Momentan sind ja die sog. Kinderporno-Sperren, denen zufolge das BKA eine Sperrliste von Websites erstellt, die die Internet-Provider sperren müssen und bei deren Aufruf man auf eine Stoppschild-Seite des BKA gelangt, in aller Munde. Vor einer knappen halben Stunde fand die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag statt, die man live über die Website des Bundestages oder über Phoenix verfolgen konnte - die Positionen der Fraktionen waren natürlich klar, aber erschreckend, dass der Plenarsaal doch praktisch leer war.
Viel diskutiert, viel umstritten das Thema. Problem an der Sache ist, dass beim Thema Kinderporno sofort auf die Tränendrüse gedrückt wird und hochemotionale Diskussionen entstehen, sodass eine sachliche Erörterung des Themas nur schwer möglich ist.
Zunächst einmal muss man sich natürlich fragen, ob es denn Sinn macht, Sperren einzuführen. Die Sperren, die dort propagiert werden, sind DNS-Sperren, die durch Einstellung eines alternativen DNS-Servers von jedermann innerhalb einer Minute umgangen werden können, es kursieren genug 30-Sekunden-Videos bei YouTube & Co. Daher erscheint eine Sperrung sowieso sinnlos. Viel sinnvoller wäre es doch, die entsprechenden Seiten direkt vom Netz nehmen zu lassen, anstatt sie einfach nur vor allen zu verstecken.
Weiterhin ist es fragwürdig, ob die Milliardenindustrie, die von vielen propagiert wird, überhaupt existiert. Es existieren Belege, dass ein Großteil des Ganzen privat und unentgeltlich abläuft, und oft nicht mal im Internet. Frau von der Leyen, die das Gesetz in die Wege geleitet hat und wie eine Löwin verteidigt, behauptet, dass die Verbreitung von Kinderpornographie drastisch angestiegen sei - und nennt als Quelle das BKA. Das wiederum hat tatsächlich einen starken Anstieg an Ermittlungverfahren bzgl. Kinderpornographie verzeichnet - aber ein Großteil dessen sind Verfahren, die im Zuge großer Operationen geführt wurden, bei denen aber die meisten der Angeklagten aufgrund mangelnder Beweislage wieder freigesprochen wurden. Demnach ist der zitierte Anstieg fragwürdig. Daher ist es insgesamt fragwürdig, ob Sperren, die jeder, der an das entsprechende Material kommen will, umgehen wird, wirksam wären und helfen würden, Kinderpornographie zu verhindern.
Im Gegenteil: Mit so einer Sperrliste, die nur das BKA einsehen und bearbeiten darf (jede Website, die die Liste veröffentlicht, kommt selber darauf), kann man viel Unfug treiben. Keiner kann die gesperrten Websites kontrollieren. Bereits jetzt schon werden Forderungen laut, die Sperrungen auf weitere Bereiche wie Glücksspiele oder Killerspiele auszuweiten. Dann ist es nicht mehr weit, bis auch politisch ungeliebte Äußerungen ausgeblendet werden, und dann sind wir bei der Zensur.
Zudem gibt es bereits Ansätze, die Daten derjenigen, die auf eine Stoppschild-Seite kommen, in Echtzeit an das BKA weiterzuleiten, damit die ermitteln können. Kurz gesagt: Wer Pech hat und auf so eine Seite kommt, kann mit etwas Glück am nächsten Morgen das BKA vor seiner Tür stehen haben und eine Hausdurchsuchung am Hals haben. Und das müsste man nicht einmal selber verschulden. Hier im Forum könnte ein User ein Bild in seine Signatur einfügen, das auf einer gesperrten Seite gehostet ist. Wenn man dann einen Post dieses Users aufruft, wird das Bild geladen, und schwupps ist der Zugriff auf den gesperrten Server da. Und dann hat man selber den Ärger.
Keine Frage, es muss gegen Kinderpornographie vorgegangen werden. Aber nicht so. Durch Verstecken hinter einem Vorhang wird keinem Kind geholfen.
Daher denke ich, dass der Gesetzesvorschlag nicht sinnvoll ist - und so denken auch viele andere. Es gibt im Internet seit Montag eine Online-Petition gegen das Gesetz, die man unterschreiben kann - es werden 50000 Mitzeichnungen gebraucht, knapp 35000 sind bereits vorhanden. Wer will, findet weitere Infos unter zeichnemit.de.