Lucius Malfoy konnte nicht schlafen. Pausenlos wälzte er sich von der einen auf die andere Seite. Zwar hatte er die ganze Nacht mit seinem Sohn verbracht um ihm zu zeigen, was es heißt ein richtiger Todesser zu sein, doch wollte sich der wohlverdiente Schlaf nicht einstellen. Die Erinnerungen, die seinem Sohn offenbart worden waren, veränderten offensichtlich etwas in Draco. Noch nie hatte Lucius in den Augen seines Sohnes so viel Angst, Bewunderung und Ehrfurcht gleichzeitig gesehen. Es erfüllte Lucius mit einem gewissen Stolz seinem Sprössling nun den Weg ebnen zu können, der ihm von Geburt an bestimmt worden war. Der dunkle Lord gewann tagtäglich an Macht und es war von immanenter Wichtigkeit, sich auf die richtige Seite zu schlagen.
Es wurde langsam Zeit, dass den reinblütigen Familien wieder die Aufmerksamkeit und der Respekt entgegen gebracht würde, der ihnen von Abstammung wegen zustand. Und Draco würde seinen Platz schon finden. Er würde ihm helfen, wo es ginge...doch....was war mit Cissy?
Lucius Gedanken wanderten zum dritten Mitglied seiner Familie.
Cissy traute Draco seiner Meinung nach längst nicht genug zu. Aber wer könnte es ihr verdenken? Sie wusste ja auch nicht alles, was er seinem Sohn mit auf den Weg gegeben hatte, weil sie es damals schon wohl missbilligt hätte. Aber Notwendigkeiten tolerieren keinen Aufschub!
Lucius hasste es vor seiner Frau Geheimnisse zu haben, aber dem Gelingen der großen Sache, war die Unterordnung persönlicher Gefühle durchaus zu rechtfertigen.
Zwar zierte sich Cissy noch ein wenig ihren Sohn loszulassen, aber das war nur die erste Angst einer Mutter um ihren Sohn. Draco würde jetzt durch eine harte Schule gehen müssen und da konnte er die Verhätschlung nicht länger gebrauchen.
Dennoch musste Lucius leicht lächeln bei dem Gedanken an seine Frau. Sie war leidenschaftlich und intelligent, und dafür liebte er sie, aber wenn es um Draco ging, dann konnte man mit ihr nur schwer reden. In ihm stieg ein Bild auf von einer Raubkatze, die ihr Junges verteidigte. Das Lächeln erstarb auf seinen dünnen Lippen.
Konnte sie denn tatsächlich nicht sehen, welche Vorteile es hätte, nach dem Sieg des Dunklen an seiner Seite zu stehen? Sie würden wie Könige unter ihren Untergebenen leben. Kein Weg wäre zu weit, keine Tür versperrt. Es ging um Dracos Zukunft, nicht darum ihn blind auf ein Himmelfahrtskommando zu schicken. Um ihre eigene Zukunft.
Lucius fuhr sich mit seiner Hand durch sein schlohweißes Haar. Draco hatte zumindest verstanden. Das beruhigte ihn. Cissy würde es verstehen. Wenn nicht......er schloss die Augen. Darüber mochte er gar nicht nachdenken. Sofort verkrampfte sich die Gegend um sein Herz und Lucius spürte starke Stiche in seiner Brust. Es war nicht so, dass es ihm egal war, was seine Frau dachte, das war es noch nie, aber sie hatte keine Ahnung, was ihr blühen würde, wenn sie das Unternehmen Draco zu einem Todesser zu machen gefährden würde. Eine Gefahr, die nicht von ihm ausging.
Lucius schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken sofort wieder abzuschütteln. Schwäche war etwas, das Lord Voldemort nicht tolerierte und er würde nicht damit anfangen, welche zu zeigen. Seine Aufgabe bestand darin, Draco seine Willensstärke und Disziplin beizubringen. Diese Kriterien hatten ihn schließlich zu einem der engsten Vertrauten des Lords gemacht.
Lucius stand auf. Er würde in den nächsten Stunden nicht schlafen können. Langsam schritt er zu dem kleinen Sekretär, der an der Wand stand. Durch eine schwingende Handbewegung öffneten sich die kleinen Lädchen. Lucius nahm eine heraus und entfernte den Briefumschlag, den er dort postiert hatte. Gestern hatte er eine unangenehme Begegnung mit Wurmschwanz, der nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln wert war. Laufbursche war wohl das höchste, was der Dunkle ihm noch zutraut. Wer konnte es ihm verdenken?
Es gab neue Anweisungen. Endlich! Endlich konnte er wieder etwas tun, was ihn ein wenig von der Situation unter seinem eigenen Dach ablenken würde. Natürlich tat es ihm im Herzen weh, dass es mit Cissy nicht so gut lief im Moment. Aber vielleicht war eine Herausforderung genau das, was er jetzt brauchte. Lucius stockte kurz.
„Herausforderungen“...hatte der Namenlose recht? Nannte er das jetzt schon eine Herausforderung? Lucius öffnete den Briefumschlag und entfaltete das Pergament, welches sich darin befand.
Seine Augen glitten fast regungslos über die Zeilen:
Mein treuer Lucius,
Es war viel geplant seit unserem letzten Treffen, doch mit wachsendem Zorn erkenne ich, dass selbst meine vertrauenswürdigsten Todesser sich während meiner Abwesenheit zu harmlosen Kriechern gewandelt haben. Wo ist die alte Stärke, wer zittert noch vor uns? Ich wünsche, dass Du am Samstag, in zwei Wochen, um exakt 16 Uhr, in London das Haus des Harrods zerstörst. Diese Muggel - Einrichtung ist durch das Ministerium nur schwach gesichert und ich erwarte, dass Du diesen Auftrag ohne Hilfe ausführen kannst. Ich hätte Dich, meinen engsten Todesser, gerne sinnvoller und effektiver eingesetzt, doch die schwächliche Lithargie, in die meine Diener, und wie es mir scheint auch Du, verfallen sind, lassen einen direkten Angriff auf besser bewachte Ziele höchst bedauerlicherweise noch nicht zu.
Ich erwarte zudem, dass Du mir für den besagten Samstag Deinen Sohn Draco überantwortest. Es wird Zeit, aus ihm einen treuen Todesser zu machen. Ich werde ihn für einen Malfoy angemessen testen, in Erwartung, dass seine außerschulische Ausbildung nicht vernachlässigt wurde.
Lord Voldemort
Sofort kochte in ihm eine leichte Wut hoch. Eine lächerliche Aufgabe! Ein Kaufhaus voller Muggel zu zerstören. Und es ist nicht einmal vom Ministerium bewacht! Das war eine Beleidigung seines Stolzes!
Leider musste Lucius aber auch zugeben, dass der Zorn seines Meisters nicht ungerechtfertigt gewesen war. In der jüngsten Vergangenheit hatten ihn seine Untergebenen zu oft enttäuscht. Aber warum er? Sogar Grabbe und Goyle könnten diesen Auftrag übernehmen.
Nun gut! Voldemort wollte ihn. Und er würde ein Ergebnis bekommen, dass ihn nie wieder an seine Stärke zweifeln lassen würde. Dieser Gedanke brannte sich zu einer grimmigen Fratze auf Lucius´ Gesicht. Diese verdammten Muggel. „Verdammt“.....das war ein Wort, dass es wohl am besten beschrieb...
Das Knarren der Treppenstufen holte ihn wieder ins Hier und jetzt zurück. Lucius schreckte auf. Cissy machte sich wohl auf den Weg zu ihm....
Schnell versteckte er den Brief wieder an seinen angestammten Platz! Eine Handbewegung und der Sekretär sah aus wie immer.