- Lana -
Vollkommen überrascht und ungläubig hatte Lana vor drei Wochen auf den knallroten Brief gestarrt, den sie aus dem Briefkasten geholt hatte.
Sie hatte ihn damals schon zum zweiten Mal durchgelesen, aber trotzdem lange Zeit nicht glauben können, was da gestanden hatte:
„Sehr geehrte Miss Lana Leonore Rosita,
Wir haben hiermit die Ehre Ihnen mitteilen zu dürfen, dass sie soeben an der
Zaubereischule der „Vier Elemente“
aufgenommen wurden!
Zaubereischule der „Vier Elemente“
aufgenommen wurden!
Wir würden uns sehr freuen, Sie mit Beginn des neuen Schuljahres in unseren Reihen begrüßen zu können!
Zusammen mit anderen Schülerinnen und Schülern Ihres Alters haben Sie die einmalige Chance, neben dem fortgeschrittenen Unterricht in den alltäglichen Fächern der Zauberei, zusätzlich auch in der besonderen Handhabung der Magie der vier Elemente unterrichtet zu werden.
Dieses Privileg wird Ihnen zuteil, weil Sie (wie Sie vielleicht selbst schon bemerkt haben) über einen besonderen Bezug zu einem der vier Elemente (Feuer, Erde, Luft oder Wasser) verfügen!
Wir bitten sie deshalb pünktlich am 01.10. bei uns zu erscheinen. Alles Weitere werden Sie dann vor Ort erfahren. Der Übertritt von Ihrer alten Schule an die Unsrige ist bereits geregelt.
Benötigt werden die üblichen Utensilien für den Unterricht wie Kessel, einen aufgefüllten Vorrat an Zaubertrankzutaten, Pergament, Zauberstab, Festumhang, usw.
Des weiteren dürfen sie ein Tier ihrer Wahl in die Schule mitbringen. (In Ausnahmefällen sind auch zwei Tiere erlaubt, was aber nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Rektorats geschehen kann!)
Außerdem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Gebrauch von ...“
Als sie den Brief fertig gelesen hatte, hatte er sich kurzzeitig zusammengeknüllt und als er sich wieder entfaltet hatte war ihr eine Halskette mit einem grauen, runden Stein in die Hand gefallen.
In geschwungene, goldenen Lettern war nun auf dem wieder entfalteten Papier zu lesen gewesen:
„Dieses Amulett ist der Zugangsschlüssel zu unserer Schule!
Halten Sie ihn PÜNKTLICH am 01.10 um 21.00 Uhr bereit.
Bei Verlust wenden Sie sich bitte umgehend an das „Amt für verlorene Zauberartefakte“! Ein Ersatz kann nur in Ausnahmefällen zugeschickt werden!! ..."
Die letzten Wochen bis zum Schulbeginn hatte sie kaum erwarten können! Immer wieder hatte sie den Anhänger in den Fingern gedreht und sich gefragt, wie ihr dieses kleine Ding Zugang zur Schule verschaffen sollte!
Als es schließlich soweit war, stand sie, nach der Verabschiedung von ihren Eltern, endlich mit gepacktem Koffer im Vorgarten. Den Anhänger hatte Lana in den letzten Minuten wohl zum zwanzigsten Mal aus der Tasche gezogen. Als sie die Hand erneut fest um das Amulett schloss, verspürte sie plötzlich ein starkes Ziehen und wurde von den Füßen nach vorne gerissen!
Na klar, warum war sie da nicht früher drauf gekommen! Der Anhänger war ein Portschlüssel!
Die Landung war mehr oder weniger sanft gewesen. Nun stand sie hier unter einer immer größer werdenden Schar an Schülern, die mit einem „Plopp“ genauso wie sie hier ankamen.
Lana trat von einem Fuß auf den anderen. Sie fröstelte leicht, weil ein kalter Windstoß ihren Umhang aufbauschte. Warum musste es denn heute auch so kalt sein. Zitternd zog sie ihren Mantel noch enger um sich und blickte sich zum ersten Mal etwas genauer um. Sie stand auf einer Waldlichtung, die nur von der Sichel des Mondes erhellt wurde. Um sich herum vernahm sie einige Gestalten, doch es war zu dunkel um irgend jemanden richtig zu erkennen.
Es kam ihr schon wie eine Ewigkeit vor, dass sie hier stand, als sich plötzlich eine schlanke, junge Frau in einem hellblauen Gewand und einem wallenden Umhang den Weg durch die Menge bahnte.
Vorne angekommen bat sie mit einem Schwung ihres Zauberstabs um Ruhe.
Das Gemurmel verstummte augenblicklich und sie hob mit klarer Stimme an:
„Guten Abend und herzlich Willkommen meine lieben Schülerinnen und Schüler!
Mein Name ist Morgana Fay und ich bin eure neue Schulleiterin. Wie ihr wisst, werden auf meiner Schule neben den üblichen Fächern auch vier ganz besondere Fächer gelehrt: Die Fächer der vier Elemente. In jedem von euch steckt ein anderes Element und heute Nacht werden wir herausfinden welches der vier das eure ist. Auch wenn es manchen von euch vielleicht gar nicht bewusst war:schon seit eurer Geburt stand fest zu welchem Element ihr gehört. Menschen des Elements Erde zum Beispiel interessieren sich oft sehr für die Natur, und Pflanzen wachsen in ihrer Obhut oft schneller als bei anderer Leuten. Oder diejenigen, in denen das Element Feuer steckt, sind, wenn sie zornig sind, oft wie elektrisch aufgeladen und scheinen förmlich vor Wut zu glühen. Ich könnte jetzt noch viele Beispiele bringen, aber dafür haben wir heute leider zu wenig Zeit, da wir nun mit der Zeremonie beginnen müssen!“
Sie gab wieder eine Wink mit ihrem Zauberstab von sich und zwei Männer und zwei Frauen, die jeweils einen Gegenstand in den Händen hielten, traten hervor. Die erste Frau, die ein langes weißes Kleid trug und blonde lockige Haare hatte, trat in die Mitte der Lichtung, wendete sich nach Osten und legte eine Feder vor sich auf den Boden. Anschließend hob sie ihre Arme in die Luft und murmelte etwas, worauf plötzlich ein starker Wind über die staunende Menge hinweg blies und Kleid und Haare der Frau wild umher wehte. Nun begann die Frau mit geschmeidiger Stimme einen Singsang:
Heil dir, Erus, Wächter der Türme im Osten,
Mächte der Luft.
Blase durch uns und reinige uns,
erwecke, was schon zu lange in uns schläft.
Bei der Luft, die ihr Atem ist,
rufen wir dich an!
Sei bei diesem heiligen Ritus zugegen,
beschütze diesen Kreis
und gib uns den Segen deines Lichtes.
Als sie dies drei mal wiederholt hatte malte sie mit ihrem Zauberstab ein kleines Zeichen in die Luft und verneigte sich. Während sie sich noch verneigte, trat nun ein Mann aus dem Kreis heraus und wendete sich Richtung Süden. Er trug eine schwarze weite Hose und auf seinen Oberkörper waren mit roter Farbe viele Symbole gemalt, die Lana nicht kannte. Er steckte eine Fackel vor sich in die Erde und hob dann ebenfalls die Arme und schien nun förmlich zu brennen. Auch er begann nun mit tiefer Stimme einen Singsang:
Heil dir, Notus, Wächter der Türme im Süden,
Mächte des Feuers.
Erfülle unsere Seelen mit deiner Hitze,
schüre die Flamme unseres Willens.
Bei dem Feuer, das ihr Geist ist,
rufen wir dich an!
Sei bei diesem heiligen Ritus zugegen,
beschütze diesen Kreis
und gib uns den Segen deiner Stärke.
Anschließend malte auch er ein Zeichen in die Luft, verneigte sich und der zweite Mann trat hervor, welcher eine dunkelblaue Hose trug und ebenfalls Symbole auf seinem nackten Oberkörper hatte. Dieser wendete sich jedoch gen Westen. Er hatte einen silbernen Kelch in der Hand, der mit Wasser gefüllt war und stellte ihn nun vor sich auf die Erde. Genauso wie die anderen hob auch er seine Arme und es begann über ihm zu regnen als er zu singen begann:
Heil dir, Zephyr, Wächter der Türme im Westen,
Mächte des Wassers.
Umspüle und fließe durch uns,
geleite uns durch unsere Tage.
Bei dem Wasser ihres lebensspendenden Schoßes,
rufen wir dich an!
Sei bei diesem heiligen Ritus zugegen,
beschütze diesen Kreis
und gib uns den Segen des Lebens.
Als er sein Zeichen in die Luft gezeichnet hatte, trat die letzte Frau hervor und wendete sich nun gen Norden, wo sie eine Schale voll mit Erde abstellte. Sie hatte ihr langes braunes Haar zu einem dicken Zopf geflochten und ein grünes langes Gewand an. Als sie ihre Arme hob, erschraken alle Schüler, da plötzlich die Erde leicht zu beben begann.
Heil euch, Boreas, Wächter der Türme im Norden,
Mächte der Erde.
Dunkler Spiegel, der kein Bild reflektiert,
jedoch unser innerstes Wesen enthüllt.
Bei der Erde, die ihr Körper ist,
rufen wir dich an!
Sei bei diesem heiligen Ritus zugegen,
beschütze diesen Kreis
und gib uns den Segen deiner Weisheit.
Als sie nun ihr Ritual beendet hatte, flogen die Gegenstände die sie zuvor abgestellt hatten in die Luft und verbanden sich dort, während die vier Personen immer schneller sangen, so dass man kaum noch ihre Worte verstehen konnte. Plötzlich erstrahlte ein sehr helles Licht, dort wo sich noch eben die Gegenstände verbunden hatten. Lana war geblendet und hob schützend ihre Hand vor die Augen. Sie konnte nicht mehr erkennen was passierte. Als das Licht langsam verblasste und sie nun wieder aufblickte, waren die vier Personen verschwunden.
Sie schaute auf ihre Hand herunter und ihr Blick fiel auf den grauen, runden Stein in ihrem Amulett, dass sie seit ihrer Ankunft immer noch in der Hand gehalten hatte. Sie spürte das von ihm eine innere Wärme ausging und während sie noch darüber nachdachte, wechselte der Stein die Farben: Er wurde leuchtend goldbraun.
Sie fühlte sich sehr mit ihrem Stein verbunden und wusste aus irgendeinem Grund, dass sie nun zum Element Erde gehören würde.