Bei der ganzen Weihnachtsberiselung durch hell erleuchtete Christkindlmärkte, die weihnachtlichen "Klassiker" im Radio und dem ganzen Santa-Claus-X-Mas-Gedudel vergisst man leicht, daß es in Bayern zwischen dem 5. Dezember und dem 6. Januar auch noch ganz anders zugehn kann - gruselige Gestalten tauchen auf in der Nacht, die wilde Jagd zieht umher, denn es ist Rauhnacht.
Woher das Wort "Rauhnacht" kommt, ist umstritten. Einige sagen, es kommt von der "Rauchnacht", das sind besondere Nächte, in denen die Stallungen und Häuser ausgeräuchert wurden. Dabei wurde vom Hausvater eine Pfanne mit glühenden Kohlen und ein wenig Weihrauch betend durchs Haus getragen, das Gefolge folgte streng nach Rangabstufung, und die Bäuerin besprengte alles mit Weihwasser, um so Gesundheit und Glück für die Bewohner und das Vieh zu erbitten. Andere sagen, die Rauhnacht komme von dem Wort "rauh", denn in den Rauhnächten tobt ein wilder Kampf zwischen Licht und Finsternis, aus dem schließlich das Licht siegreich hervorgeht; Nächte, in denen ein Heer von Dämonen, das „wilde G’joad“ durch die Luft braust um die Finsternis im Kampf gegen das Licht zu unterstützen. Oftmals kündigt sich die wilde Jagd durch Kuhglocken an, und Unvorsichtige, die sich nach draußen wagen, werden mitgenommen und tauchen oft erst nach Monaten wieder auf, weil sie in fernen Ländern abgesetzt werden.
In diesen Rauhnächten tauchen auch plötzlich Horden vermummter Gestalten auf, die lärmend durch Dörfer ziehen und vor jedem Haus tanzen: Die Perchten.
Die Perchten stärken mit ihrem Wirken das Gute und treten dem Bösen entgegen. Sie überbringen Gesundheit, Glück, Segen für Wälder, Fluren, Felder, Haus und Hof und alle Bewohner, ob Mensch, ob Tier und bannen Schaden, Krankheit und Missernten.
In Kichseeon bei München wird diese Tradition seit über 50 Jahren wieder fortgeführt - Kriege und Besatzung unterbrachen diesen Brauch. Der Perchtenlauf geht zurück auf örtliche Traditionen sowie Holzknechte aus dem bayerischen Oberland, dem Allgäu, Baden, Württemberg, Franken, dem Bayerischen Wald, Südtirol, Italien und Slowenien, die alle nach Kichseeon kamen, um im Ebersberger Forst eine neue Heimat und vor allem Arbeit zu finden. Sie brachten ihre Bräuche mit, aus denen sich eigenständige Traditionen herausbildeten. Heute gibt es einen Verein, "Die Perschten von Soj", die viele Förderer in der ganzen Welt haben.
Zentrale Gestalt bei diesen Perchtenläufen ist die Frau Percht.
Sie ist die Mittwinterfrau, die in den Rauhnächten umgeht, besonders vor dem Dreikönigstag. Sie erscheint sowohl in der Gestalt einer strahlenden, schönen Frau als auch in der einer alten Vettel, deswegen ist ihre Maske eine Doppelmaske, ein Januskopf. Sie wird oft als "Frau" oder "Mutter" tituliert, beides sind Ehrbezeichnungen. Sie kehrt in die Häuser der Menschen ein, die ihr Speisen darbringen, und ihre Einkehr verheißt für die Bewohner Glück, Segen und Fruchtbarkeit. Sie wacht über Ordnung im Haus, insbesondere in den Spinnstuben, und belohnt die Tüchtigen etwa duch wundersame Vermehrung der gesponnenen Wolle oder durch das Verwandeln von Holzspäne in Gold. Die Faulen, Unordentlichen und diejenigen, die sie verspotten, bestraft die Frau Percht hart: Sie schneidet ihnen mit einer rostigen Schere den Bauch auf und füllt Unrat hinein - ein Schicksal, das auch Kindern droht, die in der Dunkelheit noch draußen umherlaufen.
Außerhalb der Wintersonnwendzeit zieht sie mit ihrem Gefolge, den Heimchen, umher. Früher machte sie, mit der Zustimmung der Menschen, das Land fruchtbar, aber diese Einigkeit zerbrach, und die Frau Percht musste das Land verlassen. Da sich die Perchta auch um die ungetauften, namenlos verstorbenen Kinder kümmert, zieht sie in manchen Erzählungen nicht mit Heimchen, sondern mit kleinen Kindern umher.
Quellen:
Bommel, Petra (Hg.): Perchtenbrauch in Bayern.Masken, Trommeln, Gesang und Tanz – Macht und Zauber. Kirchseeon b. München 2004.
Wer sich eingehenden mit den Perchten, der Rauhnacht und der Frau Percht befassen möchte, dem sei folgene Homepage ans Herz gelegt: perschten.de - die Seite der "Perschten von Soj". Dort findet sich nebst einiger interessanter Artikel zu Thema Perchten auch ein aktueller Laupflan der Kichseeoner Perchten und eine schöne Bildergalerie!
Ich möchte euch auch mein Lieblings-Rauhnacht-Gedicht nicht vorenthalten - natürlich auf bayerisch:
D‘ wuide Jagd
Wann’s draußen wedert und schneibt
Und da Wind jagt an Schnee,
daß koa Graserl mehr bleibt
Für de Has’n und Reh,
Und so finster kimmt d’Nacht
Und da Hund sträubt sei Fell,
Weil vor’m Fenster wer lacht
Wiar am Gankerl sei Gsell,
Nacha woaßt aa scho gnua:
Geh koan Schritt mehr vor’s Haus
Und mach d’Fensterlädn zua
Und lösch d’Lichta gschwind aus!
Dauerts nimma lang,
Nacha hörst, wia wer ächzt,
Und es werd da so bang
Und an Rab hörst, der krächzt.
Und na donnerts daher,
Daß di’s Grausen opackt
Wia des wuid-wuide Heer
Üban Tannawald jagt!
Halt de mucksmäuserlstaad
Und an Weichbrunn nimm schnell!
Aber kimm fei ne z’spaat
Sinst waars gschehng um sei Seel!
Wiehern Roß, wiehern Gäul
Und de Jaaga, deselln
Is koa Dachfirst ned z’steil
Daß s’net ummi rebelln!
Auf oamoi is a Ruah –
Und so leicht werd da glei
Und balds d’iatzta auf d’Uhr
Schaugst, is’s Zwölfe vorbei!
- Herbert Schneider
Quelle: Bayerische Rauhnacht. Hg. v. der Perschten-Stiftung, Kirchseeon 2008.
Gibt es in euren Gegenden auch solche schön-schaurigen Bräuche und Geschichten?