eine wichtige Sache bereden.“
Ginny nickte verbissen. „Ich will auch gar nicht lange stö…“
„Was ist das?“ Remus nahm Harry die Broschüre aus der Hand, las den Titel und den Werbespruch. „Ist das …? Das ist euer Ernst?“ Weil Ginny nickte, holte Remus aus: „Du weißt, dass das hier“, mit der anderen Hand schlug er auf die Broschüre, „meinen endgültigen Tod bedeuten würde?“ Wieder nickte Ginny. „Es bedeutet auch, dass du deinen Bruder Fred nie wieder sehen würdest“, hielt Remus ihr vor Augen, „und all die anderen. Hedwig“, vom Wohnzimmer schuhute es, als die Eule ihren Namen hörte, „Alastor, Albus, Dobby, Sirius, Severus, Tonks.“ Das Schluchzen konnte Remus nicht unterdrücken. „Mein liebe Tonks“, murmelte er leise, bevor er sich wieder fasste. „Ginny, warum?“
„Ich bin mit der Gesamtsituation unzufrieden!“, meckerte sie unerwartet. Sie nickte zu Harry hinüber. „Wir beide müssten zusammen sein, nicht Draco und Harry. Das ist völlig unrealistisch! Die beiden hassen sich.“
Harry erinnerte sich an die Fanfiction von Draco. „Lass mal gut sein, Ginny. Ich fange gerade wieder an, ihn zu hassen. Andererseits kommen wir einigermaßen miteinander aus. Man hat uns nicht komplett in character geschrieben.“
„Genau das ist es doch, was mich stört. Du bist nicht IC. Bist du überhaupt noch Harry? Der Harry, den man aus den Büchern kennt?“ Sie selbst schüttelte den Kopf. „Nein, der bist du nicht. Du bist so anders“, sie musterte ihn von oben bis unten. „Dich müsste man nicht mal Harry Potter nennen. Jeder Name würde es tun.“
„Sieh mich an“, empfahl Harry, bevor er seinen Pony aus der Stirn strich.
„Oh ja“, schnaufte Ginny, „die bekannte Narbe. Jedem Idioten könnte man so eine verpassen. Die Narbe lag neulich in der Hexenwoche als Rubbel-Tatoo für Kinder bei. Du siehst aus wie Harry, verhältst dich aber nicht wie er.“
Remus versuchte zu schlichten und hob beide Hände, damit Ginny und Harry sich beruhigten. „Ginny, ich verstehe deine Einwände. Ich weiß aber, dass es viele Geschichten gibt, in denen du mit Harry …“
„Es gibt zu wenig!“, unterbrach sie zornig. „Die Leute glauben doch nicht wirklich, Harry würde besser mit Draco zusammenpassen? Das ist abartig! Es gab in den Büchern nie Anzeichen dafür, dass Harry schwul ist.“
„Bist du homophob?“, fragte Harry provozierend.
„Nein, bin ich nicht. Falls du es vergessen hast: Dumbledore ist homosexuell und ich mag ihn sehr“, stellte sie klar.
„Fehler!“, warf Remus ein. „Es stand nie in den Büchern, dass er homosexuell wäre. Das ist nur eine Interviewaussage. Rowling sagte, sie hätte sich Dumbledore beim Schreiben immer homosexuell vorgestellt. Die Presse machte daraus eine Tatsache und schrieb, er wäre schwul.“
„Alles“, Ginnys Gesicht war mittlerweile hochrot angelaufen, „was Rowling von sich gibt“, ihre Stimme zitterte, „ist realer und gewichtiger als das, was die Fans von sich geben. Ich mach das nicht mehr mit und zum Glück bin ich nicht die Einzige, die so denkt!“
„Es tut doch niemandem weh“, versuchte Harry sich und seine Fans zu rechtfertigen. „Man muss es nicht lesen, wenn man Draco und mich nicht als Paar sehen möchte.“
„Genau!“, stimmte Remus mit ein.
„Das ist das typische Totschlagargument eurer Fans, nicht wahr? Musst es ja nicht lesen, wenn es dir nicht passt! Pöh!“ Ginny redete sich in Rage. „Es stört mich bereits, dass es solche Geschichten überhaupt gibt. Das Internet ist voll mit Schund! Ich müsste nur zwanzig Blatt Papier fressen und würde eine bessere Fanfiction auskotzen als das, was man so geboten bekommt.“
„Ginny, ich glaube, jetzt gehst du wirklich zu …“
„Nein, nein“, sie hielt beide Hände in die Höhe und ging einen Schritt zurück, atmete einmal tief durch. „Ich störe nicht länger. Ich wollte nur, dass du dir mal Gedanken darüber machst. Falls du mich suchst: Ich bin bei meinen Eltern. Wenigstens werden die von den meisten Fans in Ruhe gelassen. Kein Techtelmechtel zwischen Dad und Lucius, kein Rumgepoppe zwischen Mum und Fenrir Greyback. Zuhause ist das Leben noch in Ordnung. Unsere Kinder sind übrigens auch dort, falls du dich überhaupt daran erinnern kannst, zwei Söhne und eine Tochter zu haben.“

Mit einem lauten Knall apparierte Ginny und ließ einen verdutzten Harry und einen nachdenklich wirkenden Remus zurück. Langsam schloss Harry die Tür. Die beiden gingen stumm zurück ins Wohnzimmer. Ginnys Worte hatten einen Punkt tief in ihrem Innern berührt.

„Vielleicht hat Ginny Recht?“ Harry zweifelte langsam am Fanon.
„Nein, Harry“, widersprach Remus. „Denk daran, dass es Sirius und mich nicht geben würde, würde jeder nur noch streng nach den Vorgaben des Canons schreiben. Ich für meinen Teil habe nichts dagegen, dann und wann eine heftige, ähm“, Remus suchte ein passendes Wort, „Auseinandersetzung mit Lucius zu führen, solang ich dafür nur am Leben sein darf.“
„Lucius und du?“
Remus blickte beschämt zu Boden und murmelte: „Ich möchte nicht darüber reden, Harry.“
Ungläubig schüttelte Harry den Kopf. „Geht es denn wirklich immer nur um das Eine?“
Nachdem Remus tief durchgeatmet hatte, erklärte er: „Nicht immer, Harry, aber meistens. Da müssen wir durch. Es geht nun einmal darum, wer mit wem. Handlung spielt selten eine Rolle, eine gute Handlung ist noch schwerer zu finden.“
„Aber es gibt sie, oder?“ Ein Hoffnungsschimmer. „Geschichten mit Handlung, ohne Sex. Es gibt Fans, die sich wirklich Gedanken über uns machen.“ Harry hoffte und Remus stimmte ihm zum Glück mit einem Nicken zu.
„Und ich bin froh darüber. Ich wäre nämlich wirklich lieber tot, als nur von einem Bett ins nächste zu hüpfen.“
Gedankenverloren nickte Harry ebenfalls. „Sag mal, mit wem wirst du eigentlich am meisten verkuppelt?“
Eine Augenbraue fuhr in die Höhe, bevor Remus mit einem Schmunzeln auf den Lippen erwiderte: „Mit Sirius.“ Bevor Harry etwas Schlechtes sagen konnte, erklärte Remus: „Es ist nicht übel, wirklich nicht. Ich mag das Leben mit ihm sogar recht gern. Es ist überwiegend harmonisch geschrieben.“ Remus wollte zum eigentlichen Thema zurückkehren. „Deswegen möchte ich nicht, dass Hermine ihn einfach in ihrer Geschichte umbringt. Sirius bedeutet mir einfach viel zu viel.“
„Ich will das auch nicht“, beteuerte Harry. „Ich weiß nur nicht, wie ich sie aufhalten kann. Wir haben es mit einer Review versucht.“
„Die habe ich gelesen. Du bist Goldjungchen?“
Harry nickte. „Draco hat die Rückmeldung unter meinem Account geschrieben. Ich hätte Hermine nie als blöde Kuh bezeichnet, das musst du mir glauben!“
„Ich glaube dir, Harry. Die Frage ist, was tun wir jetzt?“
Völlig überfordert mit der Situation hob und senkte Harry die Schultern. „Es ist nicht nur die Sache, dass Hermine Sirius umbringen lassen will. Ich habe heute eine Entdeckung gemacht …“ Er seufzte. „Draco schreibt mich absichtlich dumm, damit ich mit ihm zusammenbleibe und keine Fragen stelle.“
„Tut er das?“, fragte Remus verwundert nach.
„Beweise habe ich auf seinem Laptop gefunden. Er schreibt unsere Geschichte, unser Leben, und er lädt alles ins Internet. Er hat mich enttäuscht, Remus. Ich habe ja nicht mal was dagegen, dass wir ein Paar sind. Mich widert nur an, dass er mir nicht meinen normalen Intellekt zugesteht. Hat er Angst, dass ich dann gehe? Mir ist es momentan beinahe wichtiger, dieses Problem zu lösen als Sirius zu retten.“
Remus spitzte die Lippen. Langsam legte er einen Arm um Harrys Schultern. „Weißt du, Harry, ich denke, wir sollten beide Fliegen mit einer Klappe schlagen.“
„Und wie?“
„Wir beide tun uns zusammen und reden Hermine den geplanten Mord aus – beziehungsweise schreiben wir ihr den aus, wenn du verstehst, was ich meine …“ Remus zwinkerte ihm zu. „Und im gleichen Atemzug geben wir dir deinen IQ zurück, mit dem Draco klarkommen muss.“
„Das ist eine fantastische Idee!“ Sein Enthusiasmus wurde mit einem Male gebremst, als er sich eine bestimmte Sache vor Augen hielt. „Da ist nur … Draco müsste bald zurückkommen und ich weiß nicht, wohin ich gehen soll.“
„Das Problem haben wir gleich gelöst. Darf ich mal an den Laptop?“

Harry nickte und wies höflich mit einer Hand zur Technik. Er beobachtete, wie Remus ein neues Dokument öffnete und zu schreiben begann. In enormer Geschwindigkeit huschten die zehn Finger über die Tastatur. Nie hätte Harry gedacht, dass Remus das Blind-Schreiben beherrschte. Vorsichtig lehnte er sich über Remus’ Schulter und las das Geschriebene. Remus hatte mit einer neuen Geschichte begonnen, die Draco in der Nokturngasse festhielt, weil er auf einen alten Bekannten nach dem anderen stieß. Das gab ihnen genügend Zeit, sich selbst unbemerkt von allen anderen an einen Ort zu schreiben, an dem sie in Ruhe ihren Angriff auf Hermine planen, Sirius befreien und gleichzeitig Draco einen Denkzettel verpassen könnten, den der nicht so schnell vergessen würde. Ein Ort, der einen der sichersten der Welt darstellte: Hogwarts!



Fortsetzung folgt.
Mehr Lesestoff von Muggelchen: Perseiden, Prince, Verflixter Julklapp, Mehr Farbe ins Leben, Die Schneekugel, Kobold, Krieg und Ferien, Three Characters in Search of an Exit, Den Nargel auf den Kopf getroffen, Mein Freund, die Sonne, Viva la Diva!

John Xisor
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Beitragvon John Xisor » Di 21 Jun, 2011 21:32

Identity


Den Gutschein von Borgin & Burke's hatte Draco besorgt. Es war einer über 100 Galleonen. Reich genug war seine Familie, zudem war Draco Severus gegenüber sehr großzügig.

Wegen des kalten Wetters im Januar vermummte Draco sich mit Hilfe seines teuren Schals aus Angorawolle. Seine Lippen sollten durch den eisigen Wind nicht austrocknen und rau werden. Damit küsste es sich so schlecht. Kaum hatte Draco das Geschäft verlassen, rannte er in einen alten Bekannten hinein.

„Goyle!“, staunte Draco und zupfte sich den Umhang gerade. „Was tust du denn hier?“
„Ähm …“
„Weißt du, dass dein Hosenstall offensteht?“, bemerkte Draco mit gekräuselter Nase.

Peinlich berührt schloss Gregory die Knöpfe, und er blickte seinen alten Schulkameraden durch treudoofe Augen an. Verständnislos schüttelte Draco den Kopf. Gregory kam nicht oft in einer Fanfiction vor. Eigentlich nur, wenn er zusammen mit Crabbe einen von seinen Handlangern mimte. Draco wusste jedoch, dass er Gregory nicht in diese Geschichte hineingeschrieben hatte. Die Begegnung kam ihm seltsam vor.

„Also, was suchst du hier?“, wollte Draco wissen.
„Ich wollte dir gratulieren“, stammelte der übergewichtige junge Mann.
„Wozu?“
„Du bist für einen Award nominiert. Weißt du das gar nicht?“
Skeptisch kniff Draco die Augen zusammen und fragte nach: „Was für ein Award?“
„Ein Fanfiction Award. Du schreibst doch die Geschichte Alles, was ein Malfoy braucht oder etwa nicht? Ich habe kein einziges Kapitel verpasst!“
„Du kannst lesen?“ Nachdem Draco die Frage gestellt hatte, hatte er für einen Moment lang ein Déjà-vu. „Wenn du meine Geschichte liest, dann hinterlass gefälligst auch einen Kommentar, du verdammter Schwarzleser!“
„Ja, werde ich bestimmt. Ich bin übrigens einer von denen, die deine Geschichte für die Nominierung vorgeschlagen haben. Nächste Woche beginnt die Voting-Phase.“
„Ich weiß nichts von einem Award. Schick mir einen Link. Ich muss jetzt gehen.“
„Aber …“

Den alten Schulkamerad ließ Draco hinter sich. So schnell wie möglich wollte er zurück in die Winkelgasse und von dort aus nachhause. In der Nokturngasse waren ihm zu viele zwielichtige Gestalten unterwegs. Bettler, denen er nichts weiter schenkte außer einem verachtenden Blick. Schmuggler, die mit schwarzmagischen Artefakten handelten. Drogendealer, die Billywig-Gift anboten, und natürlich wie die Hühner auf der Stange aneinandergereiht: unzählige Dirnen, eine hässlicher als die andere. Bei einer der Frauen fielen ihm beinahe die Augen aus dem Kopf. Draco kannte sie. Mopsgesichtig, schwarze Haare, fieses Grinsen. Draco zog sich den Schal bis über die Nase und ging auf die Frau zu. Als sie ihn bemerkte, richtete sie ohne Umschweife das Wort an ihn.

„Mit dem Mund drei Galleonen, Prostatamassage fünf Galleonen, das ganze Programm nur zehn …“
„Pansy?“, unterbrach er sie, starrte sie dabei ungläubig an. Vielleicht erkannte sie ihn an der grauen Augenfarbe, die er von seinem Vater geerbt hatte. Auf jeden Fall bemerkte Draco, dass ihre Augen für einen kurzen Moment größer wurden – der Moment der Erkenntnis.
„Draco?“ Ein verlegenes Lachen. „Du hier?“
„Ich war bei Borgin & Burke's.“ Er hatte zumindest einen Grund, hier zu sein. „Was tust du hier?“
„Ähm, Geschäfte“, fiel ihr als Antwort ein. „Ich hatte eben etwas mit Gregory Goyle zu regeln.“
„Aha“, machte Draco wenig überzeugt. Die Aussage erklärte, warum Gregorys Hose offengestanden hatte. „Und, ähm, wie geht es sonst so?“

Der Moment war ihm sehr unangenehm. Pansy war eine Slytherin, in den meisten hetero-FFs sogar – Merlin bewahre – seine Lebenspartnerin. Er war mit ihr recht vertraut, kannte sie und ihre Eltern sehr gut. Ihre Familie war finanziell gut situiert, was natürlich eine Frage aufwarf.

„Warum arbeitest du ausgerechnet hier?“, wollte Draco wissen.
„Das, ähm, das ist eher ein Hobby von mir. Es, ähm, handelt sich um eine soziale Studie“, machte sie ihm kleinlaut weis.
„Mmmh“, stimmte er summend zu. Er wollte sich nicht weiter mit ihr befassen und schon gar nicht ins Detail gehen. Es reichte, wenn sie ihm dann und wann eine Review schrieb, denn Pansy war eine seiner Stammleserinnen. Das war seiner Meinung nach genug Kontakt. „Dann will ich mal wieder …“ Er winkte ziellos in eine Richtung. „Ich muss los. Harry macht sich sicher schon Sorgen. Bis dann, Pansy.“

Genau so, wie Remus es geschrieben hatte, traf Draco auf einen Bekannten nach dem anderen. Langsam kam es ihm verdächtig vor, doch die nächste Person lenkte ihn von der Überlegung ab, man hätte womöglich die Handlung manipuliert. Draco stieß versehentlich einen Mann an, der mit einer der vielen Damen kokettierte. Der Mann drehte sich abrupt um und fuchtelte mit den Händen herum, während er zeterte.

„Können Sie nicht aufpassen, wohin Sie …?“ Mitten im Satz hielt der Herr inne.
Auch Draco wurde sich nach dem kurzen Schreck darüber klar, dass er den Mann kannte – sogar sehr gut kannte. „Vater!“ In diesem einen Wort schwangen viele Emotionen mit: Enttäuschung, Wut, Überraschung.
Sein Vater machte eine gute Miene zum bösen Spiel. „Draco, was treibt dich in die Nokturngasse?“
„Sag mir lieber, was du hier treibst?“ Draco musterte die käufliche Dame, die viel zu viel Make-up trug. „Weiß Mutter davon?“
Weil Dracos Blick erneut zu der Dame wanderte, neben der Lucius stand, redete der sich heraus: „Ach was, Junge. Ich treibe gar nichts.“ Die Dirne ließ Lucius unbeachtet stehen, als er einen Weg einschlug und seinen Sohn mit einer eleganten Geste seiner Hand dazu anhielt, ihm zu folgen. „Ich habe lediglich ein Geschenk für Severus besorgt“, rechtfertigte Lucius seinen Aufenthalt in der Nokturngasse. „Auf dem Rückweg sprach mich die junge Dame an, gerade eben, kurz bevor du gekommen bist. Höflich, wie wir Malfoys nun einmal sind, hielt ich an und lieh ihr mein Ohr. Hätte ich gewusst, dass sie nur die Preisliste für ihre, ähm, Angebote runterbetet, hätte ich niemals …“
„Ist schon gut, Vater“, beruhigte Draco ihn. „Ich sag Mutter nichts.“
Erleichtert atmete Lucius aus. „Das ist mein Sohn!“ Er legte eine Hand auf Dracos Schulter. „Wie wäre es mit einem Eis bei Fortescues?“
„Wir haben Winter!“ Und außerdem war er keine fünf Jahre mehr alt, aber diese Anmerkung behielt Draco für sich.
„Winter, Sommer ... Das ist doch egal. Also?“
„Na gut, von mir aus.“ Ein einziges Eis, dachte Draco, und danach ab zu Harry ins hoffentlich vorgewärmte Bett.

Die Winkelgasse war bald erreicht. Sofort war die Luft frischer, roch nicht mehr so streng nach Urin wie in der Nokturngasse. In Florean Fortescues Eissalon staunte Draco. Offenbar hatte der Besitzer aus- und umgebaut. Es handelte sich nicht mehr nur um einen Eissalon, sondern gleichzeitig um ein Internetcafé. Darüber war Draco mehr als froh, denn auf diese Weise könnte er von außerhalb prüfen, warum er keine Chance bekam, einfach wieder nachhause zu gehen.

Festgeschrieben an einem Ort. Nicht nur Draco erging es so.

In der Heulenden Hütte vertrieb sich Sirius die Wartezeit mit einem verstaubten Buch, das er hier gefunden hatte. Er lag im Bett und las im Licht seines Zauberstabes. Severus hingegen stellte fest, dass es ohne Hermine keinen Spaß machte, sich die Eier zu schaukeln. Nervös ging er in dem Raum auf und ab, starrte immer wieder aus dem Fenster, nur um nichts außer dem bedeckten Himmel und einer neblig beschriebenen Landschaft zu sehen. Severus rüttelte an der Türklinke. Ohne den Kopf zu heben blickte Sirius zu Severus hinüber und holte tief Luft.

„Severus, du nervst! Jetzt setz dich irgendwo hin und sei still!“

Severus tat nichts dergleichen. Stattdessen zog er seinen Zauberstab und richtete ihn auf die Tür. Kein Alohomora konnte den Ausgang öffnen, auch keine schwarzen Flüche. Leise verwünschte er seine Situation, biss dabei die Zähne zusammen, so dass er zischelte. Er war der festen Überzeugung, dass Hermine sich von irgendjemandem hatte ablenken lassen. Vielleicht sogar jemand, der ursprünglich ihm zum Geburtstag gratulieren wollte. Wahrscheinlich saß sie mit Remus zusammen am Kaffeetisch und aß ein Stück Kuchen – oder noch schlimmer: mit Albus. Das könnte dauern.

„Verflucht noch mal, man muss hier doch irgendwie rauskommen!“ Wieder ging Severus zum Fenster und rüttelte mit beiden Händen an den Griffen, doch es ließ sich nicht öffnen.
„Wirf doch die Scheiben ein und klettere ins Nichts“, empfahl Sirius gelassen. „Dann habe ich endlich meine Ruhe.“
„Stört es Sie überhaupt nicht?“
„Was?“ Sirius schaute sich demonstrativ um. „In einem sauberen und gemütlichen Bett zu liegen und ein gutes Buch zu lesen?“ Er schüttelte den Kopf. „Stört mich nicht.“
„Ich meine, dass man Sie hier festhält.“
„Es könnte schlimmer kommen.“ Sirius legte das Buch aufs Bett und fügte todernst an: „Du könntest neben mir liegen!“ Severus’ Schnaufen überhörte er, als er die Beine aus dem Bett schwang. „Ich kenne die Hütte sehr gut, auch dieses Zimmer. Ich fühle mich hier wohl, fast wie Zuhause. Wenn wir damals mit Remus in diesem Raum waren und seine Verwandlung abwarteten …“
„Bei Merlin, verschonen Sie mich mit Ihren rührenden Anekdoten von damals.“
„Wenn du hier wirklich raus möchtest …“ Sirius legte den Kopf schrägt. „Hast du ein Handy?“
„Was?“
„Kein Handy?“ Weil Severus den Kopf schüttelte, zog Sirius das seine aus der Jackentasche. „Ich habe eines, du nicht. Das macht mich mindestens zwanzig Jahre jünger. Das ist dir doch klar?“
„Was ist das für eine idiotische Schlussfolgerung?“
Sirius wedelte mit seinem Handy. „Hat sogar Internetzugang.“
Jetzt ging Severus ein Licht auf. Sein Rivale hielt einen Weg nach draußen in den Händen. „Darf ich mal?“, fragte er überaus höflich, als er sich mit ausgestreckter Hand dem Feind näherte.
Sirius presste das Handy gegen seine Brust. „Nein!“
„Dann rufen Sie Hilfe!“
„Wen soll ich …? Ah, ich könnte Remus …“
„Sie können es auch lassen und einfach Hermine kontaktieren.“
Sirius schnaufte. „Damit ich sie daran erinnere, mich sterben zu lassen? Nein, vergiss es.“
„Wie wäre es mit Dumbledore? Das wäre doch ein fairer Kompromiss.“
Skeptisch schaute Sirius sein Gegenüber an. „Seit wann weißt denn du, was Fairness bedeutet? Aber du hast Recht. Dumbledore wäre eine Alternative. Ich werde ihm eine SMS schicken.“

Severus schaute dabei zu, wie Sirius’ Finger über die Tasten des Mobiltelefons schwirrten. Nach weniger als einer Minute war die SMS verschickt. Jetzt musste man nur noch ein wenig warten.

„Ich hoffe, dass er die Nachricht auch erhält.“
„Er hat sein Handy immer dabei“, beteuerte Sirius. „Es könnte aber ein wenig dauern, es zu fassen zu bekommen. Bei der Kleidung, die er immer trägt … Er merkt sich nie, in welcher der vielen Taschen er es verstaut hat.“

Ein bisschen konnte Severus noch warten. Wenn er erst einmal aus der Heulenden Hütte entkommen war, könnte er Hermine Vorhaltungen machen. Auf diese Weise würde er an ihr schlechtes Gewissen appellieren und es womöglich sogar schaffen, sie zu einer bis ins kleinste Detail beschriebenen Sexszene zu überreden. Sozusagen als Entschädigung für die miserable und dazu noch langweilige Geschichte in der Heulenden Hütte.

„Ah“, hörte Severus plötzlich von Sirius. Als er sich umdrehte, löste sich der Rivale langsam in Luft auf.
„Was …?“
Sirius’ echoende Stimme sagte gehässig: „Dumbledore schreibt mich gerade raus. Ach, es kann sein, dass ich eventuell vergessen habe, ihm von dir zu simsen. Tut mir ja so außerordentlich …“
„Black! Sie verdammter Mistkerl!“

Severus hob seinen Stab und schleuderte einen Avada Kedavra in Sirius’ Richtung, doch der war bereits so durchsichtig, dass der Todesfluch die kahle Wand hinter dem verhassten Mann traf. Sirius war verschwunden. Vor Wut ballte Severus die Hände zu Fäusten. Jetzt war er allein in der Heulenden Hütte, ohne Handy und ohne die Möglichkeit, sich selbst herauszuschreiben. Black hatte schon den Strick um den Hals und war am Ende doch wieder entkommen. Dieser Hund schaffte es immer wieder.

„Hermine!“, rief er verzweifelt in den Raum hinein. „Hol mich hier raus!“ Niemand erhörte ihn. „Verfluchte Sch…“ Mit geschlossenen Augen versuchte er, sich zu fangen. Es schien zu helfen. Als er in seiner Hand den eigenen Zauberstab spürte, hatte er eine Idee. „Ich bin ein verdammter Zauberer, ich kann apparieren! Nach Hogsmeade vielleicht … Das ist nicht so weit weg. Von da aus gehe ich nach Hogwarts, suche Black und trete ihm in den Hintern, bevor ich ihn umbringe – mit oder ohne Hermines Startschuss.“

Ziel – Wille – Bedacht.

Das waren die Grundvoraussetzungen für eine risikolose Apparation. Das Ziel war die Hauptstraße in Hogsmeade. Der Wille war da, denn er wollte nichts lieber als hier raus. Mit dem Bedacht haperte es ein kleines bisschen, weil er noch immer wegen Black aufgebracht war. Dennoch beruhigte er sich so weit, dass er eine Apparation wagen konnte.

Das Gefühl, durch einen zu engen Schlauch gepresst zu werden, sagte ihm, dass er auf dem Weg war. Irgendetwas ging jedoch schief. Severus spürte, wie er gegen eine magische Wand stieß, zurückprallte und wieder in der Heulenden Hütte materialisierte.

„Das kommt davon, wenn die bescheuerte Umgebung nicht beschrieben wird!“, zischte er wütend.

Die Heulende Hütte war da, aber mehr als eine undeutliche Landschaft nicht. Severus wagte es nicht, nachhause zu Hermine zu apparieren. Es war eine Sache, von Ort zu Ort zu reisen, aber eine ganz andere, von einer Fanfiction in die nächste zu apparieren. Er könnte zersplintern: ein Bein landet womöglich in einem Oneshot mit Neville, ein Arm in einer Abenteuergeschichte mit Albus, sein beeindruckendes Gemächt in einer 18er-FF mit Harry und der Rest seines Körpers vereinzelt in einer Drabblesammlung. Eine grauenvolle Vorstellung.

„Warum habe ich daran nicht gedacht?“, fragte er sich unerwartet selbst. „Mein Patronus! Ich schicke jemandem meinen Patronus und derjenige kann mich befreien. Aber wem schicke ich ihn? Hermine?“ Er machte sich keine Sorgen, mit sich Selbstgespräche zu führen. Im Gegensatz zu Black hörte er sich wenigstens aufmerksam zu. „Nein, nicht Hermine. Sie würde nur Angst bekommen und an der Geschichte weiterschreiben. Oder mich im schlimmsten Fall einem literarischen Vergissmich aussetzen und meine Szenen kurzerhand löschen, als wäre nie etwas gewesen“, mutmaßte er laut. „Ich könnte Harry …“ Der Gedanke an Draco ließ ihn erschauern. „Nein, die haben sowieso keine Zeit für mich.“ Er murmelte noch etwas mit den Worten wie die Karnickel. „Und Albus kommt auch nicht in Frage, weil Black bei ihm ist und intervenieren würde. Wem kann ich nur meinen Patronus schicken? Wem?“

Von irgendwo zirpte eine Grille, die Severus ausfindig machte und mit einem Avada Kedavra zur Strecke brachte. Um solche Unwichtigkeiten wie eine Grille machte sich der Autor Gedanken, nicht aber darüber, wo sich Hogsmeade befand, ärgerte sich Severus in Gedanken. Auf einmal hatte er einen Geistesblitz.

„Lucius!“

Für einen Patronus benötigte man die Erinnerung an einen sehr glücklichen Augenblick. Es war nicht der Gedanke an Lily, der die Hirschkuh aus seinem Stab schießen ließ. Nein, Lily war in den unzähligen Rumtreiber-FFs sehr glücklich, auch wenn sie sich neulich erst darüber beklagt hatte, dass sie nichts anderes erleben würde als das wiederholte Kennenlernen mit James. Es war auch nicht die Erinnerung an seine Fanfiction-Partnerin Hermine, der den prächtigen Patronus formte, sondern der glückliche Gedanke an puren Sex, der ihm in dieser Geschichte verwehrt blieb. Dem magischen Schutzherrn gab er eine Nachricht mit auf den Weg, bevor er ihn an Lucius sandte.

Der Patronus sauste mit enormer Geschwindigkeit über Berg und Tal, bis er London erreichte und somit die Winkelgasse.

In Florean Fortescues Internetcafé stöberte Draco gerade auf Fanfiction-Plattformen, um zu sehen, ob jemand seine Geschichte manipuliert hätte, denn normalerweise würde er längst Zuhause sein und im Bett liegen – auf Harry, selbstverständlich. Er ging nach und nach die aktualisierten Geschichten durch. Zumindest war Hermines Geschichte noch nicht weiter als heute morgen. Sein Vater blätterte derweil im Tagesprophet und schlürfte gemütlich einen Kaffee. Mit einem Male verschluckte er sich heftig. Abrupt blickte Draco auf. Sein Vater presste sich eine Serviette an die Lippen, hustete noch immer und hatte dabei den Blick auf etwas gerichtet, dass sich seitlich hinter Draco befinden musste. Als Draco den Kopf drehte, sah er sie, die silberfarbene Hirschkuh.

Severus’ gesichtslose Stimme bat laut und klar: „Du musst mir helfen, Lucius! Ich bin in der Heulenden Hütte eingesperrt und kann mich nicht allein befreien.“ Die anderen Gäste starrten die beiden Malfoys mit großen Augen an.
„Wie unangenehm“, murmelte Lucius in seine Serviette hinein und tat dabei so, als würde die Hirschkuh nicht ihm eine Nachricht übermitteln, sondern irgendjemand anderem. Unruhig rutschte er auf seinem Sitz umher.
„Lucius, hilf mir! Schreib mich raus!“, dröhnte es von dem Patronus. Einige Gäste kicherten bereits.
Verbissen blickte Lucius zu seinem Sohn. „Dass er so eine Scham über mich bringt, und auch noch in der Öffentlichkeit! Muss es so ein riesiges Vieh sein? Warum nichts Unauffälliges? Ein Käfer vielleicht … Wenigstens etwas, das weniger lächerlich wirkt als eine Hirschkuh.“
„Vater, du solltest ihm helfen. Du weißt, dass er Mutter einen großen Gefallen erwiesen hat, als er schwor, auf mich Acht zu geben. Das war sogar Canon!“
„Hach, ich bin nicht gut in so etwas“, behauptete Lucius.
„In was?“
„Darin, Geschichten zu schreiben. Ich schreibe nicht solche“, er rümpfte die Nase, „einfältigen Fanfiction. Du etwa?“
Draco blinzelte nicht ein einziges Mal, als er seinem Vater direkt ins Gesicht log: „Nein.“ Lucius hob skeptisch eine Augenbraue, und Draco wollte sogleich ablenken: „Ich kann es dennoch versuchen, Severus zu helfen. Kann ja nicht so schwer sein. Soll ich, Vater? Oder möchtest du …?“
„Nein, nein, mach ruhig, Junge.“

Draco verhakte seine Finger ineinander, streckte die Handflächen nach außen und ließ dabei die Knochen knacken, bevor er sich daran machte, in Windeseile eine Geschichte zu erfinden, um seinem Fanon-Patenonkel aus der Patsche zu helfen.

„Soll ich ihn nach Malfoy Manor schreiben?“, wollte Draco wissen, als er schon einmal damit begann, das Innere der Heulenden Hütte mit einem hilflosen Severus Snape zu beschreiben.
„Für die Schmach, die er mir gerade angetan hat, kannst du ihn dort hinschicken, wo der Pfeffer wächst.“
Draco blickte am Bildschirm vorbei zu seinem Vater. „Was soll er denn in Indien?“

Während Lucius und Draco noch darüber diskutierten, wo Severus momentan am sichersten wäre, wartete der geduldig in der Heulenden Hütte. In Gedanken plante er bereits, wie er Sirius auflauern und ihm das Licht ausblasen würde. Die Vorfreude, die er verspürte, ließ sich am besten mit der eines Kindes vergleichen, dem man erzählt hatte, der Weihnachtsmann würde heute Nacht kommen.

Mit einem Male fühlte Severus, wie er sich auflöste. Es war ein ähnliches Gefühl wie das Apparieren, nur dass er in diesem Fall von einer Fanfiction heraus und hinein in eine neue geschrieben wurde. Er war gespannt darauf, wo er wohl landen würde.

Die Heulende Hütte war bald wieder ein verlassener Ort. Nur die zerknautschte Decke auf dem Bett und das dort liegende Buch ließen ahnen, dass vor Kurzem jemand hier gewesen sein musste.

Hermine war der Ansicht, dass sich Sirius und Severus noch immer in der Hütte befanden. Sie konnte sich endlich wieder auf ihre eigene Geschichte konzentrieren. Die Internetseite von Ginnys Gruppe, http://www.rettet-den-harry-potter-canon.de, die sich für mehr Canon in Fanfiction einsetzte, hatte ihr zu denken gegeben. Unter anderem deshalb, weil dort ein Eintrag von ihr selbst zu lesen war, in dem sie sich darüber aufregte, dass Bellatrix Lestrange in diesem Gästebuch schreiben durfte. Des Weiteren stand dort, sie würde zwar nicht verstehen, warum man sie ständig mit Severus Snape verkuppeln würde, aber das wäre noch immer besser, als sich mit Ron zufriedengeben zu müssen. Der Inhalt des Beitrags im Gästebuch entsprach beinahe ihrer eigenen Meinung, was aber das Merkwürdige war: Hermine hatte das nicht geschrieben. Jedenfalls nicht die Hermine, die gerade hier an ihrem Rechner saß und die Geschichte mit Severus und Sirius schreiben wollte. Wäre es möglich, dass es mehrere …? Hermine schüttelte bei dieser beängstigenden Überlegung den Kopf. Zwar stellte sie sich die Frage, ob Ron es ihr sehr übel nahm, weil sie sich für den Tränkemeister entschieden hatte, aber der war im Fanon-Bereich ebenfalls sehr glücklich mit jemand anderem liiert.

All diese Canon-Gedanken schüttelte sie von sich ab. Hermine öffnete ihr Dokument auf dem PC, las die letzten Absätze und war bereit, ihre Geschichte fortzuführen. Als sie die Hochstelltaste und das große S benutzte, erschien eine Meldung auf dem Bildschirm.

Leise las Hermine vor: „Achtung: Sie versuchen eine Geschichte zu schreiben, in der keine Charaktere vorkommen. Möchten Sie fortfahren?“ Sie schnaufte. „Was für ein Unfug. Natürlich will ich fortfahren!“ Sie klickte auf den Button, auf dem Ja stand. Durch Zufall stach ihr ein bestimmter Satz ins Auge.

„Nichts wird mich davon abhalten, dich zu töten, denn ich bin ein fruchtbarer Mann!“

„Hoppla“, machte Hermine und legte die Finger der rechten Hand auf ihre Lippen. „Ein freudscher Verschreiber.“ Peinlich berührt korrigierte sie den Buchstabendreher. Mit dem nächsten Kapitel, das sie hochladen würde, wollte sie die Korrektur bei dem bereits online veröffentlichten Kapitel ebenfalls vornehmen, aber erst einmal wollte sie weiterschreiben. Direkt nach Severus’ Rede, in welcher er Sirius über den bevorstehenden Tod informierte, war ein günstiger Moment, an den sie anschließen wollte. Sie schrieb und schrieb. Machte eine Pause und las nochmals.

*** legte seine Hände um *** Hals und drückte kräftig zu. Die grauen Augen weiteten sich vor Entsetzen. Als *** noch fester zudrückte, legte *** seine Hände um *** Handgelenke.

„Was zum Teufel …?“ Einen Moment lang war Hermine sprachlos, bis sie endlich begriff, was hier passierte. Die Namen von Severus und Sirius wurden ausgeblendet. Zu Testzwecken schrieb sie dreimal hintereinander den Namen von Severus. Er verschwand immer wieder und wurde durch drei Sternchen ersetzt, genau wie der Name von Sirius. „Was stand nochmal in der Fehlermeldung?“

Hermine öffnete die Hilfe zu ihrem Schreibprogramm Magic Spell Writer © und gab als Suchbegriff ein: keine Charaktere. Sie erhielt sofort einen passenden Treffer. Der Hilfe-Text lautete:

„1. Symptom:
- Ein oder mehrere Charakternamen werden in Ihrem Dokument durch Sterne ersetzt, obwohl Sie die Namen geschrieben haben.

2. Ursache:
- Wenn Sie die Logik-Überprüfung von Magic Spell Writer © aktiviert haben, schreibt das Programm keine Namen von Charakteren, die in einem vorigen Kapitel endgültig ausgeschieden sind, z.B. den Tod fanden. Auf diese Weise werden Sie auf Logikfehler hingewiesen.
- Eine weitere Ursache könnte sein, dass jemand Ihre Geschichte manipuliert hat.
- Der seltenste Grund ist jener, dass die Charaktere sich in einem unbeaufsichtigten Moment selbst aus der Geschichte befreit haben (siehe -> „herausschreiben“).

3. Lösung:
- Deaktivieren Sie die Funktion -> Logik-Überprüfung und schreiben Sie den Charakternamen erneut. Ist es nun möglich, handelt es sich lediglich um einen inhaltlichen Fehler im Handlungsverlauf. Überprüfen Sie Ihre Geschichte auf u.a. Anschlussfehler (siehe -> Hilfethema: Logik-Überprüfung).
- Erscheint der Name weiterhin nicht, überprüfen Sie, wer Zugriff auf Ihre Dokumente oder Ihre Online-Zugänge hat. Schützen Sie beides mit einem neuen Passwort.
- Sollten sich die Charaktere selbst herausgeschrieben haben, schauen Sie auf Fanfiction-Plattformen, ob sich Ihre Charaktere dort in anderen Geschichten versteckt halten.“

Ein Logikfehler war Hermines Meinung nach ausgeschlossen. Erstens war ihre Fanfiction nicht so lang, dass man den Überblick verlieren könnte und zweitens war Logik ihr zweiter Vorname. Sie hatte keinen Fehler gemacht. Ausschließen wollte sie ebenfalls, dass sich jemand an ihren Dokumenten versucht haben könnte. Auf das von ihr gewählte Passwort würde niemand kommen. Sie war zu schlau für diese Welt, dachte sie grinsend. Zur Überprüfung schaute sie auf den Anfang ihres Kapitels. Auch dort fehlten die Namen der beiden Hauptdarsteller. Ihrer Meinung nach konnte das nur eines bedeuten.

„Sie haben sich rausgeschrieben! Diese verfluchten …“ Sie schnaufte wie ein wilder Stier. „Wenn ich euch zwei in die Finger bekomme, dann gibt es eine Slash-FF, darauf könnt ihr Billywig-Gift nehmen!“, drohte sie ihrem Monitor mit erhobenem Zeigefinder.

Weit weg von dem Handlungsstrang, in welchem sich Hermine gerade befand, materialisierte sich Severus in einem düsteren Raum. Es war kalt und roch ein wenig feucht.

Langsam öffnete Severus die Augen. Der Geruch kam ihm bekannt vor. Mit seinem Zauberstab entzündete er per Incendio die Fackeln und Kerzen im Raum. Ein wohliges Gefühl machte sich in dem Fleck breit, in welchem andere Menschen das Herz trugen. Severus lächelte schief.

„Meine Kerker!“ Freudig erregt blickte er sich um. In seinem Büro war alles so, wie er es in Erinnerung hatte. „Ich bin Zuhause“, murmelte er selbstzufrieden. Endlich konnte er wieder IC sein.

Die Freude darüber war groß. Kein romantisches Häuschen im Grünen. Keine Hermine, die ihn dazu zwang, die dämliche Vogeltränke mit ihren gefiederten Milbenschleudern zu beobachten. Kein „Out of Character“! Severus war wieder er selbst, der grimmige Zaubertränkelehrer, vor dem die Schüler zusammenzuckten, wenn er auch nur den Blick auf sie richtete. Das würde bei den Erstklässlern wieder die ein oder andere eingenässte Hose bedeuten, freute er sich.

„Gut gemacht, Lucius“, lobte Severus den alten Freund in Abwesenheit. Hogwarts war im Canon einer der sichersten Orte, ebenso in den meisten Fanfictions.

Severus sah sich zunächst ein wenig um. Ja, es war sein Büro, stellte er erfreut fest. Er ließ den Blick über die Papiere auf seinem Schreibtisch schweifen. Laut der Schülerarbeiten befand er sich zeitlich gesehen zwischen Band 4 und 5. Das bedeutete, Black war noch am Leben, aber erfreulicherweise auch Albus. Wenn Karkaroff ebenfalls noch unter den Lebenden weilen sollte, wollte er ihm den Hinweis geben, alles stehen und liegen zu lassen, um zu fliehen. Das warf allerdings die Frage auf, ob man auf diese Weise dem Canon entkommen konnte. Einen Versuch war es wert.

Am größten war bei Severus momentan die Lust darauf, einer gewissen Person die Hände um den Hals zu legen und langsam, ganz zaghaft und genüsslich, zuzudrücken. Dazu müsste er Black zunächst finden. Voller Energie durch sein vertrautes Zuhause strich sich Severus den Umhang glatt, warf das fettige Haar nach hinten und eilte zur Tür. Kaum hatte er diese geöffnet, stand er einem jungen Mädchen gegenüber, das ihre Hand zum Klopfen erhoben hatte. Sie fuhr erschrocken zusammen. Severus war stolz auf sich.

„Sir?“, fragte das Mädchen verunsichert.
„Was wollen Sie hier?“, knurrte er missgelaunt zurück. Sie murmelte irgendetwas Unverständliches, woraufhin er zeterte: „Sprechen Sie gefälligst lauter!“
„Nachsitzen, Sir. Ich sollte doch heute nachsitzen.“

Das fehlte ihm gerade noch. Sobald man Hogwarts betrat, musste man sich seinen Pflichten beugen. In seinem Fall war es in beinahe jeder Geschichte das Gleiche: Dummköpfe unterrichten und den Dämlichsten unter ihnen Strafarbeiten aufbrummen – manchmal auch den Hübschesten, aber nur, wenn die Geschichte ab 18 Jahren freigegeben war. Innerlich schüttelte er sich, als er an die üblichen Szenarien dachte, die sich in solchen FFs im Klassenraum abspielten. Er rümpfte die Nase und musterte das junge Mädchen, das er auf 16 oder 17 Jahre schätzte, von oben bis unten. Ihre wallenden, goldfarbenen Locken waren lediglich durch eine hellblaue Schleife gebändigt. Dennoch ging ihr das Haar bis zum Gesäß. Waren die Hogwarts-Schuluniformen für Mädchen schon immer so knapp geschnitten? Für eine Schülerin in ihrem Alter war ihre Oberweite recht üppig ausgefallen; nicht dass er auf so etwas achten würde. Das Mädchen biss sich verlegen auf die volle Unterlippe und warf ihrem Lehrer durch die dichten Wimpern einen schüchternen Blick zu. Severus war sich sicher, dass er sie noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Auffällig waren ihre silberblauen Augen, in denen ein violetter Schimmer zu erkennen war.

Ein violetter Schimmer? Ihm schwante nichts Gutes.

„Wie ist Ihr Name?“, wollte Severus wissen.
„Soll das ein Scherz sein? Sie wissen doch …“
Er fuhr ihr über den Mund. „Ihren Namen!“
„Phenomena, Sir.“
Severus drehte sich um und schloss die Augen, bevor er murmelte: „Herrgott, warum tut man mir das an?“

Phenomena. Dieses hübsche, perfekte Mädchen, dieser formvollendete Abklatsch einer Schülerin entsprang ursprünglich der Feder von Peter Pettigrew. Der Verbrecher hatte diese Mary Sue geschaffen und sie in einer Fanfiction aus dem Jahr 2008 mit ihm, dem Zaubertränkemeister, verkuppelt. Allerdings sollte sie damals seine Assistentin werden. Anders als vor drei Jahren war Severus heute jedoch bei Verstand. Er würde sich gegen das Mädchen schon zur Wehr setzen.

„Nachsitzen, ja?“, wiederholte Severus und drehte sich zu ihr um.
„Ja, Sir.“
„Dann kommen Sie mal herein! Na, wird’s bald?“
Phenomena machte gerade mal einen winzigen Schritt und schon stolperte sie über ihre kleinen Füße so sehr, dass sie ihrem Lehrer in die Arme fiel. Ihr voller Busen rieb sich an seiner schmalen Brust. „Oh, verzeihen Sie bitte.“
Severus griff sich ihre Schultern und stieß sie von sich, als wäre sie ein Krake mit acht Tentakeln. „Passen Sie auf, wo Sie hingehen!“ Er deutete auf einige schmutzige Kessel. „Die reinigen Sie. Ohne Magie!“
„Ja, Sir.“

Gerade fragte sich Severus noch, was eine so perfekte Schülerin wie sie angestellt haben könnte, um Nachsitzen zu müssen, da erhaschte er einen Blick auf ihre Unterwäsche. Phenomena beugte sich tief in einen der großen Kessel hinein, so dass der viel zu knappe Rock die weißen Rüschenhöschen freilegte.

„Sagen Sie“, begann Severus, „wie alt sind Sie eigentlich?“
Die Schülerin drehte sich zu ihm um. Auf ihrem Gesicht konnte er ein freches Grinsen ausmachen. „Ich werde morgen 17, Professor Snape. Dann bin ich endlich volljährig!“ Ihr Hintern wippte auf und ab, als wollte er der Aussage freudig zustimmen.
Missgelaunt schüttelte Severus den Kopf. „Wer hat Sie geschrieben?“
„Was meinen Sie?“

Nur blass geschriebene Charaktere waren sich nicht darüber im Klaren, dass eine fremde Macht sie dazu zwang, Dinge zu sagen oder zu tun, für die man sich normalerweise in Grund und Boden schämen würde. Diese Charaktere waren vom Autor mit zu wenig Intellekt ausgestattet, als dass sie ihre Umwelt begreifen konnten. Severus war sich bewusst, dass er manchmal durch geschriebene Worte gelenkt wurde, doch Phenomena wirkte nicht besonders helle. Womöglich wusste sie tatsächlich nicht, dass jemand sie für diese Szene geschrieben hatte. Sie war wie eine Porzellanpuppe, die von jemandem hübsch angezogen worden war. Allerdings schien ihr Kopf genauso hohl wie der einer Puppe zu sein. Irgendwer war dafür verantwortlich, dass diese Mary Sue zum Leben erweckt worden war. Severus war sich sicher, seinerzeit jede Kopie dieser unsäglichen Fanfiction vernichtet zu haben. Für das Ableben des Autors Peter Pettigrew war er höchstpersönlich verantwortlich. Damals hatten ihn alle betroffenen Personen gedeckt, selbst Tonks und Remus. Pettigrew konnte es nicht sein. Der war tot. Hoffentlich noch immer. Severus konnte sich schwerlich vorstellen, dass ein Fanfiction-Autor den erwachsenen Peter Pettigrew freiwillig wieder zum Leben erweckt haben könnte. Andererseits war nichts unmöglich.

„Schon gut“, sagte Severus zu der Schülerin. „Putzen Sie weiter!“

Seiner Aufforderung kam Phenomena ohne Murren nach. Es schien ihr beinahe Freude zu bereiten, die Kessel zu putzen. Das freche Lächeln blieb in ihrem Gesicht bestehen, als sie die harte Kruste von angetrockneten Zaubertrankzutaten erst mit Seifenlauge einweichte und dann mühsam löste. Severus betrachtete sie eine Weile.

Womöglich könnte ein Blick in die Bibliothek ihm weiterhelfen. Severus musste herausfinden, wer dafür verantwortlich gemacht werden konnte, dass Phenomena oder ihr Schöpfer wiederbelebt worden war. Müsste er nicht auf diese Schülerin aufpassen, würde er auf der Stelle Hogwarts auf den Kopf stellen, um der Reihenfolge nach Black zu töten, den Erschaffer von Phenomena in eines der geheimen Verliese unter der Schule zu werfen und danach Sex mit Hermine zu haben. Das war sein Plan. Besonders auf den dritten Punkt freute er sich.

Ab und zu blickte Phenomena über ihre Schulter und warf ihm einen kessen Blick zu. Dieses Luder, dachte Severus.

„Miss …?“ Er stutzte, als er bemerkte, dass er nicht einmal den Nachnamen der Schülerin kannte. „Wie lautet Ihr Familienname?“
Den Schwamm, mit dem das Mädchen die harte Kruste einweichte, ließ sie in den Kessel fallen, bevor sie sich aufrichtete und den Rücken ganz gerade machte, dabei absichtlich den Busen zur Schau stellte, der das weiße Hemd spannte. „Aber Professor“, ihren Oberkörper drehte sie schüchtern hin und her, „Sie nennen mich doch nie beim Nachnamen, wenn wir allein sind.“
Severus schluckte, behielt jedoch nach außen hin seine Fassung. „Ihr Nachname?“, wiederholte er kühl.
Phenomena ließ abrupt die Schultern und den Kopf hängen, bevor sie einmal durchatmete. Ihr Blick traf den seinen. „Womit habe ich Sie verärgert?“
Das war eine Konversation, die er nicht führen wollte. „Ich habe eine einfache Fra…“
Sie unterbrach ihn, was sonst kaum jemand wagte. „McKenna, Sir.“ Ihre Stimme war genauso kalt wie seine. „Phenomena McKenna.“

Absolut nichts klingelte bei ihm. Er kannte sie nicht, hatte nie ihren Namen vernommen, ihn nirgends gelesen oder gar über sie gesprochen. Sie war ihm und somit dem Harry Potter Universum völlig fremd.

„Machen Sie weiter, Miss McKenna“, befahl er. Ihr Blick wurde traurig, aber sie kam seinem Wunsch nach. „Ich bin für einen Moment draußen und erwarte, dass Sie meine Abwesenheit nicht ausnutzen, um zu Faulenzen.“
„Nein, Sir, würde ich nie …“ Sie hörte nur noch, wie die Tür zuschlug.

An den dunklen Gängen der Kerker war nichts Ungewöhnliches. Es sah aus wie immer, und doch war irgendetwas anders, nur konnte Severus nicht mit dem Finger darauf deuten. Er blieb immer im Schatten, als er sich auf Erkundungstour machte.

Als es keinen Schatten mehr gab, mit dem er sich verschmelzen konnte, musste er seine Deckung aufgeben. Er mischte sich unter die Schüler, die im strahlenden Sonnenschein auf dem Rasen sitzend ihre Hausaufgaben …

Strahlender Sonnenschein? Es war Januar und zwar sein Geburtstag! Jedenfalls das letzte Mal, als Severus auf den Kalender geschaut hatte. Für ihn war nun klar, dass Lucius ihn nicht ins normale Hogwarts geschickt hatte, sondern in eine Fanfiction. Wahrscheinlich erlaubte sich der reinblütige Freund nur einen Scherz.

Severus schaute sich die Schüler genauer an, einen nach dem anderen. Die meisten kannte er. Da war sogar sein persönlicher Albtraum: Neville Longbottom. Der dickliche Junge, der jetzt in der fünften Klasse sein müsste, kam, mit der Nase in ein Buch gesteckt, auf ihn zu. Als Neville den Kopf hob und seinen Lehrer für Zaubertränke bemerkte, blieb er abrupt stehen und wechselte plötzlich den Weg, den er ursprünglich gehen wollte. Zumindest das hatte sich nicht geändert, nahm Severus dankend zur Kenntnis. Neville war noch immer voller Angst vor ihm.

Auf dem Schulhof fand er keinen Black, auch nicht auf den Gängen im Erdgeschoss. So fasste Severus den Entschluss, wieder in seine Kerker zu gehen, um sich einige seiner ganz besonderen Überraschungen einzustecken, die er für Black in petto haben wollte.

Nachdem Severus in einen Gang eingebogen war, sah er etwas, das ihn sofort Kehrt machen ließ, um sich hinter einer Ritterrüstung zu verstecken. Vorsichtig lugte er an dem Morgenstern vorbei und sah sich die Person, die gerade ein Schwätzchen mit Aurora hielt, genauer an. Es handelte sich dabei um ihn selbst. Schulterlange schwarze Haare, aber nicht fettig, sondern seidig glänzend. Die Hautfarbe sah gesünder aus, war von vornehmer Blässe und – das versetzte Severus wirklich einen Schreck – der Doppelgänger lachte kurz auf und legte eine Hand vertrauensvoll auf die Schulter seiner Kollegin, bevor sich ihre Wege trennten. Aurora ging nach draußen auf den Hof. Severus beobachtete, wie sein Doppelgänger den Weg in die Kerker einschlug.

Sein Können als Agent für die gute Seite zahlte sich aus. Severus verfolgte die Person lautlos, die davon nichts bemerkte. Womöglich handelte es sich um Potter, der Vielsafttrank eingenommen hatte, um in der Gestalt seines Tränkemeisters Unsinn anzustellen. Dem würde er den Kopf waschen, dachte Severus. Versteckt im Schatten war er dem falschen Severus bis zum Büro gefolgt, in welchem sich Phenomena befinden musste. Severus wandte einen Desillusionszauber an sich selbst an, so dass er unbemerkt durch die offene Tür schlüpfen konnte. Was er dort erlebte, machte ihn nicht nur wütend, sondern ließ seine Lust darauf, jemanden mit bloßen Händen zu töten, nur noch wachsen.

Phenomena drehte sich zu ihrem Professor um, zog dabei ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter. Der falsche Professor lächelte sie mit geraden, weißen Zähnen an. Sein Lächeln verblasste, als er ihre trübe Miene bemerkte.

„Phenomena, was hast du? Warum so bedrückt?“, fragte der falsche Professor. Leise näherte sich Severus den beiden, um alles genau hören zu können.
„Ach, jetzt wieder Phenomena. Was ist aus Miss McKenna geworden?“

Sein Doppelgänger schien verwirrt. Weil der falsche Professor nichts sagte, drehte sich Phenomena wieder zum Kessel und fuhr mit der Reinigung fort.

„Warum tust du das?“, wollte der Seidenhaar-Severus wissen.
„Warum tu ich was?“, keifte Phenomena zurück, so dass ihre Stimme im Kessel widerhallte. „Warum ich putze? Das ist die Strafarbeit, die Sie mir aufgebrummt haben!“ Sie richtete sich auf, schaute ihren Professor an und giftete: „Sir!“

Der falsche Professor ging einen Schritt zurück. In Severus’ Augen verhielt er sich völlig out of character. Niemals würde er vor einer Schülerin zurückweichen. Was für ein Spiel wurde hier gespielt?

Das Double nahm den Schwamm aus Phenomenas Händen und warf ihn in den Kessel. Mit einem Zauberspruch reinigte er das Utensil, bevor er in seinen Umhang griff und völlig unerwartet einen Strauß Blumen herauszog, den er dem Mädchen entgegenhielt. Phenomena beäugte die Blumen zunächst skeptisch. Innerlich gab sie sich einen Ruck, denn sie begann zu strahlen und fiel dem Professor um den Hals.

Severus war entsetzt! Wollte man ihm eine Straftat anhängen? Angewidert sah er dabei zu, wie Phenomena den falschen Professor zu küssen begann, erst zaghaft, dann leidenschaftlich. Severus wurde übel.

„Gar nicht übel“, hörte man den falschen Professor sagen. „Ich sollte öfters Blumen mitbringen.“
„Und ich dachte schon“, Phenomena strich dem Mann über die Brust, „dass ich irgendetwas getan habe, weil du so sauer warst.“
„Ich und sauer? Nicht doch …“

Bevor sich der echte Severus übergeben musste, verließ er die Kerker. Er wollte nicht dabei zusehen, wie sein Doppelgänger sich an einer minderjährigen Schülerin verging. Das konnte nur Blacks Plan sein! Die Flohschleuder wollte einen Pädophilen aus ihm machen, damit er für diese Schandtat nach Askaban kommen und dort verrotten würde.

„Nicht mit mir!“, murmelte Severus sich selbst zu. Seine Identität würde er sich von niemandem stehlen lassen.

~
Fortsetzung folgt.
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