Hm, ich halte es für nicht ganz richtig zu behaupten, daß die 'ich geb meinem Lieblingsnachbarn Punkte-Strategie' so neu wäre.
Das ist so seit ich den Grand Prix kenne - England und Irland geben sich gegenseitig die Stimmen, Dänemark, Schweden, Norwegen und Island geben sich gegenseitig Stimmen, die Benelux-Staaten stimmen ebenfalls füreinander, und Deutschland bekommt aus Österreich keine Punkte, dafür aber aus Spanien, dank der ganzen Mallorciner.
Das ist völlig normal, und war schon vor der Einführung des Telefonvotings ansatzweise zu erkennen.
Natürlich fällt es uns umso mehr auf, je mehr Ostblock- und Balkanstaaten es im Wettbewerb gibt, denn damit verzieht sich die Punktevergabe eben immer mehr; die skandinavischen Staaten haben sich ja nicht vermehrt. (Würde mir mit Blick auf den Grand Prix allerdings gefallen).
Hinzu kommt außerdem, daß der Song Contest in den Ostblockstaaten einen ganz anderen Stellenwert hat als bei uns. Da ist es neben einem ernstzunehmenden (!) Festival eben auch eine echte politische Motivation: Man kann sich und sein Land vor einem 100-Mio.-Publikum präsentieren, das bedeutet Tourismus-Werbung, Werbung für politsche Sympathien und wirtschaftliche Auswirkungen hat es auch. Es ist eine Chance, die sich von diesen Staaten kaum einer entgehen lassen möchte - und ich kann es ihnen nicht verübeln. Deswegen kann ich auch mit dem Abstimmungsmodus und dem mehr oder minder vorhersagbaren Ergebnis ausgezeichnet leben.
Wie ich höre, gibt es Überlegungen, ab 2009 wieder eine Jurywertung einzuführen. Nun, mein persönliches Vergnügen am Contest würde das sicher wieder steigern, aber ich bin mir nicht sicher, ob das europaweit wirklich eine gute Idee ist.
Außerdem halte ich es ebenfalls für ein Märchen zu behaupten, der Contest würde immer schlechter.
Klar, es waren wieder sehr viele schlechte Lieder dabei - aber auch das war schon immer so. Nur daß man die ganzen Peinlichkeiten eben schnell wieder vergessen hat.
Und klar, es gab auch in diesem Jahr kein Lied, das mich 100%-ig überzeugt hätte, aber auch das war bei einem Grand Prix absolut selten.
Dafür aber war es (anders als noch vor wenigen Jahren) wieder ausgesprochen bunt. Jedenfalls ich hatte nicht das Gefühl, daß die Lieder mehr oder minder austauschbar seien - und das finde ich wirklich klasse. Genauso kann es meiner Meinung nach auch weitergehen.
Selbst wenn ich, wie schon so oft zuvor, am liebsten für den 'Pausenfüller' gestimmt hätte (dieses Jahr Apocalyptica).
Alles in allem bin ich also wieder einmal zufrieden. Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt an dem Abend (was nicht zuletzt an dem tollen Gastgeberland lag) und der Siegertitel lag auch unter meinen persönlichen Top 10. Was mehr kann ich erwarten?